Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Nahe des Fischteisches und auf einer kleinen Anhöhe hatte sich Marcus die gepolsterte Bank tragen laßen, damit er ein wenig Zeit an der frischen Luft und der Sonne verbringen konnte. Einige Schäfchenwolken zogen über den blauen Himmel, in den Ästen des Gartens zwitscherten die Vögel, ein paar Bienen summten an Marcus vorbei, auf der Suche nach Blütennektar, die in dem Herzen eines jeden Blütenkelches verborgen wurde, ob blau, weiß oder rot. Erst vor wenigen Minuten hatte sich Marcus auf der Bank nieder gelaßen, die Krücken hatte er gegen die Platane gelehnt, die mit ihrem mächtigen Stamm sich gen Himmel erhob, direkt an seinem Rücken. Immerhin, er mußte heute keine toga oder Rüstung tragen, er hatte noch seine rostrote tunica an und dazu einen hellen Überwurf. Das Wasser reflektierte das Sonnenlicht und Marcus konnte unter der Oberfläche die Silhouetten der Zierfische sehen, die den Teich bewohnten; einige der Gräser, die dort angepflanzt waren, wogten im lauen Wind, der immer mal wieder über den Garten hinweg strich. Angenehm ruhig und friedlich wirkte es im Garten, in dem Augenblick, sicherlich, schon in wenigen Minuten würde es Marcus mit Sicherheit langweilig werden, aber so genoß er den Frieden noch, so lange er währte und er ihm gut tat. Marcus lehnte sich gegen den Baum und spürte die schorfige und immer abblätternde Rinde des Baumes, der dadurch wie ein Mosaik aus Braun- und Grüntönen wirkte, selbst wenn die Blätter – wie zu dieser Zeit – noch nicht ganz ausgeschlagen waren, sondern erst noch ihre Knopsen öffneten. Die Sonne schien ihm warm ins Gesicht und er schloß genießerisch die Augen und verharrte einige Momente so.


    Doch schon hörte er eine Stimme, die bis zu ihm zu vernehmen war, zudem Schritte die sich näherten, Marcus öffnete seine Augen und spähte in die Richtung, aus der er das Herannahen von anderen zweibeinigen Lebewesen wähnte; er richte sich aus der entspannten Haltung aus und stützte sich mit zwei Händen auf den Polstern der Bank ab. Neugierig, aber auch mit ein wenig Groll in sich – den er schon längere Zeit verspürte – betrachtete er die Neuerwerbung von dem heutigen Tage: zivilisiert und einigermaßen menschlich sah der Sklave, der Parther aus; Marcus Gesicht, was eben noch gelöst gewirkt hatte, fast schon heiter, nahm einen düsteren Ausdruck an und seine Schultern spannten sich wie von selber an, als er den Feind, den er so lange bekämpft hatte, nun in den Garten kommen sah. Marcus' Augenbraue zuckte einen Moment, eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen, die sich jedoch glättet, als er das Wort an Cassim richtete.


    „So, Cassim ist also Dein Name!“
    Was ihm sein Sklave berichtet hatte! Marcus hatte etwas länger darüber nachgedacht, ob er dem Sklaven nicht einen neuen Namen geben sollte, vielleicht später noch, aber im Moment war Marcus schon froh, sich einen Namen zu merken. Warum es noch komplizierter machen? Marcus musterte ihn taxierend.
    „Wo wurdest Du gefangen genommen - vor Edessa oder am Chaboras?“

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius



    Wie erleichtert war doch Appius, daß Tacitus wohl seinen nervösen Versprecher nicht bemerkt hatte, das Zittern seiner Hände wurde dadurch etwas weniger, aber sie fühlten sich immer noch ganz klamm an. Appius blieb stehen, nachdem er die beiden Becher gefüllt hatte. Fehlte noch etwas, war noch was zu tun, wurde gar noch etwas von ihm erwartet, um als guter Gastgeber aufzutreten? Ah ja, da fiel es Appius ein, etwas, was er durch das ganze Aufräumen in den letzten beiden Stunden völlig vergessen hatte. Schnell ging er zu der Truhe, wo eine Schüssel darauf stand, diese ergriff er und trug sie zum Tisch zurück, um sie dort abzustellen; gefüllt war die Schüssel mit verschiedenen Dinkelplätzchen. Linkisch faltete Appius die Hände vor seiner Tunika und wartete, daß sich Tacitus auf einen der beiden Stühle hinsetzte, je nachdem, welchen er doch präferierte. Dabei meinte er:
    „Nett? Wirklich...?“


    Vielleicht sah man den Unglauben in Appius' Gesicht, nicht, daß er glaubte, Tacitus würde flunkern, aber Appius hatte bis jetzt noch keinen netten Soldaten in der Legion getroffen; bis auf jetzt Tacitus. Unschlüßig sah Appius den jungen Mann an, warum setzte er sich denn nicht? Appius sah nervös auf die Stühle, dann wieder zu Tacitus. Dieser schien jedoch auf etwas zu warten, aber was? In Appius stiegen wahre Panikanfälle hoch und er ahnte, er machte schon von Anfang an alles und gründlich falsch. Appius hüstelte verlegen und besorgt.


    „Sind die Stühle Dir...ähm...nicht genehm?“
    , fragte er vorsichtig nach.
    „Ich kann auch noch andere holen!“
    Oh, hoffentlich hatte er jetzt nicht einen schrecklichen Faux Pas begangen und Tacitus brach in schallendes Gelächter aus, es rieselte heiß und kalt über Appius Rücken.






    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    Anscheinend machte sich die junge Sklavin nicht sonderlich viel aus den Speisen, selber Schuld, befand Marcus und zog einer der Essensplatten näher an sich heran; die Leber hatte es Marcus angetan, sie war saftig, würzig und hatte dieses feine Aroma, was nur durch die Mästung mit Honig hervor gerufen wurde, eine Köstlichkeit eben, die man nicht überall im Imperium bekam und die auch nicht jeder Koch zubereiten konnte, der von den Flaviern konnte es, womöglich hatte er auch das Rezept aus Baiae erhalten, auf jeden Fall schmeckte es recht ähnlich wie in der villa seiner Mutter. Während Marcus eines von den geschnittenen Stücken nahm, es sich in den Mund schob und genießerisch kaute, dabei ebenso darauf wartete, daß die junge Sklavin etwas von sich geben würde, was ihn womöglich doch noch unterhielt, ließ Marcus seine Gedanken schweifen und dachte mit Wehmut an seine Mutter – die schönste Frau der Welt, selbst wenn Epicharis ziemlich nahe an ihr rangierte, so würde sie doch niemals seiner Mutter den Rang streitig machen können! Doch aus den Gedanken wurde Marcus schnell wieder heraus gerißen – selbst wenn er beschloßen hatte, daß er unbedingt und bald eine Reise nach Baiae machen mußte! - aber der Lärm, der erneut in den Innenhofgarten polterte, der war zu laut, um noch in Grübeleien zu versinken. Legatus Aristides? Glaubt er das also immer noch, sein Junge? Marcus Gesicht offenbarte sofort wieder ein gut gelauntes Lächeln.


    „Meine Hilfe, mein Sohn? So...das hast Du also gehört? Natürlich helfe ich Dir, Lucius...!“


    Marcus' Schultern zuckten bereits, als er das sprach und sein Junge davon sauste auf seinem Streitwagen, und das Lachen, daß sich in ihm bereit gemacht hatte, bahnte seinen Weg hoch. Dunkel war Marcus' Lachen, zudem ausgelaßen und gelöst. Seine Augen verzogen sich zu schmalen Schlitzen, während sein kollerndes Lachen durch den Garten schallte und ihm die Lachtränen in die fröhlich funkelnden Augen trieb. Er mußte noch ein paar Mal japsen, ehe er wieder Luft holen konnte und stolz und zufrieden über seinen Sohn lächelte. Was für ein Prachtbursche er doch war! Noch eine Weile konnte er sich über die Worte des Jungen amüsieren, denn selbst wenn dieser es haargenau getroffen hatte, was den Geschmack der Männer anging – gut, auf jeden Fall den von Marcus! - so brachte er das mit einer ausgesprochenen Naivität hervor, was dem ganzen wieder eine kindische Note verlieh. Scheinbar war der jungen Frau tatsächlich etwas eingefallen, darum wandte Marcus seinen Kopf ihr zu und fing an ihr zu lauschen, dabei die Köstlichkeiten des Tisches zu sich nehmend. Er lauschte von dem Schicksal des Königs und nickte langsam, ja, seine Kinder zu verlieren war schlimm, als Marcus darüber nachdachte, wurde sein Gesicht von einem düsteren Schatten umwölkt, seine Hand schloß sich fester um den silbernen Pokal, immer noch und beharrlich verdrängte Marcus die Geschichte um Arrecina und wähnte sie in Baiae. Ab und an, bei solchen Gelegenheiten, brach das jedoch wieder hervor, das Wissen, was er dennoch in sich trug, selbst wenn er dieses nicht an sich heran laßen wollte.


    Mit einem Zug lehrte Marcus den Becher mit Wein und ließ sich schnell nach schenken. Mit den Namen, wo die Schwäne dann überall lebten, konnte Marcus nichts anfangen. Doch als er weiter aß und sich einen Brocken von Schwanfleisch in den Mund steckte, gerade als Bridhe erzählte, daß es in diesem seltsamen Land namens Éirinn – wo auch immer das lag! - immer noch verboten war, solch ein Fleisch zu essen, da stockte Marcus und sah, langsam kauend und das Fleisch genießend, die junge Frau mit einem durchdringenden Blick an. Ob sie damit ihm etwas sagen wollte? Oder war es nur Zufall? Versteckte Botschaften hatten Marcus noch nie gelegen, er verstand sie meistens nicht und sie gingen oft an ihm vorbei. Zögernd nahm er noch etwas von dem weißen Fleisch in gelber Soße und aß davon, unbeeindruckt, ob er jetzt irgend ein Kind von dem Volk der Sklavin aß. Marcus grübelte einen Moment und zeigte sonst keine Reaktion auf die Geschichte. Erst nach einer Weile, wo er langsam weiter gegeßen hatte, sah er zu Bridhe.


    „Eine lebenslustige, kleine Maus tollte übermütig um einen Löwen herum, der in der warmen Mittagssonne vor sich hin döste.“
    , begann Marcus, leckte sich dabei noch einen Finger ab und lehnte sich auf die Kissen zurück.
    „Die waghalsige Mäusin stieg dem König der Tiere sogar auf die riesigen Pranken und beäugte sie neugierig. Da wurde der Löwe wach, packte die kleine Maus und wollte sie fressen. Das Mäuschen zappelte vor Angst und stotterte:“
    Marcus ließ seine Stimme etwas heller werden, als er die Maus imitierte.
    „"Lieber Herr König, ich wollte dich nicht aufwecken, wirklich nicht. Bitte, bitte, lass mich leben. Was hast du von so einem geringen, mageren Bissen, den deine großen Zähne nicht einmal spüren? Sonst sind Hirsch und Stier Opfer deiner ruhmreichen Jagd. Was kann dir denn ein so winziges Wesen, wie ich es bin, schon für Ehre einbringen? Ich gebe dir mein Mausewort, wenn du mich freilässt, dann werde ich dir bestimmt auch einmal aus der Not helfen."“
    Marcus verstummte einen Augenblick.
    „Der Löwe musste über diese kühnen Worte schmunzeln, und versonnen betrachtete er den kleinen Wicht in seinen großen Tatzen. Der Gedanke, daß er jetzt Herr über Leben und Tod war, erschien ihm göttlich.“
    Ob Bridhe die Andeutungen verstand? Marcus fand jedoch seinen Einfall noch ganz formidabel. Bei den folgenden Worten, als er den Löwen imitierte, wurde seine Stimme ganz tief.
    „"Lauf, kleiner Wildfang, ich schenke dir dein Leben", sagte er feierlich und öffnete langsam seine Pranken. Als die Maus behende davon flitzte, rief er ihr neckend nach: "Vergiß dein Versprechen nicht!"“
    Marcus ergriff den Becher mit Wein, um seine Kehle etwas anzufeuchten, ehe er die griechische Fabel - fast ein Jahrhundert alt - weiter erzählte.
    „Einige Monate später geriet der Löwe auf seiner Jagd in eine Falle. Ein festes Stricknetz hielt den gewaltigen König der Tiere gefangen. Der Löwe tobte und zerrte an den Maschen, aber es half nichts, das Netz war zu eng geknüpft. Der Löwe konnte sich kaum darin bewegen. Eine Maus huschte vorbei, stutzte und piepste:“
    Was Marcus auch versuchte nachzuäffen und dabei großen Spaß fand.
    „"Bist du nicht der große Freund von meiner Schwester, den du Wildfang genannt hast?" Im Nu hatte er seine Schwester herbeigeholt, und beide Mäuschen zernagten emsig und mit großer Ausdauer die festen Maschen, Stück für Stück, bis sie ein großes Loch ins Netz gebissen hatten, durch das der dankbare Löwe entkommen konnte.“


    Zufrieden legte Marcus seinen rechten Arm auf die Lehne der Kline, trank noch etwas Wein und sah Bridhe erwartungsvoll an. Doch schon gleich griff er wieder nach dem Fleisch und aß weiter. Zwischen zwei Bißen, meinte er zu Bridhe.
    „Wo liegt Éireeen, oder wie das heißt?“
    Ein taxierender Blick huschte über Bridhe.
    „Und willst Du mir vielleicht etwas mit Deiner Geschichte sagen, puella?“

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius





    Tatsächlich war Appius nervös, es strömte nur so aus all seinen Poren, denn die Regeln der Konversation, die sozialen Etiketten und Gepflogenheiten waren für ihn ein Buch mit sieben Siegeln, das sich in seinem Leben ihm nie erschloßen hatte. Was womöglich ein Grund war, warum er schon in der Grundausbildung getrietzt wurde. Es gab einfach Menschen, die zogen den Spott von anderen Menschen einfach an, und so einer war Appius leider nun mal. Er rang ruhelos seine Hände und schloß eilends die Tür hinter Tacitus. Diensteifrig eilte Appius auf einen der Stühle zu und rückte ihn zurecht.
    „Nimm' doch bitte Platz, Valerius! Und...ähm...“
    Sollte er es wagen? Doch, Appius war heute ganz kühn. 8)
    „Nenne mich doch einfach Carteius, nicht optio, ja?“


    Die Frage nach seiner Befindlichkeit brachte Appius ein wenig durcheinander. Er blinzelte einen Moment und stand starr im Raum. Was sagte man zu so etwas? Daß ihn jemand nach seinem Wohlergehen gefragt hatte, das war schon lange her und mehr von seinem Bruder gekommen, der sich nicht wirklich für Appius interessierte. Das war jetzt drei Jahre her, als Appius – er war zu Urlaub genötigt worden, obwohl er diesen eigentlich nicht wollte – nun als Appius damals dann nach Rom gereist ist und Pflichtbewußt seine Geschwister besucht hat, den Kaiserpalast sich angeschaut hat und für die Kaiserahnen ein Opfer gebracht hatte. Den Rest der Zeit von seinem Urlaub hatte Appius nichts mit sich anfangen können. Nun, er dachte darüber nach, was er damals seinem Bruder geantwortet hatte. Ah ja! Es fiel Appius ein, darum erwiderte er:
    „Gut, danke! Möchtest Du etwas trinken?“


    Appius, dem das mehr aus seiner Ängstlichkeit heraus geplatzt war, hätte sich in dem Moment ohrfeigen können. Natürlich wollte Tacitus etwas trinken, dafür war er hier, um den Falerner angemeßen zu würdigen. Appius, etwas fahrig und jetzt völlig aus dem Konzept gebracht, eilte schnell an Tacitus vorbei, um den Falerner zu ergreifen und zum Tisch zurück zu kommen. Vorsichtig, aber mit leicht zittrigen Händen, goß er in die Becher von dem besonders feinen Wein ein. Erst als die Becher voll waren, kam Appius der Gedanke, ob er nicht sich in höfliche Fragen flüchtigen konnte. Darum blieb er, mit der Flasche in der Hand stehen, als ob sie ein Rettungsanker war.


    „Und Dir, Valerius? Hast Du Dich gut in der Legion eingelebt? Die Grundausbildung hat schon begonnen, ist das so?“





    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    Die Menschenmenge war seit Beginn der Rede von Aquilius noch bedeutend angewachsen, der Applaus war laut und ausgelaßen, wie Marcus feststellte, als er einen Blick in die Zuschauermenge wagte und sich die Menschen anschaute, die an dem heutigen Tage der Rede seines Vetters lauschten und mit Beifall zollten. Marcus freute das sehr für seinen Vetter, wenn dieser etwas in die Hand nahm, dann gelang es meistens auch, so hatte Marcus in der Vergangenheit fest gestellt, nur mußte Aquilius – wie er selber! - den inneren Schweinehund dafür besiegen und das war seinem Vetter wohl bravourös gelungen. Die Arme vor der Brust verschränkt und auf der Kante der Sänfte sitzend, damit er sich nicht auf den Krücken abstützen mußte, sah Marcus zu der Rednerbühne hinauf, ein feistes Grinsen um den Mund und fröhlich blitzenden Augen. Na, ob Aquilius sich dann doch nicht ganz so sicher war, ob er noch Lust und Laune verspürte, weiterhin Karriere auf den staubtrockenen Pfaden der Politik zu machen? Der erste Satz klang dann doch etwas zweifelnd, aber womöglich war das auch nur gespielte Bescheidenheit, Marcus hatte im Hinterkopf, daß manch ein Rethoriker das als ein gutes Stilmittel hielt.


    „Das klingt doch nach einem Wort, Flavius Aquilius. Dann werde ich Deinen weiteren Weg aufmerksam verfolgen.“


    Noch einmal applaudierte Marcus und erspähte augenblicklich auch seinen anderen Vetter in der Menge, Gracchus. Marcus nickte ihm freudig lächelnd zu, war natürlich nicht überrascht, ihn auch hier zu treffen, schließlich war diese Rede eine ganz wichtige Rede, nämlich die von Aquilius, welcher Flavier würde die schon verpaßen? Ein markantes Bellen und Wuffen weckte seine Aufmerksamkeit, suchend sah sich Marcus um, doch schon war der Botschafter und treuester Leibwächter seines Sohnes heran genaht und sprang vor ihm auf und ab, den Schwanz wedelnd, die Zunge hechelnd und mit dem üblich treuen Hundeblick. Mit einem Lächeln tätschelte Marcus dem Hund den breiten Kopf, der fast genauso ein Sturkopf wie sein eigener Sohn war, fast nur, denn dessen Dickschädel war bei weitem massiver und dicker als der des Hundes. Marcus sah von Hund zu dessen Herrchen, Serenus. Auch bei ihm streckte Marcus die Hand aus und wuschelte ihm durch die dunklen Haare.


    „Ah, Lucius, mein Junge, salve, schön, daß Du es hierher geschafft hast.“


    Da wohl die Rede bestimmt für den Jungen langweilig war, wunderte es Marcus kaum, daß jener gleich weiter wollte und etwas unternehmen. Aber da auch Marcus dem nicht abgeneigt war, sonst hätte er sich nur in der villa selber gelangweilt, nickte er bereits. Nur, das mit den Thermen würde wohl noch nichts werden, bei seinem Verband. Verblüfft blinzelte Marcus bei den Vorschlägen, grinste bei der anrüchigen Lokalität, die sein Sohn vorschlug. So, so, der Junge wurde immer frecher, aber daß Marcus ihn in so was mitnahm, das würde noch ein oder zwei Jahre dauern, wenn Marcus dann beschloß, daß Serenus in die Welt eines Mannes eingeführt werden mußte, nicht, daß er am Ende ähnliche verschrobene Vorlieben wie seine beiden Vettern entwickelte, nein, nein.


    „In die Russata? Ich und Mitglied dort? Öhm...warum...nicht?“
    , schloß Marcus etwas verwirrt und völlig überrumpelt an. Wenn es Serenus eine Freude machte, ja, warum dann auch nicht?
    „So, so, Lucius, was für eine anrüchige Lokalität stellst Du Dir denn vor, hm?“
    Ob Rennenarena, Märkte oder sonstige Vergnüglichkeiten, Marcus brach mit seinem Sohn und eventuell anderen Familienmitgliedern auf. Er ging ab! :)

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius


    Es war ein kleines, sehr bescheidenes Reich, was Appius seit mehr als ein Jahrzehnt sein Eigen nennen durfte, damals, mehr durch Glück, hatte er erwirken können, daß er aus der Mannschaftsunterkunft ausziehen durfte, wo er die ersten Jahre verbringen mußte, womöglich lag der Grund auch darin, daß es einige sehr unschöne Zwischenfälle damals gegeben hatte. Seitdem hatte er diesen kleinen Raum, der in der Nähe der prinicipia lag und nur von ihm bewohnt wurde. Früher war es wohl mal ein Lagerraum gewesen, doch Appius hatte ihn mühevoll und eigenhändig aufgeräumt. Dennoch war der drei mal drei Meter Raum für ihn groß genug. Ein Bett hatte er sich dort aufgestellt, nicht nur eine Soldatenpritsche, ein Tisch mit einem Schemel – für heute Abend hatte er sich extra einen Zweite organisiert –, die Büste des alten Kaisers – eine neue würde er in der nächsten Zeit noch in Auftrag geben -, und daneben ein Regal mit den Ausgaben der acta. Der Tisch stand sogar unter einem Fenster, daß zum intervallum hinaus ging und auf deren Fenstersims stets Drusilla zu liegen pflegte, wenn die Sonne am Zenit stand und dort ihr Fell wärmen konnte. Ihr Katzenkörbchen hatte sie gleich am Fußende des Bettes. An der anderen Wand stand noch eine Truhe mit den wenigen Habseligkeiten, die sich Appius in seinem Leben zusammen gesammelt hatte. Zwei auffällige Dinge gab es in dem Raum dann ebenso. Ein Regalbrett über der Kiste, auf denen zahlreiche kleine Tonfiguren standen, Katzenfiguren in allen Formen und Ausprägungen – grob geformt bis hin zu einer ägyptischen Tonkatze, ebenso liebevoll bemalt, selbst die Barthaare waren mit schwarzen oder goldenen Strichen angedeutet – dann war noch neben der Kaiserstatue ein kleiner Ahnenschrein. Ein kleiner Holzkasten, der hoch und schmal war, aber nur bis zum Kinn der Kaiserbüste reichte, die natürlich auf einem hölzernen Sockel stand. Einige bronzene Ahnenfiguren lagen in dem Schrein.


    Nervös war Appius, schon den ganzen Tag, seitdem er Tacitus zu sich am Abend eingeladen hatte. Seinen Dienst hatte er – sehr entgegen seiner sonstigen Angewohnheit – richtig gehend schlampig vollführt, mit der Liste war er nicht fertig geworden, weil er mal heute regulär zu seinem Dienstende Schluß gemacht und sich gleich in die Unterkunft aufgemacht hatte. Schon seit zwei Stunden hatte er seine Unterkunft immer und immer wieder aufgeräumt, die Katzen sortiert, seine eigene Katze ganz nervös gemacht, so daß sie sich in ihr Katzenkörbchen zurück gezogen hat. Auf dem Tisch standen nun zwei tönerne Becher – immerhin, zwei hatte Appius schon gehabt, im Gegensatz zu den Stühlen. Er hatte sogar nichts essen können, so fahrig war der optio, der noch nie in diesen Räumen Besuch bekommen hatte. Nun saß er auf dem Schemel und dachte nach, noch einmal den ganzen Raum aufzuräumen, doch schon klopfte es. Wie von der Tarantel gestochen, fuhr Appius auf und sah hilfesuchend zu seiner Katze, die wohl beleidigt spielen wollte, da sie an dem Abend nicht ihre Hühnchenleber bekommen hatte, Appius hatte es schlicht vergeßen, noch nie in den letzten Jahren. Appius schluckte und trat auf die Tür zu, seine Hand zitterte als er sie ausstreckte und schließlich die Türe öffnete. Tatsächlich, da stand doch wirklich der Valerier, Appius sah an ihm einen Herzschlag lang vorbei, ob nicht doch eine Meute von kichernden Soldaten weiter hinten stand, aber dem war tatsächlich nicht so.


    Salve, Valerius!“
    , grüßte Appius den jungen Mann.
    „Bitte, trete doch herein!“
    Appius stand noch im Türrahmen und erst im letzten Augenblick fiel ihm ein, daß Tacitus so unmöglich eintreten konnte. Er machte einen Schritt zur Seite und deutete einladend auf sein Zimmer und die beiden Stühle.





    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius



    Schweigen! Appius blinzelte und sah den jungen Valerier einen Augenblick einfach nur ungläubig an, welcher von den Soldaten hielt sich auch nur einen Moment länger mit Appius auf, selbst wenn es gar nicht notwendig war? Denn wenn einmal ein Mann in der Legion aufgenommen war, dann hatte Appius recht wenig mit ihnen zu tun und einen Einfluß auf Laufbahn oder Karrieren hatte Appius auch nicht, womit eine Intention des Einschmeichelns bei ihm völlig sinnlos war. All das wußte Appius und er ahnte, daß auch der Valerier das genaustens wußte, schließlich hatte die Grundausbildung angefangen und die anderen Männer von dessen contubernium waren bestimmt schwatzhaft genug. Appius hatte schon drei Mal in der Zeit, während er überlegte, seinen Schreibtisch aufgeräumt. Selbst ohne hin zu blicken, hatte er es geschafft, alle styli perfekt in Linie aufzureihen. Schließlich nickte Appius noch immer sprachlos, es dauerte ein wenig bis er seine Stimme wieder gewann, die etwas brüchig klang, weil Appius derart verunsichert und auch berührt war.


    „Dann...“
    , fing er an und räusperte sich kräftig.
    „...komme heute Abend in meine Unterkunft, nach Dienstschluß. Im Dienst wird schließlich nicht getrunken.“
    Ein mahnender Blick, womöglich wollte Appius auch damit klar machen, daß er kein Spaßgeselle war, aber insgeheim hoffte der optio, daß er den Valerier nicht abschreckte. Schließlich war es schon lange her, daß er am Abend mit jemanden einen Wein getrunken hatte. Und eigentlich konnte man die Begebenheit von damals auch nicht als ein gemeinsames Trinken bezeichnen, denn Appius hatte sich in eine taberna verirrt und saß einige Stunden schweigend neben einem Säufersoldaten, der sich ins Koma soff und unter den Tisch fiel. Appius' Hand zitterte leicht.
    „Du kannst wegtreten, probatus!“
    , sprach er gestreng und sah auf seinen Tisch. Doch schon einen Herzschlag später sah er auf.
    „Bis...heute Abend dann!?“
    Unsicherheit spiegelte sich in den sonst kalten blauen Augen wieder.



    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    Was sahen Marcus müde Augen dort? Spuckte die junge Frau etwa den köstlichen Wein wieder aus? Den guten Wein aus Italia, den köstlichen Tropfen, wo eine Amphore mehr Wert war als ein einfacher Plebejer in einem Monat verdienen würde? Entsetzt und empört starrte Marcus die junge Sklavin an, die er doch so großzügigerweise an seine Tafel geladen hatte, zu feinen Speisen und edlen Wein, doch schien sie es ihm zu danken? Nein, ganz gewiß nicht, wenn sie den Wein in die Schüssel spuckte, wo er bei der Verköstigung noch das Wasser hinein gespien hatte, damit nicht ein Weingeschmack von dem Anderen überlagert war und er jede Nuance bis ins Detail erkosten konnte von jedem einzelnen Rebsaft, den er bis jetzt zu sich genommen hatte. Verdattert wie Marcus war, als er diese Barbarei sah, die die Sklavin vor seinen Augen vollführte, vergaß er glatt das Essen. Marcus Lippen preßten sich fest aufeinander, er durchbohrte Bridhe förmlich mit seinem Blick, weswegen er sich auch nicht sonderlich um ihre Worte scherte, was ihre Schwangerschaft und den Zeitpunkt anging. Ein „Hm!“, grummelte er lediglich als Antwort, seine linke Augenbraue wanderte in die Höhe ehe er einen Schluck Wein zu sich nahm, auf den Schock, daß jemand den guten Wein einfach so ausspuckte. Also ne, das ging doch nicht, so etwas. Glück für Bridhe, daß augenblicklich Marcus davon abgelenkt wurde, denn schon stürmte sein Sohn in den Säulengang. Verdonnert sah Marcus auf den auf ihn zu jagenden Wagen. Einen Herzschlag lang überlegte Marcus, ob er sich noch rechtzeitig in Deckung werfen konnte, doch mit seinem verletzten Bein war das Schwierig, Marcus sah bereits sich unter den Wagen, zermalmt und mit zertrümmerten Knochen. Herrje, da überlebte man den Krieg in Parthia und wird letztendlich von der eigenen Lendenfrucht dar nieder gestreckt. Doch noch ehe sein gesamtes Leben mit allen Wendungen, Höhepunkten, Tiefen und Rückschlägen an Marcus vorbei ziehen konnte, hatte Serenus den Wagen jedoch unter Kontrolle. Mars sei Dank!


    Wie ein Haufen von Piraten fielen die beiden Kinder, Patrizier und Sklavin, über das Essen her, blinzelnd bemerkte Marcus wie spielend sein Sohn den kleinen Essenstrick hin bekam, verdammt! Marcus seufzte schwer.
    „Paß auf die Rosen Deines Onkels auf...“
    , war noch der lahme Kommentar, den er seinem Sohn hinter her werfen konnte, ehe er schon auf und davon war. Dennoch und trotz des womöglich nicht gerade koscheren Auftritts, zeigte Marcus' Gesicht ein Lächeln, ein stolzes, väterliches Lächeln, als er seinem Sohn hinter her sah. Was für ein Prachtjunge, fand Marcus immer wieder. Immerhin hatte er wenig schlechte Charaktereigenschaften von seiner Mutter geerbt, dieser kleinen Bestie, die nicht nur einmal ihm das Gesicht wie eine Furie zerkratzen wollte und es auch ein oder zwei Mal geschafft hatte. Wie anders war doch Epicharis dagegen, so liebevoll, sanft und humorvoll, ohne jeglichen Anflug von Jähzorn und Hysterie. Wobei Marcus sehr geschickt verdrängte, daß Serenus' Mutter auch vor ihrer Ehe ein durchaus einnehmende junge Frau war, immerhin hatte sie Marcus ebenso spielend damals um den Finger gewickelt. Zwei Wochen Verliebtheit wurden mit einigen Jahren Höllenehe quittiert. Marcus seufzte erneut und leerte den Becher mit Wein, den er auf den Tisch stellte und darauf wartete, daß der Sklave ihn wieder nach füllte. Erst jetzt fiel ihm auf, daß die Sklavin ja noch da war. Nachdenklich musterte er sie und überlegte einen Augenblick, ob er sie doch weg schicken sollte. Na, was soll's, mal hören, was sie noch zu erzählen hatte. Schließlich währte der erste Gang noch und Marcus mochte immer noch nicht alleine essen.
    „Nur zu!“
    , forderte er sie mit einem aufmunternden Nicken auf, ihre Geschichte zum Besten zu geben.

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius



    Da waren tatsächlich keine Soldaten, die darauf harrten, daß sich Appius zum Affen machte, zumindest sah der optio diese nicht, sein Blick wanderte vom offenen Fenster zurück zu dem jungen probatus. Die Verblüffung stand Appius ganz deutlich in das Gesicht geschrieben. Analysierend, prüfend, erforschend, so ließ Appius die Worte des Valeriers in seinem Geist herum spucken. Machte man Scherze mit seiner Familie? Appius täte das nicht! Aber Appius würde viele Dinge nicht tun, die die Soldaten als selbstverständlichen Spaß betrachteten. Nachdenklich starrte er den jungen Mann an und schwieg einen Augenblick lang, um sich im Klaren zu werden, was er von der Sache hielt. Schließlich beschloß Appius, immer noch ein wenig Mißtrauisch, aber das kam einfach mit den Jahrzehnten, wo andere Mitmenschen Appius immer nur als notwendiges Übel behandelt haben, damit die Verwaltung reibungslos lief, nun, Appius beschloß, daß wenn er schon nicht befördert wurde, es wohl die Fügung der Götter waren, daß sie einmal in seinem Leben einen Menschen in das officium schickten, der seine Arbeit wirklich schätzte – und das tat der Valerier offensichtlich.


    Einen Herzschlag lang glitt so etwas wie ein Lächeln über das Gesicht des optio. Es war ein sehr seltsames, etwas verzerrtes Lächeln, was schief und komisch aussah, ganz als ob Appius es nicht gewohnt war zu lächeln – was er auch nicht war! Eigentlich war es gegen Appius' Prinzipien, während seines Dienstes zu trinken, er rührte dann keinen Tropfen Wein an und auch sonst war er eher ein mäßiger Trinker, trank nur an dem Geburtstag des Kaisers – wann wohl Valerianus Geburtstag hatte? Das mußte Appius noch unbedingt raus finden! - an dem Tag, wo er die Katze im Sack am Fluß gefunden hatte und an dem Todestag seines Vaters – der das gewiß nicht zu würdigen wußte, selbst als Geist nicht. Appius sah auf den feinen Tropfen und war sich unschlüßig. Prinzipien durfte man doch nicht einfach über Bord werden, oder doch mal eine Ausnahme machen? Appius sah auf und schob nun doch die Schriftrolle zur Seite, wobei seine Finger nervös und fahrig anfingen, Ordnung auf dem Tisch zu schaffen, die Ordnung, die er in seinem Geist nicht mehr hatte.


    „Dann...“
    Solche Situationen ungewohnt suchte Appius nach den paßenden Worten. Es schien unendlich lange zu dauern, bis ihm das Paßende einfiel.
    „...danke ich Dir, Valerius!“
    Appius merkte sich immer und stets die Namen. Er hätte durch das Lager gehen können und wohl viele von den Männer persönlich ansprechen können. Wenn diese ihn nicht pikiert dann gemustert hätten oder ihn schlicht ignorieren würden. Appius hob die Hand und fuhr sich unsicher, das erste Mal seit Jahren, über die Stirn. Soziale Gepflogenheiten waren ihm einfach nicht vertraut.
    „Möchtest Du ihn...vielleicht...mit...*räusper* mir trinken?“
    Appius' Stimme wurde immer leiser. Auch zog er seine Schultern etwas an seinen Kopf heran, als ob diese Geste ihn vor einer Abfuhr schützen würde.






    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    [Blockierte Grafik: http://img512.imageshack.us/img512/1332/appiusvj0.jpg| Appius Carteius Cirenthius


    Faktisch hatte Appius mit einem Soldaten der Verwaltung gerechnet, der wieder etwas hatte, was Appius bearbeiten mußte oder sich danach erkundigte, wie lange noch die Listen brauchen würden, die Appius zurzeit abschrieb, damit die Legion wieder auf dem neuesten Stand war. Oder ein neuer Rekrut hatte sich zur Legion verirrt und wollte jetzt das Procedere hinter sich bringen, mit der er in der Legion aufgenommen wurde. Doch daß ein bereits aufgenommener Soldat, der erst probatus und noch nicht mal in der Verwaltung tätig war, sich noch bei Appius blicken ließ, das erstaunte Appius maßlos. Er sah den jungen Mann verwundert an, was das Frettchengesicht etwas weniger frostig und abweisend erscheinen ließ als es sonst war, mit all den Mießepeterfalten in seinem Gesicht. Appius wollte schon den Mund aufmachen, um eine Rüge auszusprechen und den jungen Mann zum officium des Präfekten weiter zu schicken, sollte er es sich überlegt haben und die Legion wieder verlaßen wollte, doch es kam ganz anders. Jedes Wort, was Appius schon in Gedanken vor formuliert hatte, war dahin. Danken? Ihm? Ihm! Appius Mund öffnete sich und er starrte den jungen Valerier erstaunt an. Nur seine lange Zeit an Disziplin, mit der er sich Gefühlsentgleisungen verbot, vermochte ein verblüfftes Stammeln zu unterdrücken. Der optio sah von Tacitus zu dem köstlich, edlen Wein und zurück. Seine Gedanken arbeiten wie gleißende Blitze, die durch seinen Geist huschten. Womöglich machte sich der junge Mann über ihn lustig? Vielleicht hatten ihm seine Mitkameraden das gesteckt und es war ein Scherz oder eine Mutprobe mit dem Titel Veräppel den ollen Appius!


    „Mir danken? Aber das ist doch meine Arbeit!“
    , meinte Appius und reckte sich, sah durch das offene Fenster, um zu sehen, ob dort andere Soldaten warteten und sich schon ins Fäustchen lachten.




    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    Hatte er ihn jetzt erworben oder nicht? Marcus kaufte nicht so oft auf Sklavenmärkten ein und wußte erst recht nicht die Gepflogenheiten, die in Rom so üblich waren, außerdem war er in dem Augenblick noch gänzlich abgelenkt mit seinem doch so mangelnden Gedächtnis, der ihm einen Streich spielen konnte, schließlich war sich Marcus nicht ganz sicher, doch dann schoß es ihm durch den Kopf, natürlich, das war doch einer der wenigen Senatoren gewesen, der ebenfalls auf seiner Verlobung vor dem Krieg geladen war, und dann fiel Marcus noch mehr ein, wofür er sich glatt einen Narren gescholten hätte. Schließlich war das doch der ehemalige Statthalter von Germania, der der Neunten damals – als Marcus noch unter Livianus dort gedient hatte – ihnen auch einen Besuch abgestattet hatte und einige hehre und eloquente Worte an sie gerichtet hatte, langsam fiel es wie Schuppen von Marcus Augen, er winkte den Sklaven, die Sänfte herunter zu laßen und nahm sich seine Krücken. Mühsam schwang er sich aus der Sänfte hinaus, stützte sich auf sein gesundes Bein und den beiden Krücken ab und ließ sich von einem Sklaven die wenigen Schritte zu dem Mann bahnen.


    „Senator Decimus!“
    , grüßte Marcus den Mann.
    Salve!“
    , grüßte ihn Marcus höflich, von den Decimern hielt Marcus ausgesprochen viel, irgendwie schien die Familie eine Menge interessante und aufrechte Männer hervor zu bringen, sogar der junge Faustus schien viel von der Familie geerbt zu haben. Irgendwie war es mehr eine spontane Eingebung gewesen, den Mann anzusprechen, aber dennoch eine gute Gelegenheit.
    „Wahrscheinlich ist es zu lange her, Flavius Aristides ist mein Name.“
    Womöglich entsann sich der Decimer doch noch, aber Marcus hielt sich ungerne mit einem langen und subtilen Tanz um das Wesentliche auf.
    „Ich glaube, ich habe Dir den Sklaven weg geschnappt, hm?“
    Marcus sah zu dem Sklaven.
    „Naja, einen Parther zu bändigen ist nicht unbedingt einfach, als Leibwächter taugt er nicht sonderlich viel. Die Parther haben was von den Germanen oder umgekehrt.“

    Marcus hatte eigentlich weder Kriegsbeute im fernen Parthia gemacht, noch war er ein Krösus oder Crassus, dennoch konnte man nicht davon sprechen, daß Marcus nicht wohlhabend genug war, sich einfach zu reinen Vergnügen so einen kleinen Luxus von ein paar tausend Sesterzen an diesem Tag zu leiste, natürlich hatte er es eigentlich in Geschmeide und schönen Ölen - als Geschenke - investieren wollen, aber wenn er so kurz darüber nachdachte, hatte er ja tatsächlich allen eigentlich noch etwas aus Parthia mitgebracht, warum nicht selber ein wenig das Geld aus dem Fenster rauswerfen, wie ihm gerade der Sinn danach stand? Mit Geld konnte Marcus schon von je her nicht umgehen. Mit Jagdfieber in den Augen ließ er darum von der Beute nicht so einfach los, selbst wenn auch noch andere darum stritten und sie von allen Seiten mit geboten an dem Opfer zogen. Hätte Marcus womöglich geahnt, daß es dem anderen Mitbieter darum ging, Decimus Livianus zu retten, seinen ehemaligen Legaten, dem sich Marcus immer noch sehr verpflichtet fühlte, hätte womöglich Marcus die Beute jenem Anderen überlaßen.


    „2800!“


    Marcus spähte zu jenem Mitbieter doch hinüber, er kam ihm deutlich bekannt vor, von einem Fest gewiß, wo war das nur gewesen...wo nur?

    Eigentlich war es eine Spielerei, warum er überhaupt für den Sklaven bot, er hatte noch nicht mal sich genau den Mann angeschaut, eigentlich wußte es Marcus besser, wie nützlich solche Sklaven waren, schließlich hatte er mit einem ähnlichen Gesellen genug Ärger schon gehabt, dabei war jener noch nicht mal sein Sklave, nur stand Marcus dummerweise auf der Liste jenes Mannes, um in das Zielfeld von dessen Rache und Haß zu kommen, gut, Marcus hatte ihn auch in die Sklaverei geführt. Marcus sah auf die Tribüne und spürte deutlich die Aufregung, wenn es darum ging, etwas zu ersteigern, womöglich war das auch der Grund, warum Marcus es nicht sein laßen konnte und dennoch höher gehen wollte, wer da mit ihm mit bot, konnte Marcus von der Sänfte aus schwer erkennen. Marcus ließ nur das nächste Gebot ertönen.


    „1300!“

    Es waren schöne Tage in Rom, wo Marcus dank seiner Verletzung sich ganz der Genesung widmen konnte, aber da sowohl seine Verwandschaft arbeiten mußte und es hin und wieder vor kam, daß Marcus den ganzen Tag niemanden von ihnen sah, zudem er nicht frei und munter herum springen konnte, befiel ihn ein Gefühl, was er in all den letzten Jahren nicht mehr verspürt hatte – Langeweile. So war es auch an diesem Tage und womöglich bewog es ihn deswegen mit der Sänfte durch die Straßen zu ziehen, sogar sich auf die Märkte zu begeben – mit dem Hintergedanken für ein kleines Geschenk an seine Verlobte womöglich – und sich dann letztendlich sogar bis zu den Sklavenmärkten verirrend. Einen delicium zu seiner Erbauung zu kaufen, danach stand Marcus eigentlich der Sinn, oder eine Nubierin, die ihm die langweiligen Abendstunden versüßen konnte. So ließ er die Sänfte an den Ständen vorbei rauschen, betrachtete jene und dieses Angebot, um letztendlich auch bei diesem Sklavenhändler zu landen. Marcus sah durch die weit offenen Vorhänge auf das Angebot und runzelte die Stirn als er den Mann sah, so, so, ein parthischer Kriegsgefangener?! Marcus' Augen verengten sich, er sah den Gefangenen grübelnd an, dann zuckte es um seinen Mundwinkel als Antwort auf einen jähen Schmerz der durch sein Bein schoß, womöglich keimte das flavisch sadistische Erbe an jenem Tag – wo er sich langweilte – in Marcus auf. So war seine Stimme laut und vernehmlich zu hören.


    „1000!“
    , bot er somit.

    Schwer hatte es die Sänfte, die aus dunklem Holz gefertigt war und mit einem deutlichen flavischen Wappen geziert wurde, sich durch die Menge zu bahnen, den Gros an Zuschauern und Lauschern, an bezahlten oder echten Händeklatschern, die einer wohl besonders wichtigen Rede lauschen wollten, etwas verwundert sah Marcus aus den Vorhängen auf all die Menschen, die sich um die Rednerbühne auf dem forum romanum tummelten und darauf harrten, daß jener Mann, auf den sie wohl zu warten schienen, seinen Auftritt hatte. Die Leibwächter – custodes aus Baiae, kräftige Sklaven, die noch seine Mutter ausgesucht hatte – bahnten der Sänfte rabiat den Weg, sparten nicht an Ellbogenstößen, aber auch nicht an dem einen oder anderen - sachten! - Faustschlag, wenn einer der Zuschauer – womöglich auch Klienten – sich über das Vorschieben der Sänfte empörte, schließlich behinderte diese die Sicht. Einige Meter von der Bühne entfernt, drehte das gesamte Gefährt, um die Seite jener zur Bühne zu zeigen, was natürlich noch ein paar mehr der rechtschaffenen oder dann doch weniger ehrlichen Römer verärgerte; Marcus indes kümmerte sich nicht darum, denn er wollte nur schnell noch sich die Rede hier anhören – wie Gracchus vorgeschlagen hatte – ehe die Drei dann auf die Märkte eilen konnten, um dort einen guten Happen zu sich zu nehmen. Aber wenigstens etwas sehen wollte Marcus schon, wenn er sich all das langweilige Politikgerede anhören mußte, wofür er ja nun einfach mal keinen Sinn, noch großes Interesse hatte. Nun jedenfalls, von seinem Vetter Gracchus hier her gezogen – im übertragenen Sinne – schob Marcus die Vorhänge zur Seite, nahm eine der Krücken und schwang vorsichtig sein verletztes Bein nach draußen, um das Andere folgen zu laßen und sich dann mit dem gesunden Bein auf den großen Pflastersteinen des forum zu stellen. Gerade auch zum rechten Zeitpunkt, denn unter so manchem lauten Rufen und Klatschen schien der Germanicus auf die Redebühne zu treten, Marcus sah auf und den Mann an, den er noch nie in seinem Leben gesehen hatte und keine Ahnung hatte, wo er ihn hin ein sortieren sollte. Kategorie: Langweiliger Senator? Knochentrockener Politiker oder Verdammter der Familientradition, die ihn zu etwas zwang, wozu er reichlich wenig Lust verspürte und es mehr der Pflicht wegen tat?


    Das Desinteresse und die Gleichgültigkeit, die Marcus für jenen Mann auf der Bühne empfand, schwand jäh, nun, wenn wir ehrlich sind, nicht sofort und es war auch kein Aha-Erlebnis als Marcus die ersten Worte jenes Germanicus vernahm, aber einige Herzschläge, nachdem er den Namen Germanicus Avarus vernahm, da klingelte und läutete es in Marcus' Geist – entgegen seiner sonstigen Angewohnheit, Namen sofort zu vergeßen, sagte ihm jener nämlich durchaus etwas! Aber nur, weil der Mann dort auf der Bühne das Glück – oder das Pech? - hatte, mit einer umwerfend schönen und großartigen Frau verheiratet zu sein – Marcus glaubte sie jedoch immer noch nur verlobt! - Decima Lucilla. Marcus' Mund klappte förmlich auf als ihm diese Erkenntnis traf wie ein Keulenhieb oder wie Jupiters Blitz, der wohl an dem Tag ein Einsehen mit Marcus' langsamen Geist hatte. Potzblitz!, dachte sich Marcus und starrte baff auf den Senator auf der Bühne. Das ist er also! Sein Mund schloß sich wieder -ehe noch Fliegen sich dort hinein verirrten! - und seine Augen verengten sich. Ganz im Mustern jenes Mannes vertieft, rauschten die Worte, die der Germanicus aussprach, immer wenn sich dessen Mund öffnete, völlig an Marcus vorbei, nur Wortfetzen drangen mal an sein Ohr und bis an die Oberflächen seines Geistes, dort, wo es nun rauschte und die Wellen etwas höher peitschten in dem Ozean seines Gemütes.


    Viele Bürger legen es zu meinem Unverständnis darauf an in Konflikt [..] zu gehen. Oh ja! Dem würde Marcus gewiß nicht ausweichen. Völlig ahnungslos, worauf sich Avarus in Wirklichkeit bezog, münzte Marcus es völlig für sich um; jegliche Fröhlichkeit, die er noch bei dem Zusammentreffen mit den beiden Vettern verspürte, war hin fort geblasen und wurde ersetzt von der – etwas seltsamen! - Eifersucht, die abrupt Marcus' - sonst mehr gut gelaunte - Seele in ihrem eisernen Griff hatte. ...in Sicherheit wiegen., rauschte an Marcus vorbei, gerade als Marcus sich zu seinem Vetter Gracchus vorbeugte und ihm leise etwas zuflüsterte, wobei durchaus in Marcus' Stimme der jähe Stimmungswechsel mit schwang.


    „Kennst Du den Knilch etwa, Manius?“
    , fragte Marcus leise, ungeachtet der Tatsache, daß es so aussah, daß Avarus womöglich noch etwas größer als Marcus war, nein, das würde er heute ganz gewiß nicht gelten laßen. Die Arme vor der Brust verschränkt stierte Marcus den Mann auf der Bühne grimmig an, fast als ob der Mann ihm etwas Böses getan hatte, dabei hatte er nur das Pech mit der falschen Frau verheiratet zu sein, oder sagen wir eher, die richtige Frau war mit dem falschen Mann verheiratet. Marcus' Wangenknochen mahlten aufeinander und er suchte danach, den Germanicus mit seinen Augen zu durchbohren, als ob pila aus ihnen schoßen.


    „Pah! Angeber!“
    , raunte Marcus zu Aquilius als die Liste nicht aufzuhören schien, was er alles in seiner Amtszeit vollbracht hatte, womöglich sprach der Germanicus durchaus wahr, aber Marcus hätte heute niemals der Stimme der Vernunft Glauben geschenkt, nein, nicht wenn es um bestimmte Angelegenheiten ging. Der letzte Satz gefiel Marcus jedoch außerordentlich gut. Sie, die wochenlang auf ihren Mann verzichten mußte? Aber holla! Das sprang ihm regelrecht ins Bewußtsein. Eine junge, schöne Frau, verheiratet, aber niemals den Mann zuhause? Na, das schrie direkt danach, daß sie nach einem kleinen amourösen Abenteuer sich sehnte, Marcus grinste schief und taxierte Germanicus, na, der schien auch einen Stock verschluckt zu haben, und waren da nicht graue Strähnen bei ihm zu sehen? Ja, ganz eindeutig ein grauhaariger Senatorenknilch, der es bestimmt im Bett bei seiner rassigen, schönen Frau nicht mehr packte. Marcus wirkte etwas zufriedener bei diesem abschließenden, vernichtenden Urteil, der rein gar nichts mit der geleisteten Arbeit von Avarus zu tun hatte. Marcus sah von Aquilius zu Gracchus, mit indignierter Miene.
    „Können wir gehen oder wollt ihr den Kerl etwa noch was fragen?“
    , sprach er und wollte schon Fakten schaffen, in dem er langsam sein Bein hob, um diese in die Sänfte zu bugsieren.

    Durus, genau, das war der Name gewesen, dankbar nickte Marcus seinem Vetter Aquilius zu, der ihn aus der Unwißenheit gerettet hatte – nun gut, in der Namenssache, alle anderen weißen Flecken der intellektuellen Landkarte würden weiterhin weiß bleiben und selbst dieser kleine Tupfer in den Landen mit der Bezeichnung nomen würde schnell wieder weiß werden, denn Marcus' Gedächtnis war einfach zu schlecht und er vergaß Namen notorisch – aber wie gesagt, Marcus war für den Moment dankbar. Aber noch viel mehr – bedeutend mehr – daß Aquilius gleich auf seinen Vorschlag an sprang und nicht die Arbeit vor schob, die er gewiß wie Gracchus hatte. Marcus' Gesicht wurde prompt ein glückliches Strahlen entlockt, was sich nur durch einen scheelen Seitenblick zu Gracchus minderte.


    „Stets im Amt? Himmel, Manius, wenn Du mir eine politische Laufbahn ausreden möchtest, hast Du es somit gerade geschafft, selbst ein Soldat im Krieg hat mal Zeit für ein Mittagessen oder ein paar nette Abendstunden.“


    Wahres Entsetzen löste jedoch die Verkündigung, daß Gracchus erst zum Abend zu Essen pflegte, Marcus musterte seinen Vetter, ja, so pflichtbewußt, nein pflichtfanatisch Gracchus war, traute er ihm durchaus zu, daß er das Essen vergaß und wahrscheinlich sogar noch am Abend von seinem Sklaven – der treuen Seele wie Marcus fand, er hatte eine ausgesprochen gute Meinung auch von Sciurus, was wohl daran lag, daß er Gracchus so sehr schätzte – nun, wahrscheinlich würde er eben auch noch am Abend von Sciurus an das Essen erinnert werden müßen. Marcus schüttelte resigniert den Kopf.


    „Kein Wunder, daß Du so mager bist, Manius. Das geht nicht an so was, nicht wahr, Caius? Wir können doch nicht zulaßen, daß unser geschätzter Vetter vom Fleisch fällt. Gut, dann auf zu dem Germanicus, wer auch immer das ist, und dann zur nächsten taberna auf den Trajansmärkten!“
    Marcus nickte Aquilius beifällig zu, der Vorschlag fand eindeutig Gefallen bei ihm.
    „Wer mit in der Sänfte mitkommen will, der soll hinein springen, aber flott!“
    , sprach Marcus mit einem breiten Grinsen und machte sich daran, sich selber – auf höchst komplizierte Art und Weise! - in das Gefährt zu begeben, wobei sein verletzte Bein als letztes den Weg hinein schaffte. Sodann, falls denn die werten Vettern folgten, machte sich die Sänfte in Richtung Germanicus Avarus' Rede auf, die noch statt finden sollte auf dem forum.

    [Blockierte Grafik: http://img366.imageshack.us/img366/8029/appius2vq9.jpg| Appius Carteius Cirenthius*




    Eigentlich war es ein ganz normaler Tag für Appius, einer, wie jeder andere in den letzten zwei Dekaden, seitdem er in der Legion diente und seit er auch in der Verwaltung tätig war, insbesondere die letzten zehn Jahre, wo er immerhin optio in der Verwaltung und auch im Rekrutierungsbüro war. Jeder Tag begann wie immer, zuerst fütterte er seine Katze – Drusilla – liebevoll mit dem besten Fleisch – Hähnchenleber mochte sie am Liebsten – dann nahm er eine halbe Schüssel voll mit puls zu sich, trank etwas Milch, wischte sich den Milchbart von der Oberlippe, verabschiedete sich schweren Herzens von dem einzigen Lebewesen, das ihn brauchte und mochte – seiner Katze nämlich – und machte sich auf, um in das Rekrutierungsbüro zu laufen. Und alle zwei Wochen besorgte sich Appius auch noch das wichtigste Blatt des Imperiums, die acta, der er als treuer Stammleser schon seit Jahrzehnten an hing, Gleich neben dem Kaiserbildnis lagen die Stapel von Zeitungen, die er im Laufe der Zeit gesammelt hatte, die einzelnen Artikel akribisch nach Alphabet geordnet und in sein eigenes System eingeordnet hatte, denn auch bei sich zu Hause konnte Appius Chaos nicht leiden. Solch ein Tag war es heute auch wieder, nur fehlte die acta, die würde erst in ein paar Tagen erscheinen und somit war es bis jetzt noch kein goldener Tag, aber Appius ahnte noch nicht, was ihm widerfahren würde, denn er war gänzlich ahnungslos. So saß er über den Rollen, um die Toten – also deren Namen – auf eine andere Liste zu übertragen und nur noch die Lebenden der Legion zusammen zu faßen, damit diese nach oben geschickt werden konnte – oben natürlich vom Rang her, denn sowohl der Präfekt, als auch der Legat arbeiteten genauso wie er hier im Erdgeschoß. Appius sah mit einer konzentrierten Falte zwischen seinen Augenbrauen auf das Pergament und schrieb gerade sorgfältig: Iunius Lucullus, zweite cen...da ertönte das Klopfen. Appius Carteius Cirenthius hob den Kopf an und sah mit seinen eisblauen Augen zu Tür.


    „Ja?“
    , rief er laut und vernehmlich.




    [SIZE=6]*Einer Anregung wegen auch mit Bild für Appius[/SIZE]


    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    Tribuni, Rattenplage, ominöse dunkle Geisterschatten, Marcus vertrieb all die Gedanken daran mit einem kräftigen Schluck von dem guten Tropfen, den Sparsus ihnen kredenzt hatte zum Abschied. Marcus nickte als Reaktion auf die Antwort von Licinus, ebenso dann von Imperiosus, dann hatte er sich wohl einfach selber getäuscht in letzter Zeit oder es lag daran, daß die Männer in der ersten Kohorte so viele Kameraden verloren hatten, doch Marcus machte sich nicht mehr groß Gedanken darüber und wenn er sie doch irgendwo hegte, dann spülte er es mit einem weiteren Schluck Wein hinunter und ließ die Gespräche um sich herum vor sich hin plätschern, er lauschte mal der Unterhaltung von Imperiosus und Licinus, die wohl auf etwas anspielten, was nur sie beide verstanden, zumindest Marcus wußte es nicht, was gemeint war. Dabei sann er noch einen Augenblick lang über ihren neuen Tribun, aber Licinus hatte vollkommen Recht, sie würden sehen müßen, aus welchem Stoff jener Mann gemacht war und ob er ihr Leben schwerer machte oder nicht.


    Als Marcus die Stimme des Decimers vernahm, sah er von seinem Weinbecher auf und etwas überrascht zu Macro, ah, hatte er ihn nicht in Ravenna auch in der Unterkunft des Präfekten gesehen? Doch, doch, wenn er den anderen Soldaten länger betrachtete dann war das tatsächlich jener, der kurz nach ihm rein gekommen war. Die Urbaner? Marcus rechter Mundwinkel hob sich eine Nuance, Urbaner, doch, da war man in Rom stationiert, ebenfalls noch in einer militärischen Einheit und dem täglichen Sumpf von der Hauptstadt ausgesetzt, das würde auch Marcus eventuell gefallen. Marcus hob den Becher, um sich dem Trinkspruch anzuschließen.
    „Auf Macro, der sich den besseren Ort als Sparsus ausgesucht hat. Und auf viele – durch Macro - gefangene Langfinger und Verbrecher!“
    Jetzt wo Marcus darüber nachdachte, natürlich, er war eine Zeit lang in derselben Einheit wie Macro gewesen, unter Avitus noch. Marcus lächelte somit noch ein wenig kameradschaftlicher.
    „Auf den Neuanfang für die Beiden und daß sie dort ihr Glück finden!“
    Nun leerte Marcus den Becher und sah unschlüßig auf den Becherboden. Och, einen weiteren Becher konnte er sich durchaus genehmigen, gedacht, getan.

    Einen Schwarm junger Frauen beobachtete Marcus, nachdem die Rede auf der Rednerbühne vollendet war und sich bis jetzt keine Fragen aus der Zuhörerschaft ergeben hatte, so daß Marcus seine Augen schweifen laßen konnte, ausnahmsweise mal mit unschuldigen Gedanken musterte Marcus die jungen Frauen, so daß ihm das Herannahen seines anderen Vetters für den Moment entging ehe er ihnen Beiden – Aquilius und ihm – einen Gruß entbot, verblüfft blinzelte Marcus, aber ganz so überrascht war er ob dieses Zusammentreffen auf dem forum dann doch wieder nicht, womöglich war Gracchus die große Sänfte aufgefallen, die aus der villa Flavia stammte und von verschiedensten Mitgliedern ihrer Familie genutzt werden konnte, zumal sie groß und deutlich das flavische Wappen trug. Ein Grund mehr, warum Marcus eigentlich diese Sänfte – mal von dem Überhaupt abgesehen – nicht mochte. Ein breites und sehr freudiges Lächeln blitzte in Marcus' Gesicht auf, er mochte seinen Vetter Gracchus wirklich und freute sich jedes Mal ihn zu sehen, selbst wenn er sich damit der Gefahr anheim gab, wieder zahllose unaussprechliche und viel zu komplizierte Wörter zu hören, mal von den komplizierten Satzkonstruktionen abgesehen, denen Marcus mitunter nicht folgen konnte.


    „Salve, Vetter, schön Dich zu sehen. Heißt das, Du hast womöglich den Mittag frei?“
    , fragte Marcus natürlich nicht ohne Hintergedanken, eventuell bestünde sonst die Gefahr, daß alle Flavier erneut arbeiten müßten - wenn er sie nicht rabiat davon abhielt - und er sich nun die nächsten Stunden langweilen würde. Marcus sah zu der rostra nach vorne und hob die Hand, um sich am Nacken zu kratzen.
    „Öhm...ja! Lustig halt, Manius!“
    Herrje, wie sollte er denn das jetzt erklären? Marcus sah hilfesuchend zu Aquilius und fügte etwas ratlos an.
    „In welcher Hinsicht?“
    Marcus verstummte einen Herzschlag lang, sah nach vorne zu Durus und wußte nicht so genau, wie er das jetzt in Worte faßen konnte.
    „Also, er hat Humor, wenn ich mich recht entsinne, man kann sich gut mit ihm unterhalten und man vergeht nicht vor Langeweile, wenn man auf einem Fest die Kline neben dem Mann erhält. Ein lustiger Zeitgenoße eben!“
    Marcus zuckte mit der Schulter und wußte nicht, wie er das anders ausdrücken konnte, zumal dieses Urteil auch nur noch von einer vagen Erinnerung stammte, schließlich war Marcus dem Tiberier nur einmal begegnet, aber das hatte er noch gut in Erinnerung.
    „Hast Du schon etwas gegessen, Manius?“