Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Bei Schiffen weiß man nie...Marcus lächelte bei der Erwähnung ihrer Schiffsreise, denn er hatte die Tage auf hoher See genoßen, er befand das Gleiten durch die wogenden Wellen als glückserfüllend, inspirierend und befreiend und er hatte all das, was ihm der Kapitän des Schiffes – auf dem die Soldaten der Zweiten damals, samt des alten praefectus, untergebracht waren – über das Handwerk der Seesoldaten und Segler berichtet hatte, interessiert aufgenommen, aber schon als kleiner Junge war Marcus mit einem kleinen Boot, das er vor seiner Mutter geheim gehalten hatte, auf die eher ruhige See von Baiae hinaus gefahren- natürlich immer in Sichtweite der Küste bleibend-, immer einen sich übergebenden Hannibal an seiner Seite, mit dem Marcus kein einziges Mal Erbarmen hatte, selbst als sie beide noch Kinder waren. Marcus blinzelte einmal als die Erinnerung sich vor seinem inneren Auge zeigte.


    „Wohl wahr, Mercurius und Neptunus sollten wir nicht vergeßen, wenn unsere Füße wieder die heimische Erde berühren und wir wieder in der Heimat sind.“
    Marcus deutete mit einem Nicken sein Zustimmen an.
    „Mantua...hmh...die Stadt wird wohl in einen tiefen Winterschlaf ohne die Soldaten gefallen sein...ein idyllisches Städtchen...“
    Marcus lehnte sich gegen die Zeltstange hinter sich und hatte eigentlich nicht im Mindesten ein Sehnen nach Mantua, selbst wenn er dort einige Zeit stationiert gewesen war, richtig heimisch hatte er sich dort nie gefühlt.
    „Du hast die meiste Zeit in Mantua verbracht, oder? Ist wohl so etwas wie Deine Heimat geworden, hm?“

    Zitat

    Original von Centurio Legio I
    "Truppenappell bei Sonnenaufgang !"
    ...


    Natürlich wurde jede kostbare Nachtstunde, die nicht mit Wache und Kampf – schließlich waren sie im Krieg – gefüllt wurde, für den erholenden Schlaf genutzt, zumindest tat Marcus das, sofern es ihm möglich war. Und da er mit einem gesunden Schlaf gesegnet war – er konnte sogar mitten in lautem Tohuwabohu selig schlummern – brauchte es eine Weile, bis die aufgeregten Stimmen vor seinem Zelt das Ohr von ihm erreichten. Und noch etwas länger, um seinen Geist aus den tiefen Gefilden von wirren Träumen zu erreichen, einer Flut von seltsamen Bildern, die er im wachen Zustand niemals hätte deuten können, aus diesen Tiefen tauchte er nur langsam auf. Ein Sklave rüttelte ihn bereits am Arm, sagte etwas zu Marcus der in das Licht der Öllampe blinzelte, die der Sklave über ihm hielt. Erst einige Herzschläge später realisierte Marcus, daß der Sklave immer wieder sagte:


    „Herr! Herr! Aufwachen! Herr! Es ist irgend etwas paßiert. Truppenappell bei Sonnenaufgang! Herr! Herr! Aufwachen...!“
    „Hm? Geht schon die...“
    Marcus gähnt herzhaft.
    „...Sonne auf?“
    „Nein, Herr!“
    „Werden wir angegriffen?“
    „Nein, Herr!“
    „Gut, dann laß mich schlafen. Wecke die Soldaten zwei Stunden vor Sonnenaufgang und mich eine davor.“
    Ehe der Sklave protestieren konnte, drehte sich Marcus seelenruhig auf die Seite und schnarchte bereits einen Moment später wieder.


    Nicht lange danach war es dann soweit. Zuerst wurde natürlich Iulius Sparsus geweckt, damit dieser sich darum kümmern konnte, daß auch alle Soldaten auf die Beine kamen. Anschließend Decimus Serapio – immerhin war er tesserarius – und erst geraume Weile danach rüttelte der Sklave wieder den centurio der Zweiten am Arm. Brummend schlug Marcus die Augen auf und sah, daß der Sklave bereits seine Rüstung geordnet hatte, sogar den Helm poliert, die crista gekämmt und den guten Mantel, samt gute centuriotunika hervor gezogen hatte. Marcus sah ihn etwas irritiert an, ließ sich dann -nachdem er sich von seinem Lager erhoben hatte – in die Rüstung schälen ehe er nach draußen trat. Marcus sah in die Gesichter der Männer, die unter ihm dienten, die genauso ahnungslos schienen wie Marcus selber. Aber etwas lag in der Luft, viele Gesichter wirkten besorgt, andere wiederum stoisch, was auch immer der Grund war, sie würden es schließlich bald erfahren. Am Himmel zeigte sich schon der erste bläuliche Schimmer, der verriet, daß die Sonne bald aufgehen würde.


    „Zwei Reihen bilden. Mir folgen, milites!“


    Im Gehen schnallte sich Marcus den Helm auf den Kopf, rückte das Schwert zurecht und zog den Umhang über die linke Schulter. Viele andere Füße hatten sich in Bewegung gesetzt oder taten es nun. Von allen Seiten des Lagers strömten die Männer heran, die erste cohors sammelte sich bereits auf den Lagerstraßen ehe sie in die Mitte des Lagers strebten, dort wo das schlagende Herz der Legion war und dort, wo sich die Männer versammeln konnten, wenn die Befehlshaber zu ihnen sprechen wollten. An jenem Platz angekommen ließ Marcus sie einreihen, nahm vorne Stellung und überließ es Sparsus, für Ordnung unter den Männern zu sorgen.

    Das linke Augenlid von Appius zuckte, ein Mal, zwei Mal und ein drittes Mal, der Bürokrat und Fanatiker der Ordnung – eine Sache, die seinem Leben einen Sinn gab und es zu strukturieren vermochten, ansonsten wäre Appius mit seiner labilen Psyche sicherlich schon ausgerastet – stierte kühl den Soldaten vor sich an. Eigentlich hielt Appius gar nicht viel von Soldaten im Allgemeinen, er hielt sie alle für faul, großmäulig, dreckig und unordentlich, aber letztendlich dachte er das nur, weil keiner der Soldaten ihn mochte oder ihn jemals als Freund haben wollte. Appius schob die Tafel ordentlich an die Stelle zurück, wo sie sich in die anderen Verwaltungskameraden einordnen konnte, akkurat und sauber, ehe er abgehackt nickte. Sein Nagetier-ähnliches Gesicht war weiter hin frostig, aber die Angst und auch die Ablehnung waren mittlerweile verschwunden. Er war wieder in seinem Element, außerdem hatte der Sprecher der Soldaten den richtigen Nerv bei Appius getroffen.


    „Dann keine Getreideration.“
    Er faltete die Hände ineinander.
    „Erlaubnis erteilt, miles!“
    Ein Miaunzen von dem Katzenkorb ertönte. Anscheinend wollte Drusilla auch deutlich machen, daß sie selbiges gewährte.




    Keine Wolke trübte den Himmel, manchmal hatte Marcus das Gefühl, die weißen Tupfen am Himmel schienen dieses Land zu meiden, selbst wenn die Sonne etwas weniger heiß auf die Männer herunter strahlte im Vergleich zu jener Zeit als sie im Orient gelandet waren und die ersten Etappen des Marsches hinter sich gebracht hatten. Dennoch war es deutlich wärmer als in Italia und Marcus trug eindeutig noch zu viele Stoffschichten an sich, insbesondere unter seiner Rüstung wurde es immer ungemütlicher. Doch immer noch rührte sich Marcus nicht, wußte er doch alle Blicke der vielen Soldaten hinter sich und da mußte ein centurio schließlich mit gutem Beispiel voran gehen; Disziplin, Disziplin und noch mehr Disziplin. Marcus richtete seine Augen auf Vitamalacus als dieser vor ihm trat, Marcus' Gesicht war verschloßen, ein harter Zug lag um seinen Mund herum, verriet wenig von der sonst mehr jovialen bis gutmütigen Art, die in ihm inne wohnte, aber die er in jenem Augenblick nicht in sich verspürte. Held von Circesium? Eine Augenbraue zuckte einen Herzschlag lang unwillkürlich, es war mehr eine marginale Bewegung. Als ein Held fühlte sich Marcus gewiß nicht, er hatte seine Pflicht getan, nicht mehr und nicht minder. Nicht tapferer oder weniger als an dem Tag am Chaboras, an dem so viele Männer ihrer verbrüderten Legion nur wenige Schritt von ihnen entfernt starben, während sie das Feuer zu löschen versuchten. Nicht heldenhafter als in der Nacht, in der die Parther sie das erste Mal mit einem größeren Trupp angegriffen und die Römer sich hinter Plautius in den Kampf stürzten.


    In dem silbernen Reif spiegelte sich das Licht des Tages wieder, Marcus streifte den Ring mit seinem Blick. Ein Herzschlag lang verspürte er den innigen Wunsch dieses Ding, diese seltsame Auszeichnung abzulehnen, sich umzudrehen und weg zu gehen. Seine Nasenflügel erbebten, der Ruck wollte durch seinen Körper gehen. Disziplin, Disziplin...Marcus spürte die Augen der Soldaten in seinem Rücken. Womöglich stand genau in jenem Augenblick der verhalten arrogante Ausdruck in sein Gesicht geschrieben, was manche Menschen, die seine Persönlichkeit nicht gut kannten, an ihm zu sehen glaubten, wie sogar Epicharis zu Anfangs. Ein Wispern erschien an sein Ohr und das war der Moment, in dem das kaum merkliche Zögern unterbrochen wurde, denn ein weiteren Zank dieser ominösen Stimmen stand an, die das erste Mal in Edessa aufgetaucht waren und ihn in den seltsamsten Stunden ereilten – gut, er hatte tatsächlich vor einigen Tagen ein wenig von dem letzten Rest Haoma zu sich genommen, aber einen kausalen Zusammenhang entdeckte Marcus in dem Umstand nicht.


    Vorbild sein, Vorbild sein, so oder anders? Marcus' Wangenknochen mahlten aufeinander, was sich in einem schnellen Zucken an seinen Wangen äußerte, dann trat Marcus nach vorne. Sie waren schließlich immer noch im Krieg, als centurio folgte er dem Willen des Imperators und das gehörte dazu, egal ob es ihm gefiel oder nicht. Schweigend grüßte Marcus, schweigend nahm er die Auszeichnung entgegen, erneut grüßte er wortlos und zögerte dieses Mal nicht beim Handschlag; wenn er auch den flüchtigen Augenblick nutzte, um den Tiberier zu mustern; zu erkennen, was es mit diesem Mann auf sich hatte, wie Vitamalacus tickte, das hatte er immer noch nicht ergründen können, bei vielen Menschen, denen Marcus begegnet war, erschien ihm das sehr viel einfacher; Marcus grüßte, er trat in die Reihe zurück. Alles in einer fließenden Bewegung, die nichts verriet von dem, was er dachte oder zweifelte. Stumm sah er auf den Reif hinunter, schwer wog er in seinen Händen, nachdenklich drehte er ihn hin und her.

    Fröhlich erscholl die Musik durch die Höhle, froh jauchzend, daß ein Gott geboren wurde. Eine Lichtgestalt, die die Welt von dem Dunklen und Bösen befreite, wenigstens für eine Zeit, die stets wieder kehrte. Der Klang der Flöte hob sich bei jedem Schritt noch ein wenig mehr in die Höhe, den der Gott um den Altar herum machte. Hinter dem hölzernen Altar, den die Soldaten auch auf dem Kriegszug mitnehmen konnten, zog er einen geschwungenen Bogen hervor. Schritt für Schritt trat die Gottesgestalt auf die Mitte der Höhle zu, vorbei an einigen Männern, die am Rande lagen und gerade, mit ihren Masken auf dem Gesicht. Die Gestalt sah sich in der Höhle suchend um.


    „Geboren ward Mithras. Doch noch schwach. Es dürstete, es hungerte ihn! So geschah das erste Wunder durch die Hand des Gottes Mithras!“
    Mithras hob den Bogen und zielte auf etwas hinter dem Altar. Bauschige Tücher, fahl weiß, waren dort um etwas Rundes gebunden. Ein Pfeil löste sich von der Sehne und schnellte durch die Luft. Zitternd blieb der Pfeil in den Tüchern stecken, die sich dunkler färbten, dann tröpfelte Wasser hervor.
    „In der Wüste entsprang aus dem Stein das Wasser.
    Oh Wunder, von Mithras Hand geschaffen, der den Pfeil auf den Stein schoß!“

    Der Gott eilte stumm auf das Wasser zu und hielt einen Pokal darunter. Dann trank er davon.
    „Und von dem Baum der Feige erhielt Mithras die Frucht der Unsterblichkeit!
    So gestärkt konnte er auf die Jagd gehen.“


    Und so geschah es dann auch. Der verkleidete Soldat, der den Mithras darstellte, der Cornelier wohl, pirschte durch die Höhle. Die Trommel schlug langsam und rhythmisch, wurde immer schneller bis aus einer Ecke der Höhle ein stampfendes Ungetüm erschien – insbesondere für all jene, die schon sehr dem Haomawein zugeneigt waren – wer noch mehr bei Sinnen war, konnte indes erkennen, daß unter einer weiteren Maskerade zwei Männer steckten, die den Ochsen mimten. Mithras umkreiste den Stier, der immer wieder mit seinen Hörnern nach dem Gott stieß, doch dann konnte Mithras ihn an den Hörnern packen. Beide rangen miteinander, die Trommel schlug immer heftiger, bis der Stier irgendwann erschöpft aufgeben mußte. Da griff Mithras nach den Beinen des Stiers und zog ihn bis vor dem Altar, auf dessen Oberfläche ein Dolch lag.


    „Mit seiner Kraft rang Mithras den Stier nieder.
    Es widerstrebte ihm, das edle Tier zu töten.
    Aber das Wunder der Heilung mußte die Welt erreichen!“


    Mithras hob den Dolch. Er schien zu zögern, doch dann stieß er den Dolch herunter. Blut floß auf den Boden – oder war es doch mehr Wein? - der Stier bäumte sich auf und starb.


    „Das Blut tränkte den Boden.
    Seine Lebenskraft bachte das Leben auf Erden hervor.
    Die Pflanzen wuchsen.
    Die Kreaturen des Bösen suchten danach, in ihrer Niedertracht, das Wachsen der Samen zu verhindern.
    Aber sie konnten das zweite Wunder nicht aufhalten.
    Mithras, geboren aus dem Stein!“


    Ein Raunen ging unter den Mithrasanhängern herum, wieder war der Name in aller Munde, wieder dankten sie dem Gott. Mithras trat in die Mitte des Raumes, hob die Arme und ging dann Schritt für Schritt zurück, bis ihn der Schatten aufnahm. Auch der Stier war verschwunden, scheinbar hatten die beiden Soldaten sich verdrückt, während die Stimme gesprochen hatte. Einige Herzschläge später kam der Cornelier wieder in den Lichtschein. Die Maske des Gottes hatte er abgenommen und trug nur den langen Umhang. Seine silbergrauen Haare waren etwas verschwitzt und klebten ihm an der Schläfe. Seine Brust hob und senkte sich etwas schneller und ein Lächeln umspielte seine Lippen.


    „Brüder! Heute ist ein freudiger Tag. Heute ist Mithras geboren worden. Ehren wir ihm, wie es sich gebührt, mit einem Opfer. Leider können wir unserem Gott keinen Stier opfern, wie wir es sonst tun, aber der Krieg läßt es nicht zu.“
    Bedauernd sah der Cornelier in die Runde als ein Soldat das Opfertier heran führte. Einen Widder, dessen Fell weiß - wohl noch mehr geweißt als es die natürliche Farbe sein dürfte - und dessen Hörner rot bemalt waren, ebenso sein Hufen. Bis vor den Altar wurde das Tier geführt, während der Cornelier sich einen Moment umsah und schließlich Avitus erblickte, den er mit einer freundlichen Geste einlud, während er selber einen Schritt auf ihn zu machte.
    „Möchtest Du den Dolch führen oder lieber die Hörner des Tieres halten, Artorius?“

    Es war an einem jener Abende, die wie jeden Tag auch sonst vergingen, während des Marsches. Nach der Schanzarbeit, den sonstigen Dingen, die in einem neuen Lager geschahen und anschließender Wacheinteilung, alles Arbeiten, die Marcus kaum mehr zu überwachen brauchte, ging ein langer Arbeitstag für die Soldaten zu Ende, auch für Marcus, der an diesem Abend mal nicht über lästige Schreibarbeit sich beugen mußte, der ein paar Stunden selber frei hatte, ehe er auf die Wachmauer steigen würde, um dort einige Zeit mit zu verbringen an der Seite seiner Männer, die zu der Wache eingeteilt worden waren. Und somit hatte Marcus ein wenig Muße in seinem Zelt zu sitzen und ein karges, aber doch reichhaltigeres als das soldatische Mahl zu sich zu nehmen. Gerade zupfte er ein wenig Fleisch von einem mageren Vogel, den ein Sklave von Marcus einem der Soldaten abgekauft hatte. Dieser hatte den Vogel zufällig am Rande des Flußes erjagen können. Wenig Fleisch war an dem Tier und Marcus wurde bei weitem davon nicht satt. Doch in dem Augenblick trat Naevius in das Zelt und wedelte mit einem Schreiben. Marcus seufzte schon leidend auf, doch Naevius weitere Worte zeugten davon, daß keine Bürokratieattacke Marcus erwartete.


    „Ein Brief, centurio. Du brauchst nicht blaß zu werden.“
    „Von wem?“
    „Deiner Verlobten, centurio. Soll ich ihn gleich vorlesen? Außerdem ist da noch ein Kasten...hier!“
    Er reichte den Kasten an Marcus weiter, der blinzelnd darauf sah. Während dessen rollte Naevius bereits eifrig die Schriftrolle auf. Naevius bekam nie Post, darum laß er wohl die Briefe, die Marcus erhielt, besonders gerne vor.
    „Also...sie schreibt...Mein lieber, tapferer Marcus...uiui...centurio, sie wird aber mit jedem Brief auch herzlicher, sie scheint Dich zu mögen...“
    „Still, Naevius...ähm nein, weiter lesen.“
    „Jawohl, centurio...also nichts könnte mir eine größere Freude....“


    Und so las Naevius den Brief vor. Marcus lauschte andächtig, lächelte mal, wirkte dann nachdenklich, runzelte sogar die Stirn als es zum Streit ging. Wenn Vater und Tochter sich zerstritten, das kannte Marcus selber gut. Und auch, wie betrüblich das sein konnte. Der Schenkel des Vogels ruhte darum ein wenig länger zwischen seinen Fingern, ehe er weiter aß.


    „Ein Saturnaliageschenk also.“
    Marcus lächelte und sah auf den Kasten hernieder. Den würde er aber erst aufmachen, wenn Naevius weg war.
    „Gut, wir müssen antworten, Naevius. Sofort!“
    Naevius sah auf und hob die rechte Hand, worum ein dicker Verband prangte.
    „Geht nicht, centurio. Ich hab mir leider eine Verletzung eingehandelt. Ich kann eine Woche nicht schreiben.“
    „Was? Herrje, Naevius. Hab ich nicht gesagt, Du sollst auf Deine Goldhände aufpaßen?“
    Naevius zuckte zerknirscht mit der Schulter. Zögerlich sah er zu dem Kasten und Brief.
    „Ich versuche es, centurio. Schließlich mag ich Deine Verlobte auch!“
    „Was soll das wieder heißen? Du kennst sie doch gar nicht? Oder etwa doch?“
    Mißtrauisch, ja, schon fast eifersüchtig funkelte Marcus seinen Schreiber an, der schnell die Hände hob, auch die Bandagierte.
    „Nein, centurio, natürlich nicht. Nur wegen den Briefen und so...“
    „Ah so, na gut. Dann schreib los!“
    Gesagt, getan. Schreibzeug wurde geholt und Marcus verfaßte den Brief an Epicharis. Zögernd sah Marcus dann zu seinem Schreiber.
    „Ich müßte auch noch Gracchus und Aquilius antworten.“
    Naevius sah auf und zog ein leidiges Gesicht.
    Centurio, meine Hand schmerzt jetzt schon fürchterlich...“
    „Na gut, das kann ich selber machen...Du kannst gehen, Naevius!“


    Was Naevius auch tat. Nach einem langen Zögern zog Marcus auch ein Stück papyrus hervor und nahm die Tinte. Nach einem noch längeren Zögern begann er zu schreiben, unsicher und etwas linkisch, wobei gleich Tintentropfen auf das papyrus fielen und Marcus herzhaft anfing zu fluchen. Es schien Stunden zu dauern bis Marcus endlich fertig war.


    „Herrje, bei Mars Faust.“
    , fluchte Marcus und ließ erschöpft die Feder fallen. Ihm brummte der Schädel, ihm taten die Augen weh. Noch ein Brief würde er heute gewiß nicht schaffen. Mit dem Kasten in der Hand ging er zu seinem Lager und ließ sich darauf fallen. Erst mußte er Atem schöpfen, ehe er sich dem Geschenk von Epicharis widmen würde.

    Zitat

    Original von Iulia Venusia
    Der Typ sah gleich so aus. Da das Schreiben zumal keine strategische Bedeutung hatte, überlegte der Beamte nicht lang. "Da hat aber ein Römer einen besonders unkonventionellen Weg gewählt." Das es eine Frau war, konnte er nicht wissen und stempelte das Schreiben ab. So wie immer bei dieser Art Post...


    "Hier..., für den nächsten Transport aber, wäre es hilfreich zu deinem Namen eine Straße in Zeugma zu wissen." ;)


    Der Händler kratzte sich an seinen sorgfältig gedrehten Locken auf dem Haupte und nickte. Ein aalglattes Lächeln umspielte seine geschminkten Lippen.
    "Aber natürlich. Der Wasserturm, die Straße daneben, da wohne ich. Aber ich komme einfach in der Zukunft einmal die Woche hier vorbei oder schicke einen Burschen von mir, der sich dann darum kümmern kann."
    Er nahm den Brief entgegen, schob das landesübliche Trinkgeld über die Thresen und verließ die mansio wieder.


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    Einige Tage später kam dann ein Sklavenjunge des Händlers, der erneut Briefe brachte und gleich auch aus einem ledernen Beutel bezahlte. Zwei Briefe, alle beide an Adressen in Rom gerichtet, die Villa Claudia und Villa Flavia.




    Manius Flavius Gracchus
    Villa Flavia Gracchus, auch bekannt als villa Flavia Felix
    Urbs aeterna – Roma
    Italia




    Vetter, mein guter Manius,


    Du wirst es wol selber kaum glauben, aber ich mus erneut meine Feder schwingen, um Dir ein paar Zeilen zukomen zu lasen, denn mein Schreiber, der gute Naevius, ist leider in diesen Zeiten krank geworden. Er hat sich gerade noch mit Müh und Noht aufgeraft, um meiner libreizenden Verlopten einen Brief zu schicken. Stell Dir vor, wie sähe es denn aus, wenn sie meine schrekliche Sauklaue erblikt und merkt, das ich all die Zeilen nicht selber nidergeschrieben habe, sondern nur meinem scripa diktirt. Den ungläubigen Blik oder das mögliche Teater – Du kennst die Frauen ja – werde ich wol früher oder später doch noch erfaren, aber lieber später.
    Mir ist zu Ohren gekommen, also als mein Schreiber es mir vorgelesen hat aus einer der vielen Briefe, die ich erhallten habe, das Du immer mehr nach oben schiest, Manius. Mein Glückwunsch dazu. Erst Senathor, dann nun auch noch Pontifaex, das ist warlich wunderbahr. Aber ich hab das auch nie bezweivelt, schließlich bist Du der klügste Kopf in der Familie, Manius. Und zudem sehr fleißig, pflichtbewußt und anständig, was könne die Götter mehr verlangen von einem Pontifaex? Du wirst das Kind auf jeden Fall schon schaukeln, Manius. Übrigens, was das angeht. Wie steht es denn bei Dir und deiner schönen Antonia. Du wirst doch hoffentlich oft genug bei ihr auftauchen, um das hübsche Mädel mal in glücklichere Umstände zu versetzen, oder? Aber ich bin mir sicher, das wird schon, Vetter. Womöglich erkennst Du eines Tages, das das schönere Geschlecht – die Frauen meine ich damit natürlich!! - doch sehr viel anziehender und liebreizender sind als irgendwelche glatten Jünglinge.


    Wie Du siehst, bleibt mier während des Feldzuhges genug an Zeit, um mir über solche Dinge gedanken zu machen. Daran kannst Du auch sehen, das der Feldzug gar nicht so gefährlich ist, wie es scheint. Also macht euch mal keine Sorgen zuhause. Aber ich danke dennoch für das Opfer, ich bin mir sicher, Mars wird das bestimmt sehr gut für mich gewogen hat das in eine launigere Stimmung versetzt. Außerdem hab Dank, Vetter, für all die Neuigkeiten über unsere Familie. Ich lase mir ab und an die acta vorlesen, aber dennoch bin ich nicht sonderlich über alle Neuigkeiten auf dem Laufenden. Das Furianus Procohnsul geworden ist, freut mich sehr. Aber ich finde, der Junge hat auch Schneid, das aus dem mal was geworden ist, ist kein Wunder. Ich hoffe, Felix hat das gewürdigt. Aber was ist mit Milo? Ich hoffe, er hat sich nicht zu sehr geärgert über den Umstand. Ich weiß, das er nicht sonderlich glücklich darüber war, plötzlich einen Bruder zu haben. Ich glaube, er wahr eifersüchtig.


    Was mir durch Epicharis zu Ohren gekommen ist, Caius hat tatsächlich für ein Amt kandidiert? Ist er auch gewält worden? Und? Taugt er etwas als Politiker? Ich meine, eine scharfe Zunge hat Caius schon und er ist eindeutig gewitzt, aber dennoch ein latenter Tuhnichtgut. Aber wenn er das durchziet, dann kann er auch stolz auf sich sein und wenn er es wirklich will, dann wird es ihm auch guht gelingen. Ich will mich gar nicht mehr zurück entsinnen, was für ein Katastrofe ich gewesen bin, bevor ich mich dem Militähr angeschlossen hatte. Es ist gut, wenn die Männer in unserer Familie wieder zeigen, zu was wir in der Lage sind.


    Zum Krieg gibt es nicht viel zu berichten, wir marschieren, wir kämpfen, wir erobern mal eine Stadt, erleben leider auch so manch eine Niederlage, aber im großen und ganzen können wir recht zufrieden sein. Aber davon werde ich Dir berichten, wenn ich wieder nach Rom zurück komme, was womöglich noch ein wenig dauern kann.
    Manius, ich bin sicher, Du hälst die Familie gut zusammen und bedanke mich, daß Du Dich so gut um meinen Sohn kümmerst, bei so einem lausigen Vater wie mir. Auf daß die Götter auf Dich achten mögen.
    Dein Vetter


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    An Claudia Epicharis
    Villa Claudia
    Urbs aeterna – Roma
    Italia





    Meine liebe Epicharis,


    Die Kunde, was hier in Parthia geschieht, erreicht, wie ich merke, immer sehr schnell Rom. In der Tat ist leider unser alter Legat, Decimus Livianus, verschollen. Scheinbar haben die Parther ihn entführt, doch es sind keine Forderungen gestellt worden, noch hat sich sonst ein Hinweis auf seinen Aufenthaltsort ergeben. In all der Zeit, in der ich nun im Militär diene, war Livianus stets mein Kommandant und ich fühle mich ihm ganz besonders zur Treue verpflichtet, darum fällt es in diesen Tagen schwer, einem anderen Kommandanten zu folgen, mal vom Kaiser abgesehen, dem wohl jeder der Männer hier bis in den Tartarus folgen würde. Was den Tiberier angeht? Nun, als Soldat und centurio steht es mir nicht zu, so etwas zu beurteilen. Als Flavier tue ich das gewiß, aber davon werde ich Dir berichten und Dir meine Meinung sagen, sobald ich nach Rom gekommen bin. Alles andere ist unpaßend in den Zeiten des Krieges. Aber zu Deiner Beruhigung, wir verzeichnen Erfolge, wir schlagen die Parther zurück und haben sie mit Sicherheit schon das Fürchten gelehrt. Zudem werden bald noch mehr Legionen sich mit uns vereinigen und wir werden einer geballten Faust gleichend über unsere Feinde kommen. Wo wir gerade sind und welche Stadt wir als nächstes Angreifen, darf ich natürlich nicht schreiben, aber ich bin mir sicher, daß Deine Arbeit bei der acta Dich gewiß gut informieren wird.


    Was die dunklen Wolken in Deinem Heim angeht, so möchte ich Dir bekunden, daß mir das sehr Leid tut. Aber ich kann Dich in mancher Hinsicht beruhigen. Väter begraben irgendwann ihren Groll, man versöhnt sich wieder und die Saturnalien kommen jedes Jahr erneut. Und ich hoffe, nein, ich glaube fest daran, daß Du die nächsten Saturnalia bereits in der villa Flavia feiern kannst, mit uns allen und als Dein neues Zuhause. Sicherlich bietet sich dann später auch noch der paßende Moment, wo Du Ägypten bereisen kannst und meine Hoffnung geht dahin gehend, daß ich Dich dann begleiten kann. Zu gerne würde ich Dir all die Wunder von Ägypten zeigen, die mich schon sehr beeindruckt haben und weshalb ich dieses Land lieben gelernt habe, wie auch die anderen Länder von Africa.


    Aber wenn es für Dich nicht mehr zu ertragen ist, die villa der Flavier steht Dir immer offen. Ich bin mir sicher, daß sowohl Gracchus als auch meine anderen Verwandten stets für Dich da sein werden. Man kann sich immer auf sie verlaßen. Aber es sei Dir versichert, ich tue mein Bestes hier, um bald wieder nach Italia zu kommen. Auch die anderen Soldaten in der Legion bemühen sich fleißig dafür. Ich habe auch einige sehr fähige Soldaten unter meinem Kommando, auf die ich sehr stolz bin. Womöglich lernst Du den einen oder anderen meiner Soldaten noch später kennen, wenn wir zurück sind in Italia. Wenn man derart lange zusammen marschiert und Seite an Seite kämpft, verbindet das sehr. Natürlich ist man nicht gleich ein Bruder, aber die Gefahr schweißt zusammen. Aber sei unbesorgt, so gefährlich ist es hier nicht. Wir sind immerzu in der Überzahl, die Kämpfe sind mehr leicht für uns zu gewinnen und größere Rückschläge mußten wir nicht hinnehmen. Und das sage ich natürlich nicht nur, um Dich zu beruhigen.


    Ich danke Dir sehr für das formidable Saturnaliageschenk. Ich werde es in Ehren halten. Außerdem sei gewiß, ich trage den Glücksbringer stets um meinen Hals und er hat mich wirklich gut beschützt in den letzten Monaten. Er wird mit sicherlich auch schnell zurück nach Italia bringen.
    Liebste Epicharis, ich bin mir sicher, daß Du auch die nächste Zeit tapfer sein wirst und daß die Götter über Dich wachen werden, damit ich Dich bald wieder in meine Arme schließen darf.
    Dein
    [Blockierte Grafik: http://img64.imageshack.us/img64/9927/marcusunterschriftlq7.jpg]







    Simoff: 20 Sz. überwiesen!

    Ein brummendes Lachen mischte sich mit dem helleren einer der centuriones, etwas weiter hinten im Zelt wurden launige Witze ausgetauscht, Anekdoten erzählt. Kraftausdruck vermengte sich mit Gelächter, Prahlereien wie >Bei Mars, ich hab dies getan<, oder >der hat das getan<, sprich, die Stimmung war ausgelaßen, aber den meisten der Männer mundete es, bis auf einem der centuriones, einem Mann, der um die Vierzig wirkte, mit Ratsecken, einen dichten Bart, der von einem Ohr bis zum Anderen reichte und der hellblaue Augen hatte, zudem eine kantige Nase und der langsam, aber methodisch einen Becher nach dem Anderen leerte, dabei Ernsthaftigkeit und Verschloßenheit ausstrahlend. Er saß wie ein Stein inmitten eines Wellenmeers von Heiterkeit und schien davon genauso wenig berührt zu sein. Marcus hingegen warf ab und an einen Blick zu den Lachenden und konnte nicht leugnen, daß die Fröhlichkeit der Männer ihn auch anstecken würde, wenn er nicht sowieso schon guter Stimmung an jenem Abend war. Zudem fühlte sich Marcus durchaus an seiner Soldatenehre balsamiert nach den Worten von Imperiosus – ja, auch Marcus war nicht frei davon, sich über ein Lob zu freuen! - er nickte jedoch zustimmend bei Imperiosus Worten.


    „Wahrlich, neue Herausforderungen prägen. Das ging mir auch am Anfang so, als ich gerade centurio geworden bin. War das schrecklich...“
    Marcus grinste, konnte das nun auch, schließlich hatte er – insbesondere auch durch den Krieg – selber an Erfahrungen gesammelt und war dadurch ein wenig in seine Position gewachsen.
    „...aber am Anfang hatte ich das Gefühl, ich kann nur alles falsch machen.“
    Marcus lachte leise und nickte nochmalig, dabei hob er etwas den Becher an.
    „Die gute Seele Priscus, ja, er war mir am Anfang auch eine große Hilfe.“


    Immer mal wieder wanderte Marcus' Hand zu den Eßensplatten und er ließ sich von all den Speisen munden, kaute, lauschte, trank einen Schluck Wein und merkte gar nicht, daß er hin und wieder den Ärmel seiner Tunika in die Soße des Bratens tunkte, aber wahrscheinlich hätte es ihn auch nicht gestört. Der amüsierte und launige Ausdruck minderte sich etwas auf Marcus Gesicht als er von all den Familienwidrigkeiten und Schlägen hörte, die auch der Artorier erlebt hatte. Ein Schatten huschte über Marcus Gesicht, denn in der Familie der Flavier war es nicht anders, manche verschwanden, zudem schien Pluto schien in den letzten Monaten ein Freudenfest unter den Flaviern zu veranstalten. Aber ehe die Saat, die Marcus Seele schon seit Monaten vergiftete, wieder aufkeimen konnte und er womöglich seinen Selbstbetrug – gerade, was seine Tochter anging – in Zweifel zog – gleichwohl er immer noch glaubte, seine Tochter wäre am Leben und die Nachricht nur ein Irrtum gewesen - drängte er all die Materie lieber zur Seite, besonders was die flavischen Schicksalsschläge anging.


    „Das tut mir Leid!“
    , meinte Marcus ernst. Er wollte noch etwas anfügen, aber wirklich die paßenden Worte hatte er noch nie bei solchen Angelegenheiten gefunden. So kam er lieber zu einem freudvolleren Thema, das Imperiosus angeschnitten hatte.
    „Hah, ein Sohn! Wie vortrefflich. Der ganze Stolz eines Mannes, nicht wahr? Wobei...Töchter sind genauso prächtig!“
    Marcus lächelte breit. Er liebte seine beiden Kinder abgöttisch und würde sich über jedes weitere Kind in Zukunft freuen. Was ihn natürlicherweise an Epicharis erinnerte. Marcus Lächeln wurde noch etwas breiter.
    „Militär ist also nicht anständig...? Soso!“
    Marcus Lächeln wurde zu einem ergötzten Grinsen. Seine Schultern zuckten, weil sich ein Lachen aus ihm lösen wollte.
    „Was soll er denn anständiges machen? Die Politik oder der Handel? Wie heißt denn Dein Sohn und wie alt ist der Bursche?“

    Einen digitus sank Marcus Schulter dann doch herunter, die Haltung, als ob man einen langen Stock verschluckt hätte, lockerte sich jedoch nur marginal, als schließlich doch der Tiberier heraus trat und das Wort an sie richtete. Marcus Mundwinkel hoben sich marginal und seine Augen, wenn auch nicht sein Kopf, wanderte ein wenig nach links, um zu den Männern zu sehen, die ausgezeichnet wurden. Mit den Augen folgte Marcus den Bewegungen, als Licinus nach vorne trat und den Armreif entgegen nahm. Eben erst noch war er als Rekrut in Mantua vor Marcus gestanden und genauso wie Sparsus hatte sich der Iulier in kurzer Zeit, während des Feldzuges, gemacht. Pflichtbewußt, mutig und aufmerksam, so hatte Marcus ihn in dem Einsatz jener Nacht erlebt. Ein guter Soldat eben. Auch bei Imperiosus hegte Marcus ähnliche Gedanken und bei Sparsus empfand Marcus etwas wie Stolz. Somit stimmte Marcus auch in die Gratulationsbekundungen der ersten cohors ein, wenn auch ohne Schild.

    Der Zelteingang bewegte sich sachte, als der Wind über das Zelt hin weg strich. Immerhin war es in dem Zelt nicht so brütend heiß wie noch vor ein paar Monaten als sie gerade in die Hitze dieser Länder gekommen waren, wo die Sonne selbst am Nachmittag noch ohne Erbarmen war und die Nächte dafür umso frostiger und kalt. Von draußen vernahm Marcus mal die Schritte von einem Soldaten, der vorbei kam, den Ruf einer der Männer, das Klappern mit Töpfen, und all die Geräusche, die Marcus hörte und doch nicht mehr wahrnahm, denn sie waren das natürliche Pulsieren in dem Lager und Marcus hätte wohl erst ihre Abwesenheit bemerkt.


    „Hmh!“
    , gab Marcus leise von sich und lauschte den Worten von Priscus, dabei den zweiten Becher mit Wein genießend, und in nachdenklicher Stimmung gefangen.
    „Gegen Römer zu ziehen ist wohl noch fordernder als gegen die parthischen Feinde...ich meine, es ist leichter Parther zu töten als Römer...“
    , meinte Marcus als Antwort und zog die Augenbrauen zusammen.


    Er entsann sich selber durchaus noch an all die Aufregung der damaligen Zeit, selbst wenn Marcus zu dem Zeitpunkt nicht viel mehr als Frauen, Feiern und Exzesse im Sinn hatte und ihm, was Kaiserwürde und ähnliche Dinge anging, die Geschehnisse zu der Zeit egal gewesen waren. Aber der Aristides von damals, den gab es nicht mehr, was Marcus erneut fest stellte- zumindest nicht mehr in der reinen Form. Schließlich zuckte Marcus mit der Schulter.


    „Was das Abstechen und die Kriege angeht, da ist der eine Feind wohl wie der Andere. Man muß ihn töten, des Sieges und des Überlebens wegen.“
    Die bittere Hellsichtigkeit, die alle Taten eines Soldaten prägte und höchsten getrübt wurde durch das Gnadengeschenk des Stumpfsinns, des Fanatismus oder der Bosheit, verschloß Marcus lieber schnell in seinem Inneren. Was brachte es schon, darüber und über den Krieg lange zu sprechen? Stattdessen zog Marcus einen Mundwinkel nach oben und wechselte das Thema.
    „Und, optio, was wirst Du als erstes tun, wenn Du wieder nach Italia kommst? Außer Dein Lager in Mantua zu beziehen?“

    Ein hauchdünner Schweißfilm hatte sich auf der Stirn des Verwaltungsoptio gebildet, er schluckte noch einmal und verbarg seine marginal zitternden Hände hinter seinem Rücken. Mit zusammen gepreßten Lippen richtete sich der dürre und auf dem campus recht tolpatschige optio auf, um ein wenig beeindruckender zu wirken, was er freilich nicht mit seiner Statur vermochte, aber ansatzweise mit seiner frostigen und abweisenden Aura. Appius Nase zuckte heftig. Das Herr und somit das Friedensangebot drang ganz langsam in sein sonst durchaus scharfen Verstand, der nur von Böswilligkeit und Rachsucht getrübt wurde. Ein schneller Blick zu dem Katzenkorb zeigte Appius, daß sich seine Drusilla bereits beruhigt hatte und gemächlich ihre Pfote ableckte. Somit war der Waffenstillstand geschloßen, schließlich war niemand so aufmerksam wie seine Katze, das wußte auch Appius. Der nickte ruckartig, so daß seine spitze Nase schnell nach oben und unten wanderte und erwiderte mit kaltem Tonfall:


    „Ja, das Wasser könnt ihr direkt aus dem Fluß schöpfen. Gleich hinter dem Zelt ist ein Trampelpfad zum Wasser hinunter. Davon könnt ihr euch selbstverständlicherweise bedienen, so viel ihr braucht.“
    Appius nahm hinter seinem Schreibtisch Platzt, um so auch das Holz einem Schild gleichend zwischen sich und den Soldaten zu bringen. Seine Hand erzitterte noch mal als er zum stylus griff, der ihm dann jedoch wieder Zuversicht und Halt gab, so daß seine Stimme kurz danach schon sehr viel gefestigter wirkte.
    „Erste Zenturie, erste Kohorte, Befehl von optio Iulius Licinus. Vermerkt.“
    Der optio sah auf und bohrte seine blaßblauen Augen regelrecht in den Soldaten hinein.
    „Sonst noch etwas?“
    , zischte er, giftig und wie eine bösartige Schlange.
    „Getreideration schon abgeholt?“




    Wie es immer mit so kleinen Stubenhockern war - den Bürohengsten, die sich in ihren vier Wänden aufspielten, ihre Macht mißbrauchten und sich als widerliche Opportunisten aufspielten, insbesondere wenn sie ein klein wenig Macht erhielten! - wenn sie mal ordentlich Gegenwind bekamen wurden sie ganz klein mit Hut. Appius wollte auch im Boden versinken als er den Soldaten so bedrohlich vor sich sah. Womöglich hätte er doch nicht die Ration verweigern sollen. Er sah es schon vor sich: Sein magerer Körper, zerschmettert auf dem parthischen Grund und Boden. Ob es wohl eine Zeile für den optio in der imperialen Zeitung gab, der Zeitung, die Appius mit Feuer und Eifer verschlang, jede Zeile in sich aufnahm als ob es kultische Formeln wären. Aber Appius bezweifelte – so realistisch war er dann doch wieder! - daß überhaupt jemand mit der Wimper zucken würde, wenn er hier sterben würde. Von einem Soldaten in der Wut nieder gestreckt. Es wäre für ihn noch nicht mal eine Genugtuung, daß jener wohl auch sterben würde, es sei denn, die Kameraden von ihm vertuschten es. Aber wer kümmerte sich dann um seine geliebte Drusilla? Etwa der rauhe Titus Crassus? Appius wurde bei dem Gedanken tatsächlich noch blaßer als bei der Vorstellung, gleich sein Leben auszuhauchen. Appius Lippen wurden zu einem schmalen Strich und seine Augen suchten danach, die sämtliche Umgebung in Eis zu gefrieren. Ansonsten rang er unter dem Tisch mit den Händen, sorgenvoll und etwas ängstlich und zuckte marginal zusammen als es hieß: bevor ich es noch mal sagen muss! Starr sah Appius zu dem Mann hoch und erhob sich, selbst danach mußte er immer noch zu dem Soldaten hoch sehen. Appius Augen huschten von einer Ecke des Zeltes zur Anderen, etwas unstet und flackernd.


    „Ieech...“
    Ein Fiepsen war die Stimme von Appius. Er fühlte sich zurück versetzt, in die Zeit seiner Grundausbildung.
    „Miaaaunz!“
    , ertönte von dem Katzenkorb. Drusilla spürte wohl die Not ihres Herrn und sah von den weichen Fellen auf und richtete ihre großen Katzenaugen auf all die Männer.
    „Nicht erschrecken, Drusilla!“
    Appius wollte auf keinen Fall die zarte Seele seiner Katze gefährden. Darum lenkte er schnell ein.
    „Also gut. Hier...kommt!“
    Er drehte sich um und ging zu der am weitesten von seiner Katze entfernten Stelle im Zelt und deutete auf einige kleine Fäßer.
    „Da ist der Essig. Das Wasser könnt ihr euch selber holen, oder?“
    Langsam gewann Appius an Faßung zurück und versuchte seine verlorene Haltung zu erlangen.




    Nun konnte Marcus doch nicht an sich halten, seine Mundwinkel hoben sich, sein gesamtes Gesicht bekam einen etwas weniger formellen Ausdruck. Nachdenklich betrachtete er den jungen Iulier vor sich, der sich – wohl auch des Krieges wegen – sehr gut in der Prima gemacht hatte, so gut, daß Marcus ihn sich gut als optio vorstellen konnte und womöglich, wenn die Zeit reif war, auch als Zenturio. Wenn der Iulier sich ran hielt und weiterhin die Führungsqualitäten bewies, die er aber schon als tesserarius offenbart hatte, Marcus entsann sich noch gut an das vorbildliche Verhalten während der Schlacht von Edessa, als Sparsus beherzt die Soldaten zusammen gehalten hatte, weils Marcus durch den Kampf von der Zenturie getrennt wurde. Die Frage von Sparsus griff Marcus ein wenig voraus, doch sie war durchaus berechtigt. Marcus warf Priscus einen schnellen Blick zu, der optio wußte bereits, was bevor stand, die Männer noch nicht.


    „Dazu komme ich gleich, optio! Aber vorweg, Deine erste Aufgabe wird es sein, Deinen Nachfolger als tesserarius in sein neues Aufgabenfeld einzuweisen.“
    Marcus pausierte, ließ dabei seine Augen über die versammelten Männer schweifen.
    „Decimus Serapio wird Dir nachfolgen in Deinen alten Posten, optio!“


    Einige Herzschläge lang betrachtete Marcus den jungen Decimer. Mal sehen, wie sich der Junge dabei macht. Womöglich wächst er sogar noch etwas mehr über sich hinaus, dachte Marcus. Im Zuge der Beförderungen und Versetzunge erhob Marcus noch den Veteranen Cafo zum signifer, ehe er zu der weniger vergnüglichen Angelegenheit kam. Einen Augenblick lang überlegt Marcus, rang damit, die richtigen Worte zu finden, um sie an die Männer, aber insbesondere Priscus zu richten. Aber wirklich paßende schienen Marcus nicht einzufallen, er war nun mal kein Gracchus, aber die Soldaten auch keine Senatoren oder Priester, was womöglich so manch ein Manko von Marcus auszugleichen wußte.


    Optio Tallius Priscus wird uns schon morgen verlaßen. Er wird in nächster Zukunft in der neunten cohors dienen.“
    Marcus wandte sich nun zu Priscus um und trat einen Schritt auf ihn zu.
    Optio Tallius, Du hast stets hervorragende Arbeit in der zweiten centuria geleistet. Du warst ein gutes Vorbild für die Männer. Deine neue centuria kann sich glücklich schätzen, Dich als ihren optio zu erhalten. Möge Mars immer mit Dir sein.“
    Marcus nickte ihm, kollegial und mit gutmütig, freundlicher Miene zu. Zu den Männern der centuria gemeint fügte Marcus noch an:
    „Nun, milites, ich denke, ihr solltet die Gelegenheit nutzen, euch noch von Tallius Priscus heute Abend gebührend zu verabschieden. Naevius wird euch Wein und ein paar Vorräte geben!“
    Marcus sah zu Sparsus.
    Optio Iulius, Du kannst gleich dafür sorgen, daß die Männer nicht übertreiben und sie morgen alle rechtzeitig von ihrem Lager kommen.“


    Naevius – im Rücken von Marcus stehend – seufzte still in sich hinein. Das würde auch noch die letzten privaten Vorräte von Marcus verbrauchen und der Schreiber – auch ein Mädchen für alles! - wußte noch nicht, woher er die Dinge bekommen sollte, nach denen es Marcus immer wieder gelüstete. Gutes Essen und ein guter Wein waren Mangelwaren hier im Krieg. Aber natürlich würde Naevius alles an die Soldaten heraus geben, auch er hatte Priscus sehr zu schätzen gelernt in all der Zeit.


    „Gibt es noch Fragen?“

    Das war auch eine Logik, die nicht zu schlagen war, Marcus nickte zustimmend und langsam schlich sich eine gewiße – sehr untypische – Melancholie bei Marcus ein. Bei Avitus hatte Marcus noch seine Grundausbildung gehabt, unter Avitus hatte Marcus lange gedient, bis hin zum optiorang, bis er schließlich centurio wurde und Avitus primus pilus. Wurde Marcus langsam alt, daß er an die guten, alten Zeiten dachte? Das mußte eindeutig so sein, womöglich war es an der Zeit, die alten Pfade zu verlaßen und ausgetretene Felder hinter sich zu laßen. Marcus leerte den Becher in einem Zug und nickte zustimmend bei Priscus letzten Kommentar.


    „Ja, schau'n wir mal!“
    , antwortete Marcus mit einem marginalen Lächeln auf den Lippen.
    „Er wird’s schwer haben, bei den hohen Maßstäben, die Avitus gesetzt hat.“


    Ein wenig Gesichts- und Charakterlos hatte Marcus den besagten centurio, der nun primus pilus geworden ist, in Erinnerung, aber womöglich würde sich das legen, sobald der Mann mal in Aktion trat oder die Möglichkeit hatte sich zu beweisen. Marcus griff selber nach der Karaffe, um sich und Priscus nachzuschenken, denn irgendwie war Marcus noch danach, das Gespräch mit Priscus fortzusetzen. Nun, wo Priscus in eine andere Einheit wechseln würde und sie womöglich nicht mehr so schnell dazu kamen.


    „Bist Du zufrieden mit dem, was wir mit der Prima bis jetzt in dem Feldzug erreicht haben?“
    Eigentlich war das nicht, worauf Marcus hinaus wollte, aber irgendwo mußte man ja Anfangen, wenn man sich zu einem bestimmten, nicht ganz so freudigem Thema vorarbeiten wollte.
    „Ich meine, wie...ist der Krieg für Dich? Es ist ja nicht Dein Erster, hm? Wie war das denn damals, mit dem...öhm...Bürgerkrieg? War das ähnlich?“

    Ein gutes Mahl, ein süffiger Tropfen, mit dem man sich das Fleisch und die guten Essenssachen schmecken laßen konnten, dazu humorige Gesellschaft, die das Mahl noch mehr Würze gab, was wollte man schon mehr in solchen Zeiten, den Tagen von Krieg, Marschieren, Graben, Wache halten, Kämpfen, Überleben, Marschieren, etc.? Und darum wußte Marcus so einen Abend wahrlich zu würdigen und griff herzlich zu, an Appetitlosigkeit litt Marcus auch nur in wirklichen Extremsituationen. Das deftig angerichtete Fleisch, von der Ziege, zerging auf seiner Zunge, er kaute kräftig, wenn er mal ein Stück Sehne erwischte und sah dabei zu Imperiosus, dessen Worten lauschend. Auch für Marcus hatte es nicht in der ersten cohors angefangen, sein erstes Kommando als centurio hatte er auch bei einer kleineren Zenturia gehabt und mit einem Haufen, der Marcus damals sehr suspekt vorkam. Oder sagen wir besser, der Umstand des Todes von ihrem letzten centurio – Marcus Vorgänger dort – war mehr als verdächtig gewesen und der alte centurio auch als Schinder in der Prima verschrien. Aber was an den Gerüchten wahr war, hatte Marcus nicht mehr heraus finden können. Er war erneut zu einer anderen Einheit versetzt worden und letztendlich dann zu der ersten Kohorte. All die Erinnerungen huschten Marcus durch den Kopf, was man durchaus an seiner nachdenklichen Miene deuten konnte.


    „Die jungen Männer Deiner Einheit haben einen großen Vorteil, den so manch ein anderer römischer Soldat nicht hat...“
    , gab Marcus zur Antwort, wobei er einen Moment sich selber unterbrach, als er sich ein Stück Fleisch in den Mund schob und erst kaute.
    „...das ist nämlich der Krieg.“
    Erneut wanderte ein Stück Fleisch in Marcus Mund.
    „Die anderen cohortes sind genauso gut wie die Erste!“
    „Ausgeschloßen!“
    , fügte ein anderer centurio an. Er war gut zwei Köpfe kleiner als Aristides, dafür ein bulliger und sehr gedrungener Mann. Plinius war sein Name. Selbst wenn jener Zenturio nicht den geringsten Hang zur Historie hatte, mehr selber Geschichte zu schaffen.
    „Besser, Flavius, besser sind wir!“
    Marcus warf ihn einem gespielt wütenden Blick zu, grinste darauf hin und zuckte mit der Schulter.
    „Ach was.“
    , gab er lasch als Antwort und wandte sich wieder an Imperiosus.
    „Ich weiß, es heißt hier in der Legio Prima immer, wir wären die Besten. Ich will nicht bestreiten, die Legio Prima ist exzellent. Aber das ist die Neunte auch. Oder die Secunda ebenso. Und von der Legion in Ägypten hört man auch viel Gutes...wie war die noch mal...?“
    „Die Zweiundzwanzigste!“
    , half ihm Plinius aus.
    „Genau.“
    Marcus nickte zustimmend.
    „Dein Verwandter, Avitus, der praefectus, wurde auch in der Neunten geformt. Er war wohl der beste primus pilus, den die Prima seit langem gesehen hatte...mal von Plautius abgesehen. Ich bin froh, nicht in derartige Fußstapfen treten zu müßen, sie wären wohl eine Nummer zu groß für mich. Bruseus, reich mir mal das Fleisch da drüben...danke schön! “


    Interessiert betrachtete Marcus das Fleisch, was ihm Bruseus gegeben hatte. Er konnte es nicht ganz definieren, aber ohne zu zögern – schließlich roch es sehr gut – nahm Marcus davon und steckte es sich in den Mund. Zart, lecker, würzig. Aber etwas seltsam fand er die amüsierten Mienen von ein paar der anderen centuriones, als er das Fleisch zu sich nahm. Mißtrauisch spähte er hinunter, konnte jedoch nichts Falsches an dem Mahl entdecken. So zuckte er mit der Schulter, stellte das Fleisch auf einer der Kisten und nahm sich ab und an davon. Auch an anderer Stelle wurden Gespräche geführt. Wie der Krieg wohl verlaufen würde, was der Kaiser womöglich vor hatte und natürlich über die Belange der Soldaten.


    „Und, Artorius, gibt es jemanden, der zu Hause auf Dich wartet oder sind alle Artorier bei den Legionen?“

    Langsam beschlich Marcus doch ein ungutes Gefühl, denn wenn sie so lange warten mußten, dann war da doch eindeutig etwas im Busch, oder? Marcus zog die Augenbrauen zusammen, als er all das Stampfen unzähliger Füße der ersten cohors vernahm; er sah einen Herzschlag lang über seine Schulter und nickte zufrieden als er Priscus ganz vorne, bei den Männern der Zweiten, sah, der optio sorgte eindeutig für Ruhe und ein ordentliches Auftreten der Männer. Und wie es immer paßierte, wenn man wartete und noch länger herum stehen mußte: Er bekam Durst, sogar ein wenig Hunger, qan seinem Rücken juckte es, sprich, es wurde langsam etwas ungemütlich. Aber was tat man nicht alles für die Pflicht? Wie einem Reflex gleichend folgte Marcus dem Befehl, aber diese Kasernenstimme, die hatte Marcus schon in seiner Grundausbildung vernommen und solche Dinge - dieser altbekannte Reflex - streifte man selbst als centurio nicht ab. Marcus richtete sich auf und behielt Haltung, selbst wenn es, wegen der Unpäßlichkeit an seinem Rücken wegen, doch etwas unangenehm wurde.

    Herr? Das war wie Balsam für Appius Ohren. Ein sanftes Liebkosen seiner geschundenen Seele, Respekt und militärisch erzwungene Unterwürfigkeit von einem Soldaten, der ihm problemlos das Genick brechen konnte, ihn in den Staub treten und mit einem Schlag durch das ganze Zelt schleudern, das tat Appius besonders gut. Wie oft wurde er schließlich von solchen Männern in der Grundausbildung getrietzt. Geschlagen, wenn der optio von damals es nicht gesehen hatte, ein Bein gestellt, wenn es hieß, wieder diese ellenlangen Runden um den campus zu drehen, die Appius nur mit hängender Zunge geschafft hatte. Und dann die gemeinen Streiche, die die anderen Soldaten mit ihm nachts getrieben hatte. Selbst sein eigenes contubernium war stets dabei gewesen und Appius hatte viel erdulden müssen in den ersten Monaten seiner Legionszeit. Doch dann, dann kam das Glück für ihn als er entdeckt und in die Verwaltung versetzt wurde. Wo er nun mehr zu den zwei Dekaden hinstrebend arbeitete und immer noch optio war und wohl auch so aus dem Dienst scheiden würde, mitsamt seiner kleinen Drusilla. Eine Augenbraue zuckte von Appius, einziges Zeichen in seinem Gesicht, daß jener Mann überhaupt etwas empfand. Aber Appius war auch seelisch einfach verkrüppelt, ein Absonderling ohnegleichen. Er senkte seine eisigen Augen auf die tabula und starrte auf sein Geschriebenes. So ließ er die Soldaten einfach warten, was auch Taktik von ihm war. Erst wenn sie anfingen mit den Füßen zu scharren oder sich zu räuspern, erst dann ließ Appius noch mal sechzig Herzschläge vergehen, ehe er wieder auf sah. Schließlich tat er das auch.


    „Die Fäßer für die erste centuria, erste cohors, Prima, wurden bereits vorgestern abgeholt. Die Nächsten sind erst morgen fällig. Wir sind im Krieg und nicht in der Heimat. Wir müßen sparsam mit unseren Ressourcen umgehen. Insbesondere jetzt, bei einer Belagerung.“
    Das war weit übertrieben, aber Appius war sich nicht zu schade, dort, wo es nur ging, sich einen kleinen Vorteil zu erringen. Wenn er schon optio blieb, mußte er für seine – und natürlich auch Drusillas! - Zukunft vorsorgen.
    „Aber ich könnte eine Ausnahme machen. Wenn ihr...“
    Er sah bedeutungsvoll die Soldaten an.
    „...ihr versteht schon, was ich meine, oder?“




    Zitat

    Original von Gaius Tallius Priscus
    ...


    Die Zukunft war stets neu und ein unbeschriebenes papyrus und mit Sicherheit eine Freude für einen Historiker. Für Marcus ganz sicher auch, denn deswegen hatte er allen Grund, sein Nicht-Wissen über die Historie auch nicht zu trüben, es war für die Zukunft sowieso bedeutungslos. Er nickte zustimmend auf die klug gewählten Worte von Priscus und deutete das mit einem Anheben seines Weinbechers. Auch Marcus verließ nicht ungerne dieses gewagte und gefährliche Territorium, wo Bildung und Wissen wichtiger waren, als seine mehr oder minder gradlinige Art. Ein Sklave schlich hinter seinem Rücken entlang, um den Weinbecher von Priscus und Marcus noch mal zu füllen, ehe Marcus abweisend die Hand hob und den Sklaven wie eine lästige Fliege davon schickte.


    „Kampferfahrung macht viel wieder wett. Ich meine, man kann viel die Formationen üben, auf Strohpuppen einschlagen oder Türme bauen. In der Realität läuft es oft ganz anders...und Strohpuppen wehren sich bekanntermaßen nicht...“
    , fügte Marcus mit einem leichten Grinsen an.
    „Auch was das Kämpfen in der Formation angeht, wird er so manch einem Soldaten einiges voraus haben. Wir können froh sein, wenn wir solche Männer haben, die das an die jungen Rekruten weiter geben können...selbst wenn er vor nicht allzu langer Zeit selber so ein Rekrut war!“
    Den Marcus noch ausgebildet hatte. Es schien Marcus Jahre her zu sein. Noch ein Schluck darauf genommen und Priscus erstaunt gemustert. Herrje, woher wußte er das mit Avitus? Hatte sich das so schnell herum gesprochen? Auf den nahe liegenden Schluß kam Marcus natürlich nicht. ;)


    „So ist es. Avitus ist jetzt praefectus. Es ist schade, ihn als primus pilus zu verlieren. Aber immerhin haben wir dadurch einen mehr als fähigen praefectus. Seinen Posten hat ein centurio der dritten cohors bekommen. Ich kenne den Mann leider nicht.“
    Marcus zuckte mit der Schulter. Aber die Fußstapfen von Plautius oder Avitus zu füllen war wohl für jeden Nachfolgenden einfach unmöglich.
    „Die Räder rollen weiter. Die Sandkörner fallen weiterhin hinunter...oder wie man auch immer sowas ausdrücken würde. Ich meine damit, es geht alles seinen gewohnten Gang. Egal ob Krieg oder nicht!“

    In einem fulminanten Strahlen stand die Sonne am Himmel, schon mehr dem Horizont entgegen strebend, mit den Ausläufern den Rand der Erde berührend, um in einem der farbenprächtigen Sonnenuntergänge – die es doch so zahlreich hier in der Wüste gab, so daß sich Marcus schon fast daran übersättigt hatte, aber nur fast! - zu vergehen, um sich in der Nacht dem Menschen zu entziehen und, schon wenige Stunden später genau am anderen Horizont wieder aufzugehen. Manchmal versuchte Marcus den Himmelswagen zu erkennen, mit dem Sol die Scheibe über das blaue Firmament zog. Der Wind spielte mit dem Stoff seines Zeltes in seinem Rücken. Von einigen Einheiten weiter war das laute Rufen einer Exerziermannschaft zu vernehmen. Ein Wachwechsel fand an der Wehrmauer statt und an anderen Lagern wurde bereits das abendliche Mahl zubereitet. Marcus indes blieb ruhig stehen und betrachtete Sparsus, glaubte sich noch gut daran zu entsinnen, als er den jungen Mann quer über den Exerzierplatz von Mantua gescheucht hatte, bis der Krieg über sie alle herein brach und Sparsus ad hoc zum Soldaten befördert wurde. Von Livianus, dem verschollenen Legaten, dem sich Marcus immer noch verpflichtet fühlte; was wohl niemals aufhören würde. Aber er verdankte dem Decimer auch recht viel. Am Gesicht des Iuliers konnte es Marcus im dem Moment ganz deutlich sehen, wie sehr der Krieg und der Feldzug sie doch alle verändert hatte. Würde er das auch sehen, wenn Marcus in einen Spiegel sehen würde?


    Miles, schon in Mantua hab ich eindeutig großes Potential bei Dir entdeckt...“


    Eigentlich hatte Marcus kein solches Feingespür. Marcus fand Sparsus schon in Mantua sympathisch, fleißig und ehrlich, aber groß Gedanken hatte er sich damals nicht darum gemacht. Aber damals schien auch Marcus noch ein ganz anderer Mensch gewesen zu sein. Viel mehr mit den eigenen Dingen beschäftigt als jetzt und heute, in der Zeit des Feldzuges.


    „...und ich bin froh, daß Du das Potential nicht verschwendet hast, sondern gut genutzt!“
    Ein Mundwinkel von Marcus hob sich ein wenig. Aber nur unmerklich. Womöglich trat ein etwas freundlicherer Ausdruck in Marcus braune Augen als er die nächsten Worte an Sparsus richtete.
    „Darum bin ich froh, Dir heute den Stab eines optio überreichen zu können. Von heute kannst Du Dich mit optio Iulius Sparsus melden, optio!“
    Marcus nahm den länglichen Gegenstand und reichte ihn an Sparsus weiter.

    Als die Schritte sich immer weiter näherten und auf das Zelt eindeutig zu strebten, merkte Appius schnell, daß sie wohl eindeutig zum Versorgungszelt wollten. Eilig, aber sanft, griff er um den Bauch seiner geliebten Katze Drusilla und wandte sich um, um in das Zelt zu treten, wo Fäßer neben Fäßer standen, Kisten und Säcke gelagert wurden und inmitten all dem ein provisorischer Tisch stand, auf dem Appius seine Schreibtafeln sortiert hatte, sorgfältig und akkurat wie schon in Mantua. Tabula lag neben tabula in genau dem selben Abstand, man hätte danach ein Maßband entwerfen können. Stylus an stylus lagen dort wie aufgereihte Soldaten, die auf ihren Einsatz warteten. Vorsichtig setzte Appius seine Katze in den Katzenkorb – gefüllt mit weichen Kaninchenfellen, damit seine kleine Drusilla auch ja nicht fror in der Fremde und im Krieg – und setzte sich hinter den Tisch. Seine Schultern etwas nach unten gezogen, seine Augenbrauen – die sehr ausgedünnt waren, genauso wie sein Haupthaar mit den Ratsecken – zogen sich zusammen, seine Augen bekamen einen kalten und durchdringenden Blick. Und dieser begegnete den Soldaten als sie in das Zelt traten und in das kleine Reich von Appius – er mußte irgendwo seine bürokratische Seifenblase innerhalb der Legion schaffen, sonst würde Appius vor Verzweiflung unter gehen! Ohne einen Muskel im Gesicht zu verziehen lauschte Appius dem Begehren der Soldaten – er fühlte sich auch wie ein kleiner Monarch in dem Zelt, womöglich wie ein Statthalter, der im Auftrag des praefectus die Provinz Versorgungslager Secunda regierte! Immer noch trauerte Appius dem alten praefectus hinter her, kein praefectus zuvor hatte ihm so viel Aufmerksamkeit geschenkt, keiner der Vorgänger von Plautius hatte ihm derart oder überhaupt Lob entgegen gebracht und sogar Respekt. Selbst wenn der praefectus es nicht mehr wahr machen konnte, Appius zum centurio zu befördern, so hatte er es dennoch geschafft, den Eisklotz namens Appius auf seine Seite zu ziehen. Dem alten PP und neuen PC war Appius noch etwas skeptisch gegenüber, Appius hatte ihn nur als rüde in Erinnerung. Klopfte nicht, grüßte nicht!


    „So, so!“
    , murmelte Appius kalt. Immerhin hatten die Männer ordentlich gegrüßt und klopfen konnte man an einem Zelt bekanntermaßen nicht.
    „Ihr wollt also posca holen. Schon wieder!“
    Appius griff – ohne nachsehen zu müßen – zu einer Tafel, auf der die Prima der Prima der Prima und ihr Verbrauch stand.
    „Wer hat euch den Befehl gegeben?“