Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Die Einwände, die Avitus vorbrachte, die bestachen Marcus durchaus, denn er hatte ja durchaus Recht damit, immerhin hatte Augustus viele Grundlagen geschaffen, ein Gefüge des Imperiums, was bis heute noch überdauerte, selbst wenn Marcus nicht mal im Ansatz ahnte, wie und wo Augustus mit seinen Plänen und seinen Reformen das Imperium geprägt hatte; Marcus hatte sich nur in den Examina um das Militär gekümmert; grübelnd zog Marcus die Augenbrauen zusammen, dachte nach, was er erwidern konnte, doch schon schaltete sich der nächste Teilnehmer ein, auch das klang sehr plausibel; Marcus nickte bei den Worten von Cyprianus und wußte immer noch nicht, was er sagen sollte; schließlich lauschte er auch Florus, dachte über dessen Worte nach, selbst wenn ihm die Aussage nicht ganz aufging, aber daran war Marcus auch gewöhnt und wandte die Aufmerksamkeit dann Corvinus und Cyprianus zu, wobei er verblüfft blinzelte, dann zogen sich seine Augenbrauen zusammen und er spürte ein Funken von Ärger in sich aufsteigen. Domitian sollte einfach nur Glück gehabt haben? Pah, von wegen, der war eben ein Flavier. Marcus wollte schon den Mund öffnen, um eine zornige Erwiderung zu geben, die nicht sonderlich fundiert war – da war Marcus immer im Nachteil, disputationes regten ihn einfach zu schnell auf! -, aber schon warf Macer einen anderen Fleischbrocken in die Arena der Diskussionslöwen und -tiger. Marcus sah das imaginäre Fleischbrocken an und da er – mit Freude – sich mehr mit seinen flavischen Verwandten beschäftigt hatte, fiel ihm dann doch endlich mal wieder etwas ein, er biß also an.


    „Doch, das hat er...also falsch gemacht, denn genau das war gerade ein Nachteil, der sich für den Kaiser als fatal erwiesen hat...“
    War fatal das richtige Wort? Marcus stockte eine Moment und befand, daß es doch paßte.
    „Vitellius hat seelenruhig in Rom abgewartet, während er seine Truppen in den Krieg geschickt hat. Er soll sogar noch im Palast Scherze getrieben haben, während seine Männer einer schlagkräftigen Truppe entgegen gezogen sind....denn...“
    Und schon lenkte Marcus auf sein Lieblingsthema, die flavischen Kaiser, vergeßend, daß er eigentlich Claudius verteidigen sollte.
    „...denn Vespasianus hat es mit seinem militärischen Geschick geschafft, ein enges Verhältnis zu den Soldaten aufzubauen. Er marschierte den Soldaten als Heerführer voran, er selber lief mit den Soldaten und benutzte kein Fortbewegungsmittel, er legte selbst Hand mit an und unterschied sich im Autreten kaum von einem miles gregarius. Gerade seine Bescheidenheit, sein Nahverhältnis zum Legionär hat zu seiner Erhebung zum Kaiser geführt. Außerdem sind doch...“
    Marcus geriet langsam in Fahrt und wurde richtig begeistert, als er über den Kaiser sprach.
    „...außerdem sind doch die Soldaten einem solchen Heerführer viel tiefer verbunden, sie sind in Sorge um das Wohl jenes Mannes, des Heerführer und princeps, solch einem Mann würden sie ihr Leben opfern, sich im Schlachtgetümmel vor ihn werfen, wenn ein Speer geflogen kommt und bis zum Letzten kämpfen, ohne jemals auf die Natter des Verrates oder der Fahnenflucht zu hören...“
    Energisch nickte Marcus.
    „Uns wäre es auch nicht anders ergangen in dem Partherkrieg!“
    , meinte Marcus und sah fragend zu Cyprianus und Avitus. Zudem fügte Marcus noch an:
    „Und einen verräterischen Heerführer hat sich Vitellius zudem geholt - für die Unternehmung!“

    Die Sonne strahlte leuchtend und kräftig an diesem Tage auf den campus der legio Prima, es war bereits am späten Vormittag schon sehr warm geworden; Vögel drehten ihre Kreise am Himmel, die Bienen summten nicht weit entfernt auf der Wiese, die das Kastell umgab, und suchten in den Wiesenblumen nach dem Nektar, doch von den Naturgeräuschen vernahm Marcus auf dem campus nichts, an vielen Stellen wurde trainiert, exerziert und geschuftet, der Körper wurde für den nächsten Einsatz trainiert und geschunden, so tat es auch Marcus, der jetzt seit Wochen, vielen Wochen außer Gefecht gesetzt war und natürlich hatte er in all der Zeit nicht die Gelegenheit gehabt, in Form zu bleiben – selbst wenn man davon schon bei Marcus von je her nicht sprechen konnte, so war er doch immer fit genug gewesen, eine lange Schlacht durchzustehen und seinen Männern ein Vorbild - den Kampf durchzuhalten - zu sein, doch jetzt, nach seiner Krankheit fühlte er sich noch nicht mal mehr in der Lage, einen Kampf von länger als hundert Herzschlägen durchzuhalten. So hatte sich Marcus – immer noch humpelnd - nach den üblichen mehr oder minder lästigen Pflichten des Morgens auch zum campus aufgemacht, um dem wieder Abhilfe zu schaffen. Selbst wenn er mittlerweile nicht mehr Krücken zum Gehen brauchte – der medicus hatte ihm vor zwei Tagen auch die letzten Verbände abgenommen – so war das Gehen immer noch sehr schwierig. Denn sein rechtes Knie wollte ihm seinen Dienst versagen, der medicus – in seiner üblich defätistischen Art – hatte ihm auch prophezeit, daß es wohl nie wieder gut werden würde, schließlich waren die Brüche viel zu kompliziert und schwerwiegend gewesen. Doch Marcus wollte das nicht hinnehmen, selbst wenn er dennoch froh war, immerhin noch sein Bein zu haben nach der Geschichte in dem Dorf.


    Jetzt jedoch stand Marcus schon seit einer geschlagenen hora auf dem campus; vor ihm ragte ein Holzpfahl in die Höhe, ein Pfahl, an dem schon die probati von der ersten Stunde an den Schwertkampf übten, aber auch ältere Soldaten, wie eben auch Marcus. Verbißen hielt er das scutum in seiner Hand und schlug stetig mit dem Schwert auf das Holz ein. Immer wieder stoben Holzspäne davon, wenn Marcus wieder allzu heftig auf das Holz eindrosch. Ab und an fluchte er ärgerlich zwischen seinen Zähnen hervor, denn er fühlte sich am ganzen Leib steif und unbeweglich an und die übliche Beinarbeit konnte er auch nicht leisten. Nach einer Weile stupiden Schlagens ließ Marcus das schwere scutum – eines der geflochtenen Übungsscuta! - und auch sein gladius herunter sinken; sein Atem ging schwer, sein Gesicht war rot von der Anstrengung und Schweiß ran ihm über den Rücken und tränkte die rostrote Tunika. Marcus lehnte das Schild gegen den Pfahl und steckte das Schwert in die Schwertscheide zurück, ehe er sich umwandte, um nach einem Eimer mit Wasser zu suchen, an dem er einen Schluck von dem erfrischenden Naß nehmen konnte. Er hob die Hand und wischte sich über die schweißnaße Stirn, ehe er sich umdrehte und einige Schritte tat zu dem Holztrog, der am Rande und neben ihm stand. Marcus bückte sich und griff nach der hölzernen Schöpfkelle und trank einen Schluck als er eine Gestalt erblickte, die einerseits bekannt war und dann doch fremd - es waren mehr die Insignien, die Marcus sofort erkannte. Marcus ließ die Kelle wieder in den Holzkübel fallen ließ und nahm Haltung an, dabei die Faust zur linken Brustseite schlagend.


    Ave, tribunus!“
    , grüßte er ihn höflichst, selbst wenn Marcus auch die Vorurteile der anderen Soldaten teilte gegenüber senatorischen tribuni, hieß es noch lange nicht, daß er ihm deswegen den notwendigen Respekt verweigern würde.

    Nachdem sich Marcus erst mal in die Sänfte schwingen konnte – nicht einfach mit seinem Bein! – und in den weichen Kissen Platz nahm, die sein verletztes Bein auch gut zu schonen wußten, ging es schon flott los. Mit einem Nicken quittierte Marcus die Antwort bezüglich der beiden genannten Frauen, also Sklavinnen; aber noch näher auf das Thema einzugehen schien Marcus zu prekär, schließlich stand wohl immer noch der Konflikt mit ihrem Vater im Raume. Einige Häuser strichen bereits vorbei, die Wipfel von ergrünenden Bäumen oder den ewig Grünen, doch viel von der Umgebung, an der sie vorbei kamen, bemerkte Marcus nicht, die Vorhänge hatten sich dazwischen geschoben, so daß nur zwischen einem schmalen Spalt ein Ausblick nach draußen möglich war, doch den nutzte Marcus nicht, er war viel mehr mit dem beschäftigt, was die Sänfte im Inneren beherbergte. Das Sonnenlicht fiel durch die Vorhänge und färbte das Innere in ein warmes Rot, die Schatten des Muster in dem Stoff glitten über die Gewänder von Epicharis und ihre Gesichtszüge und dann spürte Marcus eine sanfte Berührung an seinem Bein, was in ihm gewiß nicht Unwohl sein auslöste; über sein Gesicht glitt ein gelöstes und erfreutes Lächeln, ein klein wenig näherte er sich mit seinem Bein auch dem, was er dort an der Haut seines gesunden Knies spürte. Selbst wenn er keine Worte über das mit den Sklavinnen erwiderte, so quittierte Marcus dies ebenfalls mit einem Lächeln und einem Nicken, es war gut, wenn Epicharis von Sklavinnen umgeben waren, die ihre Laune zu heben vermochte und ihr gut taten, und wenn sie die beiden Frauen mochte, dann schien dem wohl zu sein. Eine junge Frau – so Marcus' Meinung! - brauchte immer angenehme Gesellschaft um sich herum, um ihr liebreizendes Wesen zu behalten, aber Marcus hatte sich im Laufe seines Lebens sowieso einige sehr seltsame Meinungen zusammen gereimt, die eine Mischung von Weisheiten seiner Mutter, eigenen Erfahrungen und nicht sonderlich fundierten Überlegungen waren.


    „Die Gärten sind abgebrannt? Wann denn?“
    , fragte Marcus erstaunt, herrje, wie schade. Das würde natürlich dann doch noch ihre Pläne umstoßen, denn Marcus kam nicht auf den Gedanken, daß Epicharis den Brand ansprach, den angeblich Nero verursacht haben sollte- auch einer der mehr oder minder verrückten Vorfahren der Claudier.
    „Sollen wir dann lieber woanders hin streben?“
    Marcus dachte nach, es gab ja noch andere horti auf dem Esquilin, die des Maecenas waren schließlich nicht die Einzigen.


    Doch Gedanken an verkohlten Gärten, die gewiß keinen schönen Anblick abgaben, vertrieben die Berührungen, mit denen Epicharis Marcus bedachte; Marcus freute sich über dieses anschmiegsame Wesen, was Epicharis damit offenbarte und legte einen Arm über ihren Schultern auf das Polster, um seine Hand sachte an ihre von ihm abgewandten Schulter zu legen und sie ein klein wenig an sich näher heran zu ziehen. Wie von selbst suchten seine Lippen nach ihrem wunderbar duftendem Haar und er küßte sie dort. Erzähl mir von den Kämpfen! Die Worte drangen langsam in den von Glückseligkeit umnebelten Geist von Marcus, er blinzelte einige Male und zögerte; schweigend ließ er seine Finger an dem Stoff ihres Kleides entlang fahren, um sie auch mal sachte am Hals zu berühren. Eigentlich würde Marcus lieber den Krieg ganz weit hinter sich laßen und keine Erinnerungen an das Töten an sich heran laßen, etwas, was ihn oft genug in die Träume verfolgte und in den Nächten plagte. Marcus preßte seine Lippen etwas aufeinander und er starrte auf die Vorhänge, die sich mal wieder auf blähten, dann wieder schlaff herunter hingen. Hast Du vielen Parthern das Leben genommen? Hatte er? Hatte er! Zu vielen, selbst wenn sie der Feind waren, so hatte er schnell die Vorstellung verloren gehabt, einfach nur Feinde - namens- und leblose Gesichter - vor sich zu haben, es waren auch Menschen gewesen, mit vielleicht Familie und Freunden; das Töten war mitunter schneller und effektiver gegangen, manchmal hatte er dort nicht darüber nachgedacht, als er eine weitere menschliche Seele in die Unterwelt geschickt hatte, aber sonderlich leichter war es ihm nie gefallen. Marcus schluckte und schob die ersten Fragen beiseite, denn er wollte nicht seine Melancholie und die düsteren Schatten auf diesen Tag fallen laßen.


    „Sie sehen uns nicht unähnlich, sie haben fast alle dunkle Haare, eine vielleicht etwas dunklere Haut und sind auch so groß wie wir! Aber dafür denken, sprechen und leben sie ganz anders als wir, ganz anders. Angeblich haben die Männer dort auch viele Ehefrauen, so wurde es mir mal gesagt, Harem nennen sie das. Der Shah in Shah soll über hundert Ehefrauen haben, die alle in luxuriösen Räumen fest gehalten werden.“


    Hundert Ehefrauen zu haben, das mußte bestimmt schrecklich sein, Marcus hatte nichts gegen ein paar Geliebte, aber gewiß etwas gegen so viele Ehefrauen, die alle Ansprüche an ihn hegten, nein, eine reichte ihm vollkommen; mit einem freundlichen Blick auf das dunkle Haupt von Epicharis strich er ihr zärtlich über die Wange. Schon hörte das Schaukeln der Sänfte auf und ein Vorhang wurde zur Seite gestoßen; ein Sklave beugte sich heran.


    „Herr, wir sind da!“
    , verkündete er.

    Das Eintreffen von Corvinus quittierte auch Marcus mit einem freundlichen Nicken und einem dazu gehörigen: „Salve!“ ehe er seine Augen schon auf den Senator richtete, der gleich darauf mit dem Kolloquium begann. Ach, herrje, jetzt wurde es wohl ernst, etwas nervös leckte sich Marcus über seine Unterlippe und sah den Purgitier aufmerskam an, damit ihm ja nichts von deßen Rede entging, außerdem hoffte Marcus inständig, daß er auch immer dem Gesagten folgen konnte und alles verstand, sonst stand er schnell wieder reichlich dämlich da, wenn alle fröhlich mit diskutierten, nur er verstand nicht, was da geredet wurde. Schwächen der anderen Kaiser benennen? Einen Kaiser verteidigen? Aristides blinzelte ein wenig verblüfft und nickte dann jedoch, doch, das leuchtete ihm ein. Also Kaiser Claudius sollte es bei ihm sein, etwas bedauernd nahm er das hin, denn er hätte natürlich lieber einen Verwandten gehabt, den jetzt Corvinus erhalten hatte, außerdem waren Marcus die claudischen Kaiser schon immer etwas suspekt gewesen, man wußte es ja, der bekannte claudische Wahn. Marcus lehnte sich zurück und dachte über Kaiser Claudius einen Herzschlag lang, versuchte darüber zu sinnen, was er denn noch von deßen Wirken wußte, doch ging es schon ins Gespräch hinein. Was? Sie sollten den göttlichen Augustus kritisieren? Marcus blinzelte ein zweites Mal und war mit einem Schlag verunsichert; er sah unauffällig sich in dem Raum um, man konnte ja nie ahnen, ob nicht doch die Schwarzröcke irgendwo standen und das Ganze hier prüfen sollte, nämlich die Loyalität der Offiziere. Marcus schwieg einen Herzschlag lang und war sich unschlüßig, doch am Besten er sagte noch etwas, wo es noch nicht zu sehr in Fachsimpelei ging, der Marcus dann hätte nicht folgen können, so räusperte er sich, sah sich kurz in der Runde um, womöglich wollte noch jemand anderes zuerst etwas sagen, dann meinte er – nach einem kurzen Zögern:


    „Also, auf das Militär bezogen...das Bindungsverhältnis zwischen princeps und miles war von je her sehr wichtig, viele der Kaiser haben das bewiesen, in dem sie immer wieder die Nähe zu den Soldaten gesucht haben und sich somit auch die Loyalität der Truppen sichern konnten, wie Trajan als dux et legatus et miles...bei Augustus...“
    Jetzt wurde Marcus doch etwas unsicher, denn ganz wußte er nicht wirklich, worauf er hinaus wollte. Er schwieg einen Atemzug lang, ehe er fortsetzte.
    „...bei Augustus war dieses Verhältnis nie sonderlich gut, er hat sich nicht als guter Feldherr gezeigt, selbst wenn er ein herausragender Stratege war und Planer, aber er hatte meist seine Freunde, wie Agrippa, die die Truppen in die Schlacht führten und später seine Söhne, wie den adoptierten Tiberius, der seine Kriege in Germania ausfocht. Ich meine, also er war schon hin und wieder im Felde, gerade bei den Bürgerkriegen, aber es fehlt die persönliche Bindung zu den Legionen. Auch das Donativ wurde von dem Prinzipat des Tiberius erst zu einem regelmäßigen Ereignis.“
    Marcus verstummte und sah zu Macer, hoffte nicht grundsätzlich in die falsche Richtung gegangen zu sein mit seiner Antwort.

    Ein Adler oder ein Falke, das war wirklich eine schwierige Entscheidung, denn Wölfe mit einem Adler zu jagen, das klang in der Tat sehr aufregend, Kleinvieh interessierte Marcus selten oder eigentlich gar nicht, hatte es nur getan, als er in Parthia gekämpft hatte und solche Tiere den mageren Speiseplan aufgewertet haben. Grübelnd zog Marcus seine Augenbrauen zusammen und rieb sich an seinem Kinn, Wieder raschelte es im Geäst über ihn, aber auch das Zwitschern von Vögeln war zu vernehmen, zudem spürte er sehr angenehm die Sonnenstrahlen auf seinen Wangen. Immer noch waren sie ganz alleine im Garten, abgesehen von Hannibal, den Marcus aus seinen Augenwinkeln wahr nahm; aber sonst schienen die anderen Bewohner der villa wohl ihrer Arbeit nachzugehen oder anderen Tätigkeiten zu frönen; nur Marcus war mit seinem verletzten Bein noch eingeschränkt, was er in Rom machen konnte, was ihn auch ein wenig an seinen Nerven reizte, nicht gehen zu können war für ihn eine große Qual. Schließlich hatte er sich zu einer Entscheidung durch gerungen und er ließ seine Hand wieder sinken.


    „Du wirst zuerst einen Falken abrichten und mir demonstrieren, daß so etwas überhaupt möglich ist und Du dazu befähigt bist; wenn ich dann wieder in Rom bin und Du mir das verdeutlicht hast, dann möchte ich, daß Du mir zeigst, wie das geht. Und zwar mit einem Adler!“


    Ein Adler war doch ein wahrhaft majestätisches Tier, erhaben und das Zeichen des Iuppiters, des obersten Gottes der Römer, selbst wenn Mars Marcus doch näher lag - war Mars doch ihr Stammvater - und auch, weil er Soldat war; Marcus war jedoch zufrieden mit der Entscheidung, denn schließlich war es auch wichtig, wer ein solches Tier abrichtete und er wollte unbedingt, daß ein solcher Adler dann auf ihn hörte auch, bei Hunden war das um gewöhnen doch deutlich einfacher als bei anderen Tieren, zumindest glaubte Marcus das. Marcus nickte langsam auf die Nachfrage von Cassim.


    „Fürwahr, ich meine damit die Hetzjagd. Hier in Rom, aber auch von Libyen bis nach Ägypten ist das die Art wie man zu jagen pflegt, sobald mein Bein...“
    Marcus deutete mit dem Kinn auf den Verband.
    „...ausgeheilt ist, werde ich dem hier wieder nachgehen und natürlich, wenn es mein Dienst bei der Legion zuläßt! Du wirst mich dann begleiten.“


    Wie sehr freute sich Marcus schon darauf, wieder an der frischen Luft, in den Wäldern von Italien der Jagd nachzugehen, die Aufregung, den Nervenkitzel und auch die Gefahr zu spüren, denn Marcus brach immer nur in einem kleinen Trupp auf und suchte selber danach sich den wilden Ebern zu stellen, die einem Mann nicht minder gefährlich werden konnten mit ihren Hauern wie ein ausgewachsener Soldat, der ihm im Krieg begegnet war, aber das Gefühl zu jagen hatte ihn von je her mit großen Glücksgefühlen erfüllt.


    „Hannibal wird Dir das nötige Geld geben, was Du für die Hunde und den Falken brauchst! Beziehungsweise, er wird die Händler bezahlen, damit Du nicht auf dumme Gedanken kommst! Was meinst Du, wie lange wird das Abrichten dauern?“

    Nicht sonderlich interessiert und nur mit halben Ohr lauschte Marcus der Erzählung von Bridhe über ihr Dorf, denn mit den Namen konnte er nichts anfangen, sie klangen zu fremdartig, außerdem hatte er sie schon sofort wieder vergeßen, nachdem Bridhe sie nannte; er winkte jedoch den Sklaven heran, der ihm schon den Wein kredenzt hatte und schickte ihn aus, nach Met zu suchen, wenn es diesen im Haus nicht gab, dann sollte er zur nächsten taberna eilen und welchen dort erwerben. Met! Marcus schüttelte kurz beim Gedanken an das üble süße Gesöff den Kopf, aber das war typisch, Frauen vertrugen eben mal den herben Wein nicht, sie brauchten immer etwas Süßes dabei. Selbst wenn es Frauen heutzutage wenigstens in Rom gestattet war, Wein zu trinken und das nicht mehr ein Grund war – wie in alter Zeit – daß man sogar die Ehefrau dafür verstoßen konnte; Marcus sah seinem Sohn entgegen, als dieser heran kam und lächelte milde als der Löwe ihn anfauchte; daß die kleine Wildkatze ihn nicht sonderlich mochte, das hatte Marcus in den letzten Tagen mehrmals erfahren, seinen einen Arm zierte immer noch die Striemen von den Löwenkrallen.


    „Na, mein Sohn? Führst Du Deinen Löwen spazieren?“
    , fragte Marcus nach dem kleinen Hin- und Her von Bridhe und Serenus, wobei er Bridhe einen warnenden Blick zuwarf, gegenüber seinem Sohn tolerierte Marcus keine Unverschämtheiten von der Sklavenschaft, da war Marcus gnadenlos, schließlich war er sein Sproß, sein Erbe, sein ganzer Stolz und der Enkel seiner Mutter.
    „Wenn Löwen einmal ausgehungert sind, fallen sie auch über ein Kaninchen her...oder eine Maus!“
    , meinte Marcus zu Bridhe, wandte sich jedoch wieder seinem Sohn zu mit dem Anflug von Stolz und väterlicher Liebe im Gesicht.
    „Sollen wir Dir mal in nächster Zeit einen neuen Rennwagen kaufen, Lucius, mein Sohn?“
    Ein Sklave näherte sich eilig und beugte sich zu Marcus hinab, flüsterte ihm leise etwas ins Ohr; Marcus lauschte und nickte erfreut.
    „Sehr gut, Hannibal soll sie in mein cubiculum bringen! Ich komme gleich!“
    , befahl er dem Sklaven, der sich verbeugte und verschwand.

    Grimmig war Marcus' Gesicht als er den Mann in der Reihe hinter sich wütend anfunkelte, der ihn schon mehr als die Hälfte der Theatervorstellung störte; Marcus ballte seine Fäuste und hatte wirklich nicht übel Lust, dem Mann die Faust in das Gesicht zu rammen, doch die Erwiderung von dem Fremden ließ jegliche Intention einer Prügellei jäh in ihm schwinden, die Flammen des Zornes erloschen, die Wogen seines Temperamentes glätteten sich. Er ist blind? Baff starrte Marcus den Claudier an und wie immer brauchte er einen Moment, bis er realisierte, was Tucca damit wirklich meinte. Das war kein Scherz, der Mann war wirklich blind, darum sah er nie in Marcus' Richtung! Marcus' Mund klappte ein wenig auf und er starrte den Claudier recht dämlich an – immerhin sah dieser diesen dümmlichen Ausdruck auf dem Gesicht von Marcus nicht! - und mit einem Schlag schoß ihm das Blut ins Gesicht, wobei es über seinen Hals bis auf seine Wangen krabbelte und seinen Kopf hochrot verfärbte. Herrje, woher sollte er denn das wißen? Dennoch schämte sich Marcus plötzlich.


    „Ich...ähm...“
    , murmelte Marcus verdattert und wußte nicht, was er jetzt sagen sollte.
    „...wußte...ähm...das nicht!“


    Marcus hob seine Hand und kratzte sich verlegen am Nacken und sah von dem Dunkelhäutigen zu seinem Herrn.
    „Tut Leid...ähm...tut mir Leid, meinte ich! Dann kannst Du mich natürlich so viel treten...wie es Dir beliebt...ähm...ja, also, tut mir Leid!“


    Hastig drehte sich Marcus um und zog seinen Kopf auf seiner Schulter etwas ein. Himmel, warum mußte ihm das immer wieder paßieren, daß er sich so blamierte und von einem großen Fettnäpfchen ungeniert in das Nächste hüpft?. Der Sklave kam mit den Oliven zurück, auch das Theaterstück, die letzte Szene ging nun weiter, aber irgendwie hatte Marcus den Anschluß verloren, denn er war immer noch völlig durcheinander; immer mal wieder sah er über seine Schulter zu dem Claudier zurück, war versucht, noch etwas zu sagen, klappte jedoch schnell den Mund zu und saß ganz kleinlaut in der ersten Reihe. Als das Stück zu Ende ging, merkte er das nur an dem begeisterten Applaus von den Menschen um sich herum, schnell hob Marcus auch seine Hände und klatschte. Schade war es, daß er den Rest irgendwie verpaßt hatte, denn ihn hatte das Theaterstück wirklich so vergnügt wie wohl selten in seinem Leben es ein solches litterarisches Werk vermocht hatte.


    „Was?“
    , fragte Marcus verwirrt als sein Vetter ihn ansprach, nachdem er so beharrlich während Marcus' ganzen Kommentaren geschwiegen hatte.
    „Ähm...ach, das Theaterstück!“
    Marcus nickte und ein Lächeln breitete sich über sein Gesicht aus.
    „Das war phänomenal, Manius, großartig, eines der besten Theaterstücke, das ich in meinem Leben gesehen habe. Das hast Du wirklich gut ausgewählt!“
    Schon begann sich das Theater zu entleeren und Marcus winkte den Sklaven heran, damit er ihm die Krücken reichte, denn Marcus wollte die Gunst der Stunde nutzen um weiteren unangenehmen Begegnungen und Auseinandersetzungen zu fliehen.
    „Ich breche dann mal auf, Manius. Wir sehen uns später bestimmt in der villa. Und ich bin mir sicher, Manius, daß die Menschen von Rom sich noch lange sehr gut und mit Freude an deine Insza..Inszo...Inszest...ähm...diese Aufführung erinnern werden.“
    An seine Schwägerin gewandt, meinte Marcus noch:
    „Antonia, ich wünsche Dir noch einen schönen Abend.“
    Mit Hilfe des Sklavens erhob sich Marcus, er konnte hinter sich doch noch den Claudier erspähen; bis das Theater sich leerte und man hinaus kam, das dauerte, mit schlechtem Gewißen betrachtete Marcus den Mann und räusperte sich.
    „Ähm, guter Mann, ich...öhm...verzeih' noch mal meine reichlich törichten Worte vorhin, ich ahnte nicht, was der Grund des Versehens von davor war. Schönen Abend noch! Vale!“
    Marcus, auf dessen Wangen erneut die Schamesröte zurück kehren wollte, lehnte sich auf die Krücken und humpelte eilig davon, um sich ebenfalls in die Schlange einzureihen, die das Theater verließ.

    So viele Jahre war es gar nicht her gewesen, daß Marcus selber mal ein Zivilist gewesen war, der sich keine Vorstellung hätte machen können, was man als Soldat alles leisten und erdulden mußte, in seinem Kopf war damals nur die ominöse Vorstellung gewesen, daß Soldaten in den Krieg zogen und wenn sie keinen Krieg führten, eben Straßen und Häuser zu bauen hatten, doch nun konnte er sich nicht mal mehr vorstellen, daß man nicht sich mit dem Soldatenleben auskannte. Er nickte auf die Worte von Florus hin, ja, das klang sehr einleuchtend, was er da sagte, aber ob der neue Kaiser wirklich viel von ihren Taten in Parthia halten würde? Schließlich war sein Vater dort gestorben, im Herzen des Lagers und inmitten vieler Soldaten. Marcus seufzte leise und versuchte die Hoffnung nicht aufzugeben.


    „Da hast Du wohl Recht!“
    , meinte er zu Florus und lehnte sich ein wenig zurück, bis er die Wand am Rücken spürte. Gegenseitige Befehlsgewalt? Das klang auch recht schlau, Marcus hatte von solchen Dingen leider noch keine Ahnung, seine Welt beschränkte sich dann doch mehr auf die Legion und seine Einheit; er nickte jedoch und lauschte Florus aufmerksam, wer wußte schon, ob er das Wißen nicht eines Tages gebrauchen könnte, vielleicht für das vierte Examen.
    „Ah so, so ist das. Gut zu wißen, praefectus! Aber man lernt nie aus.“
    Leider, wie Marcus befand. Den Spruch, daß man sein ganzes Leben lang lernte, den erfuhr er immer mehr am eigenen Leibe, aber eigentlich hatte er gehofft, daß er irgendwann genug für das Leben gelernt hätte. Noch war es jedoch nicht so weit.
    „Darf ich fragen, was Dich heute zur Akademie führt? Ist es Deine Tätigkeit als stellvertretender Kommandant hier?“

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius


    Nie im Leben hätte Appius geahnt was er mit der – wie er fand – einfachen Frage nach einem Namen alles hervorrufen konnte. Unbehaglich rutschte er auf dem Stuhl hin und her als er merkte, daß er wohl etwas Falsches gefragt hatte, aber statt zornig zu werden, schien Tacitus von einer Woge von Verzweiflung übermannt zu werden. Eine Frau? Eigentlich hätte es sich Appius denken können, aber irgendwie hatte er vermutet, daß es sich auch um eine Verwandte handelte, vielleicht eine Tante. Das Thema Frauen war für Appius sehr fremd, diese Wesen ein Buch mit sieben Siegeln, was er in seinem Leben noch nicht entwirren konnte, aber er hatte auch nie viel mit Frauen zu tun gehabt, besonders in den letzten zwei Dekaden. Drei Mal war er zu einer lupa gegangen, zwei Mal war es eine Katastrophe gewesen und das dritte Mal erinnerte ihn die Frau an seine Mutter, so daß er schnell geflüchtet war. Wenn, dann wechselte er nur mit den Marktfrauen von Mantua mal ein Wort und dabei drehte es sich natürlich nur um die Einkäufe, die Appius erledigen wollte. Nervös leckte sich Appius über die Lippen und dachte nach, was er erwidern konnte, doch dazu kam es schon nicht mehr, denn in dem Augenblick brach es schon aus Tacitus heraus. Ohnmächtig und wie paralysiert verfolgte Appius den Lauf der Tränen über die Wangen von Tacitus, sein Mund öffnete sich ein ganz klein wenig und er nickte völlig mechanisch, während es in seinem Geist hektisch arbeitete.


    „Äh...“
    , murmelte er leise. Heiraten? Legion? Delphi? Streit? Dolch? Gestürzt? Irgendwie ahnte Appius, daß dort etwas sehr Schlimmes paßiert sein mußte, bei dem letzten Streit, aber Tacitus brach an jener Stelle ab. Erstarrt sah Appius den jungen Mann vor sich an und wußte nicht, was er sagen sollte. Im Trösten oder Beileidsbekundungen war Appius noch nie gut gewesen und ein Mann mit einem großen Herzen war er auch nicht, aber irgendwie tat es ihm schon Leid, was Tacitus erlebt hatte und was er aufgeben mußte für die Legion, ein ungewohnte Gefühl machte sich dadurch in Appius breit – man könnte es auch Mitgefühl nennen, selbst wenn jene Emotion nur rudimentär in Appius ausgeprägt war. Appius beugte sich nach vorne und streckte seine knochigen Hände aus, seine Fingerspitzen berührten die Schultern von Tacitus, etwas linkisch und unbeholfen war er dabei.


    „Das Schicksal ist oft grausam zu uns Menschen, die Parzen spinnen ohne Rücksicht auf unser Glück ihre Fäden, wie es ihnen beliebt. Es sollte so geschehen, wie es paßiert ist...“
    Was auch immer paßiert war dann noch, Appius wußte es nicht, er traute sich auch nicht zu fragen.
    „Hast Du das Orakel noch befragen können?“
    , fragte Appius vorsichtig nach.









    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    Das war jetzt der zweite Romaufenthalt, den Marcus hatte, seitdem sie aus Parthia zurück gekehrt waren, erst auf den letzten Drücker war er aus Mantua weg gekommen und in einem schnellen Ritt in die große Hauptstadt des Imperium gekommen, immerhin mußte er sich nicht in einer der Flohherbergen einquartieren, die es auch hier so zahlreich gab, davon hatte er schon auf der Reise genug gehabt. Früh am Morgen, weit bevor seine Sklaven wach waren, war Marcus schon auf gewesen, so nervös machte ihn der heutige Tag, dieser mündliche Teil von der dritten Prüfung; wie ein Tiger war er auf und ab gegangen, selbst wenn er nicht den geschmeidigen Gang der Raubkatze hatte, denn immer noch machte ihm sein Bein zu schaffen, auch wenn er die beiden Krücken abgelegt hatte und nur noch ein schmaler Verband sein Bein zierte. So betrat er auch mit einem leichten Humpeln den Raum, gekleidet in seiner centurionischen rostroten Tunika und dem Militärgürtel, ansonsten verriet nicht viel, daß Marcus bei der Legion diente. Sich umsehend trat er hinein, da er sich bereits zwei Mal an dem heutigen Tage verlaufen hatte – seine Gedanken waren ganz konfus! - und er hatte deswegen erst etwas später hier her gefunden, doch als er Avitus erblickte, von dem er gehört hatte, daß selbiger auch an dem Examen teilnahm, konnte er nur hier richtig sein. Er nickte den bereits Anwesenden, grüßte jedoch auch – man wußte nie, ob sie es nicht erwarteten – mit dem üblichen Salut der Faust. Bei Macer mußte Marcus einige Herzschläge nachdenken, ehe es ihm einfiel, ja, natürlich, die Verlobungsfeier vor dem Krieg.


    Salve Senator! Ich bin centurio Flavius Aristides, von der legio Prima, um auch an dem Kolloquium des Examen teilzunehmen.“
    , sprach er darum an Macer gewandt.
    Salve, praefectus!“
    , grüßte er von den Teilnehmern zuerst seinen direkten Vorgesetzten.
    Salve, tribunus!“
    Den Zweiten in der für ihn wichtigen Hierarchiereihnfolge.
    Salve, praefectus!“
    , grüßte er nun an den Annaeer gewandt und mit einem freundlichen Lächeln. Da schon die Ersten saßen, hielt sich Marcus auch nicht lange auf, sah sich nach freien Plätzen um und entschied sich intuitiv für den Platz neben Avitus, schließlich war der Präfekt ein Hort von viel Wißen, womöglich profitierte Marcus davon, wenn der Artorier von ihm ablenken konnte. Das etwas pochende Bein streckte Marcus unter dem Tisch aus und faltete die Hände über seiner Tunika.

    Die mutatio laboris der venatio – die man der Jagd auch gerne nachsagte – war durchaus von Interesse für Marcus, einer seiner liebsten Beschäftigungen in seiner späten Jugendzeit und seinem Erwachsenenalter; ob in der Landschaft um Baiae oder den Gefilden von Ägypten, an vielen Stellen war er ihr schon nachgegangen, mit lebhaft interessierten Augen sah er darum den Parther an und vergaß für einige Herzschläge lang sogar, daß der Feind vor ihm stand, gegen den er so viele Monate erbittert gekämpft hatte, dem er im Grunde auch die Wunde am Bein verdankte – selbst wenn Cassim nichts dafür konnte. Marcus stützte sich mit einer Hand auf dem Oberschenkel seines gesunden Beins ab und beugte eine Nuance nach vorne, ganz als ob es was bringen würde, um das Gesagte beßer zu verstehen. Nachdenklich musterte Marcus schließlich Cassim, er zog mal die Augenbrauen zusammen, legte den Kopf etwas zur Seite und sann über die Möglichkeit mit einem Greifvogel zu jagen, wirklich großes Wild würde sich nicht damit erlegen laßen und war nicht die Eber oder Löwenjagd dem von Kleinwild vorzuziehen, die Aufregung und Spannung sehr viel packender?


    „Interessant!“
    , murmelte Marcus leise und hob die rechte Hand, um sich an der Wange zu kratzen. Die persikos tropos, die persische Art der Jagd hatte natürlich nicht nur bei den Griechen Schule gemacht, sondern auch schon lange in Italien, Marcus hatte früher auch lybische Pferde eigens für die Hetzjagd beseßen, aber das mit dem Falken war Marcus noch gänzlich unbekannt. Er ließ seine Hand sinken und bekam in dem Augenblick einen blitzartigen Einfall. Zufriedenheit glitt über seine Gesichtszüge, er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich wieder etwas zurück. Einen Moment schwieg er, um seine Gedanken auch in Worte faßen zu können.


    „Dann haben wir schon die erste Aufgabe für Dich, Cassim. Du wirst einen Falken oder einen Adler, je nachdem, was Dir beßer liegt, abrichten, um mir diese Art der Jagd zu demonstrieren. Außerdem möchte ich, daß Du drei Hunde für die Jagd vorbereitest. Entweder vertragi oder segusii. Wenn Du Dich geschickt anstellst und mich von Deinen Fähigkeiten überzeugst, kannst Du später weiterhin die Möglichkeit haben bei mir als venator tätig zu sein, wenn nicht...müßen wir wohl etwas anderes für Dich finden!“


    Marcus befand, daß er damit dem Parther durchaus eine großzügige Möglichkeit gab, sich als einer der beßeren Sklaven zu erweisen, einer, den man womöglich auch für höhere Aufgaben einsetzen konnte und der nicht die dreckigen, niedrigen Arbeiten vollführen mußte, aber als Patrizier konnten sie es sich auch eben leisten, den Sklaven spezielle Aufgaben zu zu weisen. Natürlich kam es auch Marcus zu Gute, denn er brauchte wieder Jagdhunde und hatte nicht die Zeit, sie selber aufzuziehen, außerdem wollte er unbedingt das mit dem Vogel sehen, womöglich selber lernen.


    „Du kennst Dich auch mit der Verfolgungsjagd aus?“

    Dankbar hatte Marcus die vetterliche Hilfe angenommen, mit der Aquilius ihm aus der Sänfte geholfen hatte, aber mit den Krücken und dem steif umwickelten Bein kam sich Marcus wie ein alter Mann vor, der die Hilfe der römischen Jugend bedurfte, um sich noch in Rom zurecht zu finden. Derart konnte sich Marcus aufrichten und auf die Krücken stützen, prüfend musterte er die Lokalität, die bei den Märkten lag und wohl eine der beßeren Adressen in Rom war, aber viele der tabernae waren nun mal für das einfache Volk und es gab wenige Adressen, wo man sich auch – wenn man wert darauf legte! - aus der Oberschicht sehen laßen konnte, diese taberna gehörte wohl dazu, was natürlich die Hoffnung auf ein gutes Mahl erhöhte; mit einem andeutungsweisen Kopfschütteln antwortete Marcus auf die Frage seines Vetters, ebenso mit den Worten:


    „Nein, hier war ich noch nie, also nicht, daß ich mich erinnern kann, aber eigentlich war ich immer mehr auf der Tiberinsel, wenn ich mal in Rom war!“


    In den letzten Jahren die Besuche in Rom konnte Marcus an einer Hand abzählen, selbst wenn er davor einige Male hier gewesen war, so hatte es die taberna zu dieser Zeit bestimmt noch nicht gegeben - wobei sie Marcus durchaus auch entgangen sein konnte. Marcus humpelte einige Schritte weiter ehe ihn sein Vetter – dieses Mal Gracchus – mit seinem Ansinnen aufhielt, so blieb Marcus stehen und ließ den aedil voraus gehen, ein breites Grinsen auf den Lippen, denn die Vorteile eines Amtes zu nutzen und womöglich als Verwandter davon zu profitieren, das befand Marcus sicherlich als sehr angenehm. Er sah seinem Vetter hinter her und beugte sich zu Aquilius hinüber, nur ein klein wenig, damit er nicht den Halt verlor.


    „Sag mal, irgendwie sieht Manius blaß aus, geht es ihm nicht gut? Arbeitet er mal wieder zuviel?“
    , fragte Marcus, durchaus um seinen Vetter besorgt, der sich zu oft in Selbstvorwürfen verfing wie eine Fliege in dem Netz einer fetten und gemeinen Spinne, ebenso hatte Gracchus zu sehr die Angewohnheit, die Verantwortung für alles und jeden zu übernehmen; womöglich war das der Grund, warum Marcus in ihm den idealen Patrizier erkannte: Strebsam, würdevoll, genial und dabei doch bescheiden, dennoch konnte er es nicht gut heißen, wenn sich Gracchus selber so zerfleischte. Da jedoch schon der Wirt heran kam und sie zu einem besonders gut liegenden Platz geleitet wurden, folgte Marcus humpelnd und hüpfend, wobei er auf einer der Klinen mit einem erleichterten Seufzen sich plumpsen ließ. Er sah sich in dem Lokal prüfend um und nickte beifällig.


    „Nettes Lokal! Gute Wahl!“
    , meinte Marcus zu Aquilius. Marcus legte die Krücken zur Seite und sein Bein auf die Kline hoch, schon wurde das Pochen und Brennen etwas weniger stark und Marcus' Gesicht verlor den angestrengten Ausdruck, wenn er auf den Krücken unterwegs war.
    „Ach, es ist vielleicht eine Wohltat wieder in der Heimat zu sein! Es gibt keinen schöneren Flecken auf der Welt als das prächtige Italia!“
    Glückselig lächelte Marcus und sah erwartungsvoll in die Richtung, wo gerade eine junge Sklavin heran kam, um ihnen Wein zu kredenzen und diesen in drei Bechern einzuschenken, ebenso wurde schon der erste Gang gebracht, Eierspeisen, Oliven, noch warmes Brot und einige Meeresfrüchte, die sich der Wirt teuer aus Ostia kommen ließ.

    Zitat

    Original von Nero Claudius Tucca

    ....
    "Es wird nicht wieder vorkommen", wandte ich mich wieder an meinen Vordermann, was nur dadurch deutlich wurde, dass mein Gesicht sich leicht in seine Richtung drehte, wenn auch nicht so weit, dass meine Nasenspitze auf ihn wies.
    "Aber zwei Fuß Beinfreiheit in einem römischen Theater, das ist auch nicht gerade viel, das musst du wohl zugeben."


    Die Schelte von seinem Vetter irritierte Marcus marginal als daß sie ihn sonderlich in seiner Laune zu trüben vermochte, ebenso, daß sein Vetter ihm auf keinen der Kommentare antwortete, das fiel Marcus genauso wenig auf wie sein kurzzeitig zu lauter Ton bei einem seiner Meinungsbeiträge. Aber die Tritte in seinem Rücken und das Umdrehen hatte Marcus in den Augenblick zu sehr abgelenkt, um sich groß Gedanken darüber zu machen; seine Augen fixierten den fremden Mann in der Reihe hinter sich, sein Gesichtsausdruck wurde eine Nuance milder und weniger verstimmt als dieser sich immerhin entschuldigte; aber irgendetwas war doch schon merkwürdig an dem Kerl, Marcus musterte ihn etwas skeptisch, denn der schien sich wohl zu fein zu sein, zu Aristides zu gucken! Immer starrte er an ihm vorbei als ob er darauf harrte, daß das Theaterstück weiter ging und Marcus ihn wie eine lästige Fliege störte. Nicht weniger verdutzt verfolgte Marcus den Dialog zwischen dem Dunkelhäutigen – mit Sicherheit ein Sklave! - und dem anderen Mann, der seine Füße ganz unruhig hin und her zu bewegen schien, da erblickte Marcus auch kurz ein Standesabzeichen, was ihm klar machte, warum der Mann sich wohl so überheblich benahm, selbst wenn er mit seinen Worten anderes beteuerte. Marcus verzog unwillig das Gesicht, aber er wollte mal nicht so sein.


    „Ja, zwei pedes sind etwas eng, aber man kann ja auch die Augen aufmachen ehe man den Vordermann maltru...maltrö...drangsaliert!“
    , setzte Marcus dann noch nach, wollte dann aber wirklich nicht so sein.
    „Ist schon gut!“
    , meinte Marcus jovial darum, bedachte den Mann hinter sich noch mal mit einem skeptischen Blick und wandte sich wieder nach vorne um, wobei er vernehmlich an Gracchus meinte – er ahnte ja nicht in welches Fettnäpfchen er wieder damit tapste:
    „Also wirklich, Leute gibt es, Manius! So eine blinde Nuß, pah! Du hast ja gar keine Oliven gegeßen, also wirklich...herrje, Du fällst noch vom Fleisch, Vetter!“


    Doch schon war die Pause vorbei, den kleinen Zwischenfall schon längst wieder an den Rand seines Geistes geschoben, denn das Theaterstück schlug – wie wohl selten in seinem Leben – Marcus völlig in seinen Bann, verfolgte Marcus aufmerksam , dabei weiter auf den Früchten und Oliven herum kauend, die Abenteuer des Kresh; seine Augen leuchteten als der Drache auf die Bühne kam und Marcus beugte sich vor als Kresh den Kampf anfing, abermals konnte er nicht an sich halten, denn er war schon von je her leicht mitzureißen gewesen und das hier war wirklich ein Stück, was ihn ansprach.


    „Los, Kresh, stech ihn ab diesen Wurm!“
    , platzte es schon von Marcus' Lippen hervor ehe er sich besinnen konnte, daß sie in einem Theater saßen und er seinen Vetter damit ärgern konnte, auch die Mahnung leiser zu sein war in dem Moment in den Wind geschlagen, au contraire, Marcus' Stimmorgan hatte sich eine Nuance sogar angehoben; zufrieden lehnte er sich zurück als das Ungetüm besiegt war und mampfte gut gelaunt auf den Resten von Oliven herum, dann war jedoch die Schale leer, enttäuscht sah Marcus in dieses kleine Stück Nichts und winkte seinen Sklaven heran, leise tuschelnd meinte er.


    „Geh und laß das nachfüllen, aber prompt!“


    Eine bittere Miene trug der Sklave, doch er folgte der Anweisung und kroch zu den Füßen der ersten Reihe von Marcus' Sitz hin fort, der das schon nicht mehr bemerkte und weiter der Vorstellung folgte. Eine Weile lang war es ja gut gegangen, so daß Marcus ohne Tritte an seinem Rücken der Vorstellung folgen konnte, immer mal wieder beugte er sich auch vor, wenn es spannend war und ihn bewegte, auch mal zu einem herzhaften und tiefen Lachen - in einer ähnlicher Lautstärke wie seine Kommentare von vorher-, doch gerade als der König sich seines Sieges sicher zu sein schien, lehnte sich Marcus etwas mehr zurück und das Malheur paßierte, wobei Marcus nicht minder Schuld war; dennoch spürte er deutlich einen Fuß an seinem Rücken und sofort zog ein grimmiger Ausdruck über sein Gesicht, denn es war für Marcus nun klar: der Mann wollte ihn mit Absicht ärgern, ihn provozieren und in Zornesglut treiben!! Und er hatte eindeutig Erfolg damit, wären sie jetzt unter Soldaten, hätte Marcus auch vermutet, daß jener Mann eine Prügelei anstacheln wollte. Gerade ging erneut der Vorhang vor die Bühne und Marcus drehte sich um, die Augen zornig blitzend.


    „Bei Mars' Faust, so blind kann doch keiner sein als daß er den Vordermann nicht sieht!“
    , grollte Marcus wütend und mit aufsteigender Zornesröte in seinem Gesicht; tatsächlich hatte Marcus nicht übel Lust sich wirklich ein wenig zu krabbeln, auch wenn er eine ausgewachsene Hauerei seinem Vetter zuliebe nicht anfangen würde, es sei denn, der Mann da provozierte ihn weiter.
    „Willst Du Ärger, guter Mann, oder was ist los, hm?“

    Soeben wollte Marcus seinen Mund öffnen, um sich ebenfalls an die Spekulationen von Bruseus anzuschließen, als indes schon Vitamalacus mit Gefolge heran kam; Marcus klappte den Mund wieder zu, bekam unwillkürlich einen reservierten Ausdruck auf dem Gesicht und nahm dabei Haltung an, während er darauf wartete, daß der Tiberier das Wort an sie richtete und die Wolke der Ahnungslosigkeit über ihnen vertrieb. Andeutungsweise huschte ein Lächeln über die Miene von Marcus als er hörte, wie Licinus nun angesprochen wurde, das rief ja danach, daß er heute befördert wurde und wohl zum centurio, anderes konnte sich Marcus in dem Augenblick nicht vorstellen; Marcus' Augen suchten spontan nach dem eben noch gewesenen optio und nun – vermutlich! - frisch gebackenen centurio; dieser Tag war bestimmt ein großer und wichtiger Tag für den Iulier und eine solche Zeremonie durchaus paßend dafür. Marcus wirkte sehr zufrieden, denn er hatte Licinus als kompetent, tapfer, fleißig und strebsam kennen gelernt, dabei durchaus den Sinn von Kameradschaft besitzend, den Marcus schätzte und der das Auskommen unter den centuriones durchaus einfacher machte. Doch noch stumm und in aufrechter Haltung wartete Marcus die weitere Zeremonie ab.

    Einige Zeit, nachdem Decimus Serapio den Brief persönlich bei Marcus vorbei gebracht hatte, ließ Marcus ihn, mitsamt Unterschrift von seiner Seite, auch wieder via Sklaven zu dem frisch gebackenen optio tragen. Marcus, der sicherlich nie so raffinierte Formulierungen gefunden hätte, war ganz und gar einer Meinung mit dem, was in dem Brief stand, gerade was das Andenken der gefallenen Kameraden anging, das geschützt werden mußte.


    An die Redaktion der Acta Diurna
    Rom


    Mit grosser Empörung haben wir, allesamt Soldaten der Legio Prima Traiana Pia Fidelis, in der letzten Acta in dem als "Frühlingsmärchen" titulierten Artikel die abfälligen Worte über unsere Leistungen, und die unserer Waffenbrüder der anderen Legionen an der Front in Parthia gelesen. Da wird erbittert über den herzlichen Willkommensgruss, den die Zeitung Imago anläßlich unserer Heimkehr auf die Titelseite gesetzt hat, hergezogen, da werden der Sieg von Edessa, die Erstürmung Circesiums, die Verteidigung Armeniens und unserer Grenzen im Osten gerade mal so lapidar als wohl kaum triumphal herabgewürdigt. Die Rückkehr der Legio Prima aus dem Krieg, die Ankunft in Italia, war der Acta hingegen wohlgemerkt keinerlei Notiz wert.
    Mag diese tendenziöse Schreibe auch dem Zweck dienen, ein konkurrierendes Blatt mit aller Häme zu treffen, so ist solch eine Polemik der kaiserlichen Zeitung doch in keinster Weise würdig!
    Jener Schreiber, der wohl kaum in seinem Leben ein Schlachtfeld von weitem gesehen hat, jener Mann, der in seiner Stube im sicheren Rom solcherlei Schmähungen verfasste, sollte sich besser auf den Patriotismus besinnen, der Rom gross gemacht hat. Er sollte nur einmal der Soldaten gedenken, die auf den Schlachtfeldern des Ostens ihr Leben gaben, um den Feind in die Schranken zu weisen. Sie sind für die Sicherheit unseres Römischen Imperiums gestorben, und für unseren geliebten Imperator - möge er seinen Platz unter den Göttern finden - aber auch für einen jeden Bürger des Reiches. Mit Fug und Recht sind sie als Helden zu bezeichnen, und jener Schreiber möge es sich zweimal überlegen, bevor er das Andenken unserer gefallenen Kameraden auf solch plumpe Weise verächtlich zu machen sucht!



    Die Soldaten der Legio Prima Traiana Pia Fidelis:
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    F. Decimus Serapio, Optio

    Q. Marius Musca, Miles
    Sp. Luscius Silio, Miles
    X X X (S. Velius Rupus, Miles)
    L. Antius Dasius, Miles
    Ser. Seius Nasica, Miles


    K. Caecilius Macro


    Marcus Iulius Sparsus
    Optio, I Kohorte II Centurie


    Livius, librarius praefecti castrorum



    M. Iul. Lic., optio ad spem ordinis



    Caius Valerius Tacitus


    Gaius Tiberius Andronicus
    Duplicarius, I Turma


    Lucius Ovidius Agrippa
    Decurio, I Turma


    Optio Tallius Priscus, Coh IX, Cen IV


    A. Bavius Cat., Leg. I.





    An einem anderen Abend wäre es Marcus womöglich peinlich gewesen, wenn einer der Soldaten es erfahren hätte, daß er ein Instrument spielte, der centurio, der doch die Männer in den Kampf führte, beschäftigte sich mit Dingen, wofür sonst oft Sklaven zuständig waren; jener Abend war jedoch sehr seltsam, Marcus war von einer düsteren Melancholie ergriffen, die wohl noch die Nachwirkungen des Krieges waren, aber auch, weil ihm die leeren Räume zeigten, wie viele Männer er im Krieg verloren hatte, Männer, für die er doch verantwortlich gewesen war; in dem Untergrund seines Bewußtsein nagte Marcus seit geraumer Weile mit dem Gedanken, ob er nicht einfach versagt hatte als centurio. So mit anderen Gedanken beschäftigt, kamen die Gefühle der Beklommenheit nicht wegen seiner sonst mehr zurück gezogenen Beschäftigung; aber wenn ihm einer der alten Griechen, die seine Mutter für seine Erziehung in das Anwesen in Baiae geholt hatte, etwas wirklich eingepflanzt hatte, dann war es die Liebe zu diesem Instrument und der Musik, denen er leider noch oft frönen konnte und es noch mehr mit Hingabe als großer Virtuosität tat - Pamphilos war der Name jenes Griechen gewesen und es war schon viele Jahrzehnte her gewesen; in den Zeiten in der Legion war Marcus selten zum Spielen gekommen; er beugte sich vor und griff selber nach der Weinkaraffe, um Serapio in einen noch frischen Tonbecher von dem guten italischen Wein – unverdünnt an dem Abend – einzugießen.


    „Die Flöte?!“
    Marcus nickte schließlich, ja, er entsann sich gut an das Spiel von Serapio bei der Verbrennung bei Edessa, als so viele Männer dort von ihnen den Flammen übergeben werden mußten, ein bitterer Tag, selbst wenn sie gesiegt hatten.
    „Ich entsinne mich. Gut spielst Du, Decimus, hast Du es bei einem Lehrer erlernt?“


    Marcus reichte ihm den Becher hinüber und nickte. Befehle? Doch ehe Marcus da etwas erwidern konnte, wandte sich Serapio schon dem Leserbrief zu; Marcus ließ die Hand von den Seiten aus Darm herunter sinken, die auf dem Instrument gespannt waren und ergriff den Leserbrief; seine Augen glitten über die Zeilen, so manch ein Wort stach schon hervor, aber um es wirklich gut zu lesen, hätte er leise vor sich hin wispern müßen – und egal ob melancholische Stimmung oder nicht, das wäre ihm dann doch jetzt zu peinlich gewesen! Aber schon an vielen Stellen hatte Marcus gemerkt, daß Serapio eloquent war und er erkannte die Handschrift sofort wieder, zudem war es ein Bedürfnis von den Männern, aber auch von Marcus, der sich nicht minder geärgert hatte, als ihm Hannibal in Rom den Artikel vorgelesen hatte – Marcus hatte sich schon bei Florus darüber ausgiebig beschwert, der einige kluge Worte dafür gewußt hatte-, aber so konnte Marcus noch mal nicken.


    „Natürlich werde ich da unterschreiben, eine Unverschämtheit war das...“
    Marcus rief nun doch den Sklaven heran, der ihm Feder und Tinte brachte, dann legte Marcus das Instrument zur Seite, um an der freien Stelle zu unterschreiben, ehe er den Brief zur Seite legte.
    „Ich würde ihn mir gerne später noch mal genauer durchlesen, aber ich laße ihn Dir noch von einem der Sklaven bringen, versprochen!“
    Marcus griff nun nach seinem eigenen Becher und hob ihn hoch.
    „Dann, optio, auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit! Und auf Dein bestandenes Examen, optio, meinen Glückwunsch dazu!“

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius


    Es war Balsam für Appius' geschundene Seele, die in all den Jahren viel Spott und Geringschätzung erdulden mußte; Appius war auch einer jener Männer, die all den Frust in sich hinein fraßen, es immer schluckten und sich niemals zur Wehr setzten bis...ja, bis eines Tages es in ihnen platzte, der letzte Funken von Verstand in dem grenzenlosen Haß unterging, der sich in den Jahren angesammelt hatte, und dann wie ein wilder Berserker durch die Verwaltungsräume laufen würde, aber bis jetzt war es bei Appius noch nicht so weit und gerade schaufelte Tacitus erfolgreich etwas von dem seelischen Morast hin fort - mit einigen Worten der Anerkennung. Appius, der verlegen seine knochigen Finger, die nicht oft ein gladius umgriffen hatten in ihrem Leben, dafür mehr die Schreibgriffel, angestarrt hatte, sah ganz langsam auf und ließ wieder den Ausdruck auf seinem Gesicht erscheinen, den man – immer noch mit viel Phantasiebegabung – als ein Lächeln interpretieren konnte.


    „Viele machen einen Unterschied zwischen jenen Soldaten, die auch kämpfen und ihr Leben riskieren für den Kaiser und das Imperium, und jenen, die einfach in der Verwaltung tätig sind, wie ich. Aber ich danke Dir sehr, Valerius. Es ist gut zu wißen, daß nicht alle Soldaten so denken wie ich immer geglaubt habe!“


    Langsam wurde das Zittern von Appius' Fingern schwächer, er konnte sie um den Becher halten ohne daß der Wein darin immer wieder erschüttert wurde, so trank er auch hin und wieder dezent einen ganz kleinen Schluck; Wein stieg Appius einfach schnell in den Kopf und er war in seinem Leben bis her nur einmal betrunken gewesen, das war auch schon lange her gewesen, meist wurde ihm von Wein einfach nur schlecht ehe es zu dem beduselten Zustand kam. Seine sonst eisblauen Augen, die nicht nur von der Farbe üblicherweise kalt waren, zeugten jetzt einen erstaunlich friedfertigen Ausdruck als sie sich auf Tacitus richteten, während dieser von seiner Familie sprach. Terentia? Wer das wohl war? Ein wenig Neugier blitzte in Appius' Seele auf, der eigentlich sonst nicht viel andere Leute ausfragte, er war da doch sehr scheu. Appius nickte langsam und hielt sich weiter an dem einfachen Tonbecher fest; einen Augenblick dachte er über die Frage nach.


    „Ich...? Ich wollte immer dem Kaiser dienen!“
    , begann Appius und ließ seine Augen in die Ferne wandern, ganz als ob er auch einen Blick in die Vergangenheit wagte.
    „Zu einem ordentlichen Handwerker habe ich nicht getaugt und einen eigenen Laden zu eröffnen, was mir auch gut gefallen hätte, vielleicht sogar einen Buchladen...“
    Appius Augen bekamen einen schwärmerischen Glanz, für ungefähr etwas mehr als einen Herzschlag.
    „...aber mir fehlte das Kapital dazu! Aber weder mit Hobel, noch mit Schmiedehammer bin ich sonderlich begabt, die Laufbahn eines Politikers war doch viel zu hoch gegriffen für mich, schließlich bin ich auf dem Aventin aufgewachsen. Die Legionäre haben mich schon immer beeindruckt, ganz besonders die Adler, die manchmal durch Rom getragen wurden!“
    Ein wenig unzusammenhängend und mit einem nun doch von den Jahren gezeichneten und melancholischen Unterton gab Appius die Worte von sich.
    „Mein Vater hatte mich sogar zu einem Färber in die Lehre gesteckt, damit ich auch für die Familie mitsorge und kein unnützer Esser mehr war, ich war da zwölf, aber schon vier Jahre später, ich habe es einfach auch nicht mehr ausgehalten mit dem widerlichen Gestank, da konnte ich schon der Legion beitreten, mein Vater hat sich irgenwann gefügt. Nun ist er auch schon lange tot....und bei der Legion kann man selbst als armer Plebejer dem Imperium einen Dienst erweisen und vielleicht...“
    Langsam kehrte er wieder zurück und sah zu Tacitus.
    „...vielleicht werde ich eines Tages dann doch noch meinen Laden in Rom aufmachen, wenn ich genug Geld angespart habe.“
    Appius lächelte tatsächlich ganz, ganz kurz versonnen ehe diese Mimik wieder schwand. Tatsächlich schien Appius immer mehr aufzutauen.


    „Dein Vater wird es sicherlich auch gut mit Dir meinen, die Legion bietet einem jungen und tapferen Mann große Chancen, womöglich dienst Du Dich bis zur vitis hoch, sprich, Du bekommst sogar den centurioposten eines Tages.“
    Ein Traum von Appius, der wohl nie wahr werden würde, dafür war er zu unscheinbar trotz seines Eifers bei der Arbeit.
    „Wer ist Terentia, wenn ich das fragen darf?“









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