Zitat
Original von Helvetia Severina
Severina musste leise lachen, als sie Milos Geständnis hörte, die ihn als Nicht-Musiker auszeichnete. "Aber das macht doch nichts. Ich bin dafür äusserst unbegabt, was das rhetorische betrifft. Mein Rhetor hat immer sehr viel gelitten mit mir. Deswegen könnte ich mich auch nie für ein Amt bewerben, wie all die anderen Frauen. Ich habe einfach zuviel Angst vor Publikum." Ihre Schüchternheit und ihre Probleme, auf Menschen zugehen zu können, hatte er sicher schon bemerkt, musste er bemerkt haben. Nur jetzt mit ihm war es gerade irgendwie anders.
Milo musste schmunzeln, legte demonstrativ nachdenklich die Hand an sein Kinn, lehnte sich leicht zurück und musterte die junge Frau von Kopf bis Fuß. Am Ende seiner Betrachtung angelangt schüttelte er entschieden den Kopf.
"Nein, tut mir leid. An mangelnden Interessenten kann es nicht liegen. Ich bin mir sicher, dass dein Vater vielmehr eine sorgfältige Auswahl vornimmt, in Bezug auf deine Bewerber."
Er lächelte und nahm wieder eine lockere Haltung ein.
"Roms Männer müssten taub und blind sein, wenn sie eine ebenso schöne, wie auch intelligente und unterhaltsame junge Dame wie dich verschmähten."
Mit einem verschmitzten Augenzwinkern versuchte Milo das Kompliment ein wenig zu entschärfen, ließ durch seinen Tonfall aber auch keinen Zweifel daran, dass es dennoch ernst und aufrichtig gemeint war.
"Nein, auch ich bin noch ungebunden. Mein Vater verbringt die meiste Zeit auf Sardinien und scheint momentan keine großen Anstalten zu machen, mich mit irgendeiner wildfremden Patrizierin verkuppeln zu wollen. Also nutze ich die Zeit bis dahin und genieße mein Leben. Der Ernst des Lebens kommt früh genug. Vielleicht habe ich aber auch das große Glück mir meine Gefährtin selbst aussuchen zu dürfen. Sofern sie einer guten Familie entstammt und die Verbindung vorteilhaft ist, sehe ich nicht was mein Vater für Einwände haben sollte. Wer weiß... Vielleicht meint es Fortuna tatsächlich gut mit mir und sie läuft mir eines Tages über den Weg" lächelte er etwas schief.
Allzu groß waren Milos Hoffnungen in Bezug auf eine freie Auswahl nämlich nicht. Auch wenn sein Vater kaum Interesse für ihn zeigte, argwöhnte er, dass jener in dieser speziellen Frage trotzdem ein gewichtiges Wort würde mitreden wollen. Ein gerissener Politiker war der Senator auch aus seiner Abgeschiedenheit heraus noch immer. Die Möglichkeit einer vorteilhaften Verbindung seiner Familie zu einer anderen würde der sich kaum entgehen lassen. Sonderlich groß würde Milos Auswahl somit wahrscheinlich nicht sein und er würde wohl von Glück reden können, wenn ihm überhaupt eine Wahl gelassen würde. Severinas Begeisterung für ihren Vater riss Milo wieder aus seinen Grübeleien und brachte ihn zum Lächeln.
"Helvetius Tacitus ist dein Vater? Ihn habe ich tatsächlich bereits im Rahmen seines Wahlkampfes auf der Rostra angetroffen. Er machte einen erfrischend konstruktiven Eindruck im Gegensatz zu den meisten anderen Kandidaten. Ich bin schon sehr gespannt auf seinen Abschlussbericht. Seine beeindruckenden Ludi Apollinaris haben wir ja schon erleben dürfen. Du kannst mit Recht stolz auf ihn sein."
Er nickte anerkennend. Sein Bild vom amtierenden Aedilis Plebis war zwar noch nicht vollständig, fiel bislang jedoch durchweg positiv und vielversprechend aus. Severinas leises Lachen auf sein 'Geständnis' hin fing Milos Blick wieder ein, der sich daraufhin ein weiteres Mal fasziniert in ihrem Mienenspiel verfing. Er atmete betont erleichtert auf und sah ihr lächelnd in die Augen.
"Es tut mir leid, dass ich dich gerade in Bezug auf die so ehrliche Disziplin der Musik enttäusche. Um meinen großen Fehler ein wenig auszugleichen will ich mich jedoch sehr bemühen, dich auf dem Gebiet der Rhetorik nicht durch Lügen zu täuschen oder meine Unwissenheit zu verschleiern, wie du es befürchtet hast."
Milo richtete sich zu besonders gerader Haltung auf und nickte mit ernster Miene, als liefere er gerade ein wichtiges Versprechen ab.
"Die Angst vor dem Publikum verspürt im Übrigen wohl fast ein jeder" lächelte er wieder. "Vor allem erfahrene Redner kennen dieses Gefühl nur allzu gut. Es wird mit zunehmender Erfahrung schwächer und mag bei sehr wenigen auch ganz verschwinden. Doch das Publikum ist einfach wichtig für einen Sprecher und die Launen des Volkes können äußerst unberechenbar sein. Es gibt eigentlich nur eines, was man dagegen tun kann. Man muss mit der Zeit lernen, seine Angst unter Kontrolle behalten und mit ihr leben, auf dass man sie beherrscht und nicht umgekehrt. Auf solche Weise kann diese Angst sogar sehr hilfreich sein, da sie uns schon in der Vorbereitung der Rede besonders aufmerksam und vorsichtig macht. Gerade bei wichtigen Anliegen oder sehr delikaten Themen kann das von großem Vorteil sein. Du siehst also, dass du dich nicht dafür schämen musst" lächelte Milo aufmunternd und sah kurz über das Marsfeld. An manchen Stellen schien bereits etwas Bewegung in die Menschen zu kommen und er mutmaßte, dass sich die Parade allmählich in Gang setzte oder sich gar schon näherte.