Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Von der Anstrengung waren Marcus' Wangen gerötet, die Humpelei hatte ihm etwas Schweiß auf die Stirn getrieben. Marcus lehnte sich auf die rechte Krücke und ließ sich von seinem Sklaven, der ihm auf den Fuß folgte, ein Tuch reichen, womit er sich die Stirn abwischte. Herrje, wenn man so humpelte und stolperte, sich anstrengte, konnte man zwar leicht mal die Höflichkeit vergeßen, aber ganz und gar, das ging ja nicht an, so befand Marcus – und hätte sicherlich auch seine Mutter, die bei solchen Gelegenheiten nur eine minimale Bewegung mit den Augenbrauen machte, dennoch damit gekonnt ihre Mißbilligung ausgedrückt hätte über Marcus Verhalten, bzw. dem mangelnden Gruß. Er reichte das Tuch an seinen Sklaven zurück.


    Salve!“
    , holte Marcus nun den Gruß nach. Das war eine gute Frage, die Florus stellte, denn eigentlich war es ja völlig hirnverbrannt von Marcus gewesen, jetzt schon die villa zu verlaßen, aber er hatte die Ergebnisse selber bringen müßen, so zufrieden war er damit, selber Hand angelegt zu haben. Aus dem Grund glomm auch prompt der Stolz über das eigenhändige Lösen der Fragen in Marcus auf, seine Augen blitzten – trotz der Verletzung! - vergnügt und er lächelte breit.
    „Oh, ich habe gerade das dritte Examen gelöst und möchte unbedingt selber die Antworten abgeben!“
    Marcus Lächeln wurde zu einem schiefen Grinsen.
    „Ich will mal hoffen, daß die Antworten auch richtig sind!“
    Aber das würde er erst in einiger Weile erfahren, wenn derjenige, der dafür zuständig war – und das wußte Marcus nicht so genau, wer das tat! - die Antworten korrigiert hatte.
    „Aber wenn ich mich vorstellen darf? Ich bin Flavius Aristides, centurio der legio Prima!“

    [Blockierte Grafik: http://www.imgnow.de/uploads/Paseas7e6jpg.jpg] | Der Medicus: Paseas


    Zwei hohe Regale standen an der einen Wand, während ein schmales Fenster an der Rückseite einen Blick nach draußen gewährte, dort, wo es frische gute Luft gab und auch die strahlende Sonne, doch selbst wenn es in den Gängen hier nach brennenden Kräutern roch, die die Miasmen vertreiben sollten, so waren die Behandlungszimmer doch deutlich heller als jener Raum, den Tacitus gerade betreten hatte. Paseas stellte den Topf in das Regal zu den anderen Tiegeln und Töpfen, die dort standen, und wandte sich dem Neuankömmling zu. Er lauschte dem Begehren jenes Nochzivilisten und eventuell baldigen probatus, denn seine Untersuchung würde über die Aufnahme jenes Valeriers entscheiden. Paseas ergriff die tabula und sah auf die schrecklich winzige Schrift, die Appius dort hinterlaßen hatte, er hielt die Tafel ins Licht und überprüfte die Angaben, dann nickte Paseas zufrieden.


    „Gut, dann wollen wir gleich mal anfangen, junger Mann!“
    , meinte Paseas, der zwar ein astreines Latein sprach, aber seinen griechischen Akzent nicht unterdrücken konnte.
    „Ausziehen!“
    , wies er Tacitus an.

    Eine Schar von Tauben hatte sich auf dem Dach über ihm nieder gelassen, sie saßen aufgereiht auf dem Dachsims und plusterten ihr Gefieder auf, streckten ihre Köpfe oder gurrten kräftig vor sich her, Marcus griff nach einer Olive und überlegte, ob er wohl die Tauben verscheuchen sollte, aber am Ende waren sie noch ein Omen und er lud damit Pech und Unglück auf sich, nein, nein, so was riskierte Marcus nicht, nicht, wo er nun wieder in der Heimat war und fern von den Gefahren des Krieges. Am Ende rutschte er noch im balneum aus und brach sich glatt das Genick, das wäre ein noch erbärmlicherer Tod als durch eine Mistgabel. Marcus warf die Olive hoch und versuchte sich mit seinem Mund aufzufangen, doch er traf nur seine Wange, die Olive kullerte an ihm herab und fiel in das Blumenbeet neben ihm. Marcus zuckte mit der Schulter und griff bereits nach der nächsten Olive, um selbiges Unterfangen noch mal zu probieren. Doch schon näherten sich die Schritte der jungen Frau, die er gerade noch zu sich gerufen hatte, Marcus betrachtete die Frau eindringlich und musternd – unverhohlen von oben bis unten schauend! - dabei entging ihm nicht, daß sie wohl den Hang zur Rundlichkeit hatte, eben kein dürres Mädchen war, Marcus mochte die kurvigen Frauen doch sehr viel mehr und magere Gerippe konnten nichts in ihm wecken. Aber ob sie von einem gesunden Appetit so rundlich war oder dann doch durch eher einen ganz anderen Umstand, das vermochte Marcus nicht im ersten Moment einzuschätzen, aber letztendlich war es ihm auch egal, die junge Frau war zwar hübsch und besaß ein ansprechendes Äußeres, aber diese Bläße und der nordische Typ, der durchaus ihr anzusehen war, der war nichts für Marcus' Geschmack.


    Aber die Frau vermochte immerhin das Wohlgefallen seiner Augen zu gewinnen, darum scheuchte er sie nicht gleich wieder weg. Außerdem war es Marcus nach ein wenig Gesellschaft und der Sklave, der ihm den Wein kredenzt hatte, war viel zu verschüchtert, um auch nur ein Wort heraus zu bringen, was nicht wie ein gequältes Mäusepiepsen sich anhörte. Leider war niemand von der Familie im Haus, zumindest hatte er Gracchus nicht gesehen, wahrscheinlich war dieser wieder in höchst pontifikischen und wichtigen Angelegenheiten unterwegs, und sein anderer Vetter wohl in Marsgebeten versunken. Aber was war schon ein Essen ohne nette Gesellschaft? Ziemlich triste und das wollte sich Marcus gewiß heute nicht antun. Täuschte er sich oder war die Frau – Marcus hatte den Impuls sie in seinen Gedanken mehr ein Mädchen zu nennen, sie hatte so etwas schüchternes an sich, das sie noch jünger machte – etwas grün um die Nase? Na, hoffentlich war sie nicht krank und veströmte die schlechten Miasmen auf ihn, denn eine Erkältung oder sonst ein Leiden konnte er im Moment wahrlich nicht gebrauchen. Herrje, dachte er sich, schüchtern ist sie wirklich! Denn sie schien mehr die Grashalme am Boden und die Blumen daneben zählen zu wollen als aus den Weinbechern zu probieren, wie er es doch gerade gesagt hatte. Wäre sie nur bemüht, dienlich zu sein und nichts falsch zu machen, dann hätte sie sicherlich gleich nach dem ersten Pokal gegriffen, doch womöglich traute sie sich nicht und glaubte, Marcus würde seine derben Scherze mit ihr treiben, um sie danach zu bestrafen für ihre Unverschämtheit aus dem selben Becher wie er getrunken zu haben.


    Nun, weit her geholt wäre eine solche Annahme nicht, denn Marcus gehörte nicht zu den Patriziern, die Unverschämtheiten hin nahm und keine Strafe aussprach, auch nicht die Peitsche im Keller vermodern ließ, wenn sie doch mehr am Rücken eines frechen Sklaven gebraucht wurde. Denn am Ende hatte man nur ein dreistes Sklavenpack, die ihrer Arbeit schludrig nachgingen. Aber dann war er auch nicht wie sein Bruder, der sogar eigenhändig das Folterinstrumentarium nutzte oder wie die liebreizende Leontia, die ähnliche Vorlieben hegte, auch sein Sohn schien mehr nach dieser Familienlinie geschlagen zu sein. Nein, Marcus war mehr pragmatisch in dieser Hinsicht- Strafe, wenn Strafe sein mußte! Marcus seufzte leise in sich hinein und betrachtete das schüchtern-verlegene Gesicht der blaßen Schönheit vor sich, na, vielleicht war sie ja noch aus der Reserve zu locken. Aber Marcus war jetzt langweilig und er wollte jetzt Gesellschaft! Er sah auf und zu dem Sklaven, der ihm eben noch den Wein eingeschenkt hatte.


    „Laße sofort eine weitere Kline hier heraus tragen, aber dalli und zwar sofort, ja?“


    Der Sklave machte hastig auf dem Absatz kehrt, Marcus grinste gutmütig, denn er wußte, daß er dem Sklaven damit eigentlich einen Schreck eingejagt hatte, obwohl Marcus es eigentlich nicht vor gehabt hatte, aber die Zeit in der Legion hatte seinen Befehlen einen noch schärferen Klang gegeben, was Marcus nicht immer merkte, erst, wenn er die Reaktionen der Empfänger sah. Marcus legte den Kopf zurück und warf die Olive wieder in die Luft, doch abermals flog sie weit vorbei und würde womöglich im nächsten Jahr im Garten als kleiner Sproß wachsen, bis gnadenlose Sklavenhände ihn aus der Erde rißen. Derweil antwortete er Bridhe nicht, sondern ließ sie direkt neben sich stehen. Es dauerte nicht sehr lange, da kam schon der Sklave zurück, mit einem anderen Sklaven, der ihm beim Tragen einer weiteren Liege half, die sie aus dem triclinium geholt hatten, sie war tief rot und mit goldenen Kordeln gesäumt, aber genauso weich und dekadent gepolstert wie die, auf der Marcus gerade gemütlich lag und es sich gut gehen ließ. Die Sklaven setzten die Kline ab, so daß sie mit der zweiten Kline eine L-Form bildete. Marcus deutete mit einer freien Hand – die Andere nutzte er gerade, um etwas von dem Zicklein zu nehmen! - auf die Kline.


    „Du leistest mir Gesellschaft, Venustas! Nimm' Platz dort!“


    Sein Tonfall machte deutlich, daß es keine Bitte war, sondern ein Befehl, denn natürlich hatte Marcus schon beim ersten Wort von Bridhe erkannt, daß es eine Sklavin war – was auch nicht sehr schwer war bei der Anrede. Marcus kaute auf dem mit Knoblauch stark gewürzten Fleisch herum und betrachtete nachdenklich die junge Frau. Sie würde ihm mindestens so lange Gesellschaft leisten müßen bis sie ihn langweilte oder die Tänzerinnen auftauchten, nach denen er hatte schicken laßen, nebst der anderen Gesellschaft, nach der es Marcus – seit Wochen das erste Mal wieder – verlangte. Marcus aß noch einen weiteren Bißen, ehe er wieder weiter sprach:


    „Mir scheint, Du weißt den alten flavischen Wein aus dem Keller nicht zu schätzen, kann das sein, Venustas? Hm?“


    Marcus grinste breit und griff nach einem der fünf übrigen Pokale und nahm nun selber einen tiefen Schluck davon. Hm, ein Hauch von Kirsche und Lavendel schien er darin zu erschmecken, es war schon immer wieder erstaunlich welche Aromen ein Wein von der Umgebung aufnahm, in der er heran wuchs, aber natürlich auch, wie er gelagert wurde und welche Behandlung er erfuhr, bis er den Mund des Weinkosters erreichte.


    „Verstehen tust Du mich aber, Venustas?“
    , vergewißerte sich Marcus. Er sah sie prüfend an und beugte sich vor, um etwas von dem Geflügelgericht zu nehmen, was in einer goldenen Soße zubereitet worden war.
    „Magst Du wenigstens davon kosten?“
    Lockend hielt Marcus ihr das weiße Stück Fleisch hin.
    „Eine Delikatesse, nur unser Koch vermag das Fleisch so zu zu bereiten und ich bin mir sicher als Sklavin bekommst Du so etwas bestimmt nicht oft zu essen, hm?“

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    „Eine ordentliche Schröpfung wirkt Wunder, mein Junge, merke Dir das!“


    Der Medicus Paseas war gebürtiger Hellene und schon seit mehr als zehn Jahren ein Arzt für die Rhomäer, denn er hatte das Pech gehabt versklavt zu werden und vor mehr als einer Dekade in das Land der Barbaren – so befand er die Rhomäer immer noch – zu kommen. Doch nach ein paar Jahren hatte er sich die Freiheit erkaufen können und war kurz danach in den Dienst der Legion gekommen, die Soldaten waren zwar bärbeißig, dafür murrten und jammerten sie nicht wie seine vorigen, verwöhnten und verhätschelten Patienten. Der Junge, den Paseas gerade belehrte, war eigentlich schon ein junger Mann, ein Soldat, den er anlernte, damit dieser eines Tages ein anständiger capsarius wurde. Paseas räumte den Tontopf mit den Seeigelingredienzen fort als er das Klopfen vernahm. So kam er nicht mehr dazu, weiter über die Ausgewogenheit der Säfte zu dozieren.


    „Ja, herein, bitte!“
    , rief er stattdessen. Er drehte sich um. Gekleidet war er in einem schlichten, langen und griechischen Gewand, dazu trug er als einzigen Schmuck einen schmalen Goldreif um seine Stirn.

    Ob er aus Versehen einen empfindlichen Punkt getroffen hatte, das fragte sich Marcus schon als ihm Imperiosus auf die Frage nicht antwortete, aber ein paar Trostworte hatte der Artorier immerhin für sein geschundenes Bein übrig, Marcus nickte und hoffte wirklich, daß es schon gut werden würde, aber der medicus hatte heute morgen wieder mal sehr düster ausgesehen als er den Verband gewechselt hatte, außerdem würde Marcus noch einige weitere Wochen mindestens an der Krücke humpeln müßen. Marcus seufzte in sich hinein, spülte das mit einem Schluck Wein herunter und ließ sich noch mal nach schenken, ein Grinsen huschte über sein Gesicht, als er die Frage von Licinus hörte. Tatsächlich hatte er es noch mit seinem signifer vor einer hora über den Annaeer gehabt, der in Mantua gewiß kein unbeschriebenes Blatt war, schließlich hatte der Mann schon in der Verwaltung sich betätigt, selbst wenn Marcus sonst nicht viel wußte, aber irgendwie erinnerte er sich noch daran, daß jener Mann mit dem Aurelier wohl gleichzeitig in Mantua gearbeitet hat, lange schien es her zu sein.


    „Man stecke einen Verwaltungsgaul in eine Rüstung und er meint, ein Streitroß der Reiterei zu sein!“
    Marcus Grinsen wurde noch breiter und fand den Vergleich höchst gelungen, aber Marcus konnte auch gut über seine eigenen – oftmals sehr schlechten – Witze herzhaft lachen.
    „Ich hab gehört, sein Einzug in das Kastell soll sehr...ähm...prunkvoll gewesen sein!“
    Jetzt gluckste Marcus, ach ja, die Politiker schienen doch aus dem selben Schlag zu sein, er würde so was durchaus auch seinen beiden Vettern zu trauen, ganz gewiß Gracchus, der bestimmt genauso stolz so eine lächerliche Rüstung zum Tor tragen würde.

    Die grauen Wolken der vorigen beiden Tage hatte sich verzogen, bedeckten nicht mehr den Himmel und schwebten auch nicht mehr erdrückend über der ewigen Stadt, dem pulsierenden Herzen des Imperiums. An diesem Tag strahlte die Sonne vom blauen Himmel, vertrieb die letzten Wolken, die immer wieder in den letzten Tagen den Regen auf die Stadt praßeln ließen, und weckte die Lebensgeister von Mensch und Tier. An vielen Stellen erstrahlten die Blüten des Frühlings, die nur durch den kurzen Regen triste gewirkt hatten. Und auch Marcus' Kräfte und seine Lebenslust waren zurück gekehrt, nun, wo er doch einige Zeit in dem Haus seiner Familie wohnen und sich dort erholen konnte, von den Strapazen eines langen Krieges, aber auch von den Verwundungen, die er erlitten hatte.


    Es waren schon einige Tage ins Land gezogen, seitdem er aus Ravenna nach Rom gekommen war; an diesem heutigen Tage hatte es Marcus an die frische Luft gezogen, und da er es immer noch als sehr anstrengend empfand, mit den Krücken zu laufen, hatte er sich nur in den kleinen Garten gesetzt, der von dem Säulengang umgeben wurde. Eine Kline war heraus getragen worden, ein Tisch dazu und beides neben den kleinen Brunnen in der Mitte gestellt, der von einer griechischen Nymphe bewohnt wurde, aus deren steinernen Amphore munter das Wasser plätscherte. Ein Kirschbaum, klein und in Form gestutzt, blühte hell und weiß neben ihm, zahlreiche andere Blumen – deren Namen Marcus auch nicht kannte! - taten es dem Baum gleich. Und so saß Marcus auf der Kline unter sonnigem Himmel, ließ sich den warmen Schein in das Gesicht strahlen und fühlte sich bereits viel lebendiger als noch vor ein paar Tagen.


    Und dem war auch der ganze Tag gewidmet, denn Marcus hatte fest vor, nur das zu tun, was ihm Genuß und Freude brachte, alles lästige würde er von sich schieben, alles ärgerliche weit von sich weisen und rein dem Vergnügen folgen. Pflicht und Dienst, Ehre und Rum, Tod und Verderben, all das sollte für diesen Tag und auch die nächste Zeit vergeßen sein. Darum lag Marcus nun gemütlich auf der Kline mit den dicken Polstern und dem dunkelblauen Überzug, sein verletztes Bein lag oben, gestützt von seinem Gesunden. Weder Rüstung trug er, noch eine lästige toga, sondern einfach eine rostrote tunica, die am Rand einen einfachen Goldsaum aufwies. Der tonsor hatte ihn vor einer Stunde auch wieder zu einem ordentlichen Menschen gemacht, sein Kinn war nun wieder schön glatt rasiert und seine Haare höchst römisch geschnitten. Dennoch bedauerte Marcus es noch, daß er heute nicht hatte die Thermen aufsuchen können, aber mit seinem Bein würde er noch einige Zeit lang nicht solche Bäder besuchen können; mußten eben die Vergnüglichkeiten zu ihm kommen.


    Den Anfang machten kulinarische Delikatessen und hervorragende Weine aus Italien und Hispania – Marcus hatte fest vor, den ganzen lieben langen Tag lang zu schlemmen und zu trinken, und noch ein paar andere Unterhaltungsmöglichkeiten ins Haus zu holen, Hannibal – sein Leibsklave – war bereits ausgeschickt worden dafür, selbst wenn dieser wieder mal mit den Augen gerollt hatte.


    Neun Becher aus Silber waren vor Marcus nun aufgereiht und in jedem glänzte ein roter Wein, in ihren Nuancen und Schattierungen der Farbe deutlich unterscheidbar, manche waren hell, andere von einem tiefen Rubinrot, die dem Blute nicht unähnlich waren. Dahinter standen schon eine Platten, auf der ein gefüllter Euter eines Schweines lag, daß noch nicht geworfen hatte, die saftige Leber eines Ebers, der viele Tage lang mit Trüffeln gefüttert wurde und so lange mit Honig vollgestopft, bis er daran gestorben war; zudem fand sich auf einer anderen Platte ein gebratener Siebenschläfer mit einer Koriandersauce bestrichen und im Tontopf gebacken, an dem deftig mit Knoblauch gewürzten Zicklein durfte es auch nicht fehlen, dazu Oliven, Käse, Brot, sprich, der Tisch war voll mit Speisen, die warm dampften und herrlich dufteten. Für eine gute cena würden die Speisen reichen, doch es war gerade mal Mittag und es war kein Gast weit und breit zu sehen. Marcus beugte sich vor und griff nach der Leber, um das zarte Fleisch im Mund verschwinden zu laßen. Ein genußvoller Laut entfleuchte ihm als er die Delikatesse – schier unerschwinglich für einen normal verdienenden Römer – sich munden ließ.


    Noch kauend griff er nach dem ersten Pokal, roch an dem Wein und trank von ihm, dabei schloß er die Augen und ließ den Wein in seinem Mund hin und her wandern, sog die Luft durch seine Nase, um das Aroma des Weines in seiner ganzen Mundhöhle auszubreiten und jede Facette zu erkosten. Er lächelte, ließ sich einen Pokal mit Wasser reichen, nahm etwas Wasser in seinen Mund, spülte ihn über seine Zunge und spuckte ihn in eine Schüssel aus – schließlich trank Marcus kein Wasser, das war doch ganz und gar ungesund, wußte doch jeder! - dann nahm er den zweiten Pokal und vollführte dasselbe Ritual, ebenso mit all den anderen Bechern.


    „Hm! Schwierig!“
    , murmelte Marcus.
    „Der vom Fuße des Vesuvs schmeckt sehr scharf mit einer Nuance von wildem Wachholder und dem Nußholz, in dem er wohl gelagert wird. Das Nußholz dringt zu sehr durch...“
    Marcus schüttelte den Kopf, der Sklave stellte schon mal eine der Weinamphoren, die aus dem Weinkeller der Flavier stammten, zur Seite.
    „Der aus Hispania...ist der von unserer Familie? Ja?...naja, wer keltert den denn? Du weißt es nicht?...Naja, egal...der ist zu jung...zu unreif...“


    Derart kritisch musterte Marcus noch zwei weitere Weine aus, dann blieben noch fünf übrig. Marcus sah nachdenklich auf die Pokale, dann hob er den Kopf. Es würde schwierig werden, den Königswein für den Tag zu bestimmen. Er musterte den Sklaven, nein, der war zu sehr ein Banause, das sah man ihm schon an, dann traf Marcus' Blick eine junge Frau, die er zwischen den Säulen ausmachen konnte, wie lange sie schon da war, wußte er freilich nicht, aber er hob die Hand und winkte sie heran, sie dabei prüfend musternd, denn wer die Frau war, das vermochte er nicht zu sagen, nur, daß sie keine römische Dame war, auf jeden Fall keine römisch Patrizierin, die selbst in der villa auf gewiße Äußerlichkeiten was Kleidung und Schmuck niemals zu verzichten schienen. Hübsch war die junge Frau, aber reichlich blaß, wie die meisten Frauen für Marcus' Geschmack.


    „Venustas, komm' näher!“
    Marcus hoffte, jetzt nicht doch eine Römerin so dreist zu sich gewunken zu haben, aber er hatte nicht davon gehört, daß eine Solche sich in der villa aufhielt.
    „Koste mal den Wein! Alle fünf Pokale und sage mir, welchen Du am Besten findest!“
    Marcus deutete einladend auf die fünf Becher, die in seiner Nähe standen und noch nicht von dem Sklaven entsorgt worden waren.




    SimOff:
    - die junge Frau weiß Bescheid -

    Es gibt bei den Gesetzen auch eine Suchfunktion. Ganz einfach Schola eingeben. ;)


    Der consul überprüft das wohl und hat die Kandidatur angenommen, damit war es wohl ausreichend. Die Person und der Spieler von Aquilius hat aber den CRV, wurde wohl nur noch nicht eingetragen, somit ist da schon alles koscher, keine Sorge.

    Genüßlich streckte Marcus sein eines – noch gesundes! - Bein aus und ließ sich den Wein munden, den er für den Trinkspruch auf Sparsus anschließend in seinen Mund kippte, am Gaumen und der Zunge entlang rieb, den Geschmack auskostete und anschließend runter schluckte. Herrlich war es, wieder anständigen Wein zu trinken, der syrisch-parthische Wein war doch ein elendes süßes Gesöff, was einem schnell in den Kopf stieg und einfach zu süß für Marcus' Geschmack war. Nur bei Kuchen machte er eine Ausnahmen, ansonsten aß er lieber deftig und würzig. Marcus grinste noch breit und betrachtete Sparsus; na, der schien nicht wirklich abgeschreckt von all den Scherzen zu sein, die dennoch ein Fünkchen Wahrheit enthielten. Nun, er würde es schon selber sehen, daß Italia nun mal das liebreizende Italia war, mit dem guten Wein, dem guten Essen und den schönsten Frauen - mal von den nubischen und afrikanischen Ländern abgesehen! -, und Germania war nun mal Germania, kalt, naß und unwirtlich.


    „Das will ich doch hoffen, Iulius. Schicke auch ab und an mal Nachricht, ob die Germaninnen Dich verschont haben oder nicht!“
    , gab Marcus zur Antwort und trank noch einen Schluck. Die Frage von Imperiosus ließ Marcus ein wenig gequält lächeln. Er zuckte mit der Schulter und sah zu Imperiosus rüber.
    „Ja, war ich auch. Eine sehr dumme Sache, die mir paßiert ist...“
    , begann Marcus und rieb sich unwillkürlich das verletzte Bein, knapp über dem Verband.
    „...ich bin leider ein paar übereifrigen und rebellischen Partherbauern begegnet, samt eines Trupps von Soldaten, die uns – während des Nahrungsmittelrekrutierens noch in Parthia – angegriffen haben. Fortuna gibt’s, Fortuna nimmt es wieder, das Glück in der Schlacht und im Kampf.“
    Jetzt, wo Marcus die schlimmste Zeit überwunden hatte, konnte er sogar über das Ganze tatsächlich etwas mehr lächeln, selbst wenn es ihm immer noch in seinem Stolz weh tat, daß ihn so ein Bauernlümmel eiskalt erwischt hatte. Nicht ein Reiter, nicht ein parthischer Soldat oder ein feindlicher Pfeil, nein, eine Mistgabel! Marcus lächelte schief und zuckte ein zweites Mal mit der Schulter.
    „Doch scheine ich es mir mit Fortuna nicht ganz verscherzt zu haben, sie hat mir immerhin noch mein Leben gelaßen.“
    Im Gegensatz zu vielen anderen Soldaten, die in der Fremde gestorben waren, aber das war gewiß weder das richtige Gespräch, noch die beste Runde für solche Dinge.
    „Ich will mal hoffen, daß die launige Göttin mir wengistens in nächster Zeit eine glückliche Hand bei den Würfeln gewährt!“
    , fügte Marcus darum jetzt wieder unbefangen und fröhlich grinsend an.
    „Und bei Dir, Artorius, läuft alles gut? Kennst Du schon alle Namen Deiner Männer auswendig?"

    Durchdringend starrte Appius den Mann vor sich an, ob dieser sich auch wirklich sicher war, aber es schien so und wer war Appius, daß er beurteilte, wer es nicht später bereute und wer mit Leib und Seele Soldat wurde? Das würden jene Männer schon selber heraus finden und der Valerier auch, Appius nickte und kritzelte noch etwas auf die Tafel, dann nahm er eine weitere aus der Sammlung der Vier, die noch eben den Tisch bevölkert haben, er kritzelte einige weitere, kleine Buchstaben dort hinein und reichte sie an Tacitus weiter, damit er jene ergriff.


    „Gut, dann wirst Du jetzt von Kopf bis Fuß von einem unserer Legionsärzte – einem der medici – überprüft, ob Du überhaupt für die Legion taugst, Schwächlinge und Kranke können wir nämlich hier nicht gebrauchen. Dafür wendest Du Dich nach links, aus der Tür in Richtungporta praetoria, dann wendest Du Dich wieder nach links die via principalis entlang, erneut links, dann ist es gleich das zweite Gebäude auf Deiner rechten Seite, das valetudinarium.“
    Noch ehe ein weiterer Atemzug vergangen war, sprach Appius bereits weiter.
    „Danach wirst Du - wenn der medicus diese Tafel hier unterschrieben hat, also gib sie ihm auch! - die Rüstkammer aufsuchen, wenn Du für tauglich erklärt wurdest. Dort läßt Du Dir Deine Ausrüstung geben und kommst anschließend erneut hier her, denn dann werde ich Dich Deiner neuen Einheit zuteilen und dorthin führen, wo Du Deinen Eid ableisten kannst, was Dich dann zu einem Soldaten des Kaisers macht, natürlich erst im Rang eines probatus. Alles verstanden?“




    Sim-Off:

    Es ist Dir überlaßen, im Tabularium Dein Alter anzugeben. Du kannst Dir natürlich auch jetzt schon aussuchen, wie alt Du Deinen Charakter haben willst. Unter dem oberen Menüpunkt: Suum cuique findest Du auch „Meine Tabulariumsseite“. Dort kannst Du neben dem Alter auch Angaben zu dem Aussehen und Herkunft Deines Charakters machen, dann wißen Deine Mitspieler noch ein bißchen mehr über Dich, neben den Beschreibungen, die Du auch in Deine Texte hier im Forum machen kannst.


    Letzter Hinweis: Alles, was in dem Dialog und dem Text rot ist, ist ein Direktlink zum nächsten Ort oder einem anderen Thread.
    Bei weiteren Fragen, einfach eine PN an mich.



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    Buchstabe für Buchstabe verewigte Appius die Antwort des Valeriers auf dieser Tafel, und selbst wenn er in einigen Tagen die Tafel glätten würde, so würde doch alles fein akribisch in die Akte eingetragen werden. Natürlich wußte Appius, daß ein Neuer kein fertiger Soldat war, solche kamen nur in der Prima an, wenn sie von einer anderen Einheit versetzt wurden und dann kamen sie auch niemals zu Appius, sondern gleich zum praefectus oder ihrem neuen centurio. Der Valerier würde schließlich in seiner Grundausbildung alles notwendige lernen und dann mit den Dienstjahren, aber Appius notierte all diese Angaben, damit der centurio des Neuen das schon im Vorfeld wußte und die Ausbildung dem angepaßt werden konnte – oder auch nicht, denn nicht alle der Kommandeure bekamen die Notizen von Appius rechtzeitig zu Gesicht oder kümmerten sich darum. Appius nickte zufrieden, denn alles notwendige war geklärt, jetzt kam noch eine abschließende Frage, ehe er Tacitus weiter schicken würde, zu den medici. Die alles entscheidende Frage und die womöglich die Zukunft jenes Mannes besiegelte.


    „Gut, dann haben wir alles. Bist Du Dir absolut sicher, daß Du der Legion beitreten willst? Du verpflichtest Dich damit für zwanzig Jahre Deines Lebens*, den Legionen unseres Kaisers zu dienen. Du kannst nur unehrenhaft, durch den Willen des Kaisers, nach zwanzig Jahren oder mit den Füßen voran die Legion verlaßen. Klar?“







    Sim-Off:

    * Eine SimOff- Information für Dich: Natürlich sind damit nicht real 20 Jahre gemeint, sondern im Spiel. Frühestens nach 6 Real-Monaten und einem Heraufsetzen des Alters Deines Charakters um zwanzig Jahre wäre eine solche Dienstzeit regulär abgelaufen, natürlich mußt Du nicht innerhalb von 6 Real-Monaten um zwanzig Jahre altern und kannst auch viele Real-Jahre hier in der Legion dienen, das ist alles Dir überlaßen.



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    „So?“
    , murmelte Appius und seine Augen verschmälerten sich,während er den Mann musterte und sich fragte, ob jene erwähnte Anklage zu Recht fallen gelaßen wurde oder einfach, weil die Richter keine Lust auf diese hatten. Appius Meinung war nicht nur schlecht über Soldaten, sondern genauso über die Richter der Stadt, die meist auch Senatoren waren und von Letzteren hielt Appius ja rein gar nichts, denn eigentlich – so fand Appius – hätte der Senat schon lange aufgelöst werden sollen und nur noch der göttliche Kaiser sollte über die Geschicke des Imperiums bestimmen; was Appius an den verstorbenen Iulianus erinnerte und seine Stimmung schlagartig drückte. Kommt auch nicht auf einen Dieb mehr oder weniger in der Legion darauf an! So befand Appius, außerdem hielt er es dem Mann zu Gute, daß dieser es von sich aus erwähnt hatte, was den Verdacht natürlich gleich bei Appius minderte. Er machte sich dennoch ein Kreuz neben jener Sparte, damit in Rom noch mal nachgefragt wurde.


    „Na gut!“
    Appius sah auf die Angaben, dann wieder zu Tacitus.
    „Kannst Du reiten? Schwimmen? Waffenfertigkeiten?“
    Die Liste an Fragen schien kein Ende zu nehmen.
    „Lesen und Schreiben? Sprachen? Handwerk? Sonst etwas nützliches, was man in der Legion brauchen könnte?“




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    Einer jener Schüler, die in der Akademie sich aufhielten, das war auch Marcus Flavius Aristides, der her gekommen war, um die Prüfungsfragen für das Examen Tertium dieses Mal persönlich abzugeben. Er hatte viele der Fragen sogar dieses Mal eigenhändig gelöst und nicht seinen Sklaven – Hannibal -dafür heran gezogen, wie er es bei den letzten Beiden getan hatte, aber dieses Mal war ihm gar keine andere Wahl geblieben, denn es hieß, es gab noch eine mündliche Runde zu dieser Prüfung und Marcus wollte nicht gänzlich ahnungslos da hinein gehen und sich zum Affen machen. Und da er sie in tagelanger Arbeit nun selber gelöst hatte, wollte Marcus die Schriftrollen auch selber zum officium bringen. So hatte er heute seine Sänfte bereit gemacht und war vor der Akademie aus dieser hervor gestiegen, um sich dann auf Krücken - im Gefolge seinen Leibsklaven – stützend in das Gebäude zu begeben. Immer die Augen auf den Boden gerichtet, damit er nicht über plötzlich auftauchende Treppen stolperte, humpelte Marcus – in einer dunkelroten tunica und einer grauen paenula gekleidet – durch die Gänge. Immer mal wieder mußte er pausieren und Atem schöpfen, denn es war kein leichtes, auf Krücken gestützt sich längere Zeit zu bewegen. Immer noch war Marcus reichlich blaß im Gesicht und mit Bandagen und Verbänden – sowohl unter seiner Tunika als auch an seinem Bein-, so jedenfalls näherte er sich dem Annaeer und sah ihn erst im letzten Augenblick und ehe sein Sklave ihn vor warnen konnte. Bevor Marcus mit Schwung und den Krücken jedoch in Florus hinein stolperte, sah er die Fußspitzen des anderen Mannes und hob seine Augen an.


    „Verzeihung!“
    , meinte Marcus, selbst wenn noch nichts paßiert war. Kannte er den anderen Mann? Sonderlich bekannt kam er ihm nicht vor.
    „Gleichzeitig nach oben schauen und mit den Krücken laufen würde mich wohl überfordern!“
    , gab Marcus mit einem breiten Grinsen zu.

    Der Schreibgriffel bohrt sich in die Schicht Wachs, die die Tafel auf der Innenseite überzog und somit die Buchstaben festhalten würde, die Appius für eine gewiße Zeit dort verewigen würde. Und das tat Appius geschwind und mit geübter Hand als er den Namen von Tacitus auf schrieb, dann den Geburtsort und auch die Namen der Eltern, denn schließlich würde das alles in der Akte des Valeriers landen, sobald er mal als Soldat und probatus der Legion aufgenommen worden war, sofern er der Musterung durch die Legionsärzte stand hielt und für tauglich erklärt wurde. Aber Appius fand, daß der Mann eine gesunde Hautfarbe hatte, nicht zu mager oder zu fett war, und er hatte in all den Jahren einen Blick dafür bekommen, wer durch die Musterung fallen würde und wer durch kam. Dennoch: Man konnte nie wißen. Als Appius alles notiert hatte, hob er den Kopf.


    Civis? Valerius? Ich nehme mal an, von der plebejischen gens Valeria?“
    Sicher war sicher, zwar kamen eigentlich so gut wie nie Patrizier zu seinem officium, aber man konnte nie wißen.
    „Zudem: Hast Du irgendwelche Krankheiten?“
    Appius sah dabei genau und taxierend in das Gesicht des Mannes, denn alle folgenden Fragen wollte er wahrheitsgemäß beantwortet haben und da würde er nach Lüge und Unwahrheiten im Gesicht des Anderen forschen.
    „Geisteskrankheiten?“
    Appius Augen blieben dabei kalt, sein Gesichtsausdruck frostig und sonst ausdruckslos.
    „Verbrechen begangen? Schon einmal verurteilt worden?“





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    Wenn schon einmal auf dem forum romanum ließ sich Marcus natürlich auch bei den anderen Rednern sehen, denn selbst wenn er keinen Sinn für die Politik hatte und hoffte, davor verschont zu bleiben – dieses Metier konnten die anderen Männer seiner Familie übernehmen – wollte Marcus doch durchaus wißen, wer denn jetzt so das Sagen in Rom hatte. So ließ Marcus die Sänfte gleich neben seinem Vetter Aquilius herab setzen und lauschte auch dem Mann auf der Bühne, den Marcus lange grübelnd anstarrte, denn er kam ihm bekannt vor, bis es Marcus wieder einfiel, natürlich, der Mann mit Humor von der cena in Mantua, mit dem Marcus einige vergnügliche und unterhaltsame Abendstunden vor ewig langer Zeit verbracht hatte. Marcus Gesicht erhellte sich deutlich, selbst wenn er keinen blaßen Schimmer hatte, was es mit der Gesetzgebung, den einzelnen Richtern, den Kompetenzen und den Aufgaben auf sich hatte, die Durus ansprach. Marcus beugte sich zu Aquilius und raunte leise zu ihm, da er niemanden von den Worten des Tiberiers ablenken wollte.


    „Kennst Du den Mann? Das ist Tiberius...öhm...“
    Drusus? Durus? Marcus war sich nicht mehr sicher.
    „Na, egal. Auf jeden Fall hab' ich ihn vor geraumer Weile mal getroffen. Ein lustiger Zeitgenoße, guter Mann!“
    Marcus nickte beifällig und hob schließlich die Hände, um auch jenem Mann Beifall zu spenden. Obwohl Marcus keine Ahnung hatte, ob dessen Amtszeit erfolgreich war. Aber Marcus ging, wie wohl der Rest des Pöbels, von Sympathie aus. Aber eine Frage hatte Marcus darum nicht, selbst wenn er eifrig in seinem etwas langsamen Geist danach suchte.

    Eine Sänfte schob sich durch das Gewirr der Menschen, vorbei an dem großen Bau, den ihr Vorfahre errichtet hatte, und bis zur via sacra, der Straße, die sich hinauf zum forum romanum schlängelte. Und in jener Sänfte saß ein nicht sonderlich glücklicher Marcus Flavius Aristides, nicht glücklich, weil er eher ein Mensch war, der selber per pedes die Strecken durch Rom zurück legte und sich gar nicht gerne mit einer Sänfte tragen ließ, doch es blieb ihm einfach keine Wahl, mit den Krücken durch Rom zu humpeln war einfach mörderisch und sein Bein schmerzte immer noch höllisch, wenn er nur eine leichte Bewegung damit absolvierte. Aber eines vermochte seine Laune am heutigen Tage zu retten, er war wieder in das schlagende Herz des Imperiums zurück gekehrt, dem forum romanum, wo seltsame Gestalten, Wahrsager und Ausländer sich gleichermaßen tummelte wie die römische Jugend und die Redner, die – wie sein Vetter – die rostra für schwungvolle Reden nutzen wollte. Und schon tauchte die flavische Sänfte, die deutlich und klar das Wappen der Familie am dunklen Holz trug, in die Menge, die sich die Zukunft wahrsagen wollte, sich unterhalten und informieren, womöglich einfach nur den Tag totschlagen, ehe sie in die Thermen verschwanden, um dort die restliche Zeit mit Amüsement zu verbringen. Marcus schob den Vorhang zur Seite und sah auf die Menschen, spähte zum Palatin und auf die Tempel, die hier am Forum gebaut waren, während sie sich auf die rostra zu bewegten. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät, denn Marcus hatte erst auf den letzten Drücker von dem großen Auftritt seines Vetters erfahren und da wollte er gewiß nicht fehlen, hatte er doch schon die Amtszeit seines Vetters leider verpaßt. Und noch mal Glück gehabt, sein Cousin stieg gerade erst auf die rostra als sich Marcus der Rednertribüne mit den Schiffschnäbeln als Zier näherte. Dort angekommen ließ Marcus die Sänfte abstellen und schwang vorsichtig die Beine aus dem Gefährt, um seine Aufmerksamkeit auf seinen Vetter zu richten.


    „Meine Güte!“
    , murmelte Marcus zu seinem Sklaven, der an dem heutigen Tage mitgekommen war.
    „Aquilius ist tatsächlich seriös geworden!“


    Marcus lauschte ihm und nickt hin und wieder. Klang wirklich gut und als ob die Amtszeit erfolgreich war, aber im Grunde wußte Marcus durchaus, daß sein Vetter einfach für die Politik durchaus tauglich war, er hatte schon immer ein Sinn für elegante Reden und die Fähigkeit gehabt, schnell zu lernen. Gute Vorraussetzungen, um in der Politik erfolgreich zu sein, aber auch etwas zu bewegen. Etwas, worum Marcus ihn und seinen anderen Vetter Gracchus sehr beneidete. Als Aquilius mit seiner Rede fertig war, sah sich Marcus bei den Menschen um ihn herum interessiert um, wie sie es wohl aufnahmen. Doch noch ehe etwaige Eier fliegen konnten, hob Marcus die Hände, klatschte und bezeugte Beifall.


    „Flavius Aquilius, mir scheint, Du hast die Straßen von Rom ein wenig friedlicher gemacht, können wir dann damit bald rechnen, daß Du weiter für Rom dienen wirst und den Staat stärken?“


    Ein Scherz zu reißen, ob denn auch die Frauen Roms so sicher waren oder alle nur verwirrt wegen dem Herzschmerz, den Aquilius ihnen beschert hatte, das sparte sich Marcus. Marcus grinste breit und sah zu seinem Vetter Aquilius.

    Es bestand vielleicht doch noch Hoffnung für die Jugend von heute, zumindest glaubte Appius das sogar einen Bruchteil von einem Herzschlag lang, denn der Anwärter für die Prima – so es sich mit den Worten jenes Mannes gerade heraus gestellt hatte! - hatte immerhin bereits einen ausgeprägten Sinn für Respekt und Höflichkeit, Appius war durchaus zufrieden, wenn er nicht generell Soldaten und zukünftigen Soldaten gegenüber mehr oder minder feindlich gesinnt war – schließlich würden sie, spätestens wenn sie richtige Soldaten waren, auf solche Männer wie Appius – und ganz besonders auf Appius, so seine leidvolle Erfahrung – herunter blicken. Appius spitze Nase zuckte, sein Frettchengesicht war immer noch kühl und starr und seine eisblauen Augen schienen sich wie Lanzen in den Mann vor ihn hinein bohren zu wollen. Quälend langsam griff Appius nach einer tabula, die vor ihm lag und den dritten Griffel von Links. Er ließ das Schweigen erneut eine Weile über sie lasten, denn Appius hatte die Erfahrung gemacht, daß ein Solches die Männer durchaus nervös machte, manche sogar sehr ängstlich und das erfreute den optio, der doch sonst keine Machtbefugnisse in der Legion hatte und somit das hier ausleben mußte.


    „Name?“
    Kalt war der Klang seiner Stimme.
    „Herkunft?“
    Er sah den Valerier schon nicht mehr an, sondern guckte auf die noch leere Schreibtafel.
    „Eltern?“
    Es war schon lange her, aber natürlich wußte Appius noch ganz genau, welche Fragen er stellen mußte.
    „Stand?“





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    Die spitze Nase au die Tür gerichtete, wartete Appius Carteius Cirenthius, optio des Rekrutierungsbüros, schweigend ab, wer denn nun herein treten würde. Aber immerhin hatte jener, der durch die Tür kommen wollte, schon den ersten Schritt richtig gemacht, er hatte geklopft. Außerdem Appius gerade aus einem Loch von Langeweile gerettet, somit war die Laune von Carteius ein bißchen weniger frostig als sonst. Er sah dem Valerier entgegen als dieser bis zu dem Tisch trat und musterte ihn von oben bis unten – keine Legionärskleidung, also war er wohl hier, weswegen Appius in dem officium saß – wegen dem Eintritt in die Legion, so folgerte Appius meßerscharf. Appius wartete einen Augenblick lang schweigend und sah den Mann erwartungsvoll an, denn meistens schoß es wie ein Hagel von pila aus den Mündern der Neuen, sobald sie in das officium eintraten. Doch hier, merkte Appius, war das eindeutig nicht so. Schließlich meinte Appius nach einem Moment des Schweigens:


    Salve, was willst Du?“





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    Der Tisch war geputzt, die Regale von dem Staub befreit, die Fensterläden offen, so daß die Sonne vom Tag herein fiel, damit Appius auch gut alles entziffern konnte – der Gute wurde schließlich nicht jünger mit den Jahren! - und nun saß er am Tisch und wartete, wartete und wartete. Stumm stierte er auf die braune Holztür, die sich nicht regte. Appius – sonst immer mit Schrift- und Verwaltungskram beschäftigt! - wußte in jenem Augenblick nichts mit sich anzufangen. Da war das Klopfen schon eine große Erleichterung. So hörte man auch prompt aus dem Inneren von dem Rekrutierungsbüro die Stimme von Appius dringen mit einem lauten:


    „Herein, wenn es...!“


    Fast hätte sich Appius gar noch zu einem Schwerz hinreißen laßen, doch er klappte schnell den Mund zu, denn er wußte aus Erfahrung, daß seine Witze weder komisch waren, noch daß sie gut ankamen, zumindest deutete er die Gesichter so, die sich verzogen als ob sie Schmerzen empfanden – üble Zahnschmerzen. Appius sortierte die tabulae auf seinem Tisch, die Schreibgriffel, alle in der gleichen Anzahl: vier Stück und völlig akkurat auf dem Tisch angeordnet, Appius maß es immer mal wieder nach, denn alles andere machte ihn einfach fuchsig und er konnte nicht arbeiten, wenn nicht Ordnung um ihn herrschte. Starr und kühl an Ausdruck in seinem blaßen Frettchengesicht starrte der optio auf die Tür und wartete, daß der Klopfer herein kam.



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    Ein seltsames Gefühl war es für Marcus, nach so langer Zeit kehrte er in die Unterkunft zurück, in der er doch lange als Zenturio in Mantua gut gelebt hatte, direkt neben den contubernia seiner Männer, und zurück zu dem üblichen Trott, den ein Lagerleben mit sich brachte. Und doch konnte man nicht davon sprechen, daß er wieder einen alten Faden aufhob und weiter verknüpfte mit den Strängen der Zukunft, denn der Krieg hatte viel verändert.


    Langsam humpelte Marcus durch den Gang, der an den Unterkünften der Soldaten vorbei führte. Viele Räume würden noch leer stehen, weil die Männer, die sie einst bewohnten, nicht mehr zurück kehren würden. Sie waren gefallen im Namen des Imperiums, ihre Körper den Flammen anheim gefallen und nur noch ihre Verwandten und eine Liste in der principia würde noch daran erinnern, was für ein Opfer sie gebracht haben. Marcus blieb vor einer Tür stehen, die offen stand; er sah in den dunklen Raum dahinter, wo jetzt eigentlich Männer sitzen sollten, die fröhlich miteinander lachten, sich freuten, daß der Krieg vorbei war und Pläne schmiedeten, was sie denn in Mantua mit ihrem nächsten Ausgang machen wollten. Doch nur gähnende Schwärze starrte Marcus entgegen, vorwurfsvoll, anklagend und Marcus empfand das auch so. Hatte er nicht die Verantwortung für diese Männer getragen? Er hätte dafür Sorge tragen müßen, daß sie aus dem Krieg heim kehrten! War er am Ende gar ein schlechter Zenturio, daß er so viele Männer verloren hatte? Marcus lehnte sich auf die Krücke und vergaß in dem Augenblick sogar den Schmerz, der durch sein Bein huschte. Er hob die Hand und legte sie an den Türrahmen, düster starrten er in die Dunkelheit und zog langsam seine Augenbrauen zusammen.


    War das nicht auch das contubernium von Iunius Lucullus und seinen Kameraden? Alle tot, alle in der Fremde gestorben und manch einer hatte noch nicht mal Verwandte, die um ihn trauern würden und die sich darum sorgten, daß sein Geist nicht mehr ruhelos durch die Welt streifen mußte, daß ihm jedes Jahr ein Opfer gebracht wurde. Marcus Lippen preßte sich fest zusammen und er riß sich von der trost- und leblosen Dunkelheit los, um sich wieder auf die Krücke zu stützen und langsam weiter zu humpeln, vorbei an Räumen, hinter denen tatsächlich Stimmen und Gelächter zu vernehmen war, von den Soldaten, die in die Heimat gekommen waren.


    Mit einer Hand stieß Marcus die Tür zu seiner Unterkunft auf und trat in den schwach beleuchteten Raum, der ihm stets dafür diente, mit den Soldaten zu sprechen, Schriftkram zu erledigen. Selbst wenn einige Öllampen brannten und auch ein paar der Sklaven waren, die er hier her geschickt hatte, von Ravenna aus, so schienen auch diese Räume riesig groß zu sein und... leer. Marcus blinzelte einige Male, dann humpelte er weiter und winkte barsch einen jungen Sklaven zur Seite, einen parthischen Sklaven, den er erworben hatte, und der ihn stützen wollte. Schweigend betrat Marcus den anderen Raum, in dem er zu Essen pflegte, manche freien Stunden verbrachte und manchmal sogar musizierte. Er ließ sich auf eine Kline herunter sinken, die er sich – darauf hatte Marcus trotz Soldatentums nicht verzichtet! - in Mantua bestellt hatte - vor sehr langer Zeit. Marcus lehnte sich zurück und legte die Krücke beiseite.


    „Wein, hole mir ein wenig italischen oder spanischen Wein!“
    , murmelte Marcus zu jenem Sklaven, der ihm vorsichtig gefolgt war. Während der Sklave davon huschte, um zu den privaten Vorräten von Marcus zu eilen, beugte er sich vor und griff nach einem Tuch, das über einem Gegenstand gelegt war. Vorsichtig zog er es weg, eine Kithara kam darunter zum Vorschein; vorsichtig umfasste er den Hals des Instrumentes und zog dieses auf seinen Schoß. Es schien ebenso eine Ewigkeit her zu sein, daß er ein Instrument gespielt hatte, viel zu lange her. Marcus fuhr sachte über die Seiten aus getrocknetem Darm, dann schlug er die erste Seite an und verzog das Gesicht, während seine Hand nach dem Holzkolben griff, um die Seite richtig zu stimmen.