Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Ein Melder hatte ihm die Nachricht in die habitatio seiner centuria gebracht, umgehend hieß umgehend, aber dennoch nicht schlampig, so hatte einer seiner Sklaven noch mal schnell über die Rüstung gewischt, Marcus hatte sich den guten Helm geben laßen, war in eine neue und frische rostrote Tunika gestiegen, hatte das ganze Brimborium - Militärgürtel, Dolch, etc.- angezogen, das Schwert umgeschnallt, so wie die centuriones es trugen, und war dann stante pede in Rüstung losmarschiert, den Helm und die vitis unter den Arm geklemmt. Bis zur principia war es für ihn nicht weit, da die zweite centuria direkt in ihrer Nähe einquartiert war, somit war Marcus, trotzt der schnell erledigten Vorbereitungen, doch relativ zügig - wenn man davon absah, daß er immer noch mit einer Krücke und humpelnd unterwegs war, was seine sonst üblichen energischen Schritte verlangsamte - an Ort und Stelle; mit einem Nicken grüßte er die anderen centuriones der ersten Kohorte und stellte sich gleich neben centurio Bruseus, der noch an seiner Rüstung herum zupfte.


    „Hast Du eine Ahnung, worum es geht?“
    , fragte Marcus leise, da sich immer noch die Männer am Einfinden war und durchaus noch Lärm vorherrschte.
    „Nein!“
    , erwiderte Bruseus und gab es auf, die nicht mehr paßende Rüstung zu verschieben.
    „Aber die Anweisung gibt schon Aufschluß, worum es geht!“
    „Ach ja?“
    Marcus hatte sie nicht gelesen, darum sah er seinen Kollegen fragend an.
    „Ja, Stabsoffiziere, centuriones und ein optio, Iulius Licinus ist sein Name. Also, wenn Du mich fragst...?“
    Bruseus sah Marcus bedeutungsvoll an.
    „...dann hat es mit ihm zu tun. Entweder eine schlimme Strafe oder...“
    Er nickte gewichtig; Marcus sah ihn grübelnd an und suchte mit den Augen nach dem Iulier, der ihm natürlich kein Unbekannter war. Als Marcus ihn erblickte, nickte er ihm marginal zu.

    Die Sonne kroch träge und langsam dem Horizont entgegen und hatte die Schatten der Nacht in ihrem Schlepptau, die immer mehr nach dem Land greifen und ihre schwarzen Finger um die Erde schlingen wollten; der Sklave, der Aristides noch den italischen Wein gebracht hatte, zündete bereits eine Öllampe an, die an einer ehernen und dreifüßigen Halterung hing. Von der Bewegung des Sklaven schwankte die Lampe noch einige Male, wobei der Lichtkegel durch die Unterkunft tanzte, mal den Schatten vertrieb, dann wieder einlud, um letztendlich weich und matt die eine Hälfte von Macus zu beleuchten, ebenso die Seiten seines Instrumentes, das er liebevoll und sorgfältig zu stimmen begann. Pling, plang, die Seiten ertönten mal hell, dissonant, dunkel, je nachdem, welche Marcus gerade stimmte und wie gut er sie gestimmt bekam, doch selbst wenn das Instrument unter den Monaten an Abstinenz gelitten hatte, so war Marcus erst zufrieden als das Instrument seinem Ohr wieder Wohlgefallen schenkte; nur beiläufig registrierte Marcus, daß der Sklave einen der Soldaten meldete, Marcus nickte zerstreut und ließ seine Finger noch weiter über die Kolben gleiten, die die Seiten genau richtig spannen sollten, damit der harmonische Ton entlockt werden konnte, den der Spieler hören wollte. Die Salutatio bemerkte Marcus darum nicht, er war immer noch zu sehr auf die Seiten des Instrumentes konzentriert, sein Daumen schlug die tiefste Seite an, ja, jetzt klang es doch gut, nochmal glitt sein Daumen über alle Seiten hinweg und entlockte dem Instrument die richtigen Höhen. Die konzentrierte Falte zwischen Marcus Augenbrauen schwand und er hob kaum den Kopf als er meinte:


    „Salve, optio!“
    Marcus ergriff ein Tuch und wischte noch mal sorgfältig das Instrument ab, deren rotbraunes Holz warm im Lichte glänzte.
    „Bestimmt wirst Du dem gerecht werden!“
    , gab Marcus als Antwort und ließ seine Finger über die Seiten gleiten, entlockte dem Instrument erst mal eine einfache und alte Weise, denn seine Finger fühlten sich nach der langen Zeit ganz steif an. Erst dann sah er auf und deutete mit dem Kinn auf die zweite Kline im Raum.
    „Nimm' doch Platz, optio!“
    Erst da fiel Marcus das gestriegelte Auftreten des Decimers auf, Marcus wölbte überrascht die Augenbraue, verschwendete aber sonst keine Worte darüber, denn im Krieg waren sie alle mal mehr oder minder rasiert oder schludrig durch die Gegend gelaufen.
    „Etwas Wein vielleicht?“
    , fragte Marcus und erneut suchten seine Finger danach, sich wieder an das Instrument zu gewöhnen, indem sie darauf spielten.

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius



    Knochenhart waren die - sehr wenigen! - Muskeln an Appius' Schulter und seinem Rücken, denn er wollte sich so sehr bemühen, ein guter Gesellschafter zu sein und ganz besonders ein vorbildlicher Gastgeber, daß er ganz und gar verkrampft war, noch mehr als im officium. Nur seine Hände schienen nicht von dieser Starre betroffen zu sein, denn immer mal wieder zitterten sie etwas nervös. Gerade wollte Appius den Becher an seine Lippen führen, doch er erstarrte in der Bewegung, als er die Worte von Tacitus vernahm. Seine Brüder hatten kein Recht dazu? Wie Tacitus das wohl meinte? Ah so, nicht, daß Appius wohl doch kein solches Hanswürstchen war – was Appius natürlich nicht gesagt hätte, aber so nannte ihn sein ältester Bruder damals – sondern, daß es die Pflicht eines Römers war, für das Imperium zu streiten. Ehrenvolle Position? Jetzt klappte Appius' Mund doch auf und er sah den jungen Soldaten erstaunt an, denn eigentlich beneideten ihn die wenigsten anderen Soldaten um den Verwaltungsposten in der Legion, zudem sahen viele von den kämpfenden Soldaten auf Männer wie ihn – ganz besonders auf ihn! - herab und lachten im stillen Kämmerlein über Appius; auch erhielt Appius niemals Lob noch Anerkennung von den höheren Rängen über ihn, auch nicht seinen direkten Vorgesetzten – nur praefectus Matinius hatte diese einmal gewürdigt, aber das war auch wieder lange her. Abgehackter Bewegung nickte Appius und hob die Hand – erst die mit dem Weinbecher, ehe er den Becher in der Hand bemerkte, dann die Freie - in einer beschwichtigenden Gestik.


    „Nein, nein!“
    , untermalte Appius auch gleich mit Worten.
    „Du mußt Dich nicht entschuldigen. Ganz gewiß nicht...ich...ähm...eigentlich...ja!“
    Appius stotterte ein wenig und wußte nicht wirklich, ob er es wagen durfte zu sagen, aber Nettigkeiten war er nicht gewöhnt und womöglich vermochte das noch viel mehr seine sonst auch steife Zunge zu lockern, als es Wein je konnte.
    „Danke!“
    , gab Appius darum zu.
    „So etwas Nettes hat mir noch nie jemand gesagt. Viele...viele finden meine Position doch eher unwichtig.“


    Der Trinkspruch gefiel Appius auch, zudem war er zu fahrig in seinen Gedanken, als daß er bemerkte, daß ihm Tacitus auf die andere Frage hin auswich und geschickt vom Thema ablenkte, Appius hob den Becher in die Höhe – dieses Mal war das auch mal eine paßende Geste! - und sprach mit seiner etwas nasalen Stimme:
    „Auf die Ehre ein wahrer Diener Roms zu sein!“


    Appius führte den Becher zum Mund und trank einen tiefen Schluck, gleich darauf merkend, wie ihm der Wein – ungewohnt war unverdünnter Wein für ihn! - ihm den Mund hinunter brannte und vollmundig sein Aroma verbreitete, was dazu führte, daß Appius tief einatmen mußte, schnell griff er nach der Wasserkaraffe und verdünnte dann auch noch den edlen Tropfen. Dann saß Appius wieder da und sah auf den Tisch, zurück zu dem Fenster, zu seiner Katze, die im Körbchen saß und vor sich hin döste, aus dem Fenster hinaus, wieder zu Tacitus. Das Schweigen wurde sofort unerträglich für Appius, der eigentlich – außerhalb der Arbeit viel redete- aber eben mit seiner Katze und sonst keinem Menschen. Grübelnd dachte er nach, suchte hastig nach Gesprächsstoff, aber er konnte sich wohl kaum darüber beschweren, daß die acta immer verknickt ankam oder wider mal was in der Verwaltung schief ging, und das waren Themen, die Appius bewegten.


    „Ähm...dann wollte Dein Vater, daß Du der Legion beitrittst?“
    , fragte Appius und hoffte, damit nicht ins Fettnäpfchen zu treten.








    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    Während Marcus den neuen Sklaven taxierte, mit dem Blick, begann er schon zu überlegen, wofür der Parther nützlich sein konnte; als Leibwächter, wie der Sklavenhändler propagiert hatte, würde Marcus ihn gewiß nicht einsetzen, es sei denn, er war völlig lebensmüde oder wollte dasselbe Ergebnis wie bei dem Germanen haben, am Ende kam Cassim noch auf den Gedanken, seinen Sohn zu entführen, um Druck gegen Marcus auszuüben und seine Freilaßung zu erzwingen. Marcus Kieferknochen preßten sich bei dem Gedanken fester aufeinander, so daß sie deutlich zu erkennen waren, als sie sich unter der Haut seiner Wangen - unterhalb der Schläfen - abzeichneten; er warf Hannibal, der sich scheinbar unbeteiligt im Hintergrund hielt einen Blick zu; doch schon die nächsten Worte weckten Marcus Aufmerksamkeit und zwar schlagartig, er sah zurück zu Cassim und seine Augenbrauen wölbten sich überrascht in die Höhe; tatsächlich schwand der grimmige Ausdruck aus seinem Gesicht sogar ein ganz klein wenig, selbst wenn Marcus immer noch düster wirkte, kein Lächeln sein Gesicht zierte und seine Augen kalt waren, aber es schlich sich auch noch so etwas wie Neugier hinein und ein lebhaftes Interesse, denn wenn es etwas gab, wofür sich Marcus – neben Essen, schönen Frauen, Gladiatorenspielen und Wagenrennen! - begeistern konnte, dann war es eben die Jagd; ein ausgesprochen kurzweiliges Vergnügen, dem er in den letzten Jahren viel zu selten frönen konnte; die letzte zünftige Jagd, die er erlebt hatte, war sogar bei seinem amicus in Ägypten gewesen. Marcus beugte sich ein wenig nach vorne und ließ Cassim nicht aus den Augen.


    „Mit einem Falken?“
    , fragte Marcus noch mal nach und sah den Parther nachdenklich an.
    „Erläutere das mal genauer! Wie jagst Du mit einem Falken? Ist er ein Jagdhelfer oder nur ein treuer Begleiter?“


    Daß man mit Hunden jagen konnte, das wußte und kannte Marcus durchaus, er hatte selber einige Jagdhunde in Baiae beseßen, die wohl mittlerweile verstorben sein müßten, besonders einen treuen Jagdhund hatte er gehabt, der ihn immer mit begleitet hatte. Ein Segusier namens Zeus, ein häßlicher Wicht, aber ein treuer Hund mit einer sehr guten Nase und einem anhänglichen Wesen; Marcus hatte den Hund sehr gemocht, leider aber schon nach drei Jahren wieder verloren, als ein Hirsch den Hund angegriffen hatte und ihn mit seinem Geweih aufgespießt; der Hund war nicht mehr zu retten gewesen, gleichwohl Marcus extra einen medicus – der die Behandlung wohl nur des vielen Geldes wegen übernommen hatte – geholt hatte; Marcus war einige Wochen sehr betrübt gewesen, womöglich auch, weil seine Ehefrau damals ihm noch zusätzlich zugesetzt hatte, wenigstens hatte er damals seinen kleinen Sonnenschein gehabt. Daß mit dem Schwert und Reiten überging Marcus erstmal, die Frage nach dem Falken beschäftigte ihn viel mehr.

    Schnell hatten sich die Ränge gefüllt und Marcus vernahm das Stimmenmeer um sich herum, die vielen Zuschauer, die gespannt dem entgegen harrten, was heute auf den Brettern zum Besten gegeben werden würde; noch vor einigen Herzschlägen hatte Marcus diese Vorfreude nicht geteilt, denn es gab für ihn kaum etwas öderes als einer der alten Schinken aus Griechenland, die immer wieder aufgeführt wurden, ganz besonders mit den ollen Kamellen und den trantütigen Tragödien konnte er nichts anfangen, waren sie dann auch noch auf Griechisch, war es am Schlimmsten, denn dann verstand Marcus nur die Hälfte von dem, was vorne gesagt wurde. Deutlich erhellte sich deswegen der Ausdruck auf Marcus' Gesicht als er hörte, daß es ein Stück für das Volk werden würde – und wer vermochte sich beßer in das Volk hinein zu versetzen als Marcus, der viele ihrer Schwächen und ihrer Vorlieben teilte, insbesondere für die leichte und unkomplizierte Materie einer Komödie? – Marcus lächelte selig, denn dann war die Chance, sich zu blamieren noch etwas geringer, wenn es eine zünftige Komödie war, schlief er womöglich nicht während der Vorstellung ein, er wollte ja auch seinen Vetter nicht in Verlegenheit bringen, indem er in dessen Theaterstück die Bretter mit seinem Geschnarche zu zersägen gedachte, dabei hatte Marcus genug andere Gewohnheiten, die die Schamesröte in Gracchus' Gesicht treiben könnten; oh, hoffentlich hatte Gracchus nicht darauf bestanden, daß die Komödie in griechischer Sprache verfaßt war!


    „Sehr gut! Ein wenig Erheiterung paßt vortrefflich für den heutigen Tag!“
    , sprach er und griff schon nach den Oliven, um eine Handvoll davon zu eßen; erst, als er diese herunter geschluckt hatte, konnte er auch angemeßen Antonia antworten. Er lächelte ihr freundlich zu; ja, die Claudiae hatten alle wirklich ein schönes Äußeres, aber allesamt leider auch den Hang, etwas zu dünn zu sein – für Marcus' Geschmack -, sowohl Epicharis, als auch Antonia könnten noch ein paar Pfund zulegen, was ihnen bestimmt gut stehen würde.
    „Um nichts in der Welt hätte ich die Aufführung heute verpaßt, so ein Kratzer am Bein hält mich da nicht auf!“


    Marcus wollte noch etwas weiteres sagen, doch schon verstummte es neben ihm und er bekam – unverschämterweise – von dem griechischen Sklaven einen Wink, in dem dieser ihn in die Seite stubste; Marcus sah den Sklaven indigniert an, der jedoch schon gebannt nach vorne schaute, so folgte Marcus dem Blick von tausenden Zuschauern, schob sich dabei ein paar Früchte in den Mund und lauschte gespannt dem, was jener Mann zur Einleitung von sich gab. Kauend vernahm er die Worte, die zwar im Reim geschrieben waren, aber für ihn dennoch deutlich und verständlich war, vergnügt lächelte Marcus und lehnte sich etwas zurück, wobei ihm unangenehm ein Fuß in den Rücken stieß; Marcus grummelte leise und lehnte sich wieder vor. Schon begann der erste Akt, Marcus, immer noch den Weinbecher in der Hand, ließ sich nicht von dem pikierten Blick seines Sklaven stören und trank einen tiefen Schluck und während er mit wachsendem Interesse dem Stück folgte, aß er – natürlich auch ab und an leise raschelnd! - ungeniert aus dem Behältnis mit Oliven. Immer mal wieder beugte sich Marcus vor, zu seinem Vetter, und konnte sich leise Kommentare nicht verkneifen, aber Marcus war schon von je her ein Mann gewesen, der auch wirklich an den Theaterstücken Anteil nahm, wenn er sie mal verstand.


    „Weißt Du in welchem Land das spielt, Manius?“
    , fragte Marcus gleich zu Beginn.
    „Ach, Athen...!“
    , murmelte er schließlich.
    „Das ist ein Satyr! Bestimmt!“
    , meinte er, als Kresh auftrat, dabei schon wieder vergeßend, daß der Magus das am Anfang durchaus schon gesagt hatte.
    „Ja, so sind die Griechen, gemeine Kerle...!“
    , raunte er, als der arme Kresh in Gefahr war, sein Schlammloch zu verlieren. Marcus schüttelte den Kopf und ihm tat der arme Kresh schon Leid, selbst wenn er nicht ganz verstand, was es mit dem Schlammloch auf sich hatte, aber womöglich war das ja für einen Satyr ganz großartig. Marcus aß noch ein paar Früchte, die Oliven waren mittlerweile leer, als die zweite Szene begann; Marcus lehnte sich zurück als er erneut den Fuß an seinem Rücken spürte. Herrje, was sollte denn das immer? Marcus drehte sich nun um und sah zu dem Mann hinter sich, Claudius Tucca.
    „Verzeihung!“
    , raunte Marcus brummelnd.
    „Du trittst mir ständig in den Rücken, guter Mann.“
    Marcus schüttelte verärgert den Kopf. Was für Barbaren im Theater!!, dachte er sich und aß noch eine Frucht. 8)


    „Pah! So sind die Griechen! Laßen andere für sich kämpfen, typisch!“
    War schon der nächste Kommentar an den armen geschundenen Gracchus. Vetterlich um die magere Gestalt seines Vetters besorgt, der wohl immer das Essen vergaß, wie sonst erklärte es sich, daß Gracchus auf die Naschereien verzichtet hatte, wahrscheinlich war er ganz nervös wegen der Vorstellung, also so besorgt hielt Marcus ihm das Behältnis mit Früchten und Nüßen hin.
    „Möchtest Du?“
    , flüsterte Marcus und sah dabei gespannt auf die Bühne. Marcus reckte und streckte sich als schließlich der Satyr bis zum König kam.
    „Ja, hau ihm eine rein!“
    , gab Marcus beifällig von sich, dabei etwas lauter als das Flüstern, was er vorher an Gracchus gerichtet hatte. Wenn es gut lief, dann würde es vielleicht noch Mord und Totschlag auf der Bühne geben, was wohl weniger zu einer Komödie paßte, aber daran dachte Marcus in dem Augenblick nicht. Doch schon war der erste Akt vorbei und Marcus spürte erneut etwas in seinem Rücken und er drehte sich, in der Pause, zu dem Mann hinter sich um.
    „Guter Mann, ich wäre Dir sehr verbunden, wenn Du Deine Füße etwas woanders läßt, ja? Wäre das möglich?“
    , grollte Marcus.

    Schon seit einiger Zeit hatte es in Marcus zu dämmern begonnen, irgendwann im Krieg war es gewesen, daß er ahnte, wie sehr ihn die Legion verändert hatte, Welten schienen zwischen dem Mann zu liegen, der er einst war, vergnügungssüchtig, ohne Sinn für die Pflichten und die damit verbundenen Arbeiten, die ein Römer für das Imperium zu leisten hatte, nein, damals war das Einzige, was er vollbracht hatte, das Geld seiner Mutter zu verjubeln und das Erbe, was ihm sein Vater hinterlaßen hatte, doch das Leben als Soldat, der sich vom probatus hoch gedient hatte, hatte ihn auch geprägt; womöglich war das auch der Grund gewesen, weswegen ihn seine Mutter zum Dienst in der Legion genötigt hatte, besaß sie doch meist mehr weise Voraussicht als es Marcus tat. Selbst wenn Marcus immer noch ein Hedonist war, so war die Erkenntnis in ihm gereift, daß so ein Dienst einen wichtigen Sinn für ihn und sein Leben besaß und nicht nur eine unnötige Pflicht war. Somit konnte er Florus – also doch ein Soldat, kein reiner Stubenhocker – beipflichten mit einem marginalen Nicken seines Kopfes.


    „Da muß ich Dir Recht geben, viele verstehen wohl, wenn sie es nicht selber einmal erlebt haben, was es heißt Soldat zu sein – insbesondere in den Krieg zu ziehen!“


    Marcus' Gesicht verdüsterte sich ein wenig.
    „Der Krieg...mir scheint, hier in Rom sind die Menschen nur zufrieden, wenn die Soldaten einen Sieg nach dem Anderen herein bringen, sie verlangen schier unmögliches von den Soldaten, wollen, daß wir die Siege erbringen, die schon so vielen Feldherrn vor unserer Zeit verwehrt blieben!“


    Seine Augen fixierten einen Herzschlag lang grimmig den Marmorboden vor seinem verletzten Fuß, ehe sich seine Züge wieder glätteten und er auf sah.
    „Verzeih', ich habe nur einen Artikel der acta, den ich gerade heute morgen mit vor...ähm...gelesen hatte, vor Augen. Darin verunglimpfen sie uns – die heimgekehrten Soldaten-, während sie über eine andere Zeitung her ziehen. Daran merkt man den Unterschied zwischen einem Zivilisten und einem Soldaten, der ahnt, was man im Krieg erlebt und was es bedeutet, in die Heimat zurück zu kehren.“


    Der düstere Ausdruck verschwand aus Marcus' Gesicht, so schnell wie er gekommen war, als er an die letzten Worte von Florus dachte.
    „Das kann ich mir vorstellen! Bist Du auch dem praefectus urbi weisungsbefugt?“

    Grimmigen Blickes ließ Marcus die Worte an sich vorbei rauschen, wie den Wind, der ab und an mal in den Ästen spielte, denn da Cassim bei den Kataphraktoi gedient hatte, könnte die Vermutung nahe liegen, daß jener auch tatsächlich ein Adliger war, aber das wollte Marcus nicht wahrhaben wollen und er wußte ja nicht, ob alle bei der schweren Panzerreiterei auch aus der gehobenen Schicht kamen, denn womöglich hätte er dann noch mal seine Worte bedenken müßen und so handeln, wie er das einst in Edessa getan hatte, als jener Anführer der Kataphraktoi beinahe von einem Soldaten mit dem Adler getötet worden war und Marcus im letzten Augenblick das spitze Ende weg geschlagen hatte. Warum? Weil ein Adliger verhinderte, daß ein anderer Adliger so getötet wurde, schließlich erwartete Marcus selbiges von Gegnern, denen er durchaus Ehre zu sprach oder es mal getan hatte, wie man es den Parthern eigentlich auch nachsagte. Würde er auch nur im Entferntesten ahnen, was die Parther mit seinem ehemaligen Legaten taten, dann würde Marcus' schlechte Meinung noch Vernichtender werden. Bei dieser Einheit dabei zu sein, nicht gewesen zu sein, nein zu sein – Marcus sah Cassim mit andeutungsweise verengten Augen an, war dann jedoch tatsächlich etwas überrascht, nur die einsilbige Antwort von dem Sklaven zu vernehmen. Marcus zögerte und sah Cassim prüfend an, doch dieser schien es wohl tatsächlich verstanden zu haben und wagte keine Worte der Widerrede, noch die typischen rebellischen Floskeln, die man sonst von solchen Sklaven hörte, umso beßer – Marcus lehnte sich etwas zurück, deutlich zufrieden, daß er somit seine Position klar gemacht hatte und daß der Parther gewiß nicht mit Milde bei ihm rechnen konnte. Sinnend – aber immer noch mit dem düsteren Ausdruck auf dem Gesicht – betrachtete Marcus nun den Sklaven, der Sklavenhändler hatte ein wenig gegeizt mit den Angaben zu jenem Mann, daß der Sklave sich mit Literatur aus kannte, war für Marcus von wenig Belang, denn dafür interessierte sich Marcus – im Gegensatz zu seinen Vettern, wie auch seinem Sklaven – nicht sonderlich.


    „Gut!“
    , meinte Marcus noch auf das schlichte Ja als Antwort.
    „Dann sprich, was sind sonst Deine Fähigkeiten. Latein, Griechisch, Literatur...Reiten wohl auch...was sonst noch? Kannst Du jagen zum Beispiel?“

    [Blockierte Grafik: http://img225.imageshack.us/img225/8716/tituscrasusdb0.jpg| Titus Crassus


    Es war im letzten Augenblick, in dem Titus Crassus Dienst hatte, eigentlich wollte er schon aus der Ausrüstungskammer stapfen und seiner liebsten Nebenbeschäftigung nachgehen, das Angeln. Die Angelrute lag schon auf dem großen Tisch, wo sonst Rüstungen, Tuniken, Militärgürtel und Schilde ihren Platz fanden, wenn wieder mal ein Frischling in die Legion kam. Oder auch, wenn ein Soldat kam, um ein Ausrüstungsstück zu ersetzen, wenn der Zahn der Zeit daran genagt hatte. Doch gerade wollte Titus, nur in einer einfachen Soldatentunika gekleidet, nach dem Eimer greifen, in denen er die Flußfische warf, wenn er sie aus dem breiten Strom geangelt hatte, zudem den kleinen Kasten mit den Würmern und – er hatte da ein spezielles Rezept für das beste Anbeißen – seinen Spezialköder, auch eine Hand wanderte schon zur Angelrute als dann doch noch jemand auf den letzten Drücker zu seiner Dienstzeit kam, die Tür ging auf und Titus ließ die Angel wieder los, stellte den Eimer auf den Tisch und auch den Kasten, mit den lebendigen - versteht sich! - Würmern.


    „Salve!“
    , grüßte Titus, der sich nicht daran störte, von seinem Lieblingsplatz am Fluß noch länger fern bleiben zu müßen. Fröhlichen Gemütes wie er immer war und ein grenzenloser Optimist, lächelte er breit über sein ganzes rundes Gesicht, das von einem stoppeligen Bart geziert wurde. Titus erkannte Serapio jedoch nicht wieder, es kamen so oft Soldaten zu ihm, zudem war es schon lange her gewesen, daß er den anderen Soldaten ausgestattet hatte – vor dem Krieg.


    „Einen optiostab? Na, mal schauen, ob ich noch so einen habe!“


    Es hatte einige Beförderungen in letzter Zeit gegeben, auch schon während des Feldzuges, wo vakante Stellen auch nur aus den eigenen Reihen rekrutiert wurden. Titus ließ Angel Angel sein und verschwand in dem Nebenraum. Dort hörte man längere Zeit ein Rumoren, dann ein Poltern, dann wieder ein Rumoren, ein Brummen von Titus, ein Krachen und einen deftig- anzüglichen Fluch, den er mit seiner sonoren und tiefen Stimme hervor stieß, doch dann kam er schließlich doch zurück, sich die Stirn reibend.


    „Bei Iunos prächtigem Hintern, noch mal Glück gehabt, optio!“
    Er reichte Serapio einen Stab weiter, der oben die Kugel aufwies, wie es doch typisch bei den optiostäben war, zudem auch zwei Tuniken.
    „Die Eine ist leider etwas älter, die Andere gehört schon zu dem Schwung neuer Tuniken, aber das, was in den letzten Tagen genäht wurde, ist schon vergeben, ich habe Dir trotzdem eine abgezweigt. Und hier noch das Federzeug!“
    Titus sah sich suchend um, bis er das fand, was er vermißt hatte, nämlich eine tabula.
    „Wie war der Name und die Einheit, für die Soldliste?“




    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius



    Appius war sehr erleichtert, daß er wohl doch nicht allzu falsche Fragen gestellt hatte, nein, sie konnten sogar die unangenehme Stille brechen, die über ihnen geschwebt hatte, in dem Augenblick, wo Appius eben nicht wußte, was er tun oder sagen sollte, was man in einem solchen Fall von ihm als Gastgeber erwartete, darum nickte er schon bei dem ersten Wort von Tacitus eifrig und lauschte begierig, sich dabei schon überlegend, was er erwidern konnte, damit nicht erneut so ein peinlich berührtes Schweigen einkehrte. Und erst als Tacitus selber einen Schluck zu sich nahm, entsann sich Appius wieder an den Becher, den er so verkrampft in seinen Händen hielt. Der Wein erzitterte in dem Becher als Appius abrupt ihn anhob und zu seinen blutleeren Lippen führte, um einen Schluck zu nehmen; der Wein rann würzig und ein wenig brennend durch seine Kehle und erst da fiel Appius der schlimme Faux Pas auf, den er mit dem Wein getätigt hatte: Er hatte vergeßen ihn zu verdünnen, entsetzt starrte er auf den Becher als Tacitus gerade auf den Iulier zu sprechen kam. Oh jemine, da dachte bestimmt Tacitus wer weiß was von ihm- Appius; daß er am Ende ein Mann mit losen Sitten war, der sich Abend für Abend mit Wein besoff. Ganz blaß sah Appius auf und zu Tacitus, sein Mund öffnete und schloß sich wieder, wie bei einem Fisch unter Wasser, schließlich sprang er hastig auf, gerade als Tacitus nach einem Trinkspruch fragte; fast wäre der Stuhl auch nach hinten gepoltert, doch Appius konnte ihn gerade noch auffangen.


    „Ähm, verzeih bitte, Valerius. Ich habe völlig das Wasser vergeßen...ähm, das paßiert mir eigentlich nie...wirklich nicht. Eigentlich, ja, ich trinke so gut wie nie. Wenn Du mich kurz entschuldigst?“
    Stante pede rauschte Appius nach draußen und es dauerte einen Augenblick bis er wieder zurück war, mit einem anderen Krug, gefüllt mit frischem Brunnenwasser, eilig trat Appius auf Tacitus zu und schenkte ihm sofort auch etwas Wasser in den Becher, wobei ein paar Tropfen daneben gingen und auf Tacitus' Hand sich verschüttete.
    „Oh, verzeih!“
    Hastig griff Appius nach einem Stück Stoff und tupfte die Hand trocken. Zittrig und fahrig setzte sich Appius, wobei er vergeßen hatte, in all der Aufregung, die Tür richtig hinter sich zu schließen. Und ganz konfus wie Appius war, verschusselte er es, sich selber den Wein zu verdünnen.
    „Entschuldige noch mal, Valerius, ich wollte Dich nicht unterbrechen...ich...ähm...ja...“
    Unsicher sah er Tacitus an, schon fast flehentlich; wie anders der optio doch jenseits des Rekrutierungsbüros war.


    „Die Grundausbildung...ja, ja, die war für mich auch sehr anstrengend. Eine Höllenqual, wenn ich das so ausdrücken darf. Aber es ist gut, daß Dich Dein Vater vorbereitet hat, meiner konnte das nicht, er hätte auch kein Interesse daran gehabt. Weiß Du, meine Brüder haben auch damals gelacht, als ich verkündete zu legio zu gehen.“
    Weil er so ein dürres Hanswürstchen gewesen war und heute immer noch war. Der Nervosität wegen rutschten wohl Appius solche Dinge heraus, die er sonst nie und nimmer jemanden erzählt hatte, aber hier in seinem Refugium war der Eispanzer, den er sonst um sich herum trug, eben nicht da und er hatte hier noch nie Besuch gehabt.
    „Warum sollte der Iulier denn nicht zufrieden sein? Jeder probatus fängt mal von klein an! Und worauf wir trinken sollen...?“
    Ratlos betrachtete Appius Tacitus, sah dann zu dem Kaiserbildnis.
    „Auf den verstorbenen Kaiser, damit er bald in den Reihen der Götter aufgenommen werden mag, zudem auf seinen Sohn, den neuen Kaiser, möge er lange herrschen. Und auf...ja, auf eine gelungene Grundausbildung für Dich, Valerius!“







    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    Es tat doch gut zu sitzen, schon nach einem kurzen Moment tat sein Bein viel weniger weh und das Kribbeln an seinen Zehen verschwand wieder, nur ein unangenehmes Jucken, was er öfters mal verspürte, tauchte unter dem Verband auf, eine Stelle, wo er natürlich nicht allzu gut heran kam, Marcus verzog einen Moment das Gesicht und tastete vorsichtig über den Verband hinweg, aber der Schmerz, der darauf hin kam, war schlimmer als das Jucken, darum lehnte sich Marcus wieder zurück und suchte danach, sich mit dem Gespräch von der kleinen Unannehmlichkeit abzulenken. Ein Stubentiger? Marcus mußte bei der Wortwahl grinsen, ein Soldat in der Verwaltung, da erschien ihm der Ausdruck durchaus paßend zu sein, obwohl...wenn Marcus darüber nachdachte, hieß es noch lange nicht, daß Florus ein richtiger Soldat war, womöglich ein Mann, der als Ritter sich zu dem Posten hoch gedient hatte und noch nie im Felde gestanden hatte, aber Marcus wußte es einfach nicht.


    „Das erscheint mir bedauerlich zu sein, hm? Schließlich hat es doch auch etwas für sich, wenn man ab und an auch raus kommt und sich nicht nur mit Schriftkram und Verwaltungsorganisation abplagen muß, oder?“
    Zumindest würde es Marcus so gehen, einen Posten in einer Schreibbude, das wäre nichts für ihn und auch nichts für die Mitarbeiter und die Nachwelt, die seine Sauklaue hätte entziffern müßen.
    „Aber immerhin, Rom ist eine prachtvolle Stadt, ich denke, manch ein Kommandant beneidet Dich sicherlich um die Gelegenheiten, die Du hier, mit und am Rande Deiner Arbeit hast.“
    Zumindest ging es Marcus so, selbst wenn er nur Kommandant im Kleinen war, nämlich von 160 Mann – die im Moment nicht 160 Mann waren, des Krieges wegen!

    Erstaunt betrachtete Marcus nun doch die junge Sklavin, aber hoppla, anscheinend hatte sie doch noch Appetit und traute sich endlich, bei den Speisen auch zu zu greifen, ja, Oliven waren schon etwas feines, Marcus liebte sie auch sehr, aber er war nur bei wenigem Essen ein Kostverächter und ließ sich das Meiste munden, selbst die exotischen Speisen im fernen Orient hatten ihm geschmeckt, sogar das Schlangenfleisch, was ihm ein guter Freund in Ägypten einst kredenzt hatte, ebenso Straußenfleisch, was genauso köstlich war und im Gegensatz zu anderem Geflügel doch deutlich sich im Geschmack unterschied, was vielleicht daran lag, daß diese Viecher viel größer als Enten und Schwäne waren und wohl nicht fliegen konnten, wie ihm sein amicus berichtet hatte, aber dafür umso schnell laufen. Aber das Bridhe nun nicht mehr das verschüchterte Sklavenmädchen spielte, das gefiel Marcus schon deutlich besser, na, vielleicht war die Hoffnung nicht ganz verloren und das Kind in den Brunnen gefallen. Andeutungsweise nickte Marcus auf ihre Worte zu den Oliven hin, ja, das sie gut waren, das wußte Marcus, aber er hatte auch heute darauf bestanden, nur das Beste vom Besten zu erhalten, auch die Oliven mußten würzig, reif und gehaltvoll sein, nicht diese kleinen mageren Dinger, die nach nichts außer so einer säuerlichen Note schmeckten, und schwarz mußten sie sein, Grüne waren bei weitem nicht so gut wie die Dunklen. Immer noch gemütlich an die Kline gelegt betrachtete er Bridhe mit einer hoch gewölbten Augenbraue und lächelte breit, ein wenig spöttisch, aber dann auch einfach gut gelaunt, schließlich hatte der Tag nicht allzu schlecht angefangen.


    „Nein, nein, Du mißverstehst, puella! Die Geschichte hat einen ganz anderen Sinn! Der Löwe läßt die Maus von sich aus laufen, sie entkommt ihm nicht, aber der Löwe erkennt, daß es sich nicht immer lohnt eine kleine Maus aufzufreßen, wenn sie ihm eventuell noch mal dienlich sein kann. Außerdem würde dem Löwen die Maus wohl sowieso nicht munden und er hätte sie schon ein hora danach wieder vergeßen, weil ihn der Hunger erneut plagen würde. Selbst wenn ein Löwe gefährlich sein kann, er weiß durchaus zu bedenken, wann sich eine Beute lohnt und wann nicht!“


    Ja, Löwen waren Marcus auch ungemein sympathisch, denn er hatte in Africa sie beobachten können, ehe sie gejagt wurden, und wie sie sich in der Sonne wohlig räkelten, das fand Marcus auch ansprechend für sich, einem solchen Leben war er nicht abgeneigt, selbst wenn er dann am Ende doch froh war, ein Mensch zu sein. Doch keiner erwartete von dem Löwen, daß er sich Pflichten und Ämtern stellte, wie die Familie es bei Marcus tat. Eine Hand von Marcus ruhte auf dem Polster, seine Finger strichen über den Stoff hinweg und spielten an einer der Kordeln, die als Verzierung diente, dabei sah er die junge Sklavin durchdringend an, war ihre Antwort wegen dem Schwanenfleisch als Unverschämtheit zu werten? Sollte er sie womöglich deswegen bestrafen laßen? Doch ein Blick auf ihren Bauch genügte Marcus, nein, eine Schwangere – egal ob serva oder nicht – stand unter besonderem Schutze und sollte bis zur Geburt nicht angerührt werden, was konnte das Kind schon dafür, daß die junge Frau sich nicht gerade geschickt gegenüber Marcus ausdrückte? So preßte Marcus einen Herzschlag lang nur die Lippen aufeinander und zuckte dann gleichgültig mit der Schulter – für sowas war ihr Herr zuständig, oder Herrin, denn Marcus wußte ja immer noch nicht, wer das war.


    „So, so, ein Sakrileg ist es also bei euch? Na, dann... wer bin ich, daß ich euren Gesetzen widersprechen will.“
    Marcus war es eh gleich, ob sie weiter von dem Fleisch aß. Er deutete mit einer Hand auf den Tisch.
    „Es ist ja noch mehr da, dort, Täubchen...oder sind die bei euch auch tabu? Oder Ente, es gibt nichts besseres als Entenfleisch!“


    Seine Augen leuchteten schon alleine bei den Worten und prompt bekam Marcus Appetit darauf, so zog er die Platte mit dem Entenfleisch näher und nahm einen Bißen davon. Marcus kaute und schluckte herunter, ehe er weiter sprach, das hatte ihm seine Mutter als Junge eingebläut und manche Dinge waren dann doch wieder hängen geblieben, eben nicht mit vollem Mund zu sprechen. Nachdenklich betrachtete Marcus die Sklavin; eine Insel westlich von Britannia? Himmel, hörte da nicht schon längst die Welt auf, fiel dort der Ozean nicht in eine unendliche Tiefe hinab – mit dem Konzept einer Kugel konnte sich Marcus nicht wirklich anfreunden, denn schließlich war die Erde seiner Meinung nach platt, abgesehen von den Bergen -!? Marcus runzelte die Stirn und dachte darüber nach, wie hießen die Länder dort noch mal? In seiner Jugend hatte er sie doch lernen müßen, aber sofort wieder vergeßen, es hatte ihn nicht interessiert und die Hausaufgaben bei dem paedagogus hatte er nicht gemacht damals, die Arbeit war an Hannibal hängen geblieben.


    „Ist das die Insel, die bei uns Metanis oder Albingis, nein, Abaladon heißt?“
    Natürlich warf Marcus die Namen völlig durcheinander, hatte vergeßen, daß es Metuonis und Abalon hieß.
    „Oder gar dieses ominöse Thule? Und gibt es bei euch wie in Britannia diese Zauberer, wie heißen sie noch mal...Drudus? Drutzden? Ist die Frau in der Geschichte auch so ein Drudus? Aber nur zu, erzähl, puella!“

    Es ächzte und knackste in den Ästen über seinem Kopf als eine stärkere Windböe durch den Garten blies und die Gräser noch heftiger erzittern ließ, aber auch ein paar kleine, weiße Wolken am Himmel stärker vor sich her trieb, doch schon gleich darauf beruhigte sich der Garten wieder, als nur die Sonne ihn zärtlich bestrich; jedoch in Marcus' Gedanken war es nicht ruhig, er, der sowieso noch kränklich aussah wegen der Verletzung an seinem Bein, merkte, wie langsam alter Zorn in ihm aufstieg und sein Gesicht vor Wut blaßer werden ließ, selbst wenn ihm bewußt war, daß er sehr wahrscheinlich nur einer von vielen Soldaten der Parther vor sich hatte, der im Grunde auch nur Befehle entgegen genommen hatte, aber ging das Marcus auch nicht ähnlich? Und hatte er nicht mit großer Überzeugung für das Imperium gestritten und gekämpft? Marcus' Nasenflügel blähten sich auf, als er einen Augenblick lang über diese Frage nachdachte, sie jedoch beiseite schob und sich nicht zu viele Gedanken machte über Ähnlichkeiten. In dem Augenblick beschloß Marcus jedoch, daß der Parther es gewiß nicht bei ihm zu lachen hatte, nein, er sollte erfahren, was es hieß, der Feind des Imperiums zu sein – und das waren die Parther immer noch! Grimmigen Blickes verschränkte Marcus die Arme vor der Brust und stierte den Parther an, den er vor sich stehen ließ und natürlich nicht gedachte, ihn aufzufordern Platz zu nehmen. Ein wenig skeptisch ob der Geschichte von Cassim war Marcus schon, vielleicht, weil er gerne Niedertracht und Ehrlosigkeit in dem Mann erkennen wollte – der all das verkörpern sollte, was Marcus verabscheute und in den Feind, den sie so erbittert bekämpft hatte, projiziert wurde. Hatten die Parther auch nicht lieber die hinterhältige Taktik gewählt, in dem sie Überfälle und Hinterhalte legten, aber sich selten in eine offene und ehrenvolle Feldschlacht begeben hatten?


    „So, bei der Reiterei?“
    Seine Wangenknochen mahlten aufeinander, ehe er weiter nachfragte.
    „Bei den Kata...Kata...den schweren Panzerreitern oder der leichten Reiterei?“


    Ein paar Mal hatte Marcus in Parthia den Namen der Kataphraktoi vernommen, aber ihn immer wieder vergeßen, aber deutliche Rückschlüße würde ihm auch die Antwort von Cassim geben, denn er meinte mal gehört zu haben, daß bei den Kataphraktoi viele Adlige tätig waren. Natürlich wäre es Marcus lieber, wenn er einen einfachen Soldaten vor sich hätte. So fügte Marcus gleich darauf an, ehe ihn irgendeine Ehrvorstellung bei einer ungenehmen Antwort zu einer anderen Handlung zwang.


    „Damit wir uns richtig verstehen, Cassim. Du bist ein Sklave der gens Flavia, mein Sklave! Du bist weder ein Kriegsgefangener, noch werde ich Dir die Rechte eines Solchen einräumen, es wird keinen Austausch geben und auch keine Auslöse. Du bist und wirst es auch bleiben, ein einfacher servus, der von nun an jedem Flavier zu dienen hat, insbesondere natürlich mir. Du solltest nicht auf den Gedanken kommen zu fliehen!“


    Welcher gefangener Sklave hegte nicht diesen Wunsch? Wohl nur die, die nichts mehr in ihrer Heimat hatte, wohin sie fliehen konnte; das war bei dem Parther gewiß noch nicht so, obwohl, wer wußte das schon? Es kam wohl darauf an, warum der Parther in den Krieg ziehen mußte oder ob er wollte.


    „Wenn Du fliehst, wirst Du sowieso wieder eingefangen werden, mach' Dir mal keine Illusionen darüber, wir haben sogar eine eigene Einheit in Rom, die hinter geflohenen Sklaven her jagt. Solltest Du fliehen, dann werde ich Dir das Fleisch vom Rücken peitschen laßen und das wird erst der Anfang Deiner Strafe sein. Fliehst Du, dummerweise, ein zweites Mal, dann werde ich Dich den Löwen zum Fraße vorwerfen oder kreuzigen, je nachdem, ob einer meiner Verwandten gerade Spiele in Roma abhält.“


    Ein ausgesprochen untypischer Ausdruck huschte über Marcus' Gesicht, man könnte es fast als süffisant bezeichnen.
    „Aber ungnädig bin ich nicht, Cassim. Wenn Du mir demütig und unterwürfig dienst, dann werde ich vielleicht es sogar erwähnen, Dich eines Tages in die Freiheit zu entlaßen, vielleicht!“
    So manch einem flavischen Kaiser, wie überhaupt Kaisern, sagte man doch Großzügigkeit nach, was die Freilaßung ihrer Sklaven anging, doch Marcus war von je her schon damit sehr knausrig gewesen, es sei denn, ein Sklave wurde ihm lästig und er wollte ihn nicht gleich über den Jordan schicken.
    „Ach, Unverschämtheiten dulde ich auch nicht, sie werden auch Strafen nach sich ziehen, Milde kannst Du bei mir diesbezüglich nicht erwarten. Haben wir uns verstanden?“

    Es war ein herrlich sonniger Tag und die Sonne rief direkt danach, etwas zu unternehmen, selbst wenn Marcus nicht viel mit Theaterstücken anfangen konnte, meistens schlief er sogar – peinlicherweise! - dabei ein, wobei nicht das Einschlafen das Prekäre war, sondern das Schnarchen, das sich unweigerlich einstellte und alle und jeden auf sein Wegdriften in Morpheus' Reich aufmerksam machte, aber seinem Vetter wegen, der schließlich diese Spiele ausrichtete, hatte sich Marcus an dem heutigen Tage aufgemacht zu dem theatrum Marcelli; seine Sänfte, die er immer noch unweigerlich nehmen mußte, hatte sich durch die Massen an Zuschauern, die auf das Theater zuströmten, durchgedrängt und wurde in der Nähe des Haupteinganges auf das Kopfsteinpflaster herunter gelaßen. Mühevoll schwang Marcus die Beine aus dem Gefährt, schon eilte ein junger Sklave heran, der ihm schon beim anlegen der ungemein unpraktischen toga geholfen hatte, die er auch – der familiären Pflicht wegen – heute angezogen hatte, auch wenn dieses Kleidungsstück einfach nur unbequem war. Der griechische Sklave – Timanthes war sein Name – reichte ihm sofort die Krücken, damit Marcus sich auf diesen abstützen konnte; insgeheim hatte Marcus ja das Gefühl, der Sklave hatte sich ihm sogar recht dreist aufgedrängt in seinem Diensteifer, um auch das Theater besuchen zu dürfen, aber da mit Hannibal heute nicht viel anzufangen war, hatte er jemand anders mitnehmen müßen, der ihm bei der Krücke half oder sonst noch etwas anfiel. Mit der Hilfe von Timanthes stand Marcus aus der Sänfte auf und begann zum Eingang zu humpeln, wobei ihm zwei custodes den Weg bahnten, bis das Durchkommen leichter wurde und Marcus ungehindert in das Theater humpeln konnte. Dort blieb er indes noch mal stehen und drehte sich zu den Händlern um, wobei er zu Timanthes meinte:


    „Hole mir noch von den Händlern etwas! Wein, Früchte und etwas Pikantes! Und schon ordentlich, es muß ja für die Hälfte der Vorstellung mindestens reichen!“


    Marcus ignorierte den Gesichtsausdruck des Griechen, der Marcus einen Augenblick lang entsetzt anschaute, aber dann davon eilte. Marcus humpelte derweil weiter und spähte in das Theater und auf die vollen Ränge, dabei nach bekannten Gesichtern Ausschau haltend, ah, da war doch sein Verwandter. Ein freudiges Lächeln – was immer kam, wenn er schon nach einer Stunde Trennung seine Verwandten wieder sah – huschte über sein Gesicht und schon humpelte Marcus weiter, auf die erste Reihe zu, auch direkt an Durus vorbei, wo Marcus einen Herzschlag stehen blieb und ihm freundlich zunickte.


    „Salve, Tiberius!“
    , grüßte er ihn zudem, ehe er noch etwas weiter und behäbig sich bewegte und mit einem Ächzen neben Gracchus niederließ.
    „Puh, ah, Manius, grüß Dich! Und auch Dir, salve, Antonia! Wunderschön und leuchtend wie ein Stern erscheinst Du heute in dem theatrum, werte Schwagerin!“
    , grüßte Marcus das Ehepaar mit einem gut gelaunten Lächeln auf den Lippen, selbst wenn das Kompliment wegen Marcus' Kurzatmigkeit nicht mit dem üblichen Elan kam, auch wenn er jedes Wort ernst meinte. Marcus verschnaufte einen Moment, heftig atmend, selbst wenn er sich an die Krücken schon immer mehr gewöhnte, so war es immer noch sehr anstrengend, weswegen sein Gesicht auch in dem Moment noch rötlich verfärbt war, was die weiße toga noch zu verstärken wußte.
    „Was wird es denn heute? Eine Tragödie?“


    Ein Seitenblick zu seinem Vetter geworfen, meinte Marcus schon zu wißen, was es war, denn Gracchus hatte einfach einen Hang zu ernster Materie, er glaubte kaum, daß sein Vetter sich für eine Komödie begeistern konnte. Schon flitzte der Grieche zurück, die Arme voll gepackt mit Futteralien. Marcus' Augen blitzten vergnügt, denn jetzt war die Vorstellung gerettet, selbst wenn es eine staubtrockene und furchtbar öde Vorstellung werden würde, wie er die meisten Stücke doch befand, so konnte er sich immer noch an dem Essen verlustieren; womit er gleich zu dem ersten Angebot griff, dem Wein und salzigen Oliven, die ihm der Sklave reichte.

    Die Friedlichkeit des Gartens, die frühlingshafte Idylle vermochte nun nicht mehr den düsteren Schatten aus Marcus zu vertreiben, der sofort bei der Erwähnung jenes Flußes in ihm geweckt wurde; denn jener Tag am Chaboras war ein schlechter Tag für die Legion gewesen, schlecht war noch untertrieben, eine Katastrophe ohne Gleichen, denn sie wurden nicht nur wie Anfänger in den Hinterhalt gelockt, fast eine ganze Legion wurde dort ausgelöscht, nein, auch noch der Kaiser wurde so schwer verletzt, daß er nur kurze Zeit später an jener Pfeilwunde verstarb, viel zu früh und mitten in einem Krieg, wo sie ihren Feldherrn und Imperator gebraucht hätten. Der düstere Glanz spiegelte sich in dem Augenblick auch in Marcus' Augen wieder, als er an jenen Tag zurück dachte, aus dem er erschöpft, niedergeschlagen und voller Ruß hervor gegangen war, ein Tag, der ihn noch viele Nächte lang in Alpträumen geplagt hatte und es immer noch tat; wer konnte es einfach so weg stecken, wenn vor den eigenen Augen hunderte von Kameraden abgeschlachtet wurden und man konnte ihnen nicht zur Hilfe eilen? Marcus holte tief Luft und taxierte den Parther, nicht unbedingt freundlich oder gutmütig – wie er es meistens war – und er schwieg einen Augenblick. Einen Herzschlag lang schoß es durch die Gedanken von Marcus: Wollte nicht sein Vetter auch Gladiatorenspiele abhalten; wäre dann nicht der Parther ideal für die Arena? Marcus Augenbrauen zogen sich zusammen, als er daran dachte, womöglich, aber das würde er jetzt gewiß noch nicht entscheiden.


    „Am Chaboras also...hmh!“
    , murmelte Marcus tonlos und ließ den Parther nicht aus den Augen.
    „Wo hast Du dort gedient? Bei der Reiterei oder bei den Söldnern?“
    Bei den folgenden Worten wurde Marcus stimme etwas kälter.
    „Oder gar bei den Bogenschützen?“
    Marcus wußte nicht, ob der Parther ahnte, woran der Kaiser letztendlich gestorben war, es war sogar sehr unwahrscheinlich, wenn er in der Schlacht schon verletzt wurde und wohl nichts von danach mitbekommen hatte.
    „Und was soll das heißen, Du wurdest ein paar Tage später aufgegriffen? Bist Du von Deiner Truppe geflohen?“

    „Du gestattest?“


    Marcus deutete auf eine Bank aus Stein, die direkt in ihrer Nähe war, aber lange auf den Krücken zu stehen, das wurde Marcus doch wiederum zu ungemütlich, Legionsleben hin oder her, und zu den wirklich durch trainierten Soldaten gehörte Marcus auch nicht mehr, nicht, seitdem er centurio war und ein komfortableres Leben genoß, selbst wenn er immer noch trainierter war als manch ein alter Senator, der gewiß keine sechzig Herzschläge in einem richtigen Gefecht und Scharmützel durchhalten würde, das konnte Marcus bei weitem länger und mußte er auch, um eben den Soldaten seiner Einheit ein Vorbild zu sein. Aus dem Grund hatte sich Marcus auch die eine oder andere Narbe in seiner Laufbahn eingehandelt, aber besser, als als Feigling verschrien zu sein. Mit drei Schritten war Marcus jedenfalls an die Bank gehumpelt und nahm mit einem leisen Ächzen darauf Platz, sein Bein legte er vorsichtig ab, selbst wenn ein kurzer Schmerz durch seine Wade zuckte, so war das doch allemal besser als es die ganze Zeit hoch zu halten. Einen Moment dachte Marcus über die Worte von Florus nach, natürlich war es nicht das erste Mal, daß er die Aussage hörte: Aus der Geschichte lernt man für die Zukunft. Nein, schon sein paedagogus – nur welcher von den vielen alten Griechen? - hatte das schon mal zu ihm gesagt; als Marcus darauf hinwies, daß Geschichte langweilig sei und man sowieso nichts mehr daran ändern konnte, warum sich dann mit den alten Kamellen langweilen. Ja, um die Lernmoral war es in Marcus' Kindheit und Jugend nicht zum Besten gestellt gewesen. Langsam jedoch begriff Marcus, wie viel ihm dadurch entgangen war; aber das Lesen, wie auch das Schreiben, fiel Marcus einfach ungemein schwer, er mit seiner Leseschwäche, die er sich nie eingestehen wollte.


    „Da magst Du durchaus Recht haben!“
    , gab Marcus zu, selbst wenn ihm heute noch nicht klar war, was an den Fragen ihn bei zukünftigen Entscheidungen helfen würde. Aber die Examina waren eindeutig für Männer gemacht, die eines Tages selber führen wollten und auch höhere Ränge bekleiden sollten, da war eine gründliche Ausbildung bestimmt ganz gut. Und womöglich erkannte Marcus die Weisheit hinter jenen Worten dann und in der fernen Zukunft, wie oft, wenn ihm kluge Dinge gesagt wurden.
    „Aber es ist natürlich interessant, wenn ich darüber nachdenke, daß in einer Generation womöglich die Männer daraus lernen, was wir in der Fremde getan haben.“
    Marcus lächelte, selbst wenn keiner von jenen Männern an einen Flavius Aristides dabei denken würden, wenn sie von dem Krieg sprechen würden, so fühlte sich Marcus dennoch ein Teil von dem Großen und Ganzen.


    Das Gespräch auf die Flotte zu lenken, das behagte Marcus durchaus, denn - wie schon erwähnt! - hegte Marcus eine innige Liebe zum Meer und allem, was dazu gehörte. Er stellte es herrlich vor, Kommandant eines Schiffes zu sein, ein Teil von ihm sehnte sich danach. Ein Dienst auf dem wogenden, blauen Meer um Italia oder gar unbekannte Gefilden.
    „Die Flotte in Misenum, ich muß sagen, ich habe sie immer in guter Erinnerung. Ich bin in Baiae aufgewachsen und fand es immer wundervoll einen Ausflug nach Misenum zu machen und dort all die Schiffe in der Umgrenzung der Hafenmole zu betrachten, einfach wundervoll. Aber auch, wenn die Schiffe an unserem Küstenabschnitt vorbei gesegelt sind, war das immer ein erhebender Anblick.“
    Er lächelte breit und versonnen.
    „Ich bin jedoch erst mit der Überfahrt nach Syria dazu gekommen auf einem solchen Kriegsschiff mitzufahren. Wie ist das, praefectus, begleitest Du öfters die Flotte auf dem Meer?“

    Verdutzt blinzelte Marcus seiner Verlobten hin und her und hob die Hand, um sich an die Spitze seiner Nase zu greifen, dort, wo sie ihn gerade geküßt hatte, er warf Hannibal einen viel sagenden Blick zu, der sagte: Wehe Du lachst! Aber dann konnte Marcus es nicht an sich halten und lächelte selber ganz selig, solch eine Liebenswürdigkeit nach all den Monaten und der langen Zeit an Entbehrung, die alle Soldaten in der Legion aufgebracht hatten, tat sehr gut, schon am gestrigen Abend, die Begrüßung durch seinen Vetter und ganz besonders auch seinen Sohn – wegen dem Streit war Marcus doch besorgt gewesen, ob sein Sohn es ihm noch nach trug, dabei war Marcus selber ein Mensch, der mit Familienharmonie glücklicher lebte und Zank und Streit gar nicht mochte – nun, es hatte ihn sehr gefreut gehabt, daß das bei seinem Sohn wohl vergeßen zu sein schien. Und nun die liebevolle Begrüßung durch seine Verlobte, die auch kein bißchen mit ihm zu hadern schien, weil er so lange im Krieg gewesen war. Ja, Epicharis hatte etwas von einem leicht dahin schwebenden und ätherischen Wesen, einem Schmetterling oder noch viel mehr einem filigranen, zierlichen und fröhlich zwitschernden Vogel, der sich an schönen Tagen trillernd in den blauen Himmel schwang und den Menschen es leicht ums Herz werden ließ. Marcus lächelte versonnen, als er über das Bild nachdachte.


    Geduldig wartete Marcus im atrium, schloß sogar für einen Moment die Augen, um etwas Kraft für den Ausflugstag zu schöpfen, denn im Grunde fühlte sich Marcus immer noch erschlagen, selbst wenn es schon einige Tage her war, daß sie in Ravenna gelandet waren und sein Fieber schon auf dem Schiff besser geworden war, aber die Reisen, selbst auf einem Wagen, waren nun mal nicht die optimalste Art, sich zu erholen. Doch dem schönen Tage willen, würde sich Marcus zusammen reißen, außerdem war so ein Ausflug tausend Mal besser als zu Hause herum zu sitzen. Zudem war Marcus nun schon so lange nicht mehr in Rom gewesen, er freute sich darauf, etwas mehr von der großen Stadt zu sehen als nur das, was er am Vorabend im letzten Lichte des Tage erheischen konnte. Und ehe Marcus weg dämmern konnte – er hatte nun mal die soldatische Fähigkeit überall und zu jeder Stunde zu schlafen, selbst im Sitzen oder anderen, noch viel unmöglicheren Positionen und bei größtem Lärm! - hörte er schon wieder leichte Schritte, die zurück kehrten, Epicharis! Marcus öffnete die Augen und lächelte.


    „Alle Drei werden uns sicherlich noch überholen, so lange, wie ich zur Zeit immer brauche!“


    Marcus ergriff die Hand von Epicharis, stützte sich jedoch an der Krücke ab, damit die junge Frau nicht sein ganzes Gewicht in die Höhe stemmen mußt, denn das traute er ihr nicht wirklich zu, wobei man nie wußte, wie viel Kraft in einer scheinbar fragilen Frau steckten, es überraschte Marcus dann doch immer, besonders, wenn er eine Ohrfeige erhielt, die höllisch brennen konnte. Er nahm auch die andere Krücke und stützte sich wieder mit seinem ganzen Gewicht darauf, während sein verletztes Bein etwas in der Höhe schwebte, dabei jedoch nicht angezogen war, denn Marcus konnte sein Knie nicht beugen, bei jedem Versuch – was er schnell aufgegeben hat! - resultierten daraus nur höllische Schmerzen, die ihn beim ersten Mal sogar in tiefe Schwärze geschickt hatte. Jetzt tat das Bein jedoch nur minimal weh, das Zeug vom medicus – leider nicht so ein verdammt gutes Kraut wie vom medicus in Parthia! - wirkte immer noch an. Immer einige Schritte tuend, dann wieder kurz pausierend, humpelte Marcus dorthin, wo er auch hinein gekommen war.


    --> Sonnige Tage oder ein flavisch-claudischer Ausflug in die Stadt

    Wenn die Götter ein Wenig an Einsehen zeigten, dann wohl an dem heutigen Tage, denn die Sonne blitzte vom blauen Himmel hinab, es lag deutlich der Frühling in der Luft und versprach somit die idealen Bedingungen für einen schönen Ausflugstag zu bieten. Langsam humpelte Marcus aus der villa Claudia hinaus, blinzelte einige Male, als die goldene und helle Sonne seine Augen trafen und ihm einen Moment lang die Sicht raubte. Der Wind strich über seine Stirn, als er auf die Sänfte zu humpelte, die noch vor der porta wartete, es war eben selbige Sänfte, die vor schier ewiger Zeit die junge Epicharis abgeholt hatte und zu einem Ausflug in einen fremden Garten entführt hatte, was Marcus jedoch nicht bewußt war, um die Einzelheiten jenes Tages hatte er sich gar nicht gekümmert gehabt, seine ganze Aufmerksamkeit hatte er damals auf die Präsenz von Epicharis gelegt, zu jenem Zeitpunkt mehr noch aus Zwang heraus, denn eigentlich war es ihm zuwider gewesen, eine erneute Verbindung einzugehen, aber seine Mutter nahm die augustinische Gesetzgebung nun mal sehr ernst – für ihren Sohn zumindest! An jenem Tag hätte Marcus wohl nicht gedacht, wie sehr sich seine Empfindungen diesbezüglich noch ändern konnten und er für Epicharis mittlerweile eine ehrliche und zärtliche Zuneigung entwickelt hatte, selbst wenn sie sich im Grunde beide immer noch nicht kannten.


    Als sich Marcus humpelnd der Sänfte näherte, sprangen einige Männer auf, die auf einer Mauer sitzend in der warmen Sonne gewartet hatten, zum Einen die Sänftenträger, es waren acht in der Zahl - aber die flavische Sänfte war schon ohne das Gewicht von Marcus schwer! - dann auch noch drei Leibwächter, die Serenus aus Baiae mitgebracht hatte, drei custodes. Noch bevor Marcus an der Sänfte heran gekommen war, hatten sich die Sänftensklaven aufgestellt und auch die custodes harrten der Dinge, die kommen mochten. Einer der Sänftensklaven trat an die Seite und schob vorsorglich den Sichtschutz des Gefährtes zu Seite, damit die beiden Patrizier ungehindert einsteigen konnten. Bei der Sänfte angekommen, reichte Marcus erst eine Krücke an selbigen Sklaven weiter, dann auch die Andere und ließ sich mit einem leisen Ächzen auf das Polster der Sänfte herunter sinken. In das Gefährt hinein zu steigen, war immer etwas schwierig, so, daß das Bein nicht höllisch weh tat, aber es auch nicht allzu lächerlich aussah, ein Hineinrobben war dann doch etwas würdelos – selbst für Marcus, und gerade vor den Augen seiner Verlobten wollte er das wiederum nicht. So an der Kante der Sänfte lehnend und über das Problem sinnend, verschnaufte Marcus einen Moment und sah zu Epicharis.


    „Minna und Fiona? Sind das Sklavinnen von Dir?“
    , fragte Marcus vorsichtig nach. Man wußte ja nie, aber er glaubte nicht, daß Epicharis Freundinnen zu dem Ausflug einladen würde, oder etwa doch? So wie Marcus junge Frauen einschätzte – und das tat er wahrlich sehr schlecht!- saßen diese bestimmt oft in Klüngelgrüppchen zusammen und unterhielten sich den lieben langen Tag über Kleider, Schmuck und Männer, zumindest schien das Marcus – ahnungslos wie er nun mal war! - so. Womöglich hatte Epicharis mit ein paar Freundinnen schon über ihn gesprochen und ihnen gleich den Heimkehrer vorstellen wollen. Wer wußte das schon!?


    „Zu den Gärten des Maecenas auf dem Esquilin vielleicht?“
    , schlug Marcus vor, um auch das an die Sklaven weiter zu geben, die ihnen den Weg durch die Stadt bahnen müßten. Wenn sie auf den Esquilin wollten, wie Epicharis noch in der villa angeregt hatte, dann würden sie ein Stück am Rande der subura vorbei müßen und über den collis viminalis zu den Gärten auf der anderen Hangseite, dort, wo ehemals sogar ein Armenfriedhof war und jetzt prachtvolle Gärten lagen. Die in einiger Zeit wahrscheinlich schon wieder zugebaut wurden, so schnell wie die Stadt wuchs und immer weiter gedieh.

    Ja, damit hatte Macro durchaus Recht, Rom war ja nur einen Katzensprung von Mantua entfernt, insbesondere wenn man das mit dem Kastell von der Secunda verglich, selbst wenn Mantua von den Alpen nicht allzu weit entfernt war. Ach ja, ein Pöstchen in Rom wäre schon nicht schlecht, gleich am pulsierenden Herzen des Imperiums, die Familie um sich herum, jede Menge Gelegenheiten sich zu vergnügen, die prachtvollsten Thermen des ganzen Imperiums; nur dummerweise war – sowie Marcus informiert war – leider die CU nicht für ihn geeignet, nein, dann wäre ihm immer noch verwehrt zu heiraten und er würde sicherlich nicht Epicharis noch ein paar Jahre vertrösten können, zudem erwartete seine Familie auch anderes von ihm, nur, das, was sie erwarteten, diese Aussicht gefiel Marcus ganz und gar nicht – nämlich die Politik, wofür er einfach nicht geschaffen war. Nachdem Marcus einen tiefen Schluck zu sich genommen hatte, nickte er auf die Erwiderung von Macro und gab seinerseits zum Besten:


    „Das wollen wir hoffen, Macro. Im Übrigen scheint die CU auch eine gute Soldatenschmiede zu sein. Schließlich hat unser derzeitiger praefectus dort seine Laufbahn begonnen!“
    Vor allzu langer Zeit, schien es Marcus, da er das jetzt erzählte, was er auch einst in Germania aufgeschnappt hatte, als Avitus noch optio war und er gerade mal probatus, lang schien es her zu sein und war es auch womöglich. Auf die Erkenntnis mußte Marcus erst noch mal einen Schluck nehmen. An Sparsus gewandt, fügte er noch an.
    „Die Secunda hat es aber auch drauf, gute Männer, wie man immer wieder hört.“


    Die Legion konnte ja nichts dafür, daß sie in der falschen Provinz postiert war, dem kalten Germania. Brr, schon wenn Marcus daran dachte, fröstelte es ihm. Aber lange darüber nachdenken wollte er nicht, er hatte Germania schließlich hinter sich gebracht und konnte wenigstens behaupten, daß er für das Imperium den Dienst in dieser Provinz auf sich genommen hatte. Nun war damit auch ein Teil altrömischer Pflicht getan und die Ahnen – die noch etwas auf die Soldatenlaufbahn gaben – konnten sich auch zufrieden geben. Gemütlich dort lehnend, genoß Marcus noch einen Moment den guten Wein, aß noch ein Stück von dem Kuchen, ließ sich noch mal nach schenken und erst nach dem vierten – oder fünften? - Becher Wein beschloß er mal langsam, sich doch aus der Runde zu entfernen, denn sein Bein hatte wieder angefangen, höllisch zu schmerzen, er fühlte sich noch etwas schlapp und müde, was auch die Verletzungen machte, zudem war die Sonne schon lange hinter dem Horizont verschwunden.


    „Nun, Männer, ich verabschiede mich mal für heute.“
    Zu Macro gewandt, meinte Marcus:
    „Dann viel Erfolg bei der CU, Macro, man sieht sich bestimmt in Rom.“
    Marcus erhob sich und stützte sich auf der Krücke ab, um vorsichtig ein wenig näher an Sparsus heran zu humpeln, dem er freundschaftlich eine Hand auf die Schulter legte.
    „Und Dir, Sparsus, wünsche ich ein prachtvolles Weib in Germania, die vitis sehr bald und ein beschauliches Soldatenleben. Und wehe, man hört nicht von Dir, Iulius, hm?“
    Marcus lächelte schief, Abschiede waren noch nie seine Stärke gewesen, er hielt es lieber kurz.
    „Alles Gute, Iulius!“
    Und an die anderen Feiernden gewandt, fügte Marcus noch an:
    „Dann viel Spaß euch noch und gute Nacht!“
    Marcus stützte sich auf die Krücke und machte sich dann auf, humpelnd und nicht sonderlich zügig verschwand er in Richtung der Unterkunft.

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius



    Zwei verwirrte und unsichere Männer befanden sich nun im Raum, denn auch Appius fühlte sich beklommen; man könnte ihn eben durchaus als menschnscheu betrachten; er hatte ja auch wenig mit Menschen zu tun außerhalb seiner Arbeitszeit und dort nur in seiner Position im Rekrutierungsbüro. Und jetzt, in seinen eigenen vier Wänden, wirkte Appius gar nicht mehr so griesgrämig oder frostig, sondern mehr zurückhaltend und etwas genierlich. Er atmete jedoch erleichtert auf, als Tacitus ihm sagte, daß die Stühle wohl doch in Ordnung gingen und er sogar auf dem Stuhl Platz nahm, wobei sich Appius nicht sicher war, ob das auch wirklich so war, das mit den Stühlen, die ganzen zwischenmenschlichen Regeln erschienen ihm einfach zu verworren. Sein Gesicht offenbarte einen Herzschlag lang ein komische Grimasse, was man, wenn man es in dem Moment vielleicht auch sah, als ein Lächeln interpretieren konnte, es war auf jeden Fall eine sehr ungewohnte Regung im Gesicht jenes Mannes. Einen Augenblick lang blieb Appius noch blinzelnd stehen, ehe er steifbeinig sich auf den anderen Stuhl setzte und stocksteif dort saß, wie er das auch in seinem officium zu tun pflegte. Schweigend umgriff Appius den Weinbecher, schob mit der anderen Hand nervös die Schale mit den Dinkelkeksen hin und her, ehe ihm einfiel, daß er die Plätzchen auch Tacitus vielleicht an bieten sollte.


    „Bitte, bediene Dich ruhig!“


    Er schob die Schale zu Tacitus hinüber und zog die Hand sofort zurück. Tacitus, nun beide Hände, um den Becher verkrampt, starrte er auf die Kekse, dann sah er über den Tisch hinweg und kurz aus dem Fenster hinaus, um mit den eisblauen Augen, in denen sich deutlich die Unsicherheit widerspiegelte, dann zu Tacitus zurück zu kehren. Unschlüssig, was er tun oder sagen sollte, so saß Appius verkrampft nun da, als ob er einen Stock verschluckt hätte. Nach einigen Herzschlägen flüchtete er sich in dem, womit er noch am Besten zurecht kam – die Arbeit.


    „Es ist sicherlich ungewohnt mit der Grundausbildung, ja?“
    Appius vergaß gänzlich, daß sie ja zum Wein trinken hier waren, denn er hielt den Becher immer noch starr in seinen sich kalt anfühlenden Fingern.
    „Und wie ist Dein Ausbilder? Ist es der primipilus oder dann doch der Iulier?“





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