Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Ein einzelne grünes Blatt glitt von dem Zweig eines Baumes, federleicht wirbelte es durch die Luft, drehte sich immer wieder herum um sich langsam auf die Oberfläche des kleinen Teiches zu begeben, zart erzitterte das Wasser bei der Berührung, ein Fisch glitt nach oben und berührte das Blatt mit seinem Maul, in der Hoffnung eine Fliege zu erwischen. Gerunzelter Stirn verfolgte Marcus den Fall jenen Blattes und blinzelte verwirrt, ob jener Situation. Oh, weh!, dachte sich Marcus, warum mußten ihn die Götter nur derart strafen, hatte er nicht schon genug an Ärger und schlimmen Dingen in den letzten Jahren gehabt, daß es erst mal reichte? Eine erzürnte, nicht sehr gnadenvolle Nymphe kam ihm da gar nicht Recht. Das Wasser erzitterte erneut und etwas durchbrach den glatten Spiegel des Tageslichtes. Marcus' Augen verfolgten die Bewegung der blasshellen Hand der jungen Frau, die das Wasser mit den Fingerspitzen durchbrach und die glatte Oberfläche aufwühlte. Einem feinen Schleier glich das Wasser, daß durch die Hand der Nymphe geschöpft wurde und wieder von ihrer Hand entfleuchen wollte; Marcus konnte es dem Element gut nachfühlen, wenn er nicht zu sehr in Sorge seines zukünftigen Jagdglückes gewesen wäre, womöglich hätte er doch einen taktischen Rückzug eingeschlagen, um jenen eiskalten, blauen Augen zu entgehen.


    Ein Starre zog über Marcus' Gesicht, jegliche Regung von Unbehagen und Verwirrung schwand mit einem Schlag und der Ausdruck wurde wächsern, wie bei einer Totenmaske. Seine Augen verloren einen Moment den sonst mehr leutseligen Glanz und an Lebhaftigkeit und sie versanken in der grünen Pracht des flavischen Gartens und in den Schatten der Bäume und Sträucher. Langsam verschob sich das Bild vor seinen Augen, eine Kline stand zwischen den schattigen Bäumen und eine junge Frau saß dort, ein liebliches Gesicht, zornig bis fröhlich blitzende dunkle Augen und der Trotz in ihrem Gesicht, der jedoch das Strahlen von ihr nicht überdecken konnte, seine kleine Cinilla. Es war das letzte Mal gewesen, daß er seine kleine Tochter dort gesehen hatte, bevor er aufbrach in den Krieg. Es tut mir sehr leid, daß Arrecina ins Elysium gegangen ist. Langsam schloß Marcus die Augen und lehnte sich gegen den Stamm. Immer noch weigerte er sich, diese Wahrheit an sich heran kommen zu laßen; es konnte nicht sein, nicht sein kleiner Goldschatz, Arrecina, die doch das blühende Leben war. Ein schmerzlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht ehe er langsam die Augen wieder öffnete und ausdruckslos auf den Teich richtete und auf die Nymphe. Bestimmt trieb sie ihren Spott genau deswegen mit ihm, um ihn noch mehr zu quälen - als unsterbliches Wesen wußte sie mit Sicherheit alles von ihm.


    „Meine Tochter!“
    Tonlos war die Stimme in jenem Moment, ein marginaler Hauch von Verzweiflung schwang in jenen zwei Worten mit, gleichwohl Marcus' Miene fern von Regungen war. Seine Tochter war ihm tatsächlich immer von je her sein liebstes Kind gewesen, selbst wenn er seinen Sohn aufrichtig und ehrlich in seinem Herzen trug, so war Cinilla immer sein kleiner Sonnenschein gewesen, sein Ein und Alles, über die er hüten und wachen wollte...wobei er versagt hatte. Immer mehr troff das Gift der Erinnerung in sein Herz und krampfte es zusammen. Stumm starrte er die Nymphe an, fragte sich nicht einmal, was sie mit dem Wißen anstellen wollte und worauf die Frage abzielte.

    Senatorischer Tribun beinhaltete irgendwie den kleinen Hacken Senator, zudem folgte darauf Tribun und eine Kombination von Beiden war für einen Berufssoldaten, wie es Marcus nun mal war, schon ein kleiner Graus; er zuckte mit der Schulter und grinste schief, der Annaeer war ja ein sehr angenehmer Zeitgenoße, zudem ein höflicher und bemühter Tribun gewesen, aber in den letzten Jahren hatte Marcus schon einige Volltrottel erlebt, die glaubten, nur weil sie eine Rüstung bekamen, könnten sie jetzt auch kommandieren, ob er so angesehen werden wollte? Und eine Legion übernehmen? Über so eine Möglichkeit hatte Marcus noch nie nachgedacht, grübelnd sah er Imperiosus an und dachte darüber nach, ob er denn dafür geeignet war eine ganze Legion zu kommandieren. Dabei nahm er immer ein Happen von der cena zu sich.


    „Vielleicht...“
    , antwortete Marcus etwas unbestimmt und dachte noch mal einige Herzschläge lang darüber nach.
    „Na, mal schaun, was die Parzen mit mir vor haben, irgendeinen Grund werden sie schon haben, warum das alles gekommen ist. An Zufall glaube ich nicht.“
    Marcus nickte kurz als Imperiosus das mit seiner Frau erwähnte, Frauen konnte ja auch so schrecklich nachtragend sein, erinnerten sich noch an die kleinsten Unstimmigkeiten von vor Jahren, die man selber schon lange begraben und vergeßen hatte, wie war das dann erst bei solchen Angelegenheiten? Marcus war ja sehr froh, daß Epicharis da ganz anders zu sein schien, aber Epicharis war ein leuchtender Stern mit einem sonnigen und fröhlichen Gemüt, so erschien es Marcus zumindest.
    „Und? Hast Du noch andere Dinge vor hier in Rom neben Akademie und Familie? Ein wenig das Vergnügen suchen?“

    Die casa der Decimer zu sehen lockte Marcus freilich, aber eigentlich mehr die vage Vorstellung, einer gewißen holden Weiblichkeit dort zu begegnen, da er ja a. nicht wußte, daß sie bereits verheiratet war und b. noch nicht mal in Rom weilte, sondern fern auf dem Land, etwas, was er jener Frau gar nicht zutrauen würde, die er doch mehr als eine Hauptstadtrömerin einschätzte. Aber in die eigenen vier Wände zurück zu kehren, darauf hatte Marcus wenig Lust, davon hatte er in den letzten Tagen doch etwas zu viel bekommen. Der Vorschlag mit den Thermen klang eigentlich ziemlich gut, zwar hatte der medicus es ihm nicht wirklich erlaubt...aber da war er nun schon wieder in Rom und in Reichweite der wunderbarsten Thermen der Welt und durfte die Genüße noch nicht in Anspruch nehmen? Nein, das sah Marcus ganz gewiß nicht ein.


    „Die Thermen klingen doch gut. Und Zeit habe ich momentan in Maßen!“
    Marcus zuckte mit der Schulter und hob sein verletztes Bein etwas an.
    „Ich wurde beurlaubt, bis meine Verletzung ausgeheilt ist.“
    Suchend reckte Marcus den Kopf, bis er einen der Sklaventräger erspäht hatte, und winkte ihn heran, damit die Sänfte sich einen Weg durch die Menge zu ihnen bahnte.
    „Ich würde die Thermen des Agrippa vorschlagen, sie sind nicht so weit entfernt...“
    Zumindest nicht, wenn Marcus in der Sänfte den Weg hinter sich bringen konnte.




    SimOff:
    -->> Ich war mal so frei, den Thread in den Thermen schon zu eröffnen

    Regsam und lebendig war das Treiben in den Anlagen der Agrippa-Thermen, jenes Mannes, der maßgeblich am Sieg von Actium maßbgeblich beteiligt war und somit dem Imperium mit das Gesicht gab, was es heute trug. Die Sonne strahlte warm und angenehm auf die Schirmipinien herunter, die hier wuchsen und gediehen. Einige Römer eilten in ihren Badesandalen den Weg entlang und auf das große Haupthaus zu, in dem auch die Räumlichkeiten für die Umkleide lagen, das apodyterium. Einer der ersten Orte, die Marcus zuerst anstrebte, nachdem er sich mit Senator Decimus Meridius von den Märkten aufgemacht hatte, und sich von der lästigen tunica befreite und, ausgestattet mit den Badesachen, schließlich in die Thermen begab. Gleichwohl es ein wenig Mühe bereitete mit den Krücken, trotz der Hilfe des Sklaven, der ihn begleitete, fand Marcus den Vorschlag von Meridius von Moment zu Moment ausgezeichneter, ein wenig Entspannung konnte an einem solchen Tag nur gut tun und Gespräche in den Hallen der Thermen waren Marcus schon von je her am Angenehmsten gewesen. Und am liebsten begann Marcus das Vergnügen mit einer gehörigen Portion Schweiß, Schweiß ohne sich dabei anzustrengen wie auf dem campus.
    „Was meinst Du, sollen wir gleich ins caldarium uns begeben?“
    Auf eine Krücke gelehnt, richtete er die Frage an Meridius.

    Eine kleine Schar von Tauben ließ sich vor einer alten Frau nieder, die auf einem Mauervorsprung saß und die Vögel mit Körnern aus einem linnen Sack fütterte. Ihre getrübten Augen glitten immer mal wieder über die Menge von Menschen, die auf die Tiberinsel eilten und ihren Geschäften oder Beschäftigungen nach gingen. Eine Katze trollte sich an den Ständen vorbei und sträubte ihren Schwanz als ein Händler ihr einen Tritt verpassen wollte. Laute Stimmen von einigen der Votivhändler tönten über den Platz und versuchten die Römer und Ausländer, Sklaven und sonstige Kaufkräftige anzulocken. Eilig und entschuldigend hob der Händler – der schließlich seine Ware an den Mann bringen wollte – seine beiden Hände beschwichtigend in die Höhe. „Neeein, nein, nein...wie käme ich nur auf diesen aaabwegigen Gedanken?“, setzte der Händler eilig nach. Schließlich wollte der Mann keinen potentiellen Kunden verlieren, da reichte schon ein falsches Wort und die Konkurrenz schnappte ihm den Mann weg, wie die Hyänen, die sich auf die Beute eines Löwen stürzten. „Ah so ist das...natürlich, Dein Freund...ich verstehe!“ Der Händler zwinkerte verschwörerisch. Gleich darauf klatschte er in seine Hände. „Ah, ein Hochzeit, welch ein freudiges Ereignis!“ Aalglatt und etwas schmierig lächelte der Händler und nickte zufrieden, na, den Fisch hatte er doch an der Angel, denn das Angebot lockte ihn eindeutig.


    „Wunderbar, einem aufgeregten Bräutigam mache ich doch mit großer Freude ein solches Angebot, auch wenn es mich einiges an Gewinn kostet...“ Was glatt gelogen war. „Dann denke ich, folgendes wäre von Vorteil für den Zweck von Di...ähm...Deines Freundes...ein Opfer an Faunus, für die Fruchtbarkeit und Manneskraft mit diesem Votiv hier!“ Er deutet auf den Phallus. „Dann für Faunus noch die Kekse und einige Körner als weiteres Symbol der Fruchtbarkeit. Für Aeskulap kann Dein Freund natürlich noch mal ein ähnliches Opfer darbringen oder für ein anderes Wehwechen den Segen der Götter erbitten.“ Bei Feiern und Festivitäten war in seiner Branche immer viel heraus zu schlagen, darum rieb sich der Händler schon innerlich die Hände. „Zudem...für die Hochzeit, hat Dein Freund schon ein Opfer? Ich hab einen Vetter, der hat die besten und reinsten Opfertiere der Stadt, eine litatio ist somit so gut wie garantiert.“ Was auch immer ein wenig an den Priestern lag, welcher Priester wollte sich schon die Spende verderben und eine Hochzeit ruinieren. „Und wenn ihr sagt, dass ich euch geschickt habe, dann wird mit Sicherheit ein guter Preis für ein Lämmchen oder eine kleine Sau heraus springen.“ Und eine Provision für ihn selber.

    [SIZE=3]Ah, er entfernt sich so langsam vom Alter eines Milchbartes ^^[/SIZE]


    Sparsus, Glückwunsch zum Geburtstag und alles Gute* für Dich.




    [SIZE=2]* Jetzt wo der 13 Jahre lange Kinder- und Jugendknast weg gefallen ist, wird das mit dem alles Gute bestimmt auch werden.[/SIZE]

    Einige Kinder in braunen oder beigen Tuniken streunerten an den Ständen vorbei, mißtrauisch beäugt von den Händlern, die in den Kindern potentielle Diebe sahen, vielleicht hatten sie auch nicht Unrecht, denn einer der Jungen mit dichten schwarzen Locken und einer schorfigen Wunde an der Wange streckte in einem – scheinbar! - unbemerkten Augenblick die Hand aus und ließ eine kleine Statuette unter seiner Tunika verschwinden. Auch an dem Händler, zu dem Cassim treten sollte, kamen sie vorbei, derdie Kinder argwöhnisch taxierte und dann einen der Jungen zurück stieß, der sich näher an seine Waren heran machen wollte; so trabten die Kinder noch ein Stück weiter. Geschäftswitternd sah der Mann gleich zu Cassim und ein nichtssagendes, professionelles Lächeln trat auf sein Gesicht, das von der Sonne tief gebräunt war und worin sich schon einige Falten wie Täler zwischen Schluchten eingegragen hatten. Braune Augen blitzten gierig auf und der Händler vernahm mit Freude, dass Cassim tatsächlich bei ihm einzukaufen gedachte.
    Salve, salve!“
    , grüßte er.
    „Ein Opfer? An Faunus? Dann bist Du ganz genau an der richtigen Adresse bei mir! Um welche Art des Opfers handelt es sich denn? Soll es dem Segen der Erde entsprechen? Soll das Vieh sich wie die Kanikel vermehren? Oder ist es gar Deine...“
    Der Händler zwinkerte verschwörerisch.
    „...Deine Frau, die um den Segen der Fruchtbarkeit bittet? Vielleicht Du selber, der der Lustbarkeit frönen möchte? Wobei wir schon bei dem Dilemma um solche Dinge sind...“


    Der Händler drehte sich etwas zur Seite und deutete auf seine Auslagen.
    „...solltest Du auch gleich bei Aeskulap ein Opfer darbringen wollen, ich habe die schönsten Votivgaben weit und breit, der Segen des Gottes ist gleich gewiß. Plagt Dich ein Zipperlein? Macht das Kreuz nicht mehr mit...oder gar die Manneskraft? Für alles habe ich die paßende Gabe, damit der Gott der Heilkunst auch gleich Dein richtiges Wehwechen erkennt!“
    Einladend hob der Mann eine Votivgabe – aus Stein gemeisselt – die eindeutig phallusartige Formen aufwies.
    „Und teuer bin ich überhaupt nicht!“
    Ein weiteres Mal zwinkerte der Händler verschwörerisch und scheinbar vertraulich.
    „Und ich mache Dir...und nur Dir...ich muß sagen, Du wirkst auf Anhieb wie ein freundlicher Geselle...also nur Dir mache ich ein besonderes Angebot. Nimmst Du das Opfer für Faunus – wobei Du mir da noch sagen solltest, für welch einen Opferzweck - und diese Votivbeigabe, dann bekommst Du die Dinkelkekse heute umsonst. Na? Ist das nicht etwas?“

    Niemand war ungnädiger mit den eigenen Eltern als die Kinder, das wußte Marcus allzu gut selber, er nickte noch einmal auf die Worte von Imperiosus hin; irgendwann würde sich das mit seinem jüngsten Sohn – war Menas der Jüngste? - sicherlich noch einrenken – da war Marcus recht optimistisch, wie bei vielen Dingen im Leben, gerade wenn es nicht ihn betraff, wo mehr die düsteren Gedanken in den letzten Tagen vorherrschten. Hinwieder überkam Marcus auch ein Gefühl des Geschmeichelt- Seins, kombiniert mit einer Prise Verlegenheit, als Imperiosus derart das Vertrauen in ihn setzte; na, hoffentlich würde er seinen Mitcenturio nicht da enttäuschen, was Marcus gewiß nicht vor hatte.
    „Die CU hat viele gute Ausbilder!“
    , merkte Marcus an.
    „Dein Sohn wird sicherlich gut bei uns aufgehoben sein!“


    Die folgende Frage vor die ihn Imperiosus stellte, war nicht einfach zu beantworten, erst kürzlich hatte er die Nachricht vom medicus erhalten und war sich völlig unschlüßig, was er machen sollte, den Gang zu seinem Vorgesetzten hatte er auch noch nicht angetreten und schob es seit Tagen vor sich her. Er zuckte mit der Schulter, aß noch einen Bißen.
    „Ich weiß es nicht wirklich...meinen Verwandten...“
    Damit war in erster Linie seine Mutter gemeint, seinen Vettern war es mehr oder minder egal, ob er bei der Legion war oder woanders – so glaubte Marcus.
    „...aber auch meiner Verlobten wäre es wohl Recht, wenn ich in die Politik gehe...es sind ja auch bald wohl wieder Wahlen...aber ehrlich gesagt...ich tauge nicht als Politiker.“
    Da er immer von einem Fettnäpfchen ins Andere trat.
    „Und beim Militär bestehen für mich keine Perspektiven mehr...cultus deorum? Hm...ich möchte Rom nicht ins Unglück stürzen, indem ich die Götter verärgere mit meiner Unfähigkeit in dem Bereich.“
    Marcus grinste kurz und griff nach dem Essen, wenigstens war das noch eine Aufheiterung in den letzten Tagen.
    „Wirft Dir Deine Frau den Krieg vor?“

    Etwas mehr als zwei Wochen später:
    Donnergrollen überzog den Himmel von Rom und ein warmer Regenschauer ging über die Dächer der Stadt hinweg; schon den ganzen Tag hatte die schwüle Hitze die ewige Stadt zu einem unerträglichen Hexenkessel gemacht, in der man glaubte zwischen den Ausdünstungen der Stadt zu ersticken. Jetzt begann der Regen alles weg zuwaschen. Die Regentropfen praßelten auf das Dach des valetudinarium und klopften beständig gegen die geschloßenen Fensterläden. Einige Öllampen standen in dem Raum, in dem Marcus wartete, ihre Flammen tanzten hin und her und erleuchteten nur matt den Raum. Schon seit einer geschlagenen hora wartete Marcus dort und wurde immer ungeduldiger, doch er konnte kaum gehen, schließlich war er von dem Wohlwollen des medicus abhängig. Schließlich betrat besagter Arzt den Raum, einen capsarius im Schlepptau, den er stumm anwies, eine hölzerne Kiste neben den Regalen abzustellen; der Soldat verschwand schließlich, während der medicus noch einen Moment sich mit der Kiste beschäftigte; es schien, als ob die Minuten sich zu einer weiteren endlosen Ewigkeit hinzog, bis der Alte schließlich Platz nahm und sich Marcus zuwandte.


    „Schmerzen?“
    , fragte er ohne eine Einleitung. Marcus zuckte mit der Schulter.
    „Es geht!“
    , flunkerte er ein wenig, nur ein wenig, aber wenn er die richtigen Kräuter hatte, war es auch zu ertragen. Der medicus musterte Marcus skeptisch und erhob sich. Als das von Alterflecken gezeichnete und auch faltige Gesicht des Mannes sich ihm näherte, wich Marcus etwas nah hinten aus, doch die strengen Augen des Alten fixierten ihn genau, dann beugte er sich herunter zu dem Knie.
    „Beugen...Strecken...ist das ein Beugen? Aha.“
    Erneut ging die Untersuchung von vorne los, die Marcus mehr unwillig über sich ergehen ließ. Schließlich nahm der Alte wieder seine frühere Position ein und griff wie schon vor zwei Wochen nach einer tabula, um sich einige Notizen zu machen.
    „Du hast die Kräuter nicht genommen, die ich Dir gegeben habe!“
    „Doch, nat...“
    Centurio, eine Lüge macht es nicht besser!“
    Marcus verstummte.


    Der stylus drückte sich tief in das Wachs der Holztafel, Stille herrschte im Raum, bis Marcus erneut anfing, ungeduldig auf dem Stuhl herum zu rutschen.
    „Von wo hast Du es her?“
    „Was?“
    „Die Mixtur, die der medicus der Prima Dir verschrieben hat...Du nimmst das doch noch immer!“
    Ärgerlich zog Marcus seine Augenbrauen zusammen und erwiderte erst nach einer längeren Weile:
    „Von einem medicus, der in die villa Flavia kommt ab und an.“
    „Aha!“
    Marcus' Augen wanderten zu den geschlossenen Fensterläden; durch die schmalen Spalten zwischen dem Holz konnte er die grauen Regenschlieren erkennen.
    „Ich denke, wir sind uns beide im Klaren, was das bedeutet, centurio!“
    Schweigend wandte Marcus seinen Kopf dem Alten zu und sah ihn abweisend an.
    „Ich kann natürlich erwirken, daß Du in die Verwaltung versetzt wirst, centurio, schließlich bist Du in Deinem momentanen Zustand, gerade auch wegen dem, was Du zu Dir nimmst, nicht mehr für den täglichen Dienst tauglich.“
    Bitter bereute es Marcus, daß er zu dem valetudinarium gegangen war, aber wer konnte schon ahnen, daß sie es hier so genau nahmen. Der medicus lehnte sich zurück und ließ den stylus herunter sinken.
    „Aber es gäbe natürlich auch für Dich die Option einer ehrenhaften Entlaßung, als Patrizier...zudem stehen Dir doch sicherlich genug andere Optionen offen...als Patrizier!“
    Genug andere Optionen? Die Laufbahnen, die die Mitglieder seiner Familie anstrebten, für die glaubte er nicht zu taugen. Zorn, Resignation und Bitterkeit stiegen in Marcus auf, als er sich erhob.
    „Denke darüber nach, centurio, und leite am Besten die Schritte selber ein. Ich laße Dir eine Woche Zeit dafür!“
    Knapp nickend drehte sich Marcus um und verließ mit verschloßenem Gesicht das valetudinarium.




    [SIZE=7]- Ende an dieser Stelle -[/SIZE]

    Nachdem auch der kleine, lederne Geldbeutel verstaut war, konnte es los gehen; daß Cassim die Stadt noch nicht so gut kannte, war letztendlich auch nicht wichtig, Marcus kannte sich gut genug aus, um alle Wege zu finden, selbst so manch einen Schleichpfad war ihm bekannt, hatte er solche doch in früheren Jahren nutzen müßen, wenn er mit seiner Mutter in Rom zu Besuch war und er die Attraktionen der Stadt unbemerkt erforschen wollte. Somit stand dem Finden des kleinen Tempels, den er heute Abend aufzusuchen gedachte, nichts im Wege. Äußerlich gelaßen – wenngleich ihn die Anspannung wegen dem folgenden Tag immer mehr ergriff – machte sich Marcus auf und schlug sich auf die Straßen Roms. Zielsicher strebte er auf eine der nächsten größeren Straßen der Hauptstadt, um am Rande der Straße entlang zu gehen - Unrat und den Abfällen der Tiere auszuweichend, die in der Nacht die Wägen durch die Stadt gezogen hatten.
    „Um genau zu sein, werden wir sogar auf der Tiberinsel den Tempel besuchen.“
    , meinte Marcus schließlich; er war schon immer mehr ein redseliger Mensch gewesen und mochte es nicht, wenn zu lange Schweigen vorherrschte. Welchen Tempel, damit wollte Marcus jedoch noch nicht heraus rücken, das würde Cassim dann schon sehen. Für den Gott, dem er zu opfern gedachte, mußte jedoch auch noch auf der Tiberinsel – bei einen der Stände dort – das nötige Opferzeug gekauft werden, aber genug an Sesterzen hatte er ja dabei.


    Auch andere Römer und Bewohner der Stadt nutzten die gut ausgebauten Straßen von Rom, so daß es immer wieder zu Gedrängel kam, man größeren Gruppen ausweichen mußte – wie einem Zug von orientalisch anmutenden Gestalten, die kahlgeschorene Köpfe hatten, dunkle lange Gewänder trugen und in einer für Marcus unverständlichen Sprache vor sich her sangen und Kräuter in kleinen Messingschalen verbrannten. Doch dem schenkte er ebenso wenig Beachtung, wie einigen keifenden Frauen, dem Gebell eines Hundes, den unflätigen Worten einiger Männer oder dem Geschrei von einer Kinderbande, die sich rauften - das war die alltägliche Kulisse von der lebenden Hauptstadt. Schon erschien das breite Band des Tibers, der sich durch die Stadt hindurch wälzte, an manchen Stellen mit einer Böschung versehen, an Anderer wiederum fest bebaut. Einige Kähne trieben auf dem Fluß entlang und zudem war schon die pons cestius zu sehen, der Marcus entgegen strebte und auch überquerte. Auf der anderen Seite blieb er neben einem Maulbeerbaum stehen, der ihm etwas Schatten spendete. Er deutete auf einige der Stände, die dort aufgebaut waren im Schatten des großen Aeskulaptempels.
    „Kennst Du den Gott Faunus? Bei den Griechen auch als Pan bekannt?“
    Marcus wartete nicht auf eine Antwort, wenn Cassim ihn nicht kannte, würde er noch genug heute heraus finden.
    „Geh' zu dem Händler dort und kaufe die nötigen Dinge für ein Opfer! Und warte dann dort, ich komme gleich nach!“
    Aus dem kleinen Lederbeutel zählte Marcus einige Münzen ab, die er als angemeßen erachtete, und reichte sie an Cassim weiter. Schon strebte Marcus davon und in eine Seitengaße. Es war ein breit gebauter, groß gewachsener und etwas grobschlächtiger Händler, der an dem angewiesenen Verkaufstand wartete und scheinbar schon einen potentiellen Verkäufer witterte; er sah zumindest ungefähr in die Richtung des Parthers.

    Zu der Sorte sensibler Arzt gehörte der Grieche und alte Mann gewiß nicht, er schaute ungerührt und recht mitleidlos den bleichen Marcus an, der langsam Luft holte und schon seit geraumer Weile schwieg und die Nachricht in sich wieder hallen spürte. Dieses Mal erfaßte er sehr schnell die Konsequenzen: der Grieche konnte mit wenigen Worten seine gesamte Karriere ruinieren, sein Fortkommen - gab es das überhaupt? - im Militär beenden; und es sah so aus, als ob der Mann das auch vor hatte. Marcus' Schultern sackten herunter und er sank wie ein Häuflein Elend zusammen.
    „Dienstuntauglich?“
    „Für die Verwaltung würde es gehen...Rekrutierungsbüro oder sonstige, administrative Aufgaben.“
    Ein eisiger Schauer rieselte über seinen Rücken. Nein, die Verwaltung war sicherlich nicht sein Traum, dann könnte er auch gleich in dem zivilen Bereich tätig werden, da war die Aussicht auf ein Vorankommen noch größer als in einem Hinterzimmer der principia. Langsam schüttelte er den Kopf, guckte den alten Mann nicht an und fixierte einen Punkt vor sich, den er jedoch nicht genau sah. Er hörte das Schaben des Schreibstiftes auf der Wachstafel und schließlich ein kräftiges Räuspern.
    „Komm in zwei Wochen noch mal wieder. Ich sehe mir Dein Bein dann noch mal an. Bis dahin nimmst Du folgendes...“
    Und schon sortierte der Mann einige Kräuter hervor, mischte sie zusammen und gab sie Marcus mit. Schweigend und erschüttert verließ Marcus vorerst das valetudinarium.



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    Kinder und ihre Väter, es war doch im Grunde überall ähnlich, seine Tochter war auch nie glücklich mit dem gewesen, was Marcus für sie als richtig erachtet hatte, es wunderte ihn nicht, daß es bei Imperiosus und seinem Sohn ähnlich war; zudem konnte Marcus sehr gut nachvollziehen, warum Imperiosus sich derart entschieden hatte, er hätte es an seiner Stelle genauso getan.
    „Ich hätte meinem Sohn sicherlich selbiges verboten, wenn er einige Jahre älter gewesen wäre...aber auch, wenn er in seinen jungen Jahren schon auf die unsinnige Idee gekommen wäre; unerfahren und ohne eine längere Dienstzeit gleich in den Krieg zu ziehen ist einfach leichtsinnig.“
    Es gab so ein paar Kandidaten in der Prima, die das Wagnis auf sich genommen hatten, letztendlich hatten manche davon Glück gehabt, Andere davon wiederum nicht und wer wußte schon, wann die Götter den letzten Faden eines Sterblichen - der so viel Narratei besaß - durchschneiden würden?
    „Aber Kinder verstehen oft nicht, was die Eltern damit eigentlich beabsichtigen und daß es für sie besser wäre. Das ist bei meinen eigenen Kindern auch nicht besser! Aber ich bin mir sicher, Dein Sohn wird das eines Tages selber erkennen, spätestens, wenn er selber Kinder hat!“
    Der Sklave legte derweil Imperiosus und auch Marcus von dem heißen und gut gewürzten Fleisch auf, so daß Marcus den ersten Bissen nehmen konnte und mit Freude seine Lieblingsspeise auf der Zunge schmeckte.


    Marcus schluckte den Bissen herunter.
    „Dein Sohn will also zu den cohortes urbanae gehen? Die Wahrscheinlichkeit, daß er in meiner Einheit landet, ist nicht unbedingt groß bei vier cohortes in Rom, aber sollte er zu mir kommen, sei sicher, ich werde ihn nicht schonen!“
    Marcus zwinkerte freundlich, natürlich würde er dann ein Auge auf den Jungen von Imperiosus haben, wie er das bei Lucillas Neffen auch getan hatte, wahrscheinlich sogar dadurch eher fördern, aber er würde dem Wunsch seines Vaters nach kommen. Er hätte das auch im umgekehrten Fall gemacht, wenn Imperiosus ihn gebeten hätte, ein wenig auf den Sohnemann zu achten und ihn etwas zu schonen.


    „Ach, die cohortes...ich werde nicht lange mehr im Dienst als Soldat bleiben können...mein Bein macht nicht mehr mit!“
    Er seufzte leise. Niederdrückend war die Erkenntnis für Marcus und er merkte erst in den letzten Tagen, daß ihn die Nachricht doch arg zusetzte, denn im Grunde hatte er das Leben als Soldat zu schätzen gelernt und gemerkt, daß er darin aufgehen konnte. Tatkraft und Entschloßenheit besaß er durchaus, etwas, was seine kognitiven Defizite beim Militär ausgleichen konnte.


    Nachdenklich sah Marcus auf und zu Imperiosus, der Tonfall sprach nicht von großer Leidenschaft, mehr eine stille Zufriedenheit, aber besser als ein gequältes Gesicht.
    „Das klingt doch gut.“
    Sein rechter Mundwinkel hob sich.
    „Aber Frauen wird man wohl nie dazu bringen, nicht doch irgendwann – selbst in den privaten Räumen – ihre Meinung kund zu tun, aber das ist ja auch gut so, eine gute Ehefrau kann in dieser Hinsicht ihrem Mann viel Rat und Hilfe geben, wenn er mal in Schwierigkeiten kommt...Frauen sind eh sehr viel klüger als wir, habe ich manchmal das Gefühl!“
    Zumindest seine Mutter war das, aber auch klüger als Marcus zu sein...nun ja, das war keine hohe Kunst, oder sagen wir eher, gebildeter, denn dumm war Marcus ja nicht, er war einfach nur desinteressiert an Dingen, die er sich über Schriftrollen aneignen mußte.
    „Ist das bei Dir auch eine arrangierte Ehe gewesen?“
    Marcus griff nach dem nächsten Stück Ente.

    Immer wieder kreiste das Insekt um die aufgebauschten, lockigen Haare des medicus, die wie eine sommerliche Wolke am blauen Firmament wirkten, doch der Arzt schien sich davon nicht stören zu laßen, auch nicht von dem ungeduldigen Scharren mit der vitis auf dem Boden. Selbst ein dezentes Räuspern hatte den Mann nicht aus seiner Konzentration gerißen; gerade als Marcus überlegte aufzustehen, zu gehen und einfach einen medicus zur villa rufen zu laßen, hob der Mann den Kopf und fixierte Marcus mit seinen Augen, die einen marginalen grauen Dunstschleier besaßen, die ersten Zeichen des grauen Stars – was Marcus freilich nicht wußte.
    „Hm!“
    Mit einem Hm konnte Marcus nicht viel anfangen, fragend hob er seine Augenbrauen und wartete darauf, daß der medicus endlich zum Punkt kam und ihm die Kräuter gab.
    „Das geht so nicht weiter, centurio!“
    Verwirrt schüttelte Marcus den Kopf.
    „Was? Mit den Schmerzen?“
    Der alte Mann schob die Tafel zurück und ließ den stylus herunter sinken.
    „Das mit den Kräutern. Das, was Dir der medicus der Prima gegeben hat, beeinträchtigt Dich zu sehr im Dienst. Ich kann Dir das nicht weiter geben. Es wäre, als ob ich Dich betrunken auf die Straßenpatrouille schicken würde. Das geht nicht!“


    Das geht nicht? Marcus brauchte die Kräuter aber, sonst wurden die Schmerzen zu unerträglich und er konnte seinen Dienst nicht mehr verrichten. Ärgerlich verzogen sich seine Lippen und er wollte schon aufstehen, um seinen vorigen Entschluß wahr zu machen. Wenn der Mann von der CU es ihm nicht gab, so würde es genug Heilkundige in der Stadt geben, die es für den notwendigen Obulus taten. Doch eine Bewegung von dem alten Mann ließ ihn inne halten.
    „Bleib bitte noch sitzen, centurio! Ich bin noch nicht fertig!“
    Äußerst unwillig ließ Marcus seinen Stab aus Zitronenholz – ein Geschenk seines Neffens – sinken und sah den Alten abwartend an.
    „Dein Bein wird nicht besser werden, nicht nach der langen Zeit. Wie ich den Aufzeichnungen entnehmen kann...“
    Welche Aufzeichnungen? Marcus guckte verdutzt.
    „...ist das eine Verletzung aus Parthia?“
    Ein Nicken.
    „Ich kann Dir sagen, daß sich Dein Bein bei der derzeitigen Belastung noch weiter versteifen wird, bist Du das Knie kaum noch bewegen kannst, womöglich gar nicht mehr.“
    „Derzeitige Belastung? Ich vollführe doch nur meinen normalen Dienst!“
    „Eben!“
    „Was soll das bitte heißen? Ich kann doch nicht den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen? Schließlich bin ich centurio und kein tribunus!“
    „Ja, ich weiß!“
    Schweigen, der Arzt ließ Marcus etwas Zeit darüber nachzudenken, Marcus kam jedoch nicht zu dem erwünschten Ergebnis. Seufzend hob der Alte seine Stimme zu einer weiteren Erläuterung.
    „Über kurz oder lang werde ich Dich dienstuntauglich schreiben müßen, centurio!“
    Innerhalb von wenigen Herzschlägen wurde Marcus kreidebleich und er starrte den medicus entgeistert an.


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    Eine dicke und fette Fliege summte unaufhörlich in dem Zimmer herum, in dem Marcus auf einem Holzschemel saß und auf den medicus wartete. Seine Augen verfolgten den Flug der dicken Fliege, die behäbig hoch und runter sauste und wie blöde immer gegen die Wände stieß, dabei jedoch das weit geöffnete Fenster, mindestens eine Armeslänge breit, verfehlte. Marcus sah das kleine Tier ungnädig an und lehnte sich zurück, um sich an der rauhen und mit Kalk verputzten Wand abzustützen. Die Zeit schien sich unendlich lange zu dehnen, eigentlich hatte Marcus tausend andere Dinge zu tun, die Schriftrollen auf seinem Schreibtisch türmten sich, Patrouillen galt es zu koordinieren, dann stand noch ein Treffen mit den anderen centuriones seiner Kohorte aus, aber der Schmerz benebelt an dem Tag seine Sinne. Leise stöhnend streckte er sein Bein aus und versuchte eine Position zu finden, in der es nicht so sehr schmerzte. Endlich hörte er Schritte, die sich näherten und ein alter Mann, der schon mit dem Fuß halb im Grabe zu stehn schien. Die Haare hatten jegliche Farbe verloren und auch der Bart des Mannes war grauweiß.


    „Was gibt es?“
    , fragte der medicus barsch, dem der Rang von Marcus völlig egal war, was wohl der Vorteil des Alters war. Marcus verzog nur einen Moment das Gesicht.
    Salve, ich bräuchte wieder etwas von den Kräutern gegen Schmerzen, meine Verletzung meldet sich wieder.“
    Der medicus grummelte leise etwas auf Griechisch.
    „Bitte?“
    „Nichts! Dann zeige mal die Wunde her, centurio!“
    Marcus deutete stumm auf sein Bein.
    „Aufstehen!“


    Was Marcus tat, schon beugte sich der alte Mann -erstaunlich agil – herunter und fing an das Bein zu drücken und zu beklopfen.
    „Beugen!“
    Schwierig, aber Marcus versuchte sein Bestes. Immer mal wieder stöhnte er leise auf, wenn der Alte zu fest drückte. Nach einer Weile erhob sich der Mann und sah Marcus prüfend ins Gesicht.
    „Welche Kräuter?“
    Marcus, der nun glaubte, die Untersuchung sei zu Ende, nahm wieder erleichtert Platz und zuckte mit der Schulter.
    „Den Inhalt kenne ich nicht. Der medicus von der Prima hat mir das verordnet.“
    Marcus holte den Beutel mit dem mageren Rest hervor, den er sich für den Mittag aufbewahrt hatte.
    „Das hier!“
    Der Alte nahm den Beutel und schnüffelte daran, seine Augenbrauen hoben sich und er sah Marcus mit einem verkniffenen Gesicht an.
    „Wie lange schon?“
    „Ähm...seit der Verletzung...das war kurz nach dem Tod unseres Kaisers!“
    „Aha...ununterbrochen?“
    „Ähm...ja...die Schmerzen gehen sonst nicht weg.“
    „Aha!“


    Etwas unwohl und wie auf der Schulbank rutschte Marcus hin und her; was bezweckte der Mann nur mit den Fragen?
    „Bekomme ich noch etwas gegen die Schmerzen?“
    Der medicus nahm Platz und zog eine tabula heran.
    „Sind die Schmerzen in letzer Zeit schlimmer geworden?“
    Marcus nickte stumm.
    „Aha. Wie ist das Laufen? Schlechter?“
    Marcus sah ihn verdutzt an und nickte langsam.
    „Das liegt aber an den Schmerzen!“
    „Hm!“
    , gab der medicus nur von sich und dann schrieb er und schien Marcus zu vergessen.



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    Oh, dieser Blick! Nicht mal seine eigene Mutter konnte so vernichtend ihn anschauen, mit den Augen so viel an Verachtung und Eiseskälte ausdrücken wie die gletscherblauen Augen jener Nymphe, die er mit einem – völlig unbeabsichtigten – Frevel verärgert hatte. Oh dieser Blick könnte das Herz verdorren lassen und einem Sterblichen – wie Marcus es nun einmal war – in den Hades schicken! Und Marcus starb tausend kleine Tode, es rieselte ihm heiß und kalt über den Rücken, selbst die Prüfungen der letzten Jahre hatten nicht so ein schreckliches Gefühl in ihm hervor gerufen wie die Konfrontation mit dem göttlichen Wesen vor ihm. Marcus' Nasenflügel bebten als er tief Luft holte, um jene seltsamen und nicht angenehmen Gefühlswallungen in sich zu bekämpfen. Oh Mars und Iuppiter, steht mir bei!, schoß es Marcus durch den Kopf. Die beiden Götter würden schon wißen, wie schwierig es war, eine verärgerte Frau – egal ob Sterblich oder Unsterblich – zu besänftigen, Iuppiter noch mehr, hatte er doch angeblich ständig Ärger mit seiner Gattin. Das dumpfe Pochen in seinem Bein wurde etwas besser, seine Situation jedoch nicht. Verständnislos sah er die Nymphe an und merkte durchaus, daß sie ein Spiel mit ihm trieb. Doch welches? Worauf wollte sie nur hinaus?
    „Ähm, ja...das war die Frage!“
    Hatte er sie nicht beantwortet? Er hob die Hand und kratzte sich als Zeugnis seiner Konfusion an seinem Nacken.
    „Möchtest Du, daß mein Sohn oder Tochter in den Dienst von Deiner Göttin tritt?“
    , fragte er schließlich nach einigen Herzschlägen des intensiven Nachdenkens, was die Nymphe denn nun eigentlich wollte...als Sühne.


    Marcus stützte sich mit den Händen auf dem steinigen Rand des Brunnens ab und drückte sich langsam und mit einem leichten Stöhnen auf den Lippen in die Höhe. Immer noch spürte er diesen intensiven Blick, der ihm sehr unangenehm war. Er fixierte den Fischteich vor sich und kämpfte damit, wieder auf die Beine zu kommen, was a. wegen seiner Verletzung aus dem Krieg nicht ganz einfach war, aber auch b. weil er eben kein Leichtgewicht darstellte. Doch schließlich war es geschafft; Marcus stand neben dem Fischteich, an seinem Bein tropften noch die Waßerperlen hinab und benäßten die grünen Grashalme, die erst vor kurzem sorgfältig gestutzt worden waren. Die Sandalen, die er im Hause trug, lagen neben dem Teich. Jetzt sah er auch wieder zu dem hellblonden Geschöpf neben ihm und bekam gleich wieder das so ungnädige Augenpaar zu sehen; mühsam unterdrückte er ein Seufzen. Hoffentlich verlangte sie nicht von ihm, selber in den Götterdienst zu treten, dafür war er einfach untauglich, zudem müßte man schon so schlau wie Gracchus dafür sein, das wußte er eben. Marcus sah sich suchend in dem Garten um, bis er eine Gestalt in einigen Schritten Entfernung erkennen konnte, der Sklave, der ihm am morgen den puls gebracht hatte. Marcus deutete ihm, zu ihm zu kommen. Der Sklave, mit einem neugierigen Seitenblick auf Asny, trottete brav heran.
    Servus, hol' mir aus dem Keller was zum Kühlen!“
    Der Sklave nickte.
    „Ja, dominus!“
    Und trat ab.


    Während Marcus einige Schritte weiter humpelte und laut ächzend auf einer Bank Platz nahm. Immer noch herrschte Ratlosigkeit in ihm, immer noch suchte er danach diesem Blick auszuweichen. Seine Gedanken drehten sich im Kreise, um die Nymphe und ihre Göttin. Hoffentlich würde sie nicht ihn in irgendetwas verwandeln wollen? Aber wäre dem so, würde er wahrscheinlich schon als Ziegen- oder Hirschbock herumlaufen und von den Hunden des Hauses angefallen werden.
    „Oh Nymphe, hab' doch Erbarmen mit einem Sterblichen, ich weiß nicht, was Du von mir als Sühne wünschst! Sprich es aus und es soll Dir gewährt werden.“
    Hoffentlich wollte sie jetzt nicht etwas, was er unmöglich geben konnte, aber die Unsterblichen wußten doch, was ein Sterblicher zu leisten vermochte. Oder etwa nicht? Ah je, hätte er doch jetzt Gracchus hier, der wüßte was zu tun wäre. Suchend sah sich Marcus im Garten um, doch die rettende Gestalt seines Vetters war nicht zu sehen.

    SimOff: Da sie nachdräglich dazu gekommen sind, kann ich von der Annahme ausgehen, daß Imperiosus Frau und Kind schon mal erwähnt hat, wie damals bei dem anderen Sohn - Nero - in Hispania?




    Kind und Frau, Heim und Hof, das gehörte doch schon irgendwie zu einem Soldaten und Römer dazu, Marcus nickte beifällig als er das von dem Sohn vernahm, wußte er doch, daß der andere Sohn von Imperiosus - zumindest hatte dieser ihm das bei der Feier in Parthia mal erzählt, bevor die Rauchschwaden jegliche Erinnerung an weiter Unterhaltungen geraubt haben - in Hispania und somit in der Fremde weilte.
    „Dann hast Du sicherlich Deine Familie wieder um Dich versammelt, hm?“
    , fragte Marcus nach.
    „Leben sie jetzt auch in Mantua?“
    Das würde es für die Ehefrau sicherlich einfacher machen, es sei denn, sie gehörte zu dem Schlag, die auch nicht fern der pulsierenden Hauptstadt leben konnte.
    „Wie alt war Dein anderer Sohn, Menas, noch mal? Trägt er noch die bulla?“


    Marcus sah einen Moment auf als ein Sklave schon den nächsten Gang aus der Küche brachte, eine große Platte auf der eine geschmorte Ente lag, gefüllt mit scharfer Paste – verschiedener Zutaten, natürlich deftig mit Knoblauch gewürzt – zudem mit einem Koriander- und Basilikumgemisch bestrichen. Marcus schob den leeren Teller hinfort, damit der Sklave jenen abräumen konnte, denn es gab keine schönere Speise für Marcus als eine gut gewürzte Ente.
    „Dann wünsche ich Dir viel Erfolg dabei, centurio!“
    Einer der Sklaven schenkte Imperiosus, aber auch Marcus wieder Wein nach, so daß Marcus den Becher anschließend hob und einen Schluck nahm.
    „Ja, ich rudere bald in meine zweite Ehe!“
    , bestätigte Marcus.
    „Ich hoffe, sie wird harmonische als meine Erste. Wie ist es denn bei Dir und Deiner Frau? Ist sie eher sanftmütig oder zänkischer Natur?“

    Pochend, heiß und quälend war er, der Schmerz, den Marcus seitdem er den aktiven Dienst wieder aufgenommen hatte, in seinem Knie und rechten Bein verspürte, anfangs hatte er noch geglaubt, daß es schon mit der Zeit besser wurde, doch weit gefehlt, die anfänglichen leichten Schmerzen wurden sogar schlimmer, je mehr er das Bein im Dienst belastete, gerade auf dem campus. Es war einer jener Tage, die ihn wieder über sein Bein zur Weißglut brachte, zudem war das Kraut, was ihm der Legionsmedicus noch verordnet hatte, ausgegangen. Deswegen und weil er den Tag auf dem campus sonst nicht durchstehen würde, war Marcus dann wohl oder übel Richtung valetudinarium gelaufen, immer mit dem leichten Hinken, was er nicht los geworden war, selbst nach dem er die Krücken schon lange abgelegt hatte, im Gegenteil, auch das Hinken wurde von Tag zu Tag schlimmer, sein Knie immer steifer. Der Geruch nach Kräutern und Salben drang Marcus in die Nase als er das Gebäude betrat und auf die Behandlungszimmer zustrebte, die noch vor dem Kräutergarten lagen, er streifte mit seinen Augen einen Prätorianer, der eine breite Wunde über der Augenbraue hatte und traut mit einem CUlerischen Kollegen, dessen Gesicht ganz blau und grün verfärbt war, auf einer Holzbank saß und auf die Behandlung durch den medicus wartete. Vor einem capsarius blieb Marcus stehen.
    Salve, miles. Ist ein medicus zu sprechen?“
    Der capsariuis, ein junger Mann, sah auf und auf die vitis, die Marcus unter seinem Arm geklemmt hatte.
    „Äh, ja, centurio, hinterer Raum links.“
    Marcus nickte knapp und ging an dem Soldaten vorbei.





    - Fortsetzung folgt...

    Den ersten Bärenhunger bekämpfend, in dem er genüßlich ein Ei nach dem Anderen verspeiste, dazu gewürzte Oliven mit Knoblauch gefüllt und mit dem würzig-kräftigen Wein heruntergespült, lauschte Marcus den Erzählungen von Imperiosus; das, was er sagte, klang doch erfreulich, denn die Legion hatte im Krieg wirklich herbe Verluste hinnehmen müßen, sicherlich, so manch eine andere Legion noch sehr viel mehr, aber auch die Prima hatte stark bluten müßen; zudem konnte es nicht schaden, wenn frisches Blut in die Legion nach kam, neue, unverbrauchte Männer, die nicht an die Schrecken und auch Enttäuschungen des Krieges denken mußten – selbst wenn es auch Erfolge auf dem Feldzu zu verbuchen galt! Marcus' Mundwinkel hoben sich und er nickte durchaus zufrieden.
    „Das klingt doch gut, centurio! Außer das mit Avitus natürlich und der Lücke! Aber es wird sicherlich einen fähigen Soldaten aus euren Reihen geben, der bald in die Fußstapfen von Avitus treten kann, selbst wenn er sie nicht auszufüllen vermag.“
    Wer konnte das schon? Avitus war in Marcus' Augen der Mustersoldat und wohl einer der fähigsten Anführer, denen er begegnet war; ein Mann, dem man als Soldat bedingungslos folgen konnte. Als Legat wäre Avitus wohl auch ideal besetzt...bei den Prätorianern? Da war sich Marcus nicht sicher, ob man dann Avitus nicht bald fürchten müßte, sollte das auf ihn überschlagen, was so manch einen Prätorianer mit so einem Schneid, aber auch Kälte, ausmachte. Doch da galt es wohl abzuwarten.


    „Und wie steht es mit Dir? Hast Du Ambitionen für den Präfectusposten bei der Legion?“
    Daß der Legat der Prima ganz offensichtlich Imperiosus unterstützte, man hatte ja auch gehört, daß er dessen Patron war, war mehr als deutlich gewesen in den letzten Monaten, selbst wenn Marcus Imperiosus für einen ausgezeichneten Soldaten hielt und fähigen centurio, glaubte er durchaus, daß dort auch jene Faktoren mit hinein spielten, daß Imperiosus sich so gut in der Legion machte. Aber Marcus hatte keine Zweifel, daß er sich auch gut in den PC Posten einarbeiten würde.
    „Übrigens...wenn Du schon in Rom bist, vielleicht bist Du sogar so lange hier, um noch auf mein Hochzeit zu kommen!“
    Marcus' Mundwinkel hoben sich noch etwas mehr als er davon sprach.
    „Ich heirate bald meine Verlobte, hier in Rom! Und ich würde mich freuen, wenn Du an der Feierlichkeit teilnehmen könntest!“
    Daß Imperiosus nicht nur ein guter Soldat war, sondern auch guter Kamerad beim Feiern, davon hatte sich Marcus ja selber überzeugen können; trinkfest war Imperiosus zudem.

    Noch am selben Tag würde er Hannibal zu sich rufen, um jene Karte anfertigen zu laßen, solche Dinge duldeten nun mal auch keinen Aufschub; Marcus nickte zustimmend und zufrieden, sein Sklave würde auch die casa ausfindig machen...die casa Decima, manchmal hatte Marcus sogar überlegt, mal einen Abstecher dort hin zu machen, einer gewißen, verlockenden Frau wegen, aber das war ein anderes Thema und Marcus wischte den Gedanken beiseite ehe er sich wirklich in seinem Geist ausbreiten konnte. Zudem halft ihm ein kräftiger Stoß in den Rücken von einem, der an ihnen vorbei laufen wollte, jegliche sentimentale Gedanken an Frauen zu verdängen. Er warf dem Mann, der ihn angerempelt hatte, noch einen verärgerten Blick hinter her. Die Worte von Meridius, die folgten, ließen Marcus jedoch eher verlegen werden. Denn im Grunde hegte er doch ein schlechtes Gewißen; hätte er nicht stärker auf eine längere Suche insistieren müßen, vielleicht seinem Vorgesetzten vorsprechen? Doch alles ging in jenen Tagen so rasend schnell, der Legat verschwand und schon Stunden danach ernannte der Kaiser einen neuen Legaten, wirre Zeiten, Kriegszeiten eben.


    „Maßgeblich wäre eine Übertreibung, Senator. Die Suche nach dem Legaten wird sich auch mit der Karte und unserer Marschroute noch als sehr schwierig erweisen. Die Menschen dort werden gewiß nicht vergessen haben, daß wir noch vor kurzem mit Schwert und pilum bei ihnen einmarschiert sind.“
    Das mit den vielen Ohren, da hatte der Senator durchaus Recht, so nickte Marcus zustimmend.
    „Gerne, mir wird es auch zu voll hier.“
    Zudem wurde das Gerufe wieder laut, als eine Sklavin auf die Bühne gezogen wurde, die vielerlei Geschmäcker wohl traf.
    „Welchen Ort würdest Du vorschlagen, Senator? Eine taberna hat wohl immer noch genauso viele, womöglich noch neugierigere Ohren!“