Die Sonne brannte auf seinem Nacken als er sich zu seinem Knie herunter beugte und es kräftig rieb und massierte; manchmal half es, den Schmerz zu vertreiben und auch dieses Kribbeln, das einerseits das Fleisch taub werden und andererseits tausend Ameisen über seine Haut laufen ließ. Tatsächlich ließ das unangenehme Gefühl nach, während er es knetete. Seine Augen streiften über das grüne Gras, das von vielen Sklavenhänden sorgfältig gepflegt wurde, über den Sockel der Statue vor ihm, die mit goldenen, roten und blauen Farben bemalt war und mit einem träumerischen Lächeln in den Garten sah. Gerade als der Schmerz nachzulassen schien, sann Marcus über eine Musestunde mit seinem Instrument im Garten nach, jetzt, wo die meisten Flavier ihren Geschäften nachgingen, die Hitze des Tages im Garten mieden und auch die Sklaven anderweitig beschäftigt waren, so würde Marcus keine unerwünschten Zuhörer haben. Außerdem war er immer noch ein wenig aufgewühlt durch jene Reminiszenzen, die ihn in jenen Nacht- und Traumstunden eingeholt hatte, so daß ihm die Saiten unter seinen schwieligen Fingern durchaus gut tun würden. Kein Schwert, das er führen mußte, sondern sich den schönen Seiten des Lebens widmen.
Doch es kam ganz anders als Marcus es wohl erwartet hätte, überhaupt sich jemals in einem Alb hätte erträumen können. Wums! Rums! Gerade als er sich aufrichtete schlug etwas Weiches und dann doch sehr Hartes – ein wahrlicher Dickschädel – in ihn ein. Es war die Entspannung, das Wissen im sicheren Heim zu sein, die die Reflexe von Marcus zum Erlahmen brachten. Ansonsten hätte er wohl – in Anbetracht seines letzten Traumes – auch schneller reagiert, da er es jedoch nicht tat, näherte sich bereits der Boden ihm in rasender Schnelligkeit, die Farben des Gartens wirbelten in einem bunten Kreisel um ihn herum, schon weniger als einen Herzschlag später schlug er wuchtig mit seinem Rücken auf dem saftig grünen Gras auf, Marcus keuchte mehr verblüfft auf...ehe der Schmerz durch sein Bein schoß, als ob ihm tausend glühende Nadeln in die Haut stachen, das Feuer ihrer Glut sein Fleisch verbrennen und seine Knochen zerschmettern wollte. Im ersten Augenblick war er auch gar nicht in der Lage, einen Laut von sich zu geben, denn der Schmerz raubte ihm im wahrsten Sinne den Atem. Er wurde bleich und schloß die Augen, erst nach einigen Herzschlägen vermochte er wieder Luft zu schöpfen, er sog die Luft tief durch seine Nasenflügel ein und öffnete blinzelnd die Augen.
Die Sonne um strahlte eine schlanke Gestalt über ihn, schien sie mit einem güldenen Kranz zu um leuchten, während ihr Schatten auf ihn fiel. Im Nebel von Schmerz gefangen, erschien die Gestalt von überaus unirdischer Natur zu sein, ein Erscheinung der Götter, um ihn unwürdigen, menschlichen Wurm zu strafen, es gab ja auch einiges, wofür ihn die Götter strafen konnten und es auch immer wieder taten, selbst wenn sie ihn hin und wieder mit Glück und Segen beschenkten. Der erste Impuls, als er ihre herrische Stimme vernahm, war ein Zusammenzucken und eine Entschuldigung, die auf seinen Lippen lag und sich leise murmelnd auch löste, dann stöhnte er verhalten auf und versuchte sich aufzurappeln, wobei seine Hand zu seinem Bein wanderte und er noch mal die Augen schloß.
Nachdem die tausend Sterne vor seinen Augen verschwanden, die der Schmerz hervor gerufen hatte, die fleischliche Qual schon einigermaßen menschliche Dimensionen erreicht hatte, rappelte sich Marcus ein wenig mehr auf und sah auf das weibliche Geschoß, dessen Ermahnung ihm langsam wieder in den Sinn kam, die die Schichten des grauen Schmerznebels und der Verblüffung durchdrang und ganz langsam bis zu seinem – zugegebenermaßen, nicht immer flinken! – Geist tropfte. Rosa Traumland? Wolkentraumland? Nicht sein privates...was auch immer? Ganz langsam zog sich Marcus hoch und stützte sich an der Statue ab, wobei seine Hand auf der runden, steinernen Hüfte jener Gestalt sich abstützte, ohne freilich davon Notiz zu nehmen.
„Was...beim Hades und Elysium...“
, begann er, doch aus seiner Kehle drang nur ein brüchiges Krächzen, was einem Raben alle Ehre gemacht hätte. Langsam schälte sich heraus, wer ihn denn da angefallen hatte. Marcus' Augen verengten sich als er die blonde, junge Frau sah, die ihre Bleßuren versorgte. Eine Flavia war sie bestimmt nicht, zu blond, zudem war Marcus keine Kunde an die Ohren gedrungen, daß eine neue Flavia in der villa eingekehrt war. Eine ratlose Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen, die sich langsam zusammen zogen. Er hob die Hand, rieb sich über seinen Nacken – wieder eine Gestik, die seine Verwirrung untermalte – dann über sein – nicht ganz sauber rasiertes – Kinn, um sie dann auf die Soldatentunika fallen zu laßen.
„Wer - bei Mars - bist Du? Und wie kannst Du...“
Marcus unterbrach sich und hustete kräftig, um dieses Krächzen aus seiner Stimme zu vertreiben.
„...wagen, derart mit mir zu sprechen, puella?“
Seine Augen wanderten zu dem kühlen Naß und er humpelte langsam auf den Teich zu, um sich mit einem gequälten Stöhnen auf den Rand herunter fallen zu laßen, um seine Stiefel vom rechten Bein zu streifen und sein Bein in das Wasser zu tauchen. Ein goldroter Fisch huschte eilig davon, als sich das Wasser in lebhafte Wellen schlug. Das kühle Wasser umschloß das Bein von Aristides, der erleichtert auf seufzte und die Augen für den Moment schloß, als der pochende Schmerz nachließ.
„Verflixt und zugenäht!“
, murmelte Marcus und wandte sich zu der jungen Frau wieder zu.
„Komm her, puella! Und dann erkläre mir mal bitte, wer Du bist und was Du hier treibst!“
Daß er wahrlich in dem Moment nicht die Erscheinung eines flavischen Patriziers bot, sondern selber mehr wie ein angeheuerter Soldat, der sich um die Sicherheit der Patrizier zu sorgen hatte, wirkte, das bemerkte Marcus nicht, er war schließlich in seinem Garten und erwartete, daß die Sklaven die Herrschaften kannten.