Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Die Sonne fiel Marcus auf den Rücken, prall und warm, schon nach wenigen Hieben wurde Marcus' Atem heftiger und Schweiß brach ihm aus allen Poren, insbesondere seiner Stirn, ebenso nahm sein Gesicht wieder eine kräftige Röte an, die sich mit dem Sonnenbrand mischte, den er an dem Tag schon bekommen hatte, er war in letzter Zeit einfach zu wenig auf dem campus gewesen, geschweige denn, das er trainiert hatte. Einige Herzschläge ließ Marcus das Schwert wieder sinken, das eben noch den Pfahl so malträtiert hatte; er sah zu Modestus und schüttelte den Kopf; selbst wenn er von Plautius nicht mehr viel gehört hatte, so konnte er doch – mit relativ großer Sicherheit – die Frage von Modestus verneinen. Marcus blinzelte ein wenig von dem brennenden Schweiß aus den Augenwinkeln.


    „Er ist nicht gefallen – meines Wissens nach! - er ist lediglich zu einer anderen Einheit versetzt worden, schon während des Krieges, Personalnotstand in den schweren Zeiten, wie das nun mal so ist.“


    Schade war es zwar, Marcus mißte durchaus die ruppige, aber auch kameradschaftliche Art des alten praefectus; immerhin hatten sie einen sehr kompetenten Nachfolger an die Stelle bekommen. Marcus hob sein Schwert und schlug erneut zu, wobei er jetzt weniger darauf achtete, wie er mit dem Schwert hantierte, sondern sich darauf konzentrierte, die Beinarbeit wieder richtig hin zu bekommen, aber es ging einfach nicht gut, sein ehemals gebrochenes Bein war noch ganz steif, er konnte das Knie nicht mehr richtig beugen und es schmerzte bereits; leise fluchte Marcus durch die Zähne und ließ sein Schild sinken, um sich gegen den Pfosten zu lehnen und sein schmerzendes Bein zu reiben.


    „Der praefectus? Ah, Annaeus Florus, ich bin Deinem Verwandten neulich in Rom in der Akademie begegnet, ein sehr umgänglicher Mann, das trifft man selten, wenn die Menschen auf dem Weg der Posten hoch steigen.“


    Livianus war noch ein solcher Mensch, der auf dem Boden geblieben war, nachdem er schon Karriere gemacht hatte, höflich, ernsthaft und mit einer natürlichen Autorität, von ihrem derzeitigen Legaten konnte man das nicht gerade behaupten, der grobe Ruppigkeit mit Befehlsgewalt verwechselte. Aber auch Macer, dem er hin und wieder begegnet war, konnte man solch eine grundlegend, freundliche Art zu sprechen; solche Männer waren Marcus natürlich sympathischer. Den ärgerlichen Gesichtsausdruck von Modestus entging Marcus dann jedoch völlig, denn er beugte sich gerade vor, um sein Knie zu reiben; die Soldatenstiefel verbargen zwar recht viel von seinem Unterschenkel, aber dazwischen - zwischen Tunika und Stiefel - war doch noch die rosig, frische Narbe zu sehen, dort, wo der Knochen ausgetreten war und auch noch, wo der medicus selber das Messer gewetzt hatte. Marcus richtete sich auf und sah Modestus etwas überrascht an; war der tribunus nicht hier, um gerade solche Manöver zu lernen, für spätere Kommandos?


    „Andere Pläne?“
    , fragte Marcus nach.

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius


    Trübe nickte Appius, ja, daß manche Menschen auf der Sonnenseite des Lebens standen, während andere nur die Krümel von dem reichlichen Mahl an Glück ab bekamen, das hatte Appius leider oft bemerken müßen; es fing schon damit an, daß er der ewige optio des Rekrutierungsbüros war, während doch die Männer, die er selber in die Legion aufgenommen hatte, an ihm stramm vorbei zogen auf dem Weg der Karriere. Die Fäden selbst in die Hand nehmen? Appius sah von den roten Ringen in seinem Becher auf, den der Wein bei den kreisenden Bewegungen hervor rief, die Appius immer wieder vollführte. Aber wie? Ratlos musterte Appius den jungen Mann; auf den Gedanken, selber an seinem Leben etwas zu ändern, das war Appius noch nie gekommen und irgendwie kam immer noch nicht ganz das Einsehen. Er haderte weiter mit der Ungerechtigkeit der Welt. Außerdem war Appius da doch gehörig skeptisch, wie sollte er denn seine eigene Beförderung in die Hand nehmen? Oder gar eine Frau dazu zu bringen, ihn zu mögen, selbst wenn diese doch so einen Menschen wie Appius gewiß ganz furchtbar fand? Appius seufzte leise.


    „Aber wie? Wie nur?“
    , murmelte er leise und schüttelte betrübt den Kopf, schnell noch ein Schluck Wein getrunken, man sagte ja, daß sich bekanntermaßen dort drin auch die Sorgen und der Kummer versenken ließen, selbst wenn Appius sonst nichts von solchen Schwächen hielt.
    „Meinst Du?“
    , erwiderte Appius auf das Wagnis, was ihm Tacitus riet; langsam nickte Appius, womöglich war es langsam an der Zeit, die ehrenhafte Entlassung nach der bereits erfüllten Dienstzeit zu beantragen und das Geschäft in Rom zu eröffnen; aber ganz auf sich gestellt, sein eigener Unternehmer, keine Sicherheit durch die Legion im Rücken? Appius war sich nicht sicher, ob er das schaffen würde...die Fäden selber in die Hand nehmen, wie ein Echo ertönte das in Appius' Kopf. Appius würde es sich gewiß durch den Kopf gehen laßen.
    „Ja, womöglich hast Du Recht. Immerhin sind bei mir schon die zwanzig Jahre Dienstzeit vorbei, womöglich...womöglich nehme ich das bald in Angriff, das mit dem Laden!“
    Appius lächelte zaghaft, tatsächlich vermochte seine Gesichtsmuskulatur diese Mimik schon deutlich besser auszudrücken als noch zu Anfang ihres Gespräches.


    Die Ironie in den Worten bekam Appius tatsächlich nicht mit, für solche Dinge hatte er auch einfach kein Gespür; so nickte er ernsthaft bei den Worten von Tacitus; die Politik war wohl neben der Legion ein weiteres hehres Ziel, selbst wenn Appius wußte, daß er selber für so etwas nicht taugte, womöglich schon taugte, aber nicht die Voraussetzungen mit brachte, eine bekannte Familie im Hintergrund, Geld und natürlich den paßenden ordo, er hatte noch nicht mal einen einflußreichen Patron, aber von den Valeriern hörte man ja immer mal wieder etwas, auch von bekannten Persönlichkeiten.
    „Die Politik? Oh! Dann strebst Du sicherlich eines Tages den Senat an?“
    Von dem Senat hielt Appius rein gar nichts, aber auch nicht einen Deut, denn er glaubte, daß es sogar besser wäre, den Senat abzuschaffen, die Ämter des CHs wiederum hielt er durchaus für notwendig, selbst wenn er wenig damit zu schaffen hatte.
    „Deine Mutter...warum hat sie etwas dagegen, daß Du in der Legion dienst?“




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    Lange war Marcus fort gewesen, viel Zeit war in der Zwischenzeit ins Land gezogen, viel hatte sich in der Familie verändert, Gracchus war Senator, Pontifex, sprich, er hatte etwas aus sich gemacht, aber auch die Familie hatte Zuwachs erhalten, von Familienmitgliedern, von denen Marcus noch nie zuvor gehört hatte und was ihn durchaus verwirrte, schließlich glaubte er doch wenigstens die Meisten mal vom Namen vernommen zu haben, selbst wenn er ihnen noch nie in seinem Leben begegnet war. Und doch hatte Marcus das Gefühl in vertrauten Gefilden angekommen zu sein, einfach wieder zu Hause zu sein, und wenn die Familie gewachsen war, dann war das für Marcus – den Familienmenschen – mehr als erfreulich. Ein wenig schief mußte Marcus jedoch bei dem Gedanken lächeln, daß er der Held der Familie war, denn Marcus fühlte sich weder als Held, noch glaubte er, daß jemand anders außer Gracchus das so sah, aber es freute ihn, daß Gracchus wenigstens eine so gute Meinung hegte, selbst wenn es ihn auch im Grunde etwas verlegen machte. Denn sein Beitrag war doch gering gewesen, in der riesig großen Maschinerie namens Legion fiel Marcus nicht sonderlich ins Gewicht, selbst wenn er als centurio doch etwas mehr zu sagen hatte als der Groß an Soldaten. Marcus winkte darum mit einer schwachen Handbewegung ab.


    „Du übertreibst, Manius. Ein Held bin ich nicht, ich habe nur die normale Pflicht eines Soldaten getan!“


    Selbst wenn sie doch durchaus einmal den Titel Held erhalten hatten – den Marcus immer nur mit einem Grinsen erwähnen könnte! - würde sich Marcus selber nie so nennen. Doch seine Gedanken wanderten schon wieder zu der Familie zurück, daß Lucullus kränklicher Natur war, war nichts neues für Marcus, er quittierte das mit einem marginalen Nicken, Furianus' Streben schenkte Marcus ein Lächeln, was durchaus stolz war, der junge Mann machte sich wirklich gut; auch Aquilius Karriere bemerkte Marcus mit einem erfreuten Ausdruck, zu den neu eingetroffenen Verwandten vermochte er auch nur ein Nicken als Reaktion beizutragen, aber die neuen Verwandten würde er sicher noch kennen lernen, schließlich war die villa auch nur begrenzt in ihrer Größe, selbst wenn sie recht geräumig war. Die Frage von Gracchus, die überraschte ihn dann doch, und brachte ihn in Verlegenheit. Angst und Heldentum, wie Gracchus es fast in einem Atem nannte, paßte nicht ganz zusammen, denn welcher Held – selbst wenn es nur der von Circesium war ;) - verspürte Angst? Ein Hektor? Ein Achilles? Ein Herkules etwa? Marcus warf seinem Sohn einen schnellen Blick zu, aber der war schon außer Hörweite und wohl voll und ganz mit seinem Löwengeschenk beschäftigt; zögerlich sah Marcus wieder zu Gracchus zurück, Gracchus war wohl einer der wenigen Menschen, denen Marcus gegenüber auch solche Dinge anvertrauen würde. Marcus zuckte mit der Schulter und seufzte leise.


    „Wer hat nicht Angst, wenn er in den Kampf zieht? Selbst die beste Vorbereitung, das härteste Training kann nicht verhindern, daß man von einem Moment zum Anderen sein Leben laßen muß. Selbst ein Bauer kann einem den Tod bringen, auch wenn man ein lang gedienter und erfahrener Soldat ist. Und die parthischen Reiter...sie sind wirklich zum Fürchten; große, gepanzerte Ungetüme reiten sie, sie tragen seltsam geformte Helme, sind von oben bis unten gerüstet und stürzen sich auf einen wie Daimonen aus der Unterwelt; zudem hat man auch noch die Sorge um die Kameraden, die man mag und die schon gute Freunde geworden sind, die Pflicht, die Soldaten sicher zurück zu bringen...ja, ich hatte diesen Begleiter schon hin und wieder an meiner Seite, die Angst...“
    , gab Marcus schließlich zu; er hatte immer ein beklommenes Gefühl in sich verspürt, wenn der Kampf begann, bis er dann aufhörte, darüber nachzudenken und der Kampf mechanisch wurde, selbst wenn es um sein Leben ging. Nur vor Edessa, dort hatte Marcus keine Angst verspürt, aber das lag daran, daß er die Todessehnsucht in sich verspürt hatte. Marcus Augen hatten derweil die Marmorsäulen betrachtet, doch er sah nun wieder zurück zu Gracchus und zuckte abermals mit der Schulter.


    „Parthia...ja, Parthia ist ein bißchen wie Syrien, nur ein wenig exotischer und karger an manchen Stellen, aber dann wiederum grün und sehr schön. Die Menschen sind nur sehr unfreundlich...aber kein Wunder.“


    Denn immerhin waren sie eindringende Soldaten, die ihre Heimat angriffen; erschöpft blinzelte Marcus. Die lange Reise war einfach zu viel gewesen, er war hundemüde und einfach immer noch angeschlagen von seiner Verletzung, schließlich hatte er das Fieber gerade erst überstanden und immer noch von dem reichlichen Nahrungsentzug jener Tage geschwächt. Marcus langte zu seinen Krücken hinüber und versuchte auf die Beine zu kommen, was ihm schließlich auch gelang.
    „Ach, Manius, es ist gut, wieder zu Hause zu sein!“
    Marcus lächelte matt und hob doch eine Hand, um sie noch mal seinem Vetter auf die Schulter zu legen.
    „Blaß siehst Du aus, Manius. Du arbeitest bestimmt wieder zu viel! Komm', laß uns etwas essen, ich erzähl' Dir dann gerne noch von Parthia!“
    Selbst wenn Marcus müde war, eine hora würde er für seinen Vetter noch erübrigen, ehe er ins Bett fiel und dort wie ein Stein sicherlich schlafen würde. Langsam begann Marcus sich aus dem atrium weg zu bewegen und humpelnd in Richtung des triclinium sich zu bewegen...um noch einen kurzen, aber netten Abend mit seinem Vetter, samt Sohn, sofern dieser nicht sich mit dem Geschenk beschäftigte, zu verbringen und danach seine Kräfte wieder etwas zu regenerieren.

    All den Wortmeldungen lauschend, grübelnd und darüber sinnend, saß Marcus auf dem Stuhl, der um den runden Tisch platziert war; die Arme hielt er vor der Brust verschränkt und tippte sich mit dem linken Zeigefinger gegen den Oberarm; schwierig, sehr schwierig fand Marcus die Frage von Macer, denn es widerstrebte Marcus immer noch, einen Kaiser zu kritisieren. Der Hinweis von Avitus auf Domitian gefiel Marcus wiederum erneut nicht, eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen, aber die rechten Worte, etwas paßendes zu erwidern und seinen flavischen Verwandten in Schutz zu nehmen, das fiel Marcus – so uneloquent war er nun mal – einfach nicht ein. Er gab nur ein undefinierbares Brummen von sich und warf seinem Sitznachbarn – Avitus – einen ungnädigen Seitenblick zu. Ja, die claudischen Kaiser, die waren natürlich fast alle verrückt und hatten ihre komischen Seite, aber die Flavier, pah, nein, die doch nicht. 8) Marcus' Lippen bildeten in dem Moment auch einen schmalen Strich und seine Miene war für den Moment etwas verkniffen, ehe es sich glättete und er versuchte auch dem Rest zu lauschen. Als Cyprianus etwas anfügte, legte sich der Mißmut in Marcus schon wieder; er suchte derweil immer noch nach ein paßenden Antwort, bei Corvinus dachte Marcus einen Moment nach und spürte schließlich den Blick von Macer auf sich ruhen. Ach, herrje, sollte etwa jetzt etwas sagen? Aber was? Marcus schluckte und räusperte sich, rutschte etwas verlegen auf dem Stuhl hin und her und war für den Moment sprachlos, sein Geist war völlig blank für den Moment. So schwieg er ein paar Herzschläge.


    „Ähm...“
    , begann Marcus unschlüßig. Himmel, was sollte er nur sagen?
    „Also, die Garde...ja!“
    Marcus fixierte einen Punkt an der Wand und versuchte, all die Blicke um sich herum zu ignorieren, die ihn noch etwas nervöser machte.
    „Also, daß die Garde nur Römer sein sollten, das stimme ich zu, aber die Garde sollte die Garde bleiben und nicht Politikmacher! Also den Schutz der kaiserlichen Familie - und des Augustus selber - dienen! Ich denke mal, Augustus hatte das sicherlich auch so beabsichtigt, aber bei den nachfolgenden Kaisern wurde die Macht der Prätorianer zu groß, Tiberius fing damit an und den Höhepunkt fand die Macht sicherlich darin, Claudius auf den Thron zu setzen, entgegen des Willen des Senates. Somit haben sich die Prätorianer als eine stärkere Macht als der Senat erwiesen. Ist das wünschenswert?“
    , stellte Marcus die Frage in den Raum und sah nun wieder zu den anderen Teilnehmern. Himmel, hatte er gerade die Prätorianer kritisiert? Was war nur in ihn gefahren? Erneut rutschte Marcus hin und her und versuchte seinen Schnitzer, der unangenehme Konsequenzen nach ziehen konnte – schließlich hatte er ja gerade erwähnt, daß die Prätorianer mächtiger als die Senatoren sein konnten und ihm Gracchus bestimmt nicht helfen konnte! - , wieder glatt zu bügeln, oder zumindest zu vertuschen, indem er hastig weiter sprach.


    „Was Domitian angeht und der Vergleich zu Augustus, kann man wohl nicht sagen, daß Domitian nur ein paradi...ähm mißtrauischer, machthungriger Ursupta...Kaiser war, er hatte bis zum Schluß die Loyalität der Legionen unter sich, er vermochte die Verwaltung des Imperiums zu ordnen, gerade was die Verwaltung anging, konnte er sich durchaus mit Augustus meßen; sein Verhängnis war, wie schon bei vielen anderen Kaisern, daß er es sich mit dem Senat und der Garde verscherzt hatte.“
    Und wo er schon beim Senat war, fügte er an:
    „Nero hat den selben Fehler begangen, auch bei ihm war nicht die mangelnde Nähe zu den Soldaten ausschlaggebend für seinen Sturz, sondern daß er zu viele Männer aus den Reihen der Senatoren hat hinrichten laßen...denke ich!“
    , meinte Marcus zu dem Kommentar von Corvinus.


    „Viele Kaiser verloren jedoch tatsächlich leider nachdem sie princeps wurden, ihren Bezug zur Legion, Tiberius ging es zum Beispiel so.“
    , ergänzte Marcus.
    „Der größte Fehler, den Augustus selber nie getan hatte, war wohl, den Senat noch mehr zu entmachten, Hochverratsprozesse am laufenden Band zu führen und sich nicht nur als erster Bürger zu zeigen, die Bescheidenheit des Augustus fehlte ihnen. Wenn jemand zu dieser Bescheidenheit zurück kehrte, konnte man das wohl von Claudius sagen...“
    Marcus mußte ja noch was zu seinem Kaiser sagen.
    „Er lehnte den Rang des Imperators auf Lebenszeit ab, selbst wenn er den Triumph einige Male feiern ließ. Aber auch einige andere Dinge im Militär machte Claudius richtig. Er reformierte die Laufbahn für Ritter, er führte neue Soldstufen ein...hm....und die Kriegsführung, wie in Britannia, ließ er auch nicht ruhen.“
    Was könnte er noch sagen? Marcus verstummte und ihm fiel einfach nicht mehr zu Claudius ein, herrje. Er sah nun doch zu Macer und hoffte, genug geredet zu haben; nach der langen Rede und der immer wieder zurück kehrenden Verlegenheit war Marcus' Gesicht von einer gesunden Röte überzogen.



    Sim-Off:

    Selbiges wie Avitus gesagt hat, gilt auch bei mir.

    Wenn sich ein Krieg mit Buchrollen gewinnen ließe, dann wäre wohl sein Vetter Gracchus schon längst Kaiser von Rom, so viel, wie sich dieser damit und solchen Dingen beschäftigte; Marcus' Mundwinkel zuckten bei der Vorstellung, doch, sein Vetter würde bestimmt ein guter Kaiser sein können, aber Marcus bezweifelte, daß jener auch solche Ambitionen nur im entferntesten Sinne hegte. Zustimmend nickte Marcus, selbst wenn er doch ein wenig enttäuscht war, daß es nicht so eine Art Handbuch gab, womit das Kommandieren doch leichter wurde, selbst wenn Kriege damit nicht geschlagen werden konnten. Marcus streckte sich ein wenig und versuchte seine Zehen unter dem Verband zu bewegen, was einen scharfen Schmerz durch sein Bein schickte.


    „Hmh, da hast Du wohl Recht, selbst wenn Schriftrollen bei der Kriegsführung bestimmt helfen können!“
    Wobei Marcus da keine konkrete Vorstellung hatte, er hatte weder ein größeres Kommando geführt, noch sich im Krieg mit Schriftrollen beschäftigt.
    „Klingt auf jeden Fall sehr interessant!“
    , meinte Marcus diplomatisch; denn im Grunde interessierte sich Marcus nicht für solche Dinge wie Abhandlungen, etc., dafür war er doch zu lesefaul, aber vielleicht konnte sein Sklave für ihn alles lesen und dann zusammen faßen.
    „Ah so ist das!“
    Marcus nickte bei der Antwort von Florus. Wirklich Ahnung von der Geschichte hatte Marcus ja – wie schon erwähnt – nicht wirklich.
    „Ich hoffe, ich halte Dich nicht von einer wichtigen Aufgabe ab?“
    , fragte Marcus. Denn jemand, der in Italia an ziemlich oberster Spitze vom Rang stand, zudem noch in der Militärakademie viel zu sagen hatte, der mußte bestimmt schwer beschäftigt sein, im Gegensatz zu einem einfachen centurio, der gerade seinen Krankenurlaub hatte.

    Prüfend musterte Marcus den neuen Sklaven, aber der machte im Moment dann doch weniger den Eindruck auf ihn, rebellischer oder aufbrausender Natur zu sein, mehr ein Mensch, der die Dinge stoisch hinnehmen konnte, aber Marcus traute dem Frieden nicht ganz, wollte aber an diesem nicht rühren, geschweige denn irgendwelche bockigen oder aufwieglerischen Reaktionen zu beschwören, nein, mit diesem Zustand konnte Marcus leben und irgendwann fügten sich die neuen Sklaven dann auch ihrem neuen Schicksal, oder sie starben! So oder so, die Zeit würde es erst erweisen. Marcus indes war recht zufrieden, endlich hatte er einen Sklaven, der sich bestimmt mit der Jagd auch aus kannte und mußte nicht immer die Stümper mitnehmen; womöglich würde das noch sehr vergnüglich werden, sofern er wieder die Zeit finden konnte, dieser Leidenschaft nachzugehen, eine Zeit, die er sich aber bald auch nehmen würde; er hatte genug Opfer für das Imperium gebracht. Marcus neigte den Kopf zur Seite als er die Frage von Cassim vernahm, nein, das war gewiß keine unverschämte Frage, somit gedachte Marcus natürlich auch diese zu beantworten. Der Glaube von den Sklaven war Marcus eigentlich recht egal, Hauptsache sie dienten gut, waren fleißig und nicht aufmüpfig, solange das gewährt war, durften sie beten, opfern, glauben an wen sie wollten - selbst an den Christengott. So nickte Marcus auf die Frage hin.


    „Ja, wieso auch nicht? Natürlich kannst Du das nicht an unseren römischen Altären tun, aber Du wirst schon einen Weg finden, nicht die Götter zu erzürnen, noch die Ahnen.“
    Marcus hob die Hand und dachte darüber nach, wenn Cassim sich einen eigenen Ort suchte, womöglich dort, wo auch andere Sklaven beteten – wo auch immer das war – dann würde dem wirklich nichts entgegen stehen.
    „Dein Gott? Heißt das, Du glaubst nur an einen Gott? Das ist aber nicht der Hebräergott, hm?“
    Marcus hatte mal gehört, daß die Parther an zwei Götter glaubten, nebst einem Dritten, aber ganz war Marcus nicht durch ihren Glauben gestiegen und verstand nicht den Unterschied zwischen dem Gott der Dunkelheit und dem des Lichtes. Aber ein anderer Einfall kam Marcus, etwas, was er auch in Parthia erfahren hatte, wenn auch nicht von den Parthern selber.
    „Oder meinst Du etwa Mithras?“
    Das wäre natürlich interessant, insbesondere nachdem Marcus selber an einem der hohen Feste des Lichtgottes teilgenommen hatte.

    Grübelnd hob Marcus die Hand und rieb sich über seinen Nacken, eine Geste, die er immer machte, wenn er etwas ratlos war, wie jetzt in dem Moment; Marcus fing an, in seinem mehr schlechten als rechten Gedächtnis zu kramen, sicher, der Mann, der Annaeer, kam ihm schon bekannt vor, aber Marcus konnte nicht mehr einordnen, ob es daran lag, weil er ihn schon ein paar Mal im Lager bei größeren Zusammentreffen gesehen hatte oder eben wegen eines früheren Zusammentreffens; Marcus zuckte kurz mit der Schulter und ließ seine Hand wieder sinken. Er erinnerte sich einfach nicht mehr; wie auch Modestus trat Marcus an seinem Übungspfahl zurück.


    „Der praefectus castrorum? Vor dem Krieg? Hm...das kann nur...ach, Matinius Plautius war das!“
    Marcus lachte auf und nickte.
    „Der kann schon ganz schön ruppig wirken, aber er wirkt nur so, er ist es gar nicht. Ein höchst anständiger Mensch und ein vorbildlicher Offizier, sehr mutig und ein guter Kämpfer und großer Anführer zudem. Seine Stimme kann man noch im lautesten Kampfeslärm hören!“
    Marcus grinste schief, ein wenig wehmütig dachte er an die gute, alte Zeit; herrje, es schien ihm schon Jahre her zu sein, außerdem hatte er langsam das Gefühl immer weniger mit den neuen Leuten in der Prima Schritt halten zu können, womöglich war das auch ein deutliches Zeichen. Marcus hob eine Hand und lockerte damit seine noch etwas vom Üben verkrampfte Schulter und sah Modestus erneut grüblerisch an.
    „Und centurio war ich schon, sagtest Du? Hm...!“
    Nun ja, das war er schon einige Monate vor dem Krieg gewesen. Marcus zog das Schwert, um auch wieder mit seinem Übungen zu beginnen, doch zuvor meinte er noch:
    „Na, dann hast Du einen steilen Pfad erklommen, tribunus, wenn Du schon innerhalb so kurzer Zeit es bis zum Militärtribunat geschafft hast und Dich wohl nicht mehr viel von einem Sitz im Senat trennen wird. Glückwunsch!“


    Dann muß der Mann wohl über gute Beziehungen verfügen – Marcus erinnerte sich aber an keinen Annaeer im Senat – oder er war eben ausgesprochen fleißig, was bei Marcus mehr Respekt hervor rief. Einen Moment lang beobachtete Marcus, wie Modestus sich mit dem Schwert übte und wog den Kopf hin und her, man sah vielleicht die Kunstschwenker, die ihm der Gladiator beigebracht hatte, aber der centurio von der Flotte schien das wieder glatt gebügelt zu haben, denn Marcus konnte nichts daran aussetzen. Marcus nickte zufrieden und hob das Schwert, wobei er wieder in Grundstellung ging, so wie er es immer in seiner Ausbildung den jungen Soldaten eintrichterte.


    Nur die Flotte? Das würde ich nicht sagen, die Flotte sollte man nicht unterschätzen, zudem ist es eine besondere Herausforderung, auf Deck zu kämpfen und über die Brücken zu springen, um sich dem Feind zu stellen. Man kann nur großen Respekt vor den Männern haben, die unter solchen Bedingungen auch noch kämpfen können! Und Soldat ist Soldat, solange er dem Imperium dient...finde ich!“


    Marcus sah auf fremde Soldaten herab und fühlte sich ihnen überlegen, aber solange es Männer waren, die dem Imperium dienten, da hatte Marcus doch eine deutlich beßere Meinung, auch von den Hilfstruppen, die ungemein wichtig im Krieg auch waren. Grundschritt, Schwert nach vorne, knapp an dem Schildrand vorbei, linkes Bein gegen das Schild gepreßt und zurück, wieder vor, und zurück, Ausfallschritt und zurück, das monotone Stechen ging weiter, Marcus traktierte auch einige Male den schon ramponierten Pfahl, der schon viele Übungen in den letzten Jahren ertragen hatte und nur wegen dem Krieg etwas Pause gehabt hatte. Nach einer Weile ließ Marcus wieder das Schild herunter sinken und atmete erschöpft, er hatte einfach keine Kondition mehr, außerdem fing sein Bein an zu schmerzen.
    „Hast Du schon ein Manöver mitgemacht, tribunus?“
    Kämpfen am Pfahl oder gegen einen Einzelnen, schön und gut, aber es würde niemals die Erfahrung wett machen in einer Schlachtreihe zu stehen, selbst wenn sie nur aus dreißig Mann bestand.

    Respektive? Das klang sehr schlau das Wort, Marcus kannte es nicht und hatte keine Ahnung, was Florus damit meinte, aber Marcus nahm sich vor, das bei seinem Vetter Gracchus in der villa mal nachzufragen, sofern er sich bis nach Hause das Wort überhaupt merken konnte, er nannte es drei, vier Mal in seinem Geiste, bis er glaubte, es wenigstens eine hora zu behalten und nickte, selbst wenn er auch nicht schlaues zu dem Gesagten beitragen konnte, insbesondere was die Geschichte der Militärakademie anging. Marcus rutschte auf der Steinbank etwas hin und her, hätte dabei beinahe eine Krücke auf den Boden geworfen, und sah Florus kurz grübelnd an; sollte er es wagen? Ach, warum nicht? Mehr als Durchfallen konnte er bei dem nächsten Examen dadurch auch nicht, wenn er sich jetzt so ahnungslos offenbaren würde, womöglich half es ihm jedoch beim Kolloqium, wenn er sich jetzt schon nützliches Wissen aneignete – auch wenn er bestimmt die Hälfte davon wieder vergaß.


    „Nachschlagewerk für Kommandanten? Was ist das genau, wenn ich fragen darf? Eine Schriftensammlung? Alles, was ein Kommandant wißen muß?“
    Was sehr praktisch wäre, so ein kleines Handbüchlein für das richtige Kommandieren, zumindest für Marcus wäre es das, selbst wenn er es sich immer vorlesen laßen müßte, die Kopfschmerzen beim langen Lesen waren einfach für ihn zu unerträglich.
    „Und zur Geschichte...die Schola...die Militärakademie gehört aber nicht dazu, hm? Und ist die Schola denn schon alt?“

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius



    Jeder Mensch würde noch sein Glück finden? Appius sah den jungen Mann in seinem kleinen, kargen Raum an und blinzelte drei Mal und dachte darüber nach, seine eisblauen Augen sahen wie von selbst über das Inventar seines Zimmers; ja, er hatte sein eigenes Reich, er war optio, verdienen tat er mehr als seine Brüder, selbst der Handwerkerbruder hatte es nicht so gut wie er, außerdem konnte er jetzt behaupten, ein Parthiaveteran zu sein, selbst wenn er kein einziges Mal ein Schwert gegen den Feind gerichtet hatte; bei dem ersten Angriff, da hatte er seinen Dolch ergriffen und den ganzen Angriff angsterfüllt hinter den Kisten im Versorgungslager abgewartet, dafür gehörte er auch zu den Männern, die eben nicht im Krieg ausgezeichnet worden waren. Aber wirklich glücklich, nein, das war Appius nicht, so sah er auch recht skeptisch aus und nippte an dem Becher Wein, doch er spürte schon, wie ihm der Wein in den Kopf stieg, selbst wenn er gerade mal einen Viertel vom Becher zu sich genommen hatte. Er räusperte sich und zuckte ratlos mit den Schultern.


    „Es steht uns Sterbliche nicht an, die Götter in Frage zu stellen, aber es gibt bestimmt Menschen, die haben mehr Glück abbekommen als Andere...und manche sogar fast gar keines.“


    Trübe sah Appius in den Becher und betrachtete die Bewegungen des roten Weines in dem Tongefäß; er glaubte nicht mehr daran, wie seine Brüder noch eine Frau zu finden, sein ältester Bruder, der hatte sogar mehrere Ehefrauen in seinem Leben gehabt und Appius konnte noch nicht mal gescheit ein Wort mit den Vertretern des anderen Geschlechtes wechseln, es war, als ob er einen Knoten in der Zunge hatte; wenn er dann sprach, dann kamen ihm nur Dinge aus der Verwaltung in den Sinn, womit er jede Frau in die Flucht schlug, die sich nur länger als drei Sätze mit ihm unterhielt. Doch die weiteren Worte von Tacitus rißen Appius aus seinem düsteren Grübeln hervor, er sah auf und in das Gesicht des jungen Mannes; ein hoffnungsvoller Schimmer trat in die Augen des älteren Mannes, der schon seit zwanzig Jahren in der Legion diente.


    „Meinst Du wirklich?“
    , fragte Appius und wieder trat der seltsame, einem Lächeln ähnliche Ausdruck auf seine schmalen und blaßen Lippen.
    „Ich...ich hab mir schon überlegt, wo ich ihn gerne hätte...direkt beim Forum des Trajan, in einem der oberen Läden. Kein großer Laden muß es sein, aber hell sollte er sein...damit die Kunden auch mal die Schriften lesen können...also ich hab mir überlegt, vielleicht einen Laden mit solchen Werken aufzumachen...oder ein Gemischtwarenladen...Knöpfe, Geschirr, Töpfe, Bindfaden und vielleicht Dinge für die Katze, meinst Du, dafür interessieren sich die Menschen?...also richtig gute Sachen für ihre Katze...aber ich habe in Antiochia schon einige Schriften gekauft, die könnte ich als Grundstock nehmen, falls es doch ein Buchladen wird...aber bei den Dingen für die Katze, da könnte Drusilla...“
    Er sah sich suchend um und deutete, mit einem lebhaften Leuchten in den Augen, auf die Katze im weich gepolsterten Katzenkorb.
    „Drusilla ist meine Katze...ich habe sie nach der Kaiserin benannt...wäre es ein Kater, dann hätte ich ihn selbstverständlich nach unserem göttlichen Kaiser – mögen ihn die Götter in ihre Reihen aufnehmen – genannt. Also, Drusilla könnte die Dinge dann vorführen.“
    Richtig gehend in einen Redefluß kam Appius, wenn er auch immer wieder stockte und unsicher zu Appius sah.
    „Ich habe sogar schon zwei Entwürfe für ein Ladenschild! Und Namen habe ich auch schon...ein paar sogar...“
    Ob er es Tacitus zeigen sollte? Appius war sich etwas unschlüßig. Er hob die Hand und rieb sich mit dem Zeigefinger über die Unterlippe.
    „Und Du? Hast Du Dir schon überlegt, was nach der Legion kommt...? Wobei das ja noch gut zwanzig Jahre bei Dir sind.“
    Appius griff nach der Karaffe Wein und schenkte Tacitus nach.




    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    Das letzte Sonnenlicht fiel noch in das atrium und spiegelte sich auf dem Wasserbecken wieder, wo die lieblich vor sich hin blühenden Seerosen schwammen, ein letztes Andenken, ein letztes Zeugnis von Leontias Wirken in der römischen villa hier in Rom, doch Marcus war zu müde, um diesem idyllischen Anblick große Beachtung zu schenken, zudem wußte er nicht, was Leontia noch in der villa ge- und erwirkt hatte. Schon schwand das Glitzern von der Wasseroberfläche als die Sonne sich tiefer neigte, die Säulen warfen lange Schatten über die Rosen und die Statue, die sanft das Wasser in das Becken plätschern ließ, doch Marcus spürte einfach mit jeder Faser seiner Selbst: Er war zu hause angekommen! In der Heimat! In dem domus seiner Familie! Liebevoll musterte er seinen Sohn, während dieser sich dem Geschenk widmete und hoffte, ein wenig von dem Unmut seines Sohnes damit schlichtweg zu erkaufen – ja, Marcus war nicht sonderlich einfallsreich, noch hatte er ein großes Gespür für gute Erziehung, er wollte seinen Sohn nur wieder etwas glücklicher machen, der Junge hatte es schließlich schon so schwer genug gehabt! Es war ein melodisches Lachen, das das atrium erfüllte und Marcus Aufmerksamkeit weckte; er sah von seinem Sohn fort, dem er den Korb mit dem Löwen näher hin geschoben hatte und auf seinen heran nahenden Vetter. Wie einem Echo gleichend spiegelte sich die Freude auch in Marcus' Gesicht wieder, doch er war schon ein wenig von der Herzlichkeit, mit der Gracchus ihn an diesem Abend begrüßte überrascht, aber freudig erstaunt, fest und familär umarmte Marcus auch seinen Vetter und klopfte ihn kräftig – wenn auch noch von Krankheit, Verletzung und der anstrengenden Reise erschöpft – auf den Rücken.


    „Manius, schön Dich zu sehen!“
    , erwiderte Marcus.
    „Nur die Halbe, Manius, nur die Halbe, aber das reicht mir auch im Moment!“
    , gab Marcus lachend von sich, wobei das Lachen in ein Husten sich wandelte, zudem tat sofort sein Bein weh, lange stehen konnte Marcus gewiß nicht, so klopfte er seinem Vetter nur noch einmal auf die Schulter und ließ sich mit einem leisen Ächzen auf die Bank zurück fallen, dabei wanderte eine Hand zu seinem verletzten Bein.
    „Ach, könnte beßer gehen, Manius, aber auch - bei den Göttern - sehr viel schlechter...“


    Noch ehe Marcus auf die Frage etwas erwidern konnte, hatte Serenus sein Geschenk entdeckt, den kleinen Löwen; Marcus lächelte erfreut als er das glückliche Strahlen auf dem Gesicht seines Sohnes sah, als Harmoniemensch erfreute er sich auch mehr an so etwas und konnte Streitigkeiten gar nichts abgewinnen, so etwas belegte ihn sonst viel zu sehr. Er streckte die Hand aus und wuschelte seinem Sohn über den Kopf.


    „Gern geschehen, Lucius, er wird bestimmt mal ein prächtiger Löwe und Dir noch sehr nützlich sein.“


    Wie auch immer, aber darüber machte sich Marcus im Moment noch keine wirklichen Gedanken, verblüfft blinzelte als der Löwe die Spuren auf Gracchus Gewandt hinter ließ, einige Worte der Rüge seinem Sohn gegenüber wollte Marcus aber jetzt gewiß nicht aussprechen, nicht, wo er gerade das glückliche Strahlen auf das Gesicht seines Sohnes gebracht hatte, so lächelte Marcus seinen Vetter entschuldigend an und sah seinem prächtigem Sohnemann an, der bereits den halben Haushalt auf den Kopf stellte wegen dem Löwen. Marcus lehnte sich gegen die Säule an seinem Rücken und sah zurück zu seinem Vetter.


    „Nein, noch bin ich weiterhin centurio in der Prima, Manius! Ich wurde erst mal beurlaubt, weil ich doch verletzt bin!“
    Marcus deutete auf sein Bein.
    „Außerdem weiß ich noch nicht, wann ich die Legion verlaßen werde...das ist alles sehr kompliziert, aber das können wir ja ein anderes Mal besprechen, Manius!“
    Marcus war einfach zu erschöpft für solche Grundsatzdiskussionen und Lebensentscheidungen. Er lächelte milde als Gracchus die Vorzüge seines Sohnes hervor hob und Marcus nickte zustimmend, während er Manius antwortete, wanderte Marcus Blick auch wieder zu seinem Sohn.
    „Ja, er ist ein prächtiger Junge! Ich bin sehr stolz auf ihn und ich bin mir sicher, aus ihm wird mal ein großer Mann werden, ein Bedeutenderer als es sein Vater wohl je sein wird!“
    Marcus lächelte schief, aber nicht neidisch, er wußte eben, daß sein Sohn mehr Talent und besonders mehr Grips als er hatte und darum war Marcus sehr froh und auch das erfüllte ihn mit Stolz auf seinen Sohn.
    „Er kommt ganz nach seiner Großmutter, was seine Klugheit angeht!“
    Marcus lächelte wieder milde und sah zu Gracchus.
    „Aber sag', Manius, wie geht es Dir? Und wie geht es der Familie?“

    Daß mit dem Esel war doch ein guter Vergleich, sagte man nicht, daß die Esel die klügeren Tiere waren, klüger als Pferde, aber dafür sturer und eigensinniger; Marcus betrachtete seinen gracchischen Vetter von hinten und nickte zustimmend bei Aquilius' Worten, zudem grinste er verhalten bei den durchaus nicht verleugnenbaren Worten über das Wesen von ihnen beiden – selbst wenn die Zeit des Nichtstun und des Müßigganges oder Tu otiosus ambulas*, wie Cato – der knochentrockene Moralapostel – es beschimpfen würde, nun einmal vorbei war. Marcus arbeitete bei den Legionen, Aquilius als Priester und ebenfalls Politiker. Marcus nickte jedoch und erwiderte leise flüsternd und zu Aquilius gebeugt.


    „Da hast Du Recht, dabei haben wir uns doch so viele Mühe in Achaia gegeben, dem guten Manius zu zeigen, was das Leben alles bietet, hm? Naja, noch ist nicht aller Tage Abend oder wie das auch heißt!“


    Ganz konspirativ lehnte sich Marcus zurück und tat so, als ob er und Aquilius kein Wort miteinander gewechselt hatten als Gracchus wieder zu ihnen sah. Marcus, natürlich auch an jenem Tag kein Kostverächter, griff gleich zu dem warmen Brot und riß sich ein Stück von einem der großen Laiber ab, um das Brot in die Fischsauce zu tunken und zu sich zu nehmen; als ob er ausgehungert wäre, nahm er auch gleich ein halbes, gefülltes Ei und aß dieses mit großem Genuß, aber seitdem er das Fieber verloren hatte und nur noch Schmerzen hatte, aber nicht mehr dieses schreckliche Unwohlsein verspürte, hatte er wieder einen großen Appetit und es schien als ob er die Wochen der mageren Kost doppelt aufholen wollte. Erfreut lächelte Marcus als er die Worte von Aquilius hörte, das freute ihn natürlich, denn er hatte auch seine Familie – seine beiden Vettern eingeschloßen! - im fernen Parthia vermißt, der größte Wermutstropfen dieses Krieges war es gewesen, so weit weg von der Heimat, aber vor allem der Familie zu sein. Marcus schluckte eilig das Ei herunter, griff nach einige Oliven und meinte.


    „Jetzt bleib ich ja erst mal in Italia, Caius, Du wirst bestimmt bald noch fluchen, daß der Krieg vorbei ist und ich so lange hier fest sitze!“
    , erwiderte Marcus grinsend und fragte noch unbefangen:
    „Sag' mal, Du und Deine Braut, wann wollt ihr eigentlich heiraten? Wie heißt sie noch mal?“
    fragte er und lächelte weiterhin breit, bis ihm etwas auffiel, schon wieder nannte Aquilius ihn Aristides. Wie in dem Brief!! Himmel und herrje, hatte er – Marcus – etwas getan, weswegen Aquilius etwas an Ärger noch in sich hegte?


    Marcus sah ihn grübelnd an, doch Gracchus riß ihn aus den Gedanken, was die Oliven nun nicht mehr vor dem Verspeisen rettete. Marcus kaute auf ihnen herum und blinzelte verblüfft. Verwaltung? Familienerbe? Marcus verschluckte sich nun doch an den Oliven und begann kräftig zu husten, prompt verfärbte sich auch sein Gesicht in eine kräftige Röte und er sah Gracchus verwundert an. Gracchus wollte ihm – Marcus – tatsächlich die Verwaltung des Erbes übertragen, dabei mußte er doch wißen, daß er mit Geld gar nicht umgehen konnte, es floß einfach immer so zwischen seinen Fingern weg wie Sand oder einige Tropfen Wasser, mal gab er es für gutes Essen aus, dann verspielte er es mit Würfeln oder wußte einfach nicht, wohin es wieder mal verschwunden war. Vorstand über den Haushalt? Marcus, der sich nun ausgehustet hatte, sah Gracchus nun sinnierend an; er wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß zu tun, er hatte es immer bei seinem Bruder Felix oder eben Gracchus in guten Händen gewußt. Aber so blaß wie Gracchus war, hatte Marcus das Gefühl, ein bißchen von der Last, die sich Gracchus immer aufbürdete, abnehmen zu müßen, die Verantwortung, die ihm wohl zu schaffen machte.


    „Hm, möchtest Du das denn?“
    , fragte Marcus darum.
    „Außerdem dauert es noch ein paar Wochen bis ich womöglich ganz in Rom bin, noch bin ich ja in der Prima und ich muß erst nachdenken, was ich in nächster Zeit machen will und wohin mich mein Weg führt.“
    Dann fiel ihm auf, daß auch Gracchus ihn mit seinem cognomen anredete, waren etwa beide noch wegen etwas beleidigt? Verwundert sah er von Aquilius zu Gracchus.
    „Habe ich eigentlich mal wieder was falsches gesagt oder getan? Caius? Manius?“
    , fragte Marcus verwundert von einem zum anderen sehend.




    * Du treibst Dich herum und tust nichts.

    Was würdest Du an meiner Stelle tun? Das war eine Frage, die Marcus natürlich nicht gerne bedenken würde, geschweige denn diese zu beantworten; Marcus' Augen verschmälerten sich und er lehnte sich zurück, verschränkte dabei die Arme vor der Brust, in einer instinktiven Abwehrhaltung, er wollte einfach nicht mit dem Parther in gleicher Ebene reden, noch darüber nachdenken, daß dieser ein Schicksal erlitt, das womöglich auch ihm hätte blühen können, wenn er von den parthischen Truppen gefangen genommen worden wäre, was ja durchaus beinahe geschehen war, in dem ersten Scharmützel bei Edessa als ihn zwei Parther mit schleppen wollten; aber den Göttern sei Dank hatten ihn seine Kameraden gerettet, Sparsus, Serapio und Avitus – damals noch primipilus ihrer Legion! Marcus' Lippen preßten sich fest aufeinander und es bildete sich dort ein schmaler Strich, als ihm – ungewollt! - die Erinnerung daran hoch kam. Er würde fliehen, denn schließlich war er ein Soldat, ein Römer, ein Patrizier, ein Flavier, ein freier Mann eben und würde sich niemals einer Knechtschaft beugen, aber genauso wie viele seiner Landesgenoßen teilte Marcus die Meinung von dem absoluten Herrschaftsanspruch der Römer über die Nachbarvölker, also war es doch etwas anderes, wenn er floh oder wenn es nur ein elender Germane oder eben nun Parther tat.


    „Ich bin kein Sklave, Cassim. Ich kann mich nicht in Dich hinein versetzen, noch hege ich den Wunsch danach. Du bist aber nun mal ein Sklave! Aber Deine Antwort ist durchaus klar genug! Du würdest also versuchen zu fliehen! Du wirst jedoch bei mir mit keiner Milde rechnen können, wenn Du es versuchst, servus!“
    , erwiderte Marcus nun mit mehr brüskem Ton und abweisend, denn immer noch wehrte er sich gegen etwas, was er eben nicht sehen wollte und es womöglich sich niemals in seinem Leben eingestehen würde.
    „Dann werde ich Dir wohl immer jemanden mitgeben müßen! Du wirst in nächster Zeit auch die villa nicht verlaßen* und wenn es mal notwendig wird, dann niemals alleine.“


    Marcus sann nun doch und schob den aufgestiegenen Ärger über die forsche Frage von Cassim zur Seite, ein geeigneter Mann, der den Falken fing? Marcus nickte und spähte zu Hannibal, ob der geeignet war, aber irgendwie hatte Marcus das Gefühl, daß Hannibal nicht wirklich mit Vieh und Tieren, geschweige denn dem Federvieh gut auskam, aber der Sklave würde sicherlich jemanden in der villa finden, der das zu vollbringen vermochte und dabei vertrauenswürdig war.


    „Gut, dann werde ich jemanden dafür ausschicken, damit Du den Falken bekommst für die Ausbildung. Du kannst mit Hannibal die genauen Voraussetzungen besprechen, er wird sich dann darum kümmern.“
    Marcus' Nasenflügel erbebten noch mal als er tief Luft holte.
    „Hast Du noch Fragen, Cassim?“
    ...die nicht zu unverschämt waren, aber Marcus hoffte für den Sklaven, das er sich das selber dachte.




    * SimOff: Was nicht heißt, das Du nicht frei überall in Rom spielen kannst. Mach' das ruhig mit einem paßenden SimOn Grund - Einkauf, etc. und was auch immer und wozu Du Lust hast.

    Das letzte Licht wurde von den Hügeln verschluckt, was das Kastell umgab, die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden und auch das Zwitschern der Amseln und Schwalben, die am Himmel kreisten und ihre Flugakrobatik vorführten, verstummte langsam. Die Schatten wurden in der Unterkunft immer größer und schon ging eine Tür auf, ein schlanker und junger Sklave, der Parthische, trat auf leisen Sohlen hinein, in den Händen hielt er eine Öllampe und einen Glimmspan. Leise und diskret ging er zu der Halterung auf der anderen Seite und zündete auch dort die Öllampen an, erst als die Unterkunft von dem gelblich-milchigen Licht der Öllampen, die durch den Windzug der Tür immer wieder flackerten, erhellt wurde, blies der Sklave den Glimmspan aus und trat zu den Fensterläden, um einen zu schließen und dann auf genauso leisen Sohlen wieder aus der Unterkunft zu schwinden. Marcus, der das Prozedere schon gewohnt war, merkte von der Anwesenheit des Sklaven nichts, für ihn war der Sklave auch mehr ein Schatten seiner Selbst, den er schon seit langem nicht mehr beachtete. Marcus hob den Becher als der frisch gebackene optio den Trinkspruch erwiderte, gut tat der Wein an seiner Kehle als er einen tiefen Schluck im Anschluß nahm und den Becher zur Seite stellte, heute war gewiß noch ein Abend, an dem Marcus viel von dem Wein zu sich nehmen würde, um die düstere Stimmung zu vertreiben. Der Tod hatte schon vor langer Zeit seinen schwarzen Atem über Marcus' Seele streichen laßen, der Tod, den er immer noch nicht wahrhaben wollte, der Tod, der um ihn herum immer wieder erschien und einen guten Mann nach dem Anderen in die Unterwelt mitnahm; Marcus sonst mehr fröhliches Gemüt war heute ausgesprochen melancholisch, seine Finger strichen behutsam über die dunkelste Seite des Instrumentes, die Seite erzitterte und gab einen tiefen und volltöndenden Klang von sich, einen, der in Marcus' Ohren genau richtig sich anhörte von der Klangfarbe und ihn auch ansprach.


    „Ein Hirte?“


    Marcus linker Mundwinkel hob sich ein wenig. Ja, Hirtenmusik hatte doch etwas ausgesprochen reizvolles an sich; die Viehhüter hatten einen Hang zu sehr tiefsinniger Musik, aber auch fröhlicher Melodei. Marcus blinzelte überrascht als Serapio das mit dem Musizieren vorschlug, auf den Gedanken war Marcus noch nicht gekommen, aber eigentlich war es nahe liegend, denn im Austausch mit anderen Musikliebhabern und im Klang von schöner Musik konnte Marcus ein tiefes Glücksgefühl entwickeln, womöglich vermochte es auch seine trüben Gedanken zu vertreiben.


    „Eine gute Idee, optio! Dann hol' mal Deine Flöte und wir probieren es!“


    Mit seinem Stellvertreter zu spielen hielt Marcus auch nicht für eine falsche Verbrüderung, mit einem einfachen Soldaten aus seiner Einheit hätte Marcus womöglich Bedenken gehabt, daß es der Disziplin abträglich war. Marcus nickte Serapio aufmunternd zu, daß er sein Instrument holen könnte und ließ seine Finger erneut über die Seiten gleiten, um seine Hände wieder etwas mit dem Instrument in Einklang zu bringen, sie fühlten sich immer noch klobig und starr an.

    Marcus sah Cyprianus grübelnd an und dachte über das Gesagte nach, es erinnerte ihn an etwas aus seinen Schriften, aber auch aus der Erzählung seiner Familienchronik, was mit anderen Aufzeichnungen im Widerspruch lag, aber eben weil es einen seiner Verwandten betraf, hatte Marcus genauer nachgeforscht in den Tagen, zumal er alle Zeit der Welt hatte, sein Bein hatte ihn ja förmlich dazu gezwungen sich mit weniger körperlichen Dingen zu beschäftigen. Er hörte Cyprianus bis zum Ende zu und lauschte auch Avitus' Diskussionsbeitrag, dem er durchaus zustimmen konnte, aber zuerst war da noch etwas, was Cyprianus gesagt hatte und was Marcus dann doch noch selber kommentieren wollte.


    „Hm, ich habe da schon einige Diskrä..Diskro...einige verschiedene Faßungen des Schlachtenverlaufes gelesen, aber in den Aufzeichnungen, die die villa Flavia besitzt, stellt es sich doch etwas anders dar. Vitellius hat einen seiner Legionskommendanten zu der Schlacht geschickt. Niemand anderes als Caecina...hm...wie war noch mal sein ganzer Name...Aulus Caecina...Alinus...nein Alienus...Aulus Caecina Alienus. Ehemaliger Legat der Vierten, Kommandant der Legionen in Obergermanien, erfahren in einigen siegreichen Schlachten und sogar Consul gewesen. Aber eben einer, der am Ende ein Verräter geworden ist. Und eben weil der Kaiser nicht bei den Truppen war, konnte er nicht den verräterischen Legaten ersetzen und die Soldaten waren ohne Führung.“


    An Avitus gewandt nickte Marcus schließlich.


    „Du hast schon Recht, praefectus. Ein Kaiser muß nicht bei jeder Schlacht dabei sein, ein Kaiser muß nicht jede Legion in das Feld führen und eine Legion kann durchaus auch ohne den Kaiser eine gute Moral aufweisen, aber die Legionen sollten wißen, daß der Kaiser es durchaus kann, daß er es schon getan hat und daß er es jederzeit wieder könnte. Außerdem, daß ihm die Legionen sehr am Herzen liegen, für solch einen Kaiser kämpfen die Soldaten doch sehr viel inbrünstiger, denke ich jetzt mal. Wie eben Vespasian oder Trajan. Und bei wichtigen Kriegen oder Schlachten sollte der Kaiser präsent sein!“

    Zur Hälfte sicher? Marcus grübelte noch über die Worte nach, die ihm nicht ganz einleuchtend erklärten, warum jetzt Florus an der Akademie war, aber wahrscheinlich waren das höchst vertrauliche Angelegenheiten. In geheimer Mission womöglich, streng geheim, mit einem dicken Stempel auf der Akte, zumindest einem dicken, roten Siegel, das nicht gebrochen werden durfte. Aber schon die nächsten Worte riefen Fragen in Marcus wach, die er auch gleich stellte.


    „Abschließende Arbeiten? Meinst Du das vierte Examen? Ist das auch eine Prüfung wie die Drei zuvor? Und gibt es dort auch ein Kolla...ähm...Kol-lo-qui-um?“
    , fragte Marcus, nicht ohne Hintergedanken, ob es nicht mal für ihn wichtig werden würde. Schließlich war er schon am Dritten dran, da war die Überlegung, das Vierte hinter her zu machen, nicht ganz abwegig.

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius


    Selbst wenn ihm Tacitus Leid tat für das, was er schon in jungen Jahren ertragen mußte, so fühlte Appius etwas in sich aufsteigen, was er nach einigen Herzschlägen erst erkennen konnte: Es war das Gefühl von Neid. Neid auf das Leben, was Tacitus durchaus schon hatte, ein Leben, in dem er von einem Menschen innigst geliebt wurde. Appius hatte noch nie so etwas erfahren, er war schon zwei Mal verliebt gewesen, einmal, als er dreizehn und einmal als er fast dreißig geworden war, beide Male hatten sich natürlich die Angebetete nicht für ihn interessiert, beim ersten Mal war er sogar ausgelacht worden, als er mit Blumen angekommen war. Jemanden zu lieben und das Gefühl erwidert zu bekommen, das mußte wirklich wunderbar sein. Appius' Augen wurden leer und ausdruckslos als er darüber nachdachte, sie wanderten auf den Tisch herunter und nur am Rande drangen die Worte des jungen Soldaten an sein Ohr. Daß sie nicht mehr zum Orakel gereist waren, das hätte sich Appius auch denken können, es war mehr eine Verlegenheitsfrage, weil er nicht wußte, was er tun sollte, tröstende Worte, Mitleidsbekundungen, gar Mitgefühl, was ihm etwas fremd war, er hegte meistens solche Empfindungen nicht. Langsam hob er den Kopf und schüttelte diesen als er die Entschuldigung von Tacitus vernahm.


    „Nein, nein, Valerius, Du hast den Abend...nicht verdorben!“
    Appius wußte auch gar nicht, was ein Gelungener und was ein Verdorbener war; er war an diesem Abend nicht alleine, Tacitus war freundlich und ehrlich, verriet ihm etwas aus seinem Leben und zeigte sogar keine Scheu, schlimme Dinge zu erzählen, für Appius war das ein guter Abend, selbst wenn es ihn selbst etwas betrübte, aber seine sonstige Einsamkeit linderte.
    „Es ist schlimm, großes Glück zu erhalten und es wieder aus den Händen gerißen zu bekommen. Aber vielleicht...“
    Appius kaute einen Moment auf seiner Lippe herum und wußte nicht recht, wie er seine Gedanken in Worte faßen sollte, damit sie nicht Tacitus beleidigten.
    „...vielleicht kannst Du es dennoch als ein Geschenk der Götter sehen, daß Du das Glück wenigstens für eine gewiße Zeit erhalten hast. Manche Menschen werden nie in ihrem Leben erahnen können, was es heißt zu...zu...zu....“
    Zu lieben? Das Wort wollte nicht über Appius' Lippen kommen.
    „ - so glücklich zu sein.“
    Das brachte er schließlich dann doch noch hervor.






    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    Es verblüffte Marcus dann durchaus, daß der Tribun vor ihm tatsächlich auf dem campus Übungen nachging, Übungen mit Waffen und einem Schild, selbst wenn es nur das parma war; schließlich hatte man gehört, daß der Tribun aus der Verwaltung kam und solche Dinge wie ein kämpfender officiumhengst paßte nicht so ganz in Marcus' Weltbild und was nicht paßte, das wurde eben paßend gemacht; womöglich stimmten die Gerüchte einfach nicht. Die Sonne schien sehr warm auf Marcus' Rücken und er hatte immer noch das Gefühl zu kochen und zu dampfen, nachdem er die ersten Übungen des Tages gemacht hatte, die Ersten seit einigen Wochen. Er hob die Hand und wischte sich nochmal etwas Schweiß von der Stirn und betrachtete den Annaeer nicht unfreundlich. Die Frage von Modestus stieß in ein Gefilde von völligem Vergeßen; Marcus grübelte einen Moment länger, griff noch mal zu der Schöpfkelle und trank einen tiefen Schluck von dem Wasser ehe er sich aufrichtete und den Kopf schüttelte.


    „Nein...vor ein paar Jahren? Vor dem Krieg...?“
    , murmelte Marcus und hatte nicht die leiseste Ahnung, schließlich hatte er sehr oft Dienst am Tor geschoben in all der Zeit, da verschwamm es mitunter, wer am Tor erschien.
    „Nein, ich erinnere mich nicht. War das jemand, den Du kennst? Du kommst doch auch aus Mantua, hm?“
    , fragte Marcus unbefangen und trat zu seinem Schild zurück, das schwere Geflochtene. Er wischte sich noch die Wasserperlen von den Lippen und war auch nicht im Mindesten verwundert, daß Modestus seinen Rang kannte, man sah es ja schon an der Art, wie Marcus seinen Gürtel mit der Schwertscheide trug, genau anders herum als es die einfachen Soldaten taten. Marcus hob das Schild ein wenig an und deutete mit dem Kinn auf das parma von Modestus.
    „Wo hast Du den Kampf mit dem Schwert und dem Schild gelernt, tribunus? Wenn ich fragen darf...?“
    , fügte Marcus an und dann ebenso:
    „Übrigens...Marcus Flavius Aristides ist mein Name, tribunus!“
    Den von Modestus kannte Marcus natürlich, sowas sprach sich wie ein Lauffeuer in der Legion herum; Soldaten waren nun mal die schlimmsten Tratschweiber.

    Ein Lächeln huschte über Marcus' Gesicht als Licinus den Stab eines centurio erhielt; der Iulier hatte sich diesen wirklich verdient, war er doch im Krieg nicht nur tapfer und loyal gewesen – so es Marcus mitbekommen hatte – sondern auch noch fleißig und strebsam. Marcus ahnte, daß es für den Iulier wohl mitunter einer der wichtigsten Tage war – der Tag, an dem er zum centurio ernannt wurde. Glückwünsche und dererlei auszusprechen, das sparte sich Marcus jedoch für einen späteren Moment auf, denn schon ging es weiter; selbst wenn Marcus keine Ahnung hatte, womit es weiter gehen würde und sein Bein ein bißchen zu kribbeln anfing, aber dennoch hielt er noch durch, bewahrte Haltung, wippte etwas mit seinen Zehen und folgte dem Vortreten von Imperiosus mit seinen Augen, abwartend, was noch heute geehrt, besprochen, ernannt, gesagt und gesalbt wurde, oder was auch immer.

    Abermals beugte sich Marcus ein wenig nach vorne, um die Worte von Cassim aufzunehmen, schließlich war das wirklich ein Thema, wo er beileibe kein Interesse vor heucheln mußte, was er gegenüber einem Sklaven auch nicht getan hätte. Einen Falken aus dem Nest zu stehlen, stellte sich Marcus etwas schwierig vor, wenn auch nicht unmöglich, bei einem Adler hegte er doch größere Zweifel, denn dann würde man ja in den Bergen herum klettern müßen ehe man das Junges aus dem Hort stehlen konnte und war das nicht sogar ein Frevel? Marcus hob die Hand und fuhr damit nachdenklich an sein Kinn, bevor er Adlernester ausraubte, würde er wohl erstmal seinen Vetter in dieser Hinsicht um Rat bitten müßen. Aber bei einem Falken würde man gewiß nicht solche Bedenken hegen müßen, zudem lud – falls es doch anders war – ja erst mal der Sklave den Götterzorn auf sich; zufrieden mit diesem Rückschluß dachte Marcus über die anderen Worte von Cassim nach; ein marginales Lächeln glitt über seine Züge als er über das Sinnbild nachdachte, so war also nur ein in vorher Freiheit geborener Falke später ein guter Diener, ob man das Gleiche auch auf einen Sklaven anwenden konnte, mußte man auch einen Sklaven aus dem Nest stehlen, damit er besonders eifrig zu seinem Herrn zurück kehrte? Nachdenklich sah Marcus zu Hannibal hinüber, der schließlich in die Sklaverei geboren war und von dem Sklaven dann zu seinem Neuen, der wahrlich die Freiheit ausgekostet hatte und etwas an sich trug, was Marcus fatal an den Germanen erinnerte.


    „Ein Jahr?“


    Nun, der Falke mußte ja groß werden, zudem noch erzogen werden; Marcus sah es schon ein, daß er nicht schon im Sommer damit jagen konnte, selbst wenn es ihn doch ein ganz klein wenig enttäuschte; aber Marcus nickte gönnerhaft, denn schließlich war er sehr gespannt, was sich aus dem Ganzen entwickeln würde und wie eine Jagd mit einem solchen Tier war; womöglich war das auch einer der wenigen Aspekte, gegenüber denen Marcus offen war, wenn es darum ging, von fremden Völkern zu lernen; Essen und womöglich die südländischen Frauen gehörten auch dazu.


    „Also gut, dann sollst Du Deine Zeit bekommen, gute Dinge brauchen nun mal ihre Weile...“


    Marcus sah Cassim grüblerisch an, irgendwo in die Wälder oder ins Gebirge, wo man solch einen kleinen Falken fangen konnte, dorthin wollte Marcus ihn freilich noch nicht schicken, so naiv war selbst Marcus nicht, daß er an die Friedfertigkeit eines frisch gefangenen Sklaven glaubte. Sinnend guckte Marcus von seinem langjährigen Sklaven und zu Cassim, ein Händchen für Tiere hatte Hannibal bestimmt nicht, oder? Schließlich verharrte Marcus mit seinen Augen wieder auf dem Parther.


    „Und ich nehme mal an, daß Du das Fangen niemand anders überlaßen möchtest?“
    Marcus' nachdenklicher Blick war nicht von Cassim gewichen in den letzten Herzschlägen.
    „Kann ich denn davon ausgehen, daß Du in nächster Zeit nicht versuchst zu fliehen?“
    Es war ein Versuch wert, die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit in dem Mann zu prüfen; jemand, der die Freude an der Jagd mit Marcus teilte, einem solchen Menschen war Marcus sogar noch eher bereit, Ehrgefühl zu unterstellen, zumindest im Ansatz, schließlich wußte man doch, wie verschlagen und verlogen die Parther waren. 8)