Beiträge von Titus Flavius Milo

    Milo nickte nachdenklich mit dem Kopf. Es war schon etwas länger her, dass er selbst aktiv an einem größeren Opfer oder einer Zeremonie teilgenommen hatte. Er wusste, dass sein Großcousin Gracchus im Cultus Deorum tätig war, hatte diesen jedoch noch nie in Aktion erlebt und auch nicht von solcher Trägheit sprechen hören. Doch ahnte Milo, dass man dies wohl erst in den höheren Rängen wirklich wahrnahm und Gracchus zu sehr mit seinem alltäglichen Dienst beschäftigt sein musste. Da ein solches Verhalten jedoch den meisten Gremien in unterschiedlichen Ausmaßen anzuhaften schien, verwunderte es ihn nicht über Gebühr.
    "So lange die Priester ihren Dienst weiter zuverlässig tun und sich um die Gunst der Götter bemühen, wird diese Trägheit wohl hoffentlich keinen allzu großen Schaden anrichten. Im kommenden Monat werden wir wohl auch wieder die Ludi Apollinares feiern. Der bislang gewählte Aedil versprach zumindest in seiner Wahlrede, sich dessen anzunehmen. Ich bin gespannt, ob sie an die fantastischen Spiele der vergangenen Aedile heranreichen. Die Quinquatrus Minusculae sind in diesem Jahr wohl etwas kleiner ausgefallen. Hat es damit eigentlich eine besondere Bewandnis?"

    "Salve" nickte auch Milo dem Mann zu, den er von einem Gespräch auf der Rostra wiedererkennt. Er sah großmütig darüber hinweg, dass dieser nur den Septemvir begrüßte. Da er keine weiteren Anstalten machte, sich in die Unterhaltung einzumischen, führte Milo diese mit Victor fort.
    "Wie auch Cicero schon sagte - O tempora, o mores! Wenn die Politiker sich nicht bald wieder auf angemessene Umgangsformen besinnen, dann sehe ich schwarz für unseren Cursus Honorum. Dieses inhaltlose Gerede, was sich allein an der Popularität im Volke orientiert, ist eines ehrenhaften Amtsträgers schlichtweg nicht würdig. Es reicht voll und ganz, wenn solch ein Vorgehen zum Handwerkszeug der Volkstribunen mutiert. Den betreffenden Wahlkampf habe ich im Übrigen zur Gänze gemieden. So du dich für die dortigen Vorfälle interessierst, wirst du dich anderweitig informieren müssen."
    Milo trank von seinem Wein und dachte die besprochenen Geschehnisse noch einmal kurz nach. Er schüttelte missbilligend den Kopf und entschied sich dann für einen Themenwechsel. Mit einem Septemvir hatte er schließlich ein hochrangiges Mitglied des Cultus Deorum vor sich, was ausgenutzt werden musste.
    "Doch wie steht es mit dem Kult der Götter in Rom? Habt ihr mit den gleichen überflüssigen Problemen zu kämpfen, wie in der Politik? Arbeiten die Gremien zuverlässig wie immer?"

    Das Verhältnis seines Vaters zu der Aurelia nahm er stillschweigend und ohne auffällige Reaktion hin. Seine Vermutungen sah er mit dessen Reaktion eindeutig bestätigt. Milo nickte bedächtig. Eine Wachstafel hatte er hier natürlich nicht dabei, doch die Anweisungen bezüglich der Erbangelegenheit würde er sich problemlos trotzdem merken können. Er verzog keine Miene angesichts dessen, dass er selbst nicht an dem Erbe beteiligt wurde. Zwar gefiel ihm diese offensichtliche Zurückweisung mitnichten, doch hatte er am Anfang seiner Karriere ohnehin kein direktes Interesse an dem betroffenen Besitz. Er merkte dennoch sehr wohl, dass er am Verhältnis zu seinem Vater noch würde arbeiten müssen. So antwortete Milo nur noch auf die letzte Frage.
    "Ja, ein Anliegen habe ich tatsächlich noch. Es handelt sich wohl eigentlich nur um eine Formalität und scheint durch die Natur ohnehin vorgegeben. Ich würde mir wünschen, dich nicht nur als meinen Vater, sondern auch als meinen Patron bezeichnen zu dürfen. Ein anderer käme dafür kaum in Frage. Erweist du mir diese Ehre?"
    Sein Blick glitt ab zu dem schönen Ausblick, welchen sein Vater von hier aus genoss.

    Auch Milo nickte dem fremden Mann zu und hob seinen Becher grüßend in dessen Richtung. Er kam ihm nicht bekannt vor, erkannte jedoch, dass dieser aus gutem, patrizischem Haus zu stammen schien. Dann wandte er sich wieder dem Septemvir zu, welcher seine Ansichten erfreulicherweise zu teilen schien. Nach dem, was er alles auf der Rostra gehört hatte, hatte er sich schon nahezu allein gewähnt mit seiner Meinung.
    "Es war wirklich nicht mehr feierlich. Beide kannten nur noch dieses eine Thema und hatten sich dabei komplett auf ihren jeweils eigenen Standpunkt versteift. Anstatt eine gesittete und konstruktive Diskussion zu führen wurde gehetzt und beleidigt. Keine Spur von echter römischer Gravitas und Dignitas war zu sehen. Es ist beschämend, dass ich dies ausgerechnet über die Kandidaten zum Aedilis Curulis sagen muss. Keiner von beiden wich auch nur einen Digitus von seiner Position ab und es war kaum möglich, sie zu anderen Themen zu befragen. Nun denn, die Wähler haben es ihnen wohl glücklicherweise vergolten."
    Er trank einen Schluck und ging in seiner Erzählung nun zu den weiteren Ereignissen während des Wahlkampfes über. Milo hatte genug Zeit und sah keinen Grund, weshalb er sich nicht auf dieses Gespräch einlassen sollte.
    "Allerdings gibt es noch ein weiteres Ausmaß, in das dieser Streit nun ausgeufert ist. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Vorfall in direktem Zusammenhang steht. Doch gab es eine weitere Kandidatur einer Frau, in deren Rahmen es zu einem Eklat kam. Artoria Medeia kandidierte für die Quaestur. Noch während sie sich auf der Rostra erklärte, trat plötzlich ein unbekannter Mann zu ihr und stach sie nieder. In dem Durcheinander und der Aufregung konnte er leider nicht gefasst werden. Ich weiß nicht, ob dies etwas mit den Gegnern der Frauenrechte zu tun hat. Zumindest haben sie diese Tat nicht öffentlich verurteilt, was aber nichts heißen mag. Wie dem auch sei, wurde Artoria dennoch zur Quaestrix gewählt. Mit ihr obsiegten auch die restlichen drei Mitbewerber Quintus Tiberius Vitamalacus, Marcus Matinius Metellus und Titus Petronius Varus. Tribunus Plebis ist nun Lucius Annaeus Florus, zum Aedilis Plebis wurde Caius Helvetius Tacitus gewählt und Gaius Prudentius Commodus wird die Praetur übernehmen. Du siehst, die restlichen Wahlergebnisse sind weniger spektakulär. Leider gab es nicht mehr Bewerber, als dass sich tatsächlich ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen hätte entwickeln können. Zumindest konnten einige wichtige Posten besetzt werden, was mir vorerst genügen soll. In Bezug auf das kurulische Aedilat ist noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden. Ich schätze, dass der Kaiser die Angelegenheit derzeit noch prüft, um anschließend eine sinnvolle Entscheidung zu treffen. Eine simple Stichwahl würde wohl kaum ein anderes Ergebnis bringen als das jetzige und wäre damit reine Zeitverschwendung. Vielleicht wird es eine Nachwahl geben, vielleicht überlässt man das Aedilat für diese Amtsperiode aber auch nur dem plebeischen Aedil. Nun, wir werden es sicher bald erfahren..."
    Milo nahm noch einen Schluck von seinem Wein und ließ sich den nur noch halbvollen Becher gleich nachschenken.

    Milo seufzte einmal aus tiefster Seele, als sich das Gespräch nun auf den vergangenen Wahlkampf konzentrierte. Noch immer konnte er nur den Kopfschütteln über das Verhalten einiger Personen auf der Rostra. Da sein Gesprächspartner jedoch nichts dafür konnte, wandte er sich nun diesem zu und nickte mit leicht gequältem Lächeln.
    "Ja, Schlammschlachten. Sehr erfreut, mein Name ist Titus Flavius Milo, und ich bin derzeit als Scriba des Aedilis Plebis tätig, so lange er noch im Amt ist."
    Er wusste, dass er mit diesem Posten meilenweit unter dem seines Gesprächspartners stand. Da er jedoch im Gegensatz zu diesem ein Patrizier war, sah er keine Veranlassung sich das vorerst anmerken zu lassen und behielt seine stolze Haltung bei.
    "Tatsächlich habe ich dem Wahlkampf aus Interesse beigewohnt und konnte so einiges beobachten. Das größte Spektakel gaben in diesem Jahr die Kandidaten zur Wahl des Aedilis Curulis ab. Auf der einen Seite stand Aurelius Antoninus mit seinen Bestrebungen die Frauen auf den öffentlichen Ämtern herauszuhalten und auf der anderen Seite gab es Tiberia Honoria, die selbstverständlich das Gegenteil anstrebte. Doch nicht genug dessen, dass dieser eine Wahlkampf dadurch völlig von denen das Amt betreffenden Inhalten abwich, wurden auch die anderen Kandidaturen primär von diesem einen Thema dominiert. Allein das tatsächliche Wahlergebnis zu erfahren brachte mir eine gewisse Befriedigung." lächelte Milo sichtlich erheitert. "Beide Kandidaten wurden nicht gewählt. Über das weitere Vorgehen von Seiten des Staates ist allerdings noch nichts bekannt..."
    Er winkte seinen Sklaven herbei, um sich von dem Wein nachschenken zu lassen. Ebenso bedeutete er diesem, den Becher seines Gegenübers falls notwendig aufzufüllen.

    Milo bemerkte einen weiteren Togaträger neben sich und schenkte diesem vorerst nicht mehr als einen beiläufigen Blick. Das Gesicht kam ihm nicht bekannt vor und auch darüber hinaus schien dieser keine auffallenden Standesabzeichen zu besitzen. Der Kommentar drang jedoch zu ihm durch, da ihn selbst gerade ähnliche Gedanken beschäftigten.
    "Wohl wahr..." kommentierte er das Gesagte und nickte in Richtung der feiernden Menschen. "Doch die meisten scheint dies glücklicherweise weniger zu bekümmern. Fortuna wird mit ihrem Feiertag sicher zufrieden sein. Und nach den ganzen Schlammschlachten während des Wahlkampfes auf der Rostra empfinde ich dies als einen besonders erfreulichen Anblick."

    Mit seinem Sklaven neben sich stand Milo auf einer Brücke über dem Tiber und blickte auf ein vorbeifahrendes Boot hinab. Er lächelte angesichts der darauf ausgelassen feiernden Menschen und ließ sich einen weiteren Becher Mulsum geben. Dieser war zwar schon etwas warm geworden, doch Milo war er lieber als das minderwertige Gesöff, welches nun an jeder beliebigen Straßenecke zu kaufen war. Auf dem Fluss waren zahlreiche mit bunten Blumen geschmückte Boote mit fröhlichen Menschen zu sehen und auch auf den Straßen drängte sich das Volk in ausgelassener Stimmung. Zum Ende der Amtszeit seines Vorgesetzten nahm Milos Arbeit bereits ab, so dass er sich sich diesen Nachmittag hatte frei nehmen können. Er lehnte sich lässig gegen das Geländer und beobachtete die Leute.

    Enttäuscht blickte Milo wieder zu den anderen Damen. Er mochte es exotisch, besonders die dunkelhäutigen Damen Afrikas sagten ihm zu und auch die Ägypterinnen mit ihrer bronzefarbenen Haut weckten sein gesteigertes Interesse. Mit den hellhäutigen Wesen aus den nördlichen Provinzen konnte er weniger anfangen. Schließlich entschied er sich für ein schwarzhaariges Mädchen, dessen Haut zumindest eine Nuance dunkler wirkte, als dies in den hiesigen Breitengraden üblich war. Er winkte sie zu sich heran und ließ sie neben sich Platz nehmen.
    "Salve. Wie ist dein Name?" lächelte er sie freundlich an.

    Milo nickte erfreut und nahm an dem angebotenen Tisch Platz. Seine Wahl hatte er noch nicht ganz getroffen, obwohl das 'Objekt' seiner vormaligen Untersuchung ihn schon einigermaßen angesprochen hatte. Doch er wandte sich noch einmal an den Betriebsleiter.
    "Habt ihr vielleicht auch etwas dunkelhäutiges im Angebot?"

    Milo lauschte den Aussagen über die von ihm besuchte Dame, hegte er doch einige Vermutungen bezüglich ihrer scheinbar so besonderen Beziehung zu seinem Vater. Die vagen Aussagen des Aedils schienen dies zu bestätigen und er nickte bedächtig.
    "Man lernt interessante Charaktere kennen bei dieser Arbeit. Es ist faszinierend zu beobachten, wie unterschiedlich die Menschen auf solche Dinge reagieren und wie sie sich einem Beamten gegenüber geben. Vermögen hat eben einen ganz besonderen Einfluss auf die Handlungsweise der Leute."
    Milo deutete ein wissendes Lächeln an und ließ das Thema dann fallen.
    "Ja, mein Besuch bei den Vestalinnen war von überaus ungewöhnlicher Natur. Es dauerte lange, bis ich eine Vestalin antraf, die mir meine Fragen beantwortete. Ich erkundigte mich nach dem Vorhandensein der besprochenen Testamente, woraufhin sie sich auch sogleich in das Archiv begab, um dies zu überprüfen. Sehr merkwürdig war dann das Ergebnis ihrer Recherchen. Zu den Namen auf meiner Liste gab es nämlich keinerlei Dokumente. Stattdessen brachte sie mir das Testament meines bereits verstorbenen Adoptivbruder Gaius Flavius Catus, welches meines Wissens längst vollstreckt wurde. Mehr konnte ich an dieser Stelle nicht herausbekommen. Eigenartig, nicht wahr?"
    Es interessierte ihn durchaus, ob dem Aedil dieses Ereignis ebenso sonderbar vorkam, wie Milo selbst.

    Milo schmunzelte und nickte bestätigend.
    "Ja, so verhielt es sich fast ausschließlich. Vor allem bei der Aurelia fiel mir dies auf. Doch vielleicht mag es daran liegen, dass sie eine Frau ist. Ich weiß es nicht. Dem Sergier zog die entsprechenden Rückschlüsse etwas schneller, wohl da der Verstorbene sein eigener Vater war. Merkwürdig war hier allerdings, dass er von mir noch darüber hinaus weitere Betriebe von anderen Verstorbenen zu kaufen wünschte. Bezüglich der flavischen Betriebe sprach ich zunächst mit meinem Bruder, welcher den Besitz wohl am liebsten sofort unter uns aufgeteilt hätte. Das war wohl ein ebenso merkwürdiges, wie aufschlussreiches Gespräch..."
    Er war sich nicht sicher, ob es ein Fehler gewesen war dies zu erwähnen, gegenüber einem Nicht-Mitglied der Familie. Doch nun war es heraus und schwerlich zurückzunehmen. So blieb Milo gelassen und vertraute darauf, dass der Aedil, den er als integren Mann kennengelernt hatte, diese Familienstreitigkeiten nicht nach außen weitertragen würde.
    "Doch auch zu den Umständen des jeweiligen Ablebens wurde ich häufig befragt. Bei dem Sergier ergab es sich, dass er durch mich vom Tod der Flavia Messalina Oryxa erfuhr, was einen erstaunlichen emotionalen Ausbruch verursachte. Da ich ihm seine Fragen nicht beantworten konnte, wollte er sich wohl noch einmal mit dir in Verbindung setzen."

    Milo fand die Rostra in den letzten Tagen überaus erheiternd. Er hatte große Mühe sich ein breites Grinsen zu verkneifen, angesichts der sich nun um das Ergebnis rankenden Dispute. So wurde er auch auf diesen Wortwechsel aufmerksam und mischte sich in entspannter Haltung ein wenig ein. Einen der Redner erkannte er vom Vortag wieder, als er bereits ein Wort mit dem Quaestor gewechselt hatte. Doch es war der ihm unbekannte Mann aus dem Volk, dem er zustimmen musste.
    "Das Problem liegt ganz genau so, wie es dieser Mann eben geschildert hat. Über den gesamten Wahlkampf hinweg hörte man von den betreffenden Kandidaten stets nur immer dieses eine Thema mit immer genau den gleichen Argumenten. Beide haben stur auf ihrem Standpunkt beharrt. Andere Inhalte, welche vielleicht mehr zu ihrem angestrebten Amt gepasst hätten, tauchten nur in geringfügigen Ansätzen auf und wurden nie lange diskutiert. Doch im Leben der Römer gibt es noch viele andere Dinge. Es ist eben nicht die alltägliche und größte Sorge unserer Bürger, ob die Frauen nun einige Rechte mehr haben oder weniger. Doch alles bis auf diese eine Frage fiel in diesem speziellen Wahlkampf ganz und gar unter den Tisch. Und dies ist vom Wähler nun honoriert worden. So sehe ich die Lage."

    Die Ergebnisse lagen zwar zusammengefasst und niedergeschrieben auf seinem Schreibtisch vor, doch Milo entschied sich natürlich für eine zusätzliche verbale Zusammenfassung, um dem Aedil das mühselige Lesen zu ersparen und zudem jeweils noch einige Anmerkungen zu machen.
    "Mein erster Gang führte mich in die Villa Aurelia, wo ich mit der ehrenwerten Aurelia Deandra sprach. Sie lässt dir übrigens herzliche Grüße ausrichten."
    Er konnte sich ein leichtes Schmunzeln bei diesen Worten nicht verkneifen.
    "Sie gab sich überrascht über das Ableben des Sarmaticus, gab letztlich jedoch dessen Vetter Flavius Aurelius Sophus als nächsten noch lebenden Verwandten an. Von einem Testament war ihr nichts bekannt und auch meine Nachfrage bei den Vestalinnen ergab hier nichts. Dieser Betrieb möge also an eben jenen Aurelier überschrieben werden."
    Milo hielt kurz inne, blickte auf die Notizen und fuhr dann fort.
    "Anschließend besuchte ich die Casa Sergia, in welcher ich den Sohn des Verstorbenen antraf. Er gab sogleich an, den Betrieb seines Vaters fortführen zu wollen, so dass in dieser Angelegenheit wohl kein Zweifel mehr besteht. Interessanterweise erkundigte er sich im Übrigen darüber hinaus noch nach weiteren Betrieben aus Hinterlassenschaften. Wie dem auch sei..."
    Er warf nun einen Blick auf die Angaben, welche er den Anweisungen seines Vaters Vilicus entsprechend gemacht hatte.
    "Als nächster noch lebender Verwandter der beiden betroffenen Flavier und mangels Vorhandenseins von Testamenten entschied mein Vater keinen der Betriebe für sich selbst zu behalten, sondern sie wie folgt aufzuteilen. Das Sägewerk möge Manius Flavius Gracchus übergeben werden, der Bauernhof geht an Aquilia Flavia Agrippina und das Weingut soll auf Caius Flavius Aquilius übergehen."
    Milo hielt inne und sah zu Macer auf. Seine eigene Meinung zu dieser Verteilung hielt sie zurück. Die Entscheidung war letztlich ohnehin getroffen und es gab nichts mehr daran zu rütteln.



    Flavia Messalina Oryxa
    * Villa Rustica Messalinae - Bauernhof an Aquilia Flavia Agrippina
    * Villa Rustica Messalinae - Weingut an Caius Flavius Aquilius


    Gaius Flavius Maximus
    * Sägewerk Flavia an Manius Flavius Gracchus


    Marcus Sergius Stephanus
    * sutrinum sergium an Spurius Sergius Sulla


    Quintus Aurelius Sarmaticus
    * Sarcinator Aurelia an Flavius Aurelius Sophus



    Vollkommen irritiert sah Milo den Redner an. Er blinzelte kurz, war er sich doch nicht ganz sicher, ob dieser eben tatsächlich ihn angesprochen hatte. Zur Sicherheit sah er sich flüchtig unter den Umstehenden um, die sich aber ebenfalls nicht angesprochen fühlten. Umso mehr verwunderte es Milo, dass der Mann überhaupt nicht auf das von ihm Gesagte einzugehen schien. Er grübelte, ob dieser seine Worte entweder nicht verstanden hatte, oder sie gar bewusst ignorierte. Schließlich nickte er zögerlich und beschloss es damit bei sich bewenden zu lassen.
    "Nun gut... Dieser Punkt ist sicherlich auch nicht von der Hand zu weisen. Dennoch beharre ich auf meiner Meinung, dass es hier in erster Linie um eine Wahl der Ämter des Cursus Honorum geht. Wir wählen hier nicht den Senat."
    Der schmeichlerische Wortwechsel zwischen den beiden Quaestoren behagte ihm sichtlich nicht und Milo zog sich lieber aus dem Gespräch zurück. Er nickte den Beteiligten zum Abschied zu. Der die Diskussion so belebenden Iulia Helena schenkte er sogar ein Lächeln und ein Augenzwinkern. Dann gesellte er sich wieder zu seinen Sklaven und setzte den Weg über das Forum Romanum fort.

    Milo starrte die andere Lupa zunächst eine Weile ziemlich unschlüssig an. Er seufzte schicksalsergeben und bat sie dann höflich, ihm ihre Hände zu zeigen. Den regulären Umgang mit diesen Frauen war er zwar gewohnt, doch diese intensive Untersuchung behagte ihm nicht so ganz. So untersuchte der Patrizier ihre Hände gründlich, jedoch zurückhaltend, wodurch die ganze Prozedur sich in die Länge zog. Ebenso verfuhr er mit ihren Füßen, bei denen er sich allerdings den ein oder anderen interessanten Blick in höhere Etagen nicht verkneifen konnte. Beunruhigende Beobachtungen machte er weder bei den Händen, noch den Füßen. Anschließend richtete Milo sich wieder auf, strich die Toga sporadisch glatt und nickte der Dame freundlich zu.
    "So weit, so gut. Wie sieht es mit den anderen Fragen aus? Läuse? Käfer? Ratten? Suchst du hin und wieder einen Medicus auf? Wäscht du dich regelmäßig und gründlich?"
    Sie antwortete ruhig und zur Zufriedenheit des Scriba. Daraufhin blickte dieser wieder fragend zum Aedil. Allmählich schien ihm der Feierabend und vor allem die dafür vorgesehene, verlockende Beschäftigung in greifbare Nähe zu rücken und ein leichtes Lächeln der Vorfreude trat auf sein Gesicht.

    Zufrieden nahm Milo zur Kenntnis, dass der Mann seinen argumentativen Fehlgriff eingestand und zurücknahm. Er nickte nachdenklich und erinnerte sich der darüber hinaus gesagten Worte.
    "Nun rufst du uns also dazu auf, die Kandidatin Tiberia Honoria nicht zu wählen und stattdessen dem Aurelier unsere Stimme zu geben. Du begründest dies damit, dass der Anteil der Frauen im Senat keinen weiteren Zuwachs nehmen soll. Dies ist eine Entwicklung, die ich in ihren Grundsätzen durchaus unterstütze. Doch übersiehst du dabei nicht, dass es nicht das Volk ist, welches die Senatoren wählt? Einzig und allein dem Kaiser obliegt es, einen verdienten Bürger als dieses Standes würdig zu erachten oder nicht. Ich halte es für einen großen, sogar sehr großen Fehler, die Ämter des Cursus Honorum nach solchen Kriterien zu besetzen. Wir wählen in diesem speziellen Fall einen Aedilis Curulis und keinen Senator. Wir sollten den Kandidaten wählen, welchem wir dieses Amt am ehesten zutrauen, welcher für dieses spezielle Amt die besten Voraussetzungen und das beste Programm mit sich bringt. Es geht nicht um die Frage der möglicherweise damit verbundenen Standeserhebung."

    Milo verfolgte die Unterhaltung schmunzelnd. Er fand es überaus amüsant zu beobachten, wie geschickt diese kluge Frau gegen einen gestandenen Politiker zu argumentieren wusste. Er ertappte sich sogar dabei, dass er ihr insgeheim in zahlreichen Punkten zustimmen musste. Glücklicherweise hatte er die Zeit des Wahlkampfes bereits zu nutzen gewusst, sich die ein oder andere Information über die Kandidaten und auch die noch im Amt befindlichen Magistrate zu Gemüte zu führen. So fiel ihm vor allem eine Bemerkung des Redners nun besonders auf und er konnte der Versuchung nicht widerstehen, auf diesen Punkt zu reagieren.
    "Quaestor, du sprichst einen interessanten Aspekt an. Wenn dem Volke für diese vier Ämter nur vier Möglichkeiten zur Auswahl stehen, dann ist laut deinen Aussagen nicht von einem Sieg durch Leistung auszugehen. Doch wie verhielt es sich im letzten Wahlkampf? Gehe ich nicht recht in der Annahme, dass sich auch damals nur vier Kandidaten fanden und eben diese auch tatsächlich gewählt wurden? Warst nicht du selbst einer von ihnen? Warst du nicht gar derjenige mit dem geringsten Stimmanteil? Steht es dir nun wirklich zu, noch vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses in solcher Weise über die zur Wahl stehenden Kandidaten zu urteilen?"

    Milo war sichtlich erleichtert, das verhängnisvolle Corpus Delicti wieder losgeworden zu sein. Er nickte auf Macers Frage hin.
    "Ja, es war alles in Ordnung. Das Lager war sauber, der Raum gut belüftet und auch die Öllampen standen am korrekten Platz. Außerdem gab es einen Badezuber, welcher allerdings auch frisch gereinigt schien. Ich fand nur noch ein Fläschchen Öl, welches eine etwas trübe Färbung aufwies. Ich stellte es jedoch gut sichtbar beiseite. Im Übrigen war es ein sehr... ansprechendes Zimmer."
    Er wischte sich die Handflächen unbewusst und auch etwas verlegen an seiner Toga ab und sah sich nach den restlichen Zimmern um.
    "Wo fahren wir fort?"

    Milo nickte mit dem Kopf und ging zum nächsten Raum voran. Er fand ein leeres, überaus luxuriös ausgestattetes Zimmer vor. Sofort wurde ihm klar, dass dieser Raum ihm persönlich schon einmal sehr zusagen würde. Die Wandgemälde waren ausgefallen und er verbrachte geraume Zeit mit ihrem Studium. Dann wandte er sich jedoch wieder seiner Arbeit zu. Als besondere Ausstattung verfügte der Raum über einen großzügigen Badezuber. Milo trat näher und stellte zufrieden fest, dass dieser einen frisch gesäuberten Eindruck machte. Er setzte seine Betrachtungen bei den Öllampen fort, ging dieses Mal jedoch gründlicher vor. Dennoch konnte er wieder keine Fehler entdecken und schritt nun zu dem großen Lager, welches ebenso reinlich wirkte, wie das in den anderen Räumen. Neben diesem Lager stand jedoch eine Truhe, die seine Aufmerksamkeit weckte. Milo öffnete sie vorsichtig und starrte höchst erstaunt hinein. Vorsichtig lehnte er den Deckel an die Wand und nahm einige Gegenstände nacheinander heraus, betrachtete sie kurz und legte sie dann wieder zurück. Ölflaschchen in den verschiedensten Formen und Farben waren darunter. Milo nahm die Flüssigkeiten genau in Augenschein und konnte nur eine einzige herausfinden, die einen etwas trüben Eindruck machte. Diese stellte er beiseite, um mit dem weiteren Inhalt der Truhe fortzufahren. Ein irritiertes Blinzeln machte seiner Überraschung Luft, als er einen langen Stab zu Tage förderte, welcher aus feinster Jade zu bestehen schien. Erleichtert stellte Milo rasch dessen Sauberkeit fest und legte ihn schnell wieder zurück. Es gab noch einiges mehr an solchen Exemplaren und nach der eben erlebten Pleite wagte Milo es nicht, auch nur einen davon nicht zu untersuchen. Nicht auszudenken, wenn der Aedil wieder einen Mangel finden würde, den er selbst übersehen hatte. Letztlich wurde er tatsächlich fündig, seufzte und erhob sich aus seiner knienden Position. Das Corpus Delicti vorsichtig mit nur zwei Fingern und auf sicherem Abstand haltend, wandte er sich um und trat wieder auf den Flur hinaus. Die Spitze des Objektes glänzte leicht und es war deutlich zu sehen, dass dieses seit dem letzten Gebrauch nicht ordnungsgemäß gereinigt worden war. Er ging dem Aedil entgegen, welcher soeben mit dem Leiter sprach, und räusperte sich dezent.
    "...Aedil?"
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren zeigte er seinen Fund vor.