Erstaunt betrachtete Marcus nun doch die junge Sklavin, aber hoppla, anscheinend hatte sie doch noch Appetit und traute sich endlich, bei den Speisen auch zu zu greifen, ja, Oliven waren schon etwas feines, Marcus liebte sie auch sehr, aber er war nur bei wenigem Essen ein Kostverächter und ließ sich das Meiste munden, selbst die exotischen Speisen im fernen Orient hatten ihm geschmeckt, sogar das Schlangenfleisch, was ihm ein guter Freund in Ägypten einst kredenzt hatte, ebenso Straußenfleisch, was genauso köstlich war und im Gegensatz zu anderem Geflügel doch deutlich sich im Geschmack unterschied, was vielleicht daran lag, daß diese Viecher viel größer als Enten und Schwäne waren und wohl nicht fliegen konnten, wie ihm sein amicus berichtet hatte, aber dafür umso schnell laufen. Aber das Bridhe nun nicht mehr das verschüchterte Sklavenmädchen spielte, das gefiel Marcus schon deutlich besser, na, vielleicht war die Hoffnung nicht ganz verloren und das Kind in den Brunnen gefallen. Andeutungsweise nickte Marcus auf ihre Worte zu den Oliven hin, ja, das sie gut waren, das wußte Marcus, aber er hatte auch heute darauf bestanden, nur das Beste vom Besten zu erhalten, auch die Oliven mußten würzig, reif und gehaltvoll sein, nicht diese kleinen mageren Dinger, die nach nichts außer so einer säuerlichen Note schmeckten, und schwarz mußten sie sein, Grüne waren bei weitem nicht so gut wie die Dunklen. Immer noch gemütlich an die Kline gelegt betrachtete er Bridhe mit einer hoch gewölbten Augenbraue und lächelte breit, ein wenig spöttisch, aber dann auch einfach gut gelaunt, schließlich hatte der Tag nicht allzu schlecht angefangen.
„Nein, nein, Du mißverstehst, puella! Die Geschichte hat einen ganz anderen Sinn! Der Löwe läßt die Maus von sich aus laufen, sie entkommt ihm nicht, aber der Löwe erkennt, daß es sich nicht immer lohnt eine kleine Maus aufzufreßen, wenn sie ihm eventuell noch mal dienlich sein kann. Außerdem würde dem Löwen die Maus wohl sowieso nicht munden und er hätte sie schon ein hora danach wieder vergeßen, weil ihn der Hunger erneut plagen würde. Selbst wenn ein Löwe gefährlich sein kann, er weiß durchaus zu bedenken, wann sich eine Beute lohnt und wann nicht!“
Ja, Löwen waren Marcus auch ungemein sympathisch, denn er hatte in Africa sie beobachten können, ehe sie gejagt wurden, und wie sie sich in der Sonne wohlig räkelten, das fand Marcus auch ansprechend für sich, einem solchen Leben war er nicht abgeneigt, selbst wenn er dann am Ende doch froh war, ein Mensch zu sein. Doch keiner erwartete von dem Löwen, daß er sich Pflichten und Ämtern stellte, wie die Familie es bei Marcus tat. Eine Hand von Marcus ruhte auf dem Polster, seine Finger strichen über den Stoff hinweg und spielten an einer der Kordeln, die als Verzierung diente, dabei sah er die junge Sklavin durchdringend an, war ihre Antwort wegen dem Schwanenfleisch als Unverschämtheit zu werten? Sollte er sie womöglich deswegen bestrafen laßen? Doch ein Blick auf ihren Bauch genügte Marcus, nein, eine Schwangere – egal ob serva oder nicht – stand unter besonderem Schutze und sollte bis zur Geburt nicht angerührt werden, was konnte das Kind schon dafür, daß die junge Frau sich nicht gerade geschickt gegenüber Marcus ausdrückte? So preßte Marcus einen Herzschlag lang nur die Lippen aufeinander und zuckte dann gleichgültig mit der Schulter – für sowas war ihr Herr zuständig, oder Herrin, denn Marcus wußte ja immer noch nicht, wer das war.
„So, so, ein Sakrileg ist es also bei euch? Na, dann... wer bin ich, daß ich euren Gesetzen widersprechen will.“
Marcus war es eh gleich, ob sie weiter von dem Fleisch aß. Er deutete mit einer Hand auf den Tisch.
„Es ist ja noch mehr da, dort, Täubchen...oder sind die bei euch auch tabu? Oder Ente, es gibt nichts besseres als Entenfleisch!“
Seine Augen leuchteten schon alleine bei den Worten und prompt bekam Marcus Appetit darauf, so zog er die Platte mit dem Entenfleisch näher und nahm einen Bißen davon. Marcus kaute und schluckte herunter, ehe er weiter sprach, das hatte ihm seine Mutter als Junge eingebläut und manche Dinge waren dann doch wieder hängen geblieben, eben nicht mit vollem Mund zu sprechen. Nachdenklich betrachtete Marcus die Sklavin; eine Insel westlich von Britannia? Himmel, hörte da nicht schon längst die Welt auf, fiel dort der Ozean nicht in eine unendliche Tiefe hinab – mit dem Konzept einer Kugel konnte sich Marcus nicht wirklich anfreunden, denn schließlich war die Erde seiner Meinung nach platt, abgesehen von den Bergen -!? Marcus runzelte die Stirn und dachte darüber nach, wie hießen die Länder dort noch mal? In seiner Jugend hatte er sie doch lernen müßen, aber sofort wieder vergeßen, es hatte ihn nicht interessiert und die Hausaufgaben bei dem paedagogus hatte er nicht gemacht damals, die Arbeit war an Hannibal hängen geblieben.
„Ist das die Insel, die bei uns Metanis oder Albingis, nein, Abaladon heißt?“
Natürlich warf Marcus die Namen völlig durcheinander, hatte vergeßen, daß es Metuonis und Abalon hieß.
„Oder gar dieses ominöse Thule? Und gibt es bei euch wie in Britannia diese Zauberer, wie heißen sie noch mal...Drudus? Drutzden? Ist die Frau in der Geschichte auch so ein Drudus? Aber nur zu, erzähl, puella!“