"Heute stirbst du nicht, Artorius...".
Ja, immer wieder murmelte sich Reatinus diese Worte zu. So auch in dieser Situation, als er hinter seinem Scutum Deckung vor den Steinen suchte, die zuhauf auf die Legionäre niederprasselten. Diese Worte gaben im Kraft, beruhigten ihn und ließen ihn einen kühlen Kopf bewahren. Die beruhigende Wirkung war ihm am Wichtigsten. Es klappte einfach immer und überall. Und wer die Ruhe hatte, hatte die Kraft, über seinen eigenen Schatten zu springen, war Reatinus´ Überzeugung.
Urplötzlich verstummte das Scheppern auf den Schilden, welche die Steine hervor riefen. Der Optio ergriff die Gelegenheit, um flüchtig über die Testudo hinaus zu spähen und sich ein Bild über die Lage zu machen. Auf einmal war niemand mehr zu sehen. Waren es doch keine Waldräuber, sondern etwa Gespenster? Waren sie vielleicht tatsächlich auf die berüchtigten Furien oder andere bösartige Geisterwesen gestoßen? "Ach, was für ein Abgerglaube...", beruhigte sich Reatinus. Trotzdem fiel er manchmal darauf rein. Man konnte ja nie wissen, was für Gestalten auf der Welt wandelten.
Zu schön um wahr zu sein war die Vorstellung mit den Gespenstern. Auf einmal ertönten unzählige Schreie aus dem Wald, welche einem durch Mark und Bein glitten. Haarige, wilde... Bestien stürmten auf die Soldaten zu. Doch sie waren letztlich verzweifelt und hatte keine andere Wahl, als einen aussichtslosen Kampf zu beginnen. Der Angriff aus dem Hinterhalt war ihr einziger Vorteil. Den konnte man doch irgendwie zunichte machen...
Die Testudo wurde vom Centurio aufgelöst. Er reagierte rechtzeitig, denn jetzt war die Zeit gekommen für den blutigen Kampf. So schnell wie sie da war, verschwand die nützliche Anti-pfeil-formation. Es würde schwer werden, in dieser Lage überhaupt zusammen zu bleiben. Angriffe von allen Seiten, von Männern, die bedrohliche Äxte schwangen und im Moment nichts anderes als das Töten im Sinn hatten.
Reatinus musste nicht lange auf seinen ersten Feind warten, der völlig unbedacht seiner eigenen Sicherheit Angriff. Ein lauter Kampfschrei ertönte, doch Reatinus ließ sich nicht einschüchtern. Er stellte sich einfach vor, dass nichts dahinter steckt. Das wäre schön gewesen, wenn es wirklich so wäre. Der Optio hatte große Mühe, standzuhalten, denn der Räuber schwang seine Axt schnell und mit kräftigen Hieben. Geduldig wartete Reatinus, bis er sich verausgabte, doch es war eine Herausforderung, die Schläge zu blocken. Ein Schlag nach dem anderen schepperte auf des Optios Scutum. Das Scutum war wohl Qualitätsarbeit. Obwohl mehrere Schläge das Material durchbrachen, hielt das schützende Schild stand. Der Räuber geriet ins Schwitzen und wankte, konnte nicht mehr lange. Bis Reatinus nun seine Chance sah. Die Schlage waren langsam und schwach geworden. Keuchend hörte Reatinus´ Gegner auf zu kämpfen und kam kurz zur Ruhe. Er war überströmt mit Schweiß von der Anstrengung und in der Annahme, Reatinus wäre zu ernsthaften Schaden gekommen und könne nicht kontern. Schnell wie ein Schlangenbiss bohrte sich Reatinus´ Gladius in den Hals des verausgabten Plünderers und führte dem Räuber seinen tödlichen Fehler vor Augen. Mit einem schmerzerfüllten Gurgeln und Röcheln fiel er zu Boden. Er nahm nichts mehr wahr. Nicht einmal seine Kameraden, die kämpften und ebenfalls fielen. Der Mann verstarb innerhalb einiger Sekunden mit offenen Augen. Warscheinlich wusste er nicht einmal, was seinem Leben ein Ende setzte. Tragisch, dachte Reatinus. Doch er war Soldat, und das gehörte zu diesem Beruf dazu. Außerdem waren es Räuber und Wilde. Sie haben schon zuhauf getötet und hätten ihrerseits nicht bei Reatinus gezögert... obwohl Reatinus schon so manchmal töten musste, empfand er es als schrecklich. Immer und immer wieder.
Weiterhin auf alles gefasst ging Reatinus in Stellung...