Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Wenn Hannibal ihn korrigierte, in seiner unnachahmlichen, besser wißerischen Art, die Marcus ganz und gar nicht ausstehen konnte, dann reizte es Marcus' Nerven, aber wenn Epicharis das tat, dann war das was Anderes und sie erntete damit ein zerknirschtes Lächeln, womit er über seinen Versprecher hinweg zu spielen gedachte; außerdem hatte er keine Ohrfeige geerntet. Seine Augen folgten der geschmeidigen und lebhaften Bewegung seiner jungen Verlobten, das Leben schien nur so aus jeder Pore ihres Körpers zu strahlen, ebenso aus den schönen Augen, die immer noch ein wenig die Spuren der Tränen zeigten. Hingerißen betrachtete Marcus die strahlende, junge Frau und bemerkte dadurch die Röte, die plötzlich sich auf ihre Wangen schlich durchaus, konnte den Grund jedoch nicht wirklich erahnen. Ob ihr vielleicht jetzt bewußt wurde, wo er, anstatt auf den Anhänger, eben hin gestarrt hatte? Herrje, unwillkürlich folgten seine Augen wieder zu demselben Ziel, aber jetzt, wo sie stand, war weniger zu sehen, nur unter dem Stoff zu erahnen, so daß Marcus nicht so sehr abgelenkt wurde wie noch vor ein paar Herzschlägen. Etwas unternehmen, was sein Bein nicht zu sehr in Anspruch nahm? Marcus Augen folgten dem Blick von Epicharis und er musterte sein gebrochenes Bein, verdammig noch mal, daran hatte Marcus nicht mehr wirklich nachgedacht und wie zur Bestätigung prickelte es unangenehm bis zu seinem Oberschenkel hinauf. Aber immerhin, sie - Hannibal und er - waren ja schließlich mit einer Sänfte bis zur villa Claudia gekommen, denn den ganzen Weg von dem flavischen Heim bis hier her hätte Marcus auf den Krücken nicht geschafft, nicht in der toga, in die er sich für die erste Begegnung mit Epicharis geworfen hatte, damit der Auftritt nicht zu flapsig wirkte. So konnte Marcus zustimmend nur nicken, denn wie ein junger Antilopenbock konnte er gewiß nicht durch die Straßen oder Parkanlagen von Rom hüpfen. Marcus legte den Arm auf die die seitliche Erhebung seiner Sitzgelegenheit und obließ es Epicharis über die Unternehmungsmöglichkeiten zu sinnen, schließlich war er schon lange nicht mehr in Rom gewesen und Epicharis über die Möglichkeiten sehr viel besser informiert.


    Er widmete sich mehr den Betrachtungen der jungen Frau, ließ aber auch mal seinen Blick durch das atrium schweifen, in dem er wohl das erste Mal war, wenn er sich recht entsann. Prachtvoll war das atrium gewiß, aber was konnte man schon von so einer alten Familie wie der Claudier anders erwarten. Die Inspektion der Räumlichkeiten wurde von Epicharis Vorschlag unterbrochen. Marcus' Augen leuchteten auf, Dinge zum Naschen, das klang doch sehr gut, denn seit ein paar Tagen, nachdem er das Schiff verlaßen hatte, kehrte auch langsam sein normaler, und mehr als reichlicher Appetit zurück; denn während seines Fiebers hatte Marcus kaum etwas zu sich genommen und sogar ein paar Pfunde verloren, unfreiwillig natürlich und es machte bei seinem nicht wenigen Körpergewicht kaum etwas aus, aber womöglich war das auch das Glück von Marcus gewesen, daß er über so reichliche Reserven verfügte, um das Fieber einigermaßen gut zu überstehen, überhaupt zu überleben, der Hellene hatte ihm nicht große Prognosen eingeräumt, wie er später von seinem Legionsschreiber erfahren hatte. Auf jeden Fall zeugte Marcus ganze Miene und die munter blinkenden Augen durchaus sein Einverständnis an, für den Vorschlag den Epicharis gemacht hatte.


    „Ich meine...“
    , setzte Marcus an und lächelte breit.
    „...das klingt nach einem sehr guten Vorschlag. Meine Sänfte wartet auch bereits vor der Haustür, die können wir dann nutzen, um durch die Stadt uns zu bewegen.“
    Selbst wenn Marcus die Sänfte nicht sonderlich mochte, aber es blieb ihm keine andere Wahl.
    „Dann, mea gemma, harre ich hier so lange, bis alles bereit ist!“
    Nach den Krücken angelte Marcus jedoch schon, damit er auch zügig wieder auf die Beine kam, wenn Epicharis fertig war.

    Die Krücke, auf die sich Marcus lehnte, bot ihm immerhin einen guten Halt, vorsichtig setzte er die Ferse seines verletzten Beines ab, ganz sachte, damit die Erschütterung nicht den Schmerz durch sein gebrochenes Bein hinauf jagen ließ und ihn womöglich zu unwillkürlichen Schmerzenslauten animiert hätte, nein, das wäre der dignitas wahrlich abträglich, selbst wenn Marcus eigentlich sonst wenig darauf gab. Mit einem zustimmenden Nicken und einem gutmütigen Lächeln ließ er geduldig die Musterung über sich ergehen, seinerseits betrachtete er Florus und fragte sich, ob er wohl auch einer Einheit in Italia diente oder von weiter her kam; die Ahnung, ebenfalls einen Soldaten vor sich zu haben, war auch nicht ganz abwegig, schließlich befanden sie sich in der Militärakademie und nicht auf dem forum romanum, selbst wenn sich in der Akademie erstaunlich viele Zivilisten tummelten, um mit den Examen einen Hauch von militärischen Ruhm zu erhalten oder einfach, weil sie diese für ihre Karriere brauchten, was ja bei Marcus auch nicht anders war, selbst wenn es noch rein hypothetisch war, wofür er die Examen eines Tages gebrauchen könnte. Annaeus Florus? Der Name sagte ihm auf Anhieb erst mal nichts, außer daß der Name der gens Annaea natürlich sehr berühmt war und auch einige bedeutende Männer aus diesem Geschlecht hervor gegangen sind, gerade im letzten Examen hatte Marcus einen Namen mehrmals gelesen, einer, der wohl maßgeblich auch die Geschichte und die Geschicke des Imperiums gelenkt hatte – Seneca. Ob die Beiden wohl miteinander verwandt waren?


    Stellvertretender Kommandant der Akademie? Aber hoppla, noch mal Glück gehabt, denn Marcus hätte sonst wohl – so war nun mal sein lockeres Mundwerk – gleich aus dem Nähkästchen geplaudert, wie er beim zweiten Examen geschummelt hatte, indem natürlich sein Sklave die Fragen gelöst hat und Marcus sie noch mal abgeschrieben hat. Womöglich hätte Marcus auch noch gestanden, wie nervös er vor diesem Kolloquium war und sich sicher war, dort nicht wirklich eine gute Figur machen zu können, dafür war er immer viel zu kopflos, wenn ihm Fragen gestellt wurde, so nervenschwach, daß sein Geist wie ein leeres papyrus war. Verblüfft blinzelte Marcus dann doch als Florus so meßerscharf darauf schloß, was Marcus eher unter den Tisch fallen gelaßen hätte, da er nun mal doch dann jemanden vor sich erkannte, der ihn leichterhands durchfallen laßen konnte. Herrje!


    „Öhm...“
    , murmelte Marcus ein wenig ertappt, aber er riß sich dann doch zusammen.
    „Die Fragen habe ich schon selber gelöst...“
    Dieses Mal! Aber das erwähnte Marcus nicht, dennoch war er so verlegen, daß sein Nacken etwas an Röte gewann, sein Gesicht wurde immerhin gut von der starken Bräune getarnt, daß er in all den Monaten und dem langen Feldzug unter der orientalischen Sonne gewonnen hatte. Dignitas, Marcus, dignitas. Marcus lächelte schief.
    „Doch, es war schon interessant sich mit den Fragen zu beschäftigen, doch ehrlich gesagt, glaube ich weniger, daß diese Fragen mir sehr viel für meinen täglichen Dienst nützlich sein werden, die vorigen Examen waren doch sehr viel mehr Praxisbezogen, schließlich wird mich kaum einer meiner Soldaten nach der Geschichte der Kaiser fragen, mehr, nach den Dingen, die das Lagerleben oder gar den Krieg betreffen.“


    Ob er es wagen konnte, dezent oder gar dreist und offen zu fragen, was denn bei diesem Kolloquium wohl behandelt wird? Vielleicht später! Marcus nickte auf die Frage oder die Aussage von Florus, der subtile Unterschied entging Marcus in dieser Hinsicht völlig.
    „Es war ein harter und oftmals bitterer Feldzug, aber wir haben den Parthern doch zeigen können, daß sie römisches Territorium und die Freunde des Imperiums nicht ungestraft angreifen können, sie werden sich auch erst mal in ihr Gebiet zurück ziehen und das römische Land unbehelligt laßen. Sonst müßen wir wohl noch mal Krieg gegen sie führen!“


    Gleich in den nächsten Tagen würde er zu den Göttern beten, daß sie die Parther erst mal in ihrem Land hielten. Selbst wenn es nicht der Krieg war, den Marcus fürchtete, es war mehr die Aussicht, noch mal die lange Zeit in diesen Ländern verbringen zu müßen.
    „Präfekt bei der Flotte?“
    Marcus Augen blitzten auf, denn er liebte die Schiffahrt über alle Maßen, in einem anderen Leben, in weit entfernter Zukunft hätte Marcus gewiß einen blauen Waffenrock gewählt und hätte bei einer ganz bestimmten Seeflotte gedient.
    „Gehört die Flotte von Ravenna auch dazu? Ich muß sagen, die Flotte, die uns nach Antiochia gebracht und auch abgeholt hat, das waren wirklich vorbildliche Seeleute. Es lief alles reibungslos und das bei so vielen Schiffen, das stelle ich mir ungeheuer kompliziert vor, das zu koordinieren. Zudem...ach ja, Schiffsfahrten sind doch wundervoll, hm?“

    Von Draußen waren deutlich die fröhlichen Vogelstimmen zu hören, die sich über einen weiteren sonnigen Tag in Rom freuten und mit ihrem munteren Gezwitscher aus so manch einen Römer erfreute, in der Luft lag der Duft des Frühlings, der frische und feine Geruch, den es nur an solchen Tagen gab, jede Jahreszeit schien ihren eigenen Duft zu haben, selbst wenn Marcus all dies nicht wirklich Beachtung schenkte, insbesondere da er eine schöne, junge Frau in seinen Armen hielt, so weckte es dennoch seine Lebensgeister, um selbst die Erschöpfung von der Seereise, die ihm noch in den Knochen steckte, als auch der Schmerz in seinem Bein, aber auch an seinem Bauch zu mindern – doch womöglich belebte ihn die Freude, Epicharis wieder zu sehen noch sehr viel mehr. Darum zögerte Marcus nicht, als Epicharis seinem Vorschlag zustimmte, zu erwidern:
    „Ja, jetzt gleich. Diem carpem, wie man doch gerne sagt!“


    Marcus runzelte einen Herzschlag lang die Stirn, denn ganz sicher war er über den Ausspruch nicht. Aber in dem Moment war es ihm sogar egal, der Tag war einfach schon viel zu erfreulich verlaufen, als daß er sich wegen solcher Kleinigkeiten in Grübeleien stürzte. Stattdessen hoben sich seine Mundwinkel zu einem herzlichen Lächeln an, mit dem er Epicharis bedachte, ein Lächeln, was ein wenig von gutmütiger Natur zu sein schien, aber, wenn Marcus diesen Ausdruck zog, auch stets bei ihm so wirkte. Überrascht sah er auf den Anhänger runter, den Epicharis hervor zog, einen Herzschlag lang fixierte er das Schmuckstück, eines der wenigen Erbstücke, die ihm sein Vater hinter laßen hatte und den er von seiner Mutter vor vielen Jahren erhalten hatte, als eine Art Talisman, doch schon wanderte Marcus Blick ganz woanders hin, nämlich dort, wo sich zwei Wölbungen zeigten, die Marcus' Augen wie magisch anzogen, und was für ein prächtiges Dekolleté er da sah, die von ihrer zarten und schlanken Hand leicht berührt wurde. Marcus blinzelte einige Male und konnte sich nur schwer von diesem wunderbaren Einblick lösen. Ehe seine Augen jedoch den schlimmen Wettstreit ausmachen mußten, welchen Einblicken, denen der Augen oder denen des Kleidungsausschnittes, sie lieber folgen sollte, half ihm Epicharis wieder aus der Klemme, in dem sie ihn mit Küßen bedeckte. Seine Augen schnellten nach oben als er ihre Lippen zart auf seinem Mund spürte, noch nicht mal einen winzigen Augenblick lang war wieder Distanz zwischen ihren Lippen ehe Epicharis ihn dieses Mal in einen Kuß verwickelte, Marcus blinzelte einen Herzschlag lang verblüfft, aber er war sehr angenehm überrascht, Frauen mit Temperament waren ihm schon von je her tausend Mal lieber als die verschüchterten Mäuschen, die manche der vornehmen Frauen vor spielten oder es auch waren. Sanft ließ er seine Hand nach oben wandern an ihrem Rücken und ließ den Kuß wonnevoll und auskostend gewähren, nur ungerne löste sich Marcus von den zarten Frauenlippen, die so wundervoll weich sich anfühlten.


    Dicht vor ihrem Gesicht verharrte er einen Moment und sah sie mit einem erfüllten Ausdruck auf dem Gesicht an, ehe er mit einem verschmitzten Lächeln seine Hand anhob und vorsichtig nach dem Anhänger griff, den sie um ihren Hals trug, wobei die Rückseite seiner Finger achtsam ihre Haut am Dekolleté streifte, fast wie zufällig, was es natürlich nicht war, Marcus wollte nur diese verlockende Rundung einen Moment erspüren und selbst wenn er nicht mehr sehen durfte – heute zumindest! - dann wenigstens eine Ahnung davon erhalten, was so lockend auf ihn schon jetzt wirkte. Marcus hob den Anhänger etwas an, hielt ihn in seiner hohlen Hand.


    „Ich möchte Dich bitten, animula mea, daß Du den Anhänger noch eine Weile bei Dir behältst und auf ihn aufpaßt. In Deinen Händen, an Deinem Herzen, weiß ich diesen Anhänger an der besten Stelle und am Sichersten!“


    Behutsam bettet Marcus den Anhänger zurück, dabei darauf achtend, sie nicht zu aufdringlich zu berühren, denn eine Ohrfeige wollte er heute nicht riskieren – es wäre auch nicht das erste Mal, daß Marcus eine solche von einer empörten Frau erhalten hätte! - aber dafür war das Zusammentreffen noch ohne düstere Wolken verlaufen und das sollte auch erst mal so bleiben, fand Marcus, der in seiner unbedachten Art immer wieder reichlich dämliche Fehler beging, aber eigentlich eher ein Mensch war, der mit Streit und Hader gar nicht gut zurecht kam und bei Frauen einfach sprachlos wurde, wenn sie zornig auf ihn waren. Marcus lächelte und strich mit seinem Zeigefinger an ihrer sanft geschwungenen Kinnlinie entlang. Kosenamen, einen nach den Anderen, würde er für Epicharis finden, welche, die nicht seine Tochter schon erhalten hatte, aber er würde nie und nimmer auf die Idee kommen, Epicharis gar venustas zu nennen, nein, das tat Marcus nicht bei Frauen, denen er größte Wertschätzung entgegen brachte, das tat er bei Sklavinnen und leichten, käuflichen Frauen.


    „Wir tun das, stella mea, woran Du heute Vergnügen findest. Möchtest Du...öhm...noch erst was holen oder sollen wir gleich aufbrechen? Ich kann auch noch hier warten, falls Du noch vorher etwas erledigen mußt!“

    Es war womöglich auch Dekaden her, daß etwas und jemand Appius so berühren konnte – der nicht der Kaiser oder seine Katze Drusilla war – er blinzelte einige Male und selbst der optio war in dem Moment gerührt als er die Ergebenheit sah, mit der der junge Mann den Eid schwor, er hielt den Atem an als Tacitus vor dem Adler nieder kniete und nickte sehr zufrieden, und die Gefühlsregung – diese Rührung – war dann tatsächlich einen Herzschlag lang auf dem Gesicht von Appius zu sehen als der Valerier ihm sogar dankte – ihm, Appius Carteius Cirenthius – dem Mann, über den die Soldaten sonst zu spotten pflegten und ihn mit gehäßigen Namen bedachten. Appius' Kehlkopf hüpfte hoch und runter als Appius schluckte und dann seine Hand aus streckte und die von Tacitus ergriff, um sie – mit einem sehr schlaffen Händedruck – zu schütteln.


    „Gern geschehen, probatus. Ich bin mir sicher, Dein Vater kann zu Recht auf Dich stolz sein. Willkommen in der Legion!“
    , erwiderte Appius mit etwas belegter Stimme, so viel unerwartete Freundlichkeit ihm gegenüber machte ihn ganz verlegen, darum ließ er dann auch die Hand wieder sinken, faltete sie linkisch vor sich und wirkte einen Moment unschlüßig, was er tun sollte.
    „Ähm...“
    , murmelte er, dann erhellte sich sein Gesicht.
    „Ich führe Dich dann nun zu Deiner neuen Einheit, Valerius. Folge mir einfach!“
    Er nickte Tacitus freundlich zu – ja, es erschien sogar ein etwas seltsames, aber doch deutliches Lächeln auf dem Gesicht des optio – dann wandte er sich um und führte Tacitus erst zu seinem officium zurück, aber dann sofort in Richtung seiner neuen Einheit und seiner Zukunft bei der Legion, wo er das Kämpfen und Exerzieren bis zum Umfallen lernen würde.


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    Es war auch von der principia bis zu den Gebäuden der ersten Kohorte nicht sehr weit, denn diese Einheit war direkt in der Nähe des schlagenden und arbeitenden Herzens der Legion einquartiert, natürlich auch in der Nähe des Walls und Tores, damit – in Kriegszeiten oder Unruhen – die Soldaten schnell auf dem Wall stehen konnten. Aber daß Krieg nach Italia kam, schien im Moment völlig abwegig zu sein, dennoch wußte Appius, daß so ein Frieden immer sehr wackelig war und man nie wußte, ob sich dieser Friede schnell als trügerisch erweisen konnte. Direkt vom Fahnenheiligtum – nur mit einem kleinen Schwenk über sein officium, um dort noch die restliche Ausrüstung von Tacitus wieder abzuholen – hatte Appius, der optio vom Rekrutierungsbüro, ausnahmsweise mal selber die Aufgabe übernommen, den neuen Rekruten zu seinem neuen Ausbilder zu führen. Stumm und wenig gesprächig, wie Appius nun mal war, führte er den jungen Valerier schnurstracks in die Unterkunft der ersten centuria, vorbei an den Kammern, die für jedes contubernium als Schlaf- und Wohnraum diente, jedes contubernium, daß aus acht Mann bestand, sich zusammen eine Getreidemühle teilte und zusammen aß und kochte, eine kleine Familie innerhalb der centuria schienen manche der contubernia zu sein, Stubengenoßen eben. Appius fragte sich bei den Soldaten durch, bis er Iulius Licinus fand. So gut, wie Appius' Gedächtnis war - und das war sehr, sehr gut, darum war er auch so schrecklich nachtragend oder wohlwollend, wie nun bei Valerius Tacitus – entsann er sich durchaus sogar noch daran, daß Licinus vor dem Krieg in dem officium bei ihm gestanden hatte. Appius nickte ihm zu.


    Salve, optio, das hier ist Valerius Tacitus. Er ist neuer probatus der legio Prima. Du wirst für seine Ausbildung zuständig sein, optio. Er hat die Musterung im valetudinarium überstanden, die Ausrüstung bereits erhalten und seinen Eid geleistet. Salutieren mußt Du ihm selber beibringen.“
    Damit reichte Appius auch die tabula mit den Daten an Licinus weiter.




    Name: Caius Valerius Tacitus
    Stand: Plebejer
    gens: Valeria
    Alter: 18


    Krankheiten: Keine Signifikanten
    Vorstrafen: Keine Bekannten
    Fähigkeiten – körperliche - : Schwimmen -nicht sehr gut-, Reiten, Bogen, rudimentäre pilumkenntnisse, sonst keine Waffenkenntnisse
    Fähigkeiten – geistig - : Griechisch und Latein lesen und sprechen, Mathematik


    gez. Appius Carteius Cirenthius


    Körperliche Verfassung: ausgezeichnet
    gez. medicus Paseas


    Ausrüstung: Erhalten, muß noch vom Sold abgezogen werden
    gez. Titus Saltius Massa




    Dann sah er zu Tacitus und nickte ihm aufmunternd – sofern man den Ausdruck in Appius' Gesicht erahnen wollte – zu.
    Optio Iulius wird sich von nun an um Dich kümmern und Dir Deine neuen Befehle erteilen. Vier Erfolg, probatus!“
    Und an Beide gewandt, fügte Appius noch an:
    Valete!“
    Dann marschierte Appius schon von dannen und ließ die Beiden alleine.




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    Die Falten um Appius' Mundwinkel und der Mund, der stets immer ein wenig nach unten geneigt war, zudem dieses spitze und blaße Frettchengesicht hatten immer etwas verdrießliches an sich, egal wie friedfertig Appius ausnahmsweise mal war, aber seine Augen nahmen nicht den kalten Ausdruck an, den er sonst trug, nein, für Appius wirkten sie ausgesprochen freundlich, sprich, sie schauten nicht so frostig wie sonst. Er nickte knapp und ernst, denn er hatte nicht erwartet, daß der junge Mann den Eid auch kannte, schließlich war er gerade erst zur Legion gekommen und hatte wohl das erste Mal in seinem Leben den Fuß in ein Fahnenheiligtum gesetzt. Appius fuhr sich noch einmal schnell durch seine ausgedünnten Haare an seinem Kopf, die an manchen Stellen schon graue Strähnen zeigten, obwohl er gerade erst auf die Vierzig zuging.


    „Gut, ich werde Dir den Eid vorsprechen. Du erwiderst dann anschließend auf den Eid: Idem in me! Hättest Du alleine hier gestanden, hättest Du die Worte gesprochen, die ich gleich sagen werde; und für die Zukunft kannst Du Dir die Worte merken, die ich nun spreche, denn es kann paßieren, daß Du sie in deiner Legionszeit nochmals schwören wirst!“


    Appius selber straffte seine Gestalt und sah Tacitus feierlich an, wartete einige Herzschläge, damit auch Tacitus die Gelegenheit bekam, sich auf den Moment noch vorzubereiten. Selbst wenn Appius' Stimme immer ein wenig nasal klang, etwas dünn war und niemals einen Exerzierplatz übertönen könnte, so war deutlich der ehrfürchtige Ton von Appius zu hören als er sprach:


    IURANT AUTEM MILITES OMNIA SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS, NUMQUAM DESERTUROS MILITIAM NEC MORTEM RECUSATUROS PRO ROMANA REPUBLICA


    Dann sah Appius den jungen Mann an und wartete auf die Erwiderung des Eides.





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    Sehr lange war es für Appius her gewesen, daß er selber als junger Mann hier im Fahnenheiligtum gestanden hatte, doch Appius entsann sich gut, daß er selber sehr, sehr aufgeregt damals gewesen war, ein dünnes Bürschchen von sechzehn Jahren war er damals gewesen, gerade die bulla hatte er abgelegt und war dem elterlichen Haus entkommen, der tyrannischen Mutter und dem Vater, der immer klein beigab, ebenso seinen drei Geschwistern, die ihn immer gepiesackt hatten. Die Legion war für Appius erst eine Erleuchtung gewesen, bis die Tortour in der Grundausbildung weiter ging und er sehr unter den Mitsoldaten zu leiden hatte, wegen seiner etwas seltsamen Art, ehe er sich dann in die Verwaltung flüchten konnte, das war nun schon fast zwei Dekaden her. Appius starrte sinnend auf den Adler, dann riß er sich von den Gedanken los und sah zu Tacitus, der ihm auf den Schritt gefolgt war. Er musterte den jungen Mann und fragte sich, ob er wohl bereit war, aber nachdem er schon alle Stationen des Rekrutierungsprozesses durchlaufen hatte, schien das wohl der Fall zu sein.


    „Aufrechte Haltung, gehe in Dich und dann schwöre den Eid. Möchtest Du, daß ich ihn vorspreche oder kennst Du den Eid?“





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    In seinem Leben hatte Appius niemals eine Ausbildung geleitet, noch hatte er mehr Befehlsgewalt gehabt als über die Neuankömmlingen und die anderen Verwaltungssoldaten, die in den Räumen hier arbeiteten, aber einen Soldaten Stück für Stück anzuleiten, sich anzukleiden und sogar etwas dabei zu erklären, das gefiel Appius außerordentlich gut, seine frostige Miene taute eine Nuance auf, wenn jedoch diese weit davon entfernt war auch nur so etwas wie ein Lächeln – konnte Appius das überhaupt? - zu offenbaren. Dennoch drückte seine ganze Haltung durchaus Zufriedenheit aus, was er da vor sich sah, denn aus dem Zivilisten war nun ein Soldat geworden, zumindest von dem Bild, was er bot. Appius nickte, es hatte etwas abgehacktes wie er dieses Nicken vollführte, und trat an Tacitus heran, um den Helm noch etwas gerader zu rücken und den Riemen unter dem Kinn zu prüfen, doch, es saß alles. Darum meinte Appius auch, wo ein zufriedener Unterton mit schwang:


    „Alles korrekt! So kannst Du unserem Kaiser entgegen treten und den Eid schwören. Und, Soldat, sei Dir der Ehre bewußt, denn Du bist der erste Rekrut hier in Mantua, der auf unseren neuen Kaiser, Ulpius Aelianus Valerianus, den Eid schwört, ja, so ist das! Der Kaiser ist, oh mögen die Götter ihn schon in ihren göttlichen Olymp erhoben haben, leider während des Feldzuges gestorben, also der Adoptivvater des neuen Kaisers. Nun wirst Du Valerianus dienen.“
    Appius deutete auf das Marschgepäck.
    „Das laßen wir noch erst mal hier, aber ich führe Dich nun zu dem Fahnenheiligtum, wo Du den Eid schwören kannst. Mit dem Eid wirst Du Dich feierlich der Legion anschließen und Deine Dienstzeit beginnt, danach bringe ich Dich dann zu Deiner neuen Einheit.“
    Appius ging bereits los, um Tacitus zu dem Heiligtum zu führen, wo das Kaiserbildnis bereits stand und vor dem Tacitus dann seinen Eid ablegen konnte. Er winkte Tacitus ihm zu folgen.
    ---> Fahnenheiligtum



    Sim-Off:

    Gern geschehen.
    Und weil es so schön war, noch ein Link. Hier siehst Du das Lager und wo, welche Gebäude liegen. Einfach mit dem Mauspfeil auf die Gebäude gehen.
    --> Legionslager



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    Es war nicht weit, der Weg vom Rekrutierungsbüro zum Fahnenheiligtum, stramm und stumm marschierte der optio von dort voran, Carteius Cirenthius, dieser optio – Appius! - hatte selbst bei diesen normalen Laufbewegungen etwas steifes an sich, als ob er einen Besen verschluckt hätte. Auch das Fahnenheiligtum befand sich in der principia, dem Verwaltungsgebäude der Legion, dort, wo auch die Altäre für die Götter standen, zu denen die Männer beten konnten. Appius betrat zielsicher das Heiligtum, vor den Feldzeichen, insbesondere dem Adler der Legion und sonstigen Abbildungen, die dem feierlichen Schwören dienten, blieb Appius stehen, dann trat er schnell zur Seite und wartete bis Tacitus heran gekommen war.



    [SIZE=7]Edit: Dem Beitrag von Tacitus angepaßt.[/SIZE]




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    Der Boden in Appius' Raum war natürlich sauber, er hatte gerade heute morgen eigenhändig darüber gewischt als er den Staub von den Möbeln befreit hatte, zu seinem Entsetzen hatte Appius auch Rattenkot in seiner guten Stube bemerkt, aber die Schriften waren, so weit er sie bisher durchgeschaut hatte, noch unangenagt. Zumindest war der Boden sauber genug, damit die neuen Tuniken jetzt nicht schmutzig wurden, was Appius' Gemüt auch empfindlich gestört hätte, aber zumindest wurde den Soldaten in der Legion schnell beigebracht, pfleglich und sorgsam mit der Ausrüstung umzugehen, schließlich hing durchaus – besonders im Krieg – ihr Leben daran. Appius beobachtete, wie Tacitus sich umzog, ohne mit der Wimper zu zucken und wartete stumm, schließlich sah er, daß die Rüstung irgendwie falsch angezogen wurde, aber was hatte er falsch gemacht? Appius sah ihn einen Herzschlag lang grübelnd an – denn Appius hatte schon lange keine Rüstung mehr getragen, außerdem hatte er sich selber als probatus damit schon ungeschickt angestellt – aber dann fiel es Appius auf.


    „Moment!“
    , intervenierte er darum.
    „Die ist falsch herum, außerdem solltest Du zuerst deinen cingulum militare, den Militärgürtel, anschnallen, ehe Du die Rüstung überziehst.“
    Appius ging nun doch zu der Ausrüstung und holte den Militärgürtel hervor, einem Lederband, der mit Metallplatten verziert war, und der gewiß bei jedem Schritt munter klimpern würde. Dazu zog Appius ein Tunikaähnliches Kleidungsstück hervor, daß aus festem Stoff gemacht war und reichte beides an Tacitus.
    „Das ist ein subarmalium, die Polsterkleidung für die Rüstung, damit sie nicht so schlimm drückt. Außerdem ist das wohl bei Hieben auch ganz gut, aber da fragst Du besser nicht mich, ich habe noch nie im Felde gekämpft!“
    , gab Appius zu und zuckte mit der Schulter. Aber man sah dem optio – der ausgesprochen redselig wurde bei Tacitus, entgegen seinem sonstigen Verhalten – an, daß er bestimmt nicht sonderlich gut kämpfen konnte mit den dünnen Ärmchen.
    „Anschließend ziehst Du Deine neuen Schuhe an, die caliga, diese Stiefel hier!“
    Appius deutete dann auf eine Ledertasche, die Tacitus ebenfalls erhalten hatte.
    „Dort kommt dann die restliche Rüstung hinein, die Du nicht brauchst, ebenso deine Schuhnägel...die nutzen nämlich mit der Zeit ab, wenn Du marschierst und da mußt Du sie auch austauschen können. Siehst Du die Tragestange, dort kannst Du dann anschließend die Säcke dran hängen, zudem auch die Kleidung, die Du nicht mehr in den Sack bekommst, aufgerollt versteht sich. Das Schild kannst Du auf Deinen Rücken schnallen, Schwert und Dolch mit dem Waffengurt um Deine Hüften. Somit mußt Du am Ende nur noch die Tragestange über die Oberkante Deines Schildes lehnen und mit der anderen Hand die Wurfspeere, bei uns auch die pila oder das pilum gennant, tragen. Ach ja, der Helm kommt natürlich auf den Kopf. Verstanden? Wenn ja, dann mach' es so, wenn nicht, fragen!“
    Appius sah ihn mit den kleinen blauen Äuglein an, abwartend.






    Sim-Off:

    Wieder mal eine kleine Information für Dich, die roten Worte sind wieder Links für Dich, damit Du Dich in der IR-Wiki auch dazu belesen kannst, wenn Du magst. Zudem hier noch ein paar Links zu:
    Militärkleidung
    Marschgepäck (wo auch beschrieben wird, wie sie getragen wird, samt Bild unten)
    Waffen



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    Weder ein vorgesetzter, zorniger Offizier, noch ein wütender Parther – der auch kaum sich unter die Soldaten hätte schmuggeln können – betrat den Raum, sondern jener junge Mann, der bereits vor einiger Zeit hier gewesen war. Appius, der eine sehr empfindliche Seele hatte, wollte gerade schon den Mund aufmachen, um einige kalte, eiskalte Worte von sich zu geben, die noch frostiger waren, wenn er wütend war, wobei das schon ein Kunststück war, denn der Tonfall von Appius war stets unterkühlt und distanziert. Doch der junge Mann entschuldigte sich bereits und grüßte nochmals, Appius' Wut wurde damit effektiv der Wind aus den Segeln genommen, so klappte er den Mund wieder zu, nur ein unbestimmtes Zischen drang noch aus seinem Mund. Erst jetzt sah er, daß Tacitus bis oben hin mit Ausrüstung voll beladen war, Appius' spitze Nase zuckte einige Male, nein, solch eine Unordnung, das konnte er ganz und gar nicht ertragen, das tat ihm in seiner Seele bitterlich weh.


    „Ja!“
    , gab Appius zur Antwort und erhob sich, ganz entgegen seiner sonstigen Angewohnheit immer den sicheren Tisch zwischen sich und Soldaten, oder auch zukünftigen Soldaten, zu laßen, fast wie ein Schutzschild.
    „Aber erstmal bringen wir mal Ordnung in das hier...“
    Appius, der die Augen nicht von dem ganzen Gepäck nehmen konnte, deutete auf den Haufen von Tuniken und den Rest dazu.
    „Ablegen, alles!“
    , ordnete Appius an.
    „Jetzt wirst Du Deine Sachen so zusammen packen, damit Du später auch einen Marsch überstehst. So geht das auf jeden Fall nicht. Siehst Du den Sack dort? Dort wirst Du zuerst all die Kleidung packen, die Du momentan nicht an Deinem Leib trägst. Aber laß' eine Tunika draußen, wir staffieren Dich schon gleich aus, damit Du auch anständig Deinen Fahneneid ablegen kannst. Und vor den Kaiser tritt man nur in sauberer Soldatenkleidung, samt polierter Rüstung und Prunkhelm! Also, weg mit Deiner alten Tunika danach und die Neue an!“
    Appius deutete - während er sprach - auf den Leinensack, den Tacitus auch in der Ausrüstungskammer erhalten hatte, ebenso auf einer der Tuniken. Die dünnen, untrainierten Arme vor der Brust verschränkt, wartete Appius, daß der junge Mann dem folgte.



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    Gerade noch in völliger Ruhe und Frieden saß der optio des Rekrutierungsbüros, Appius, hinter dem Schreibtisch, er hatte begonnen die Archive der Legion auf Vordermann zu bringen, denn natürlich stimmten die Musterungsrollen nicht mehr, viele Männer waren in Parthia gestorben, zudem hatten sich einige Ränge geändert, es hatte eine Versetzungen gegeben und somit waren die Sollstärken nicht mehr so, wie am Anfang des Krieges und natürlich war das für die Einteilung in die paßende Einheit von Belang; und da neue Rekruten nach Mantua kam, war das natürlich eminent wichtig, darum kauerte Appius gerade über der neunten Kohorte, wo auch neue Kommandanten ihren Dienst angetreten hatte. Konzentriert starrte Appius auf seine eigene – oft sehr kryptische – Schrift, seine Stirn zeigte viele Runzeln und gerade setzte er die Feder an, um eine Korrektur durchzuführen als das Donnern an der Tür ihm durch Mark und Bein fuhr. Erschrocken zuckte Appius zusammen, ein dicker Tintentropf fiel auf die kleinen Buchstaben und verwischte die Schrift. Entgeistert starrte Appius auf die Tür, seine Augen waren geweitet, sein Mund geöffnet und er atmete gepreßt. Erst einige Herzschläge später hatte sich Appius von dem Schreck erholt.


    „Ja?“
    , rief er schließlich mit zittriger Stimme. Nicht ganz sicher, ob da nicht ein wütender Soldat war, der vom Rang über ihm stand oder gar ein...? Nein, sie waren ja nicht mehr in Parthia.



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    Bereits am Morgen hatte Marcus seinen Sklaven aus geschickt, kurz nachdem er erwacht war und den Beschluß gefaßt hatte, heute dem Tag lasterhafte und allerlei sinnliche Vergnügungen zu schenken, mehr noch sich selber. So sah Marcus einige Male ungeduldig in Richtung des Säulenganges, wo er den Sklaven erwartete, wenn dieser mit der – hoffentlich erfolgreichen, aber daran zweifelte Marcus nicht – Auftragserfüllung zurück kam. Gerade als er erneut einen Blick auf den Säulengang richtete, kam es blitzschnell von oben herab geflogen, ein kleiner Vogel, nicht mal so groß wie Marcus' geballte Faust, landete auf dem kleinen Tisch, den er sich hier hatte aufstellen laßen. Der Vogel beäugte mißtrauisch Marcus und Bridhe, indem er seinen kleinen Vogelkopf ruckartig mal mit der einen Seite zu Bridhe, dann mit der anderen Seite zu Marcus wandte, ehe er in einer sehr eiligen Bewegung einen Brotkrumen vom Teller ergriff, die kleinen braunweiß gemusterten Flügel ausbreitete und sich in die Luft schwang, noch ehe jemand den Vogel packen und an dem Mundraub hindern konnte. Verblüfft sah Marcus dem unverschämten, diebischen Vogel hinter her, doch nicht sonderlich verärgert, Dreistigkeit siegte nun manchmal eben. Marcus zog die Platte mit dem gefüllten Schweineeuter heran, während er sich seine Finger ableckte, die eben noch das Geflügelfleisch gehalten hatten, an dem die goldgelbe Soße herab getropft war und nicht nur seine Finger benetzt hatte, sondern auch noch das Gras, das zu den Füßen seiner Kline wuchs und jetzt von den Füßen, die wie Löwentatzen geschnitzt waren, der Kline nieder gedrückt wurde. Der Gärtner, unter dessen Regie die Sklaven stets Blumen, Gras und Bäume akkurat zurück schnitten, so wie es von je her in der villa gemacht wurde – selten hatte einer der Flavier versucht dem alten Gärtner, der noch unter Felix gedient hatte – in das Handwerk zu reden, dieser Gärtner zumindest würde wahrscheinlich in Ohnmacht fallen, hätte er die grobe Behandlung seiner Pflanzen durch den Flavier gesehen.


    Marcus, unbekümmert in Hinsicht der Sorgen viele Sklaven im Haushalt, ließ es sich lieber von dem Euter, der in Scheiben geschnitten war, Mundgerecht, schmecken und kaute langsam, während er die exquisite Füllung darin genoß. Weinverächter hatten bei Marcus eher einen schweren Stand, denn Marcus liebte Wein über alles, es war für ihn auch das wichtigste Getränk überhaupt, selbst wenn er sich selten am Tage den Luxus leisten konnte, den Wein so zu trinken wie jetzt – völlig unverdünnt und in seinem ganzen Aroma so, wie die Winzer und die Natur ihn geschaffen hatte. Marcus ergriff einen zweiten Pokal und führte ihn an seine Lippen, dabei mit einer gewölbten Augenbraue Bridhe betrachtend, schon spürte er den markanten Geschmack des Weines auf seiner Zunge, ließ ihn langsam an seinem Gaumen hinweg gleiten und kostete ihn lange aus, ehe er noch einen weiteren Schluck nahm. Ein herber Wein, viele Nuancen und Schattierungen, keine wässrige Oberfläche, sondern viel Tiefe mit einer interessanten Würzung, selbst wenn kein Gewürz den Wein erst verbeßern mußte. Doch, der gefiel Marcus ausgesprochen gut, darum behielt er den Weinpokal auch in seiner Hand, um, während des weiteren Essens, noch mehr aus ihm zu trinken. Die gewölbte Augenbraue, die einen sanften Schwung auf seiner Stirn bildete und die Familienähnlichkeit zu Flavius Gracchus, Flavia Leontia und manch anderem Flavier deutlich offenbarte, denn derart wölbten nur die Flavier ihre Augenbrauen, diese Braue war immer noch oben, als er bereits nach dem nächsten Gericht griff und dann doch stockte. Irgendetwas fehlte doch auf dem Tisch, etwas, was er für den ersten Gang noch bestellt hatte. Ah ja! Marcus winkte den Sklaven heran, der eilends mit einer Karaffe kam und in den Becher nach schenkte, aus dem Marcus zuletzt getrunken hatte.


    „Gehe in die Küche. Der Koch hat die Schnecken vergeßen, aber hurtig. Ich will sie haben, wenn die anderen Speisen noch warm sind! Age!“


    Die Jahre der Legionszeit hatten sich wirklich tief in Marcus eingebrannt, jetzt fing er schon an mit dem Sklaven so zu reden, wie mit manch einem Soldaten und ganz bestimmt mit den Sklaven, die er sich im Kastell hielt, damit das Leben als centurio nicht ganz so fade war und er immer ein gutes Mahl auf dem Tisch in Mantua – oder auch während des Krieges, sofern es ging – hatte, morgens säuberlich rasiert wurde, die Unterkunft immer gemütlich und erhellt war, wenn er aus seinem Dienst dort hin kam. Sklaven, eine Notwendigkeit für Marcus' tägliches Leben, ohne sie würde er nicht bestehen können - nicht in dem Luxus, den er brauchte – selbst wenn Marcus, wohl im Gegensatz zu vielen seiner Mitflavier, sich sogar selber versorgen konnte. In der Legion hatte er gelernt, seine Kleidung auszubeßern, selber zu kochen und sogar seine Pritsche selber aufzuräumen. Der Sklave indes eilte schnell davon, nahm er doch den Befehl sehr ernst, während Marcus noch mal nach dem Geflügel griff und das unglaublich zarte Fleisch in seinem Munde zergehen ließ. Abermals musterte er Bridhe; na, immerhin mit dem Essen konnte sie etwas anfangen, ein völliger Sinnesverächter wäre Marcus zu dröge, um mit der Person überhaupt die Tafel zu teilen, egal ob Sklave oder Patrizier, nur bei der Familie würde Marcus eine Ausnahme machen, oder Ehrengästen.


    „Schmackhaft? Deliziös ist es. Exquisit und unvergleichlich, puella.“


    Marcus schüttelte resigniert den Kopf, das Mädchen hatte von Esskultur ganz sicher keine Ahnung, das merkte man immer mehr, aber als Sklavin war ihr bestimmt auch noch nie der Genuß der römischen, der wirklich hohen römischen Küche zuteil geworden. Marcus sah sie erwartungsvoll an und fragte sich, ob sie noch etwas über ihre Lippen bringen würde. Schüchtern, bei Diana, das Mädchen scheint am Liebsten ganz woanders zu sein. Wer wohl ihr Herr ist, daß sie die Flavier derart fürchtet? Vielleicht war es sogar Leontia gewesen, einst. Leontia hatte ihre Sklaven wirklich immer im Griff gehabt, das hatte sie eindeutig von ihrem Vater in Ravenna vererbt bekommen, der auch Sklaven nicht mit Samthandschuhen anging, Gnaeus Aetius, das war wirklich ein Mann nach Marcus Geschmack; Marcus seufzte leise und wünschte sich, daß sein Onkel zu Besuch wäre, denn dann würde bereits Lachen, derbe Scherze und viel Lebensfrohsinn diesen Garten im Hause füllen. Und die Vergnüglichkeiten, die Marcus später noch vor hatte, ja, diesen wäre sein Onkel mit Sicherheit nicht abgeneigt. Erneut bemaß Marcus Bridhe mit einem längeren Blick, na, eine Gesellschaftsbombe schien die junge Frau nicht zu sein, mehr einsilbig und in sich gekehrt, auf keinen Fall mehr sagen als notwendig, schien ihre Devise zu sein, was Marcus jedoch mehr langweilte. Aber sehr wahrscheinlich war sie dann doch nur eine Waschmagd oder eine Küchensklavin, die aus Neugier nach draußen gekommen war, um zu sehen, welche Gäste wohl das ganze gute Essen verspeisen würden. Marcus musterte erneut ihre Gestalt und beugte sich plötzlich nach vorne, um seine Hand auf ihren Bauch zu legen, unter seiner flachen Hand wölbte sich ihre Bauch, so fest, wie es gutes Essen nicht formen könnte, Marcus Augenbrauen wölbten sich noch mal einen Herzschlag in die Höhe, so, so, schwanger war das junge Ding also; Marcus zog seine Hand wieder zurück. Eigentlich war es ihm egal, ob sie schwanger war oder nicht, für sein Bett wäre sie sowieso nicht in Betracht gekommen, sie war einfach nicht der Typus von Frau, der ihn anregen oder erregen konnte. Und wenn es nicht seine Sklavin war, gönnte Marcus auch jedem Sklaven das Vergnügen, was zu einer solchen Schwangerschaft führen konnte. Ohne ein Wort über ihren Bauch zu verlieren, lehnte sich Marcus wieder zurück.


    „Schmackhaft ist schon immerhin besser als ein: So ein Geflügel esse ich nicht oft! Komm, greif noch zu, denn Schwanenfleisch wirst Du bestimmt wirklich nicht oft bekommen!“


    Marcus schob ihr aufmunternd die Platte mit dem weißen Geflügelfleisch zu, während er sich etwas von der gebratenen Taube nahm, der daneben lag und in einer rötlich, pfeffrigen Soße schwamm. Schon kam der Sklave zurück, eine tönerne Schüssel mit sich tragend, in denen tatsächlich große Schneckengehäuse lagen, gefüllt mit dem Fleisch dieser Tiere und pikant gewürzt, zudem war das Fleisch gemischt mit anderen Zutaten, die wohl immer ein Geheimnis des Koches bleiben würden, Marcus wußte nur, daß diese Schnecken einfach ambrosisch schmeckten, darum ließ er sie sich auch gleich reichen, um mit dem silbernen Spieß, der daneben lag, das Gefüllte aus der Schnecke zu pulen und in seinem Mund verschwinden zu laßen.


    „Greif' ruhig zu, puella, ich habe genug zu Essen hier, außerdem ist das erst der erste Gang! Auch etwas Schnecke, puella?“


    Daß er gedachte bis Sonnenuntergang mindestens zu speisen, womit erster Gang die Dimension seiner Gelüste noch mehr verdeutlichen würde, das erwähnte Marcus nicht. Er hob die Schüssel an und hielt sie ihr entgegen, falls sie sich daraus bedienen wollte. Dabei musterte er sie erneut, wäre doch zum Mäusemelken, wenn er nicht doch noch etwas Unterhaltsames aus dem verschloßenen Mädchen heraus bekam, denn langsam fing sie an, ihn zu langweilen. Marcus stellte die Schnecken auf den Tisch, immer noch in Reichweite von Bridhe und erneut zu dem vollen Weinbecher.


    „Weißt Du, puella, in Parthia gibt es die ein oder andere Geschichte, die sich die Menschen dort erzählen. Ich habe von einem jungen Mädchen, die als Sklavin bei mir gelandet ist, vor einiger Zeit eine Geschichte gehört. Es ging um einen Shah in Shah, der höchste parthische König, der einen riesigen Harem hatte. Ein Harem ist ein Ort voller Frauen, die alle seine Ehefrauen sind. Die Parthermänner dürfen nämlich über hundert Frauen haben...nun, dieser Shah war dennoch nicht zufrieden mit den Frauen, obwohl sie die Schönsten aller Länder waren, blond und blauäugig, dunkel und schwarz haarig, alles war dort vertreten. Jede Nacht holte er eine von ihnen zu sich und schon am Morgen wurde er ihrer überdrüssig; er ließ sie hinrichten. Bis eines Tages eine junge Frau zu ihm kam, die alles veränderte, denn sie lockte ihn nicht mit ihren Reizen, sie spielte nicht die schüchterne Frau, sondern sie vermochte ihn mit spannenden Geschichten um den Finger zu wickeln. Die Frau überlebte diese Nacht und noch viele weitere.“


    Marcus lächelte als er an die Geschichte dachte, die ihm das Mädchen erzählt hatte, wo hatte er sie noch gekauft? Marcus wußte es nicht mehr, aber da sie ihn an seine Tochter erinnert hatte, darum hatte er sie damals erworben. Marcus schob sich noch ein Stück Fleisch in den Mund, kaute und sah zu Bridhe, ehe er anfügte:


    „Welch Glück, daß wir Römer doch zivilisiert sind im Gegensatz zu den Parthern und so was nicht in Rom vorkommen würde.“


    Was nicht ganz stimmte, wenn man an so manch einen Kaiser zurück dachte, der sich ähnlich seinen Frauen oder sogar seiner eigenen Tochter entledigte, nur, daß diese Kaiser – im Gegensatz zum Shah – noch einen erlogenen Grund vor schoben, wie Untreue und Ehebruch. Marcus sah Bridhe an, ob sie die Andeutung verstanden hatte?


    „Nun, puella, vermagst Du auch etwas zu dieser Unterhaltung bei zusteuern oder sollte ich Dich doch besser wieder in die Küche schicken, oder dorthin, wo auch immer Du arbeitest? Kannst Du singen? Kannst Du tanzen? Geschichten erzählen? Mich erheitern? Wenn ja, fühle Dich frei, lebe es aus!“


    Gutmütig lächelnd – was im starken Kontrast zu der düsteren Geschichte stand - machte Marcus eine einladende Geste und lehnte sich erwartungsvoll in die Kissen der Kline zurück.

    [Blockierte Grafik: http://www.imgnow.de/uploads/Paseas7e6jpg.jpg] | Der Medicus: Paseas


    Ganz ruhig hielt der medicus die Tafel auch nicht, während sie der Valerier entziffern mußte, der Hellene lauschte dem, was Tacitus laut vorlas und nickte schließlich ehe er die Tafel wieder an den Ort zurück legte, wo er sie auch hervor geholt hatte. Während er die tabula nahm, die Appius dem Valerier mitgegeben hatte und wo die Angaben zu dem jungen Römer standen, ging er langsam drei Schritte auf Tacitus zu, und schrieb etwas auf dieses Täfelchen.
    „Gut, gut, das ist doch ein recht gutes Sehvermögen, Valerius. Bei den kleinen Buchstaben hat fast jeder Schwierigkeiten.“
    Er reichte Tacitus die Tafel.
    „Bestanden. Somit bist Du für die Legion tauglich und es müßte dem nichts mehr im Wege stehen, daß Du ein probatus wirst. Gratulatio!“
    Der Grieche lächelte einen Herzschlag lang, ehe jenes Lächeln wieder aus dem Gesicht verschwand.
    „Nehme diese Tafel wieder mit und zeige sie in der Ausrüstungskammer vor, damit sie auch überprüfen können, ob Du wirklich Anspruch auf Deine neue Ausrüstung hast, Valerius!“
    Paseas reichte die Schrifttafel, die Kleine, an Tacitus zurück.
    „Willkommen in der legio, Valerius Tacitus!“




    ---> Ausrüstungskammer

    [Blockierte Grafik: http://www.imgnow.de/uploads/Paseas7e6jpg.jpg] | Der Medicus: Paseas


    Etwas skeptisch musterte Paseas den jungen Mann vor sich, denn von irgendetwas mußte doch diese Bläße herkommen, die er im Gesicht des Römers zu erkennen meinte, auf den Rückschluß, es könnte mit dem valetudinarium zu tun haben, kam der Grieche in dem Augenblick lang nicht, er sah prüfend in das Gesicht des Anwärters und ließ dann den Blick auf die Hände hinab schweifen, um sie einige Herzschläge lang mit den Augen zu fixieren, doch er konnte kein signifikantes Zittern erkennen, was sonst einen Verdacht in ihm geweckt hätte. Ein weiteres Mal sah Paseas auf die Tafel und nickte zufrieden.


    „Gut! Du kannst lesen, sehe ich hier!“
    Paseas ging zu dem Schrank und zog eine Tafel hervor, die etwas mehr als einen Ellen lang war.
    „Dein Körper scheint bis jetzt recht tauglich zu sein, mal sehen, wie das mit Deinen Augen ist. Ein blinder Soldaten ist nicht gut für die Legion, mehr für die Dichtkunst! Also, schön die Zeichen ablesen von da hinten, wo Du stehst, Valerius! Laut vorlesen, wenn ich bitten darf!“


    Bis zum Ende des Raumes war Paseas gegangen und hatte die tabula dann angehoben, mit der Vorderseite zu Tacitus, damit dieser schön von der Tafel lesen konnte.



    L E GE R E


    P O T E [SIZE=6] S[/SIZE]


    P RO [SIZE=7]B[/SIZE] [SIZE=6]A[/SIZE] [SIZE=5]T[/SIZE] [SIZE=5]U S E S[/SIZE]


    [SIZE=4]G R A T U L A T I O[/SIZE]

    [Blockierte Grafik: http://www.imgnow.de/uploads/Paseas7e6jpg.jpg] | Der Medicus: Paseas


    „So? 18? Gut, gut!“


    Ja, so jung sah der Römer auch aus. Aufmerksam lauschte Paseas an der Brust des Römers, horchte auf rasselnde Geräusche, auf ein Pfeifen oder Keuchen, doch das war nichts, gar nichts. Paseas seufzte einmal tief - wegen seines Neides auf die Jugend des Römers - und richtete sich auf; noch einmal achtzehn sein dürfen, das fände Paseas doch reizvoll, den griechischen Wehrdienst gerade hinter sich gebracht und wieder in den erhabenen Hallen, wo er sein Wissen mehren und bereichern konnte, es schien eine Ewigkeit für ihn her zu sein. Und natürlich hatte der Grieche wie alle Männer, die mal ein gewißes Alter erreicht hatten, die Angewohnheit die Dinge der Vergangenheit in einem gar allzu guten Licht zu betrachten und die Schattenseiten zu verdrängen, schließlich war Paseas eigentlich recht zufrieden mit seiner Arbeit hier am Museion, er hatte Freundschaft zu einigen Römern schließen können und hatte sogar eine junge Frau und eine kleine Tochter, was wollte ein ehemaliger Sklave schon mehr? Nur der Krieg, der war ihm ungelegen gekommen. Paseas ergriff die Schultern von Tacitus.


    „Schön locker halten...genau...“
    Dann fing er an ihn leicht zu schütteln und horchte, ob er etwas vernahm. Zufrieden nickte der Grieche und ließ Tacitus wieder los.
    „Gut, das Herz eines Löwen hast Du, junger Mann. Gute Voraussetzungen für Deine Grundausbildung.“
    Paseas ergriff die Tafel und schrieb dort schnell etwas hinauf.
    „Du kannst Dich wieder anziehen, Valerius!“
    , murmelte er versunken als er schrieb. Dann meinte er etwas deutlicher.
    „Wie viel Wein trinkst Du ungefähr am Tag? Sonstige Dinge, die Du zu Dir nimmst...bestimmte Kräuter?“
    Paseas sah von der Schreibtafel auf und sah Tacitus von der Seite an.
    „Hände ausstrecken!“
    Womit Paseas prüfen wollte, ob Tacitus seine Hände auch ruhig halten konnte.

    [Blockierte Grafik: http://www.imgnow.de/uploads/Paseas7e6jpg.jpg] | Der Medicus: Paseas


    Ungerührt wartete der medicus ab, bis sich Tacitus von seiner Kleidung entledigt hatte und nun so, wie Prometheus sie einst geformt hatte, vor ihm stand. Der Grieche trat auf Tacitus zu und musterte ihn prüfend und mit kritischen Augen von oben bis unten, wobei er, wenn er das ganz oben sehen wollte auch hoch schauen mußte, denn der Römer war ein gutes Stück größer als der Grieche, der nur von durchschnittlichem Wuchs war und sogar einen leichten Bauchansatz unter seinem griechischen Gewand hatte, selbst wenn er sonst mehr von hagerer Gestalt war. Aber man sah dem Hellenen an, daß er seit seiner Jugend eindeutig die Zeit in einem Gymnasion versäumt hatte und wohl auch nicht den campus der Legion zu nutzen wußte.


    „Arme ausstrecken!“
    , wies der medicus den jungen Mann an.
    „Wie alt bist Du?“
    , fragt er ihn als er anfing seine Schultern abzutasten, zu prüfen, ob mit den Gelenken alles in Ordnung schien. Es knuffte und zwickte ab und an dort, wo der medicus hin faßte. Die Arme wurden ebenso überprüft, dann wanderte der Mann hinunter und untersuchte auch noch die Knie- und Hüftgelenke, zudem die wichtigsten Sehnen am Körper. Schließlich richtete sich der Grieche wieder auf und preßte seinen Kopf - mehr sein linkes Ohr - an die Brust von Tacitus, um erst dem Herzschlag zu lauschen und anschließend etwas nach rechts sich zu verlagern.
    „Tief ein- und ausatmen bitte! Nochmal...nochmal...!“

    Marcus rieb sich mit dem Daumen am Kinn und dachte einen Augenblick lang über die Antwort von Licinus nach, kratzte die Informationen, die er über den neuen Tribun hatte zusammen und die waren leider recht spärlich; daß er wohl fähig war, als er in der Verwaltung damals sich betätigte, das hatte sich sogar bis zu Marcus' Ohren durchgeschlagen, diese Information, aber er entsann sich auch noch dämmrig an eine Konfrontation, der der vorige praefectus mit der Verwaltung von Mantua hatte, oder war es der Legat gewesen, der nicht den nötigen Respekt von den Bürohengsten erhalten hatte? Es war wohl doch mehr aus dem officium des vorigen Legaten, wo einer der Verwaltungsleute damals ziemlich aufgelaufen war. Marcus zuckte mit der Schultern, denn wirklich wußte er es nicht mehr, wer jener Mann damals gewesen ist, der dem Legaten Scherereien gemacht hatte und für ihn war ein Tribun eigentlich auch mehr nur Beirat und – selbst wenn diesem nominell das Kommando über die Legion zufallen konnte – zudem würden sie wohl selten mit ihm zu tun haben.


    „Ach, sind das nicht die meisten dieser senatorischen tribuni?“
    , fragte Marcus und zuckte mit der Schulter.
    „Ich meine, die Leute, die heutzutage in die Politik gehen, kommen nun mal aus dem zivilen Bereich und strampeln dann ihre Zeit bei uns ab, was kann man da schon anderes erwarten?“
    Marcus sah Licinus viel sagend an. Daß ihr derzeitiger Legat da etwas anders war, bestärkte Marcus nur im Glauben, eine Ausnahme von der Regel gesehen zu haben, aber daß ein Soldat sich hoch diente, dann in die Politik ging und dann wieder zurück zur Legion kam, war auch mitunter eine Seltenheit geworden.
    „Hauptsache er baut keinen Unfug, und wenn er es doch tut...“
    Marcus grinste breit.
    „...läßt er sich hoffentlich wenigstens verbeßern und lernt noch was daraus. Ob er jedoch ein eitler Pfau ist, wird sich noch zeigen...“
    Und dann konnten sie sich schon alle freuen, auf eine anstrengende Zeit.


    Augenblicklich bekam er dann doch noch die Antwort, mit der er gar nicht mehr gerechnet hatte, aber puh!, hatte Marcus doch nichts Falsches gesagt 8) und es schwebte wohl auch nicht noch etwas Altes im Raume, dessen sich Marcus einfach nicht bewußt war, weil er die Fettnäpchenfelder, die er so gerne betrat, selten bemerkte, selbst wenn er schon lange darin stand; Marcus grinste schief.
    „Die Unterkünfte...tja, bei uns hat es in der Zeit einen Ratteneinbruch gegeben, da müßen wir auch noch einiges ausbeßern in der nächsten Zeit. Haben sich Deine Männer wieder gut eingelebt in Mantua?“
    Beiläufig sollte die Frage klingen, aber Marcus wollte eigentlich eruieren, ob womöglich auch an manchen Tagen eine etwas düstere Stimmung über den Männern lag, oder lag sie nur auf Marcus, der das wiederum in seinen Männern zu sehen glaubte, selbst wenn dem nicht so war?

    Goldener Regen ähnlich tanzten die feinen Staubflocken durch die Eingangshalle, dem mit Marmor geschmückten, großen Raum, der von der Sonne angenehm erhellt wurde. Goldene Funken, die die Sonne in das atrium geschickt hatte, so kamen Marcus die Staubkörnchen vor, die vor seinen Augen ein Reigen aufführten. Gedankenverloren betrachtete Marcus die junge Epicharis vor sich und sah das goldene Glimmen um ihr Haupt, den warmen Schein der Sonne, der ihr dunkles Haar zum Glänzen brachte. Eine Nymphe der Luft hätte Epicharis in dem Moment sein können und es hätte Marcus nicht verwundert; als ob die Strahlen sie mit dem güldenen Schein herunter gesandt hatten. Sehr viel mehr interessierte sich Marcus für die Konturen ihres Gesichtes, für die schöne Wölbung ihrer Lippen, der Glanz - der Zarte auf dem roten Erdbeermund-, ihre Augen, die lebhaft ihren vor Worten sprudelnden Mund begleiteten. Schön, fand Marcus dieses Bild, darum rauschte mindestens die Hälfte von dem, was ihm gesagt wurde, an Marcus vorbei. Deandra – Schwester, Corvinus – Verlobter, Deandra und Corvinus – Bruder und Schwester, dann doch wieder nicht oder wurden sie Geschwister durch Adoption, nein, eine Adoption, um die vorige Adoption aufzuheben, Marcus hatte den Faden verloren. Versunken antwortete er etwas, was wie: „Typisch Clau...“ klang, aber Marcus war dann doch noch geistesgegenwärtig genug es rechtzeitig abzuwürgen, schließlich war Epicharis auch eine Claudia. „Aha!“ folgte einem „Hm?“ und einem „Hmh!“, was er immer mal wieder als Antworten einstreuen ließ, damit Epicharis nicht gekränkt war, weil sie meinte, daß er nicht zu hörte, natürlich tat er das auch nicht wirklich, denn er war mit anderen Dingen beschäftigt – nämlich ihren Anblick und die Freude wieder in der Heimat zu sein.


    Alle Worte, alle komplexen Zusammenhänge waren jedoch wie mit einem kräftigen Windstoß hin fort geweht, nun, da er Epicharis' Lippen erspüren konnte, er sanft ihren Körper an sich zog und ganz von ihrem köstlich süßen Duft eingehüllt wurde, derart ihn nur wenige Frauen - solche Frauen wie Epicharis! - besaßen und der einmalig auf der Welt war, zudem den Männern mit Leichtigkeit den Verstand rauben und ihm die Sinne verwirren konnte. Es war jener Wohlgeruch, den nur eine Römerin ausstrahlte, eine Vornehme hinzu, und es war schon viele Jahre her, daß Marcus diesen Geruch so nahe an seiner Nase gehabt hatte, selbst wenn das letzte Mal, daß er mit einer Frau – aus dem Troß – engeren Kontakt hatte, gerade mal ein paar Wochen her war, eine Woche bevor er verletzt wurde. Der Geruch drang tief bis zu den Bereichen, die all jene Daimonen enthielten, die noch im Moment von ihm gezügelt waren, schließlich war Epicharis ein besonderer Mensch für ihn und er wollte sie nicht gleich damit verschrecken, wie roh und ungehemmt er eigentlich in solchen Situationen war. Und bei Venus, das fiel Marcus sehr schwer, mit jedem Herzschlag lang wurde sein Atem schwerer und sein Wille sich zu beherrschen schien wie eine dünne Eisfläche in dieser Frühlingssonne dahin zu schmelzen. Seine Hand wanderte schon tiefer, um Epicharis noch etwas fester an sich zu ziehen, die Wesen aus seinem Inneren dabei etwas lockere Zügel überlaßend, doch schon löste sie sich von ihm, vielleicht gerade noch rechtzeitig um Marcus vor einer Dummheit zu bewahren.


    Die Augen selber offen, hatte Marcus gesehen, wie Epicharis ihre Augen schloß, während sie sich küssten. Nun sah er nur einen kurzen Augenblick lang in ihre dunklen, großen Augen ehe sie ihren Kopf an seine Schulter legte; Marcus atmete ein Mal tief ein und aus, selbst wenn er immer noch den zarten Duft von ihr in seiner Nase spürte, so vermochte er doch wieder die auf flackernde Glut in sich unter Kontrolle zu halten. Sanft ruhten seine Hände auf ihrem Rücken, während er erneut die seidigen Haare spüren konnte, die sein Kinn streifte, wie die sachte Berührung einer Feder, auch etwas, was wohl den Frauen eigen zu sein schien; aber insgesamt hatten Frauen – seiner Meinung nach! - etwas zartes und leichtes an sich, was ein Mann niemals haben könnte, geschweige denn ausstrahlen. Marcus lächelte und legte seine Wange an ihren Kopf, dabei hoffend, nicht gestört zu werden im atrium. Aber scheinbar hatten die Sklaven ein Einsehen und hielten sich dezent und unsichtbar im Hintergrund und auch kein Claudier war in Sicht, der ihr erstes Zusammentreffen nach so langer Zeit hätte stören können. Drei Herzschläge lang zauderte Marcus, denn ein solches Versprechen war schon eine Herausforderung der Schicksalsgöttinnen, aber dann verschwanden die Bedenken in Marcus, schließlich konnte er nur das Versprechen, was in seiner eigenen Macht lag, geben.


    „Das verspreche ich Dir, Epicharis!“


    Marcus hob den Kopf an und legte abermals seine Lippen auf ihr dunkles Haupt, um sie an ihrem Scheitel zu küßen und seine Wange wieder an ihre Haare zu legen, die sich doch so herrlich an fühlten. Dabei wunderte er sich ein wenig über sich selber, schließlich war das nicht seine Art, aber Epicharis hatte eine so strahlende und bezaubernde Art an sich, der er sich einfach nicht entziehen konnte, obwohl er es am Anfang durchaus noch versucht hatte, als er von Hannibal erfahren hatte, was die neuesten Pläne seiner Mutter waren und ihn damals nicht sonderlich beglückt hatten. Eine Weile lang hielt Marcus seine Verlobte stumm und so überraschend innig in seinen Armen, genoß es einfach, endlich wieder zu Hause zu sein und bei ihr. Dann hob Marcus den Kopf an, ebenso seine Hand, die er unter ihr Kinn wandern ließ, um dieses ein wenig anzuheben. Er lächelte die junge Frau erfüllt an und sog ihren Anblick, der für alles stand, was sich Marcus in den letzten Monaten erträumt hatte, in sich auf.


    „Nun, stella mea, es wartet weder Dienst, noch Verpflichtungen auf mich, ich habe den ganzen Tag Zeit, nein, was sage ich, die ganze nächste Zeit. Wie wäre es, wenn wir die Zeit nutzen und etwas Schönes zusammen unternehmen? Fern Deiner Familie und dieser villa hier?“