Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Düstere Ereignisse zeigten nicht immer ihren Schatten im Vornherein, kein Omen zeigte sich in den Tagen, der Wein war nicht sauer, die Vögel flogen ganz normal und auch an jenem Tag schien alles wie in den letzten Wochen zu sein. Außer, daß einer der besten Männer, die Marcus in seiner Truppe wußte, nun einem neuen Aufgabenfeld zustreben würde, in einer anderen Einheit. Marcus nahm noch einen tiefen Schluck von dem Wein und dachte über ihre Zukunft nach. Was würde sie wohl bringen? Marcus hatte keine Ahnung, denn bis jetzt war sein Erwartungshorizont nicht weiter gegangen als: Feldzug überstehen, Krieg führen, irgendwann nach Hause kommen und heiraten. Und was dann? Marcus wußte es noch nicht, doch in letzter Zeit hatte er sich immer mehr Gedanken gemacht, was er eigentlich von seinem Leben erwartete. Womöglich stellte er deshalb Priscus, dem Fels in der Legion, einer der Männer, die wohl ihr ganzes Leben lang der Legion und insbesondere der Prima gewidmet hatte, diese Frage. Marcus nickte als er die Antwort von Priscus vernahm und wunderte sich gar nicht. Er hatte damit gerechnet. Die Prima als Familie, die Legion als einziges Zuhause für einen Soldaten. Ansatzweise ging es Marcus auch so, aber dann waren da noch die Flavier, zudem natürlich Epicharis, die immer mehr an Wichtigkeit in seinem Leben gewonnen hatte, was Marcus vor einigen Jahren niemals gedacht hätte. Daß eine Frau das bei ihm vermochte – die nicht seine Mutter war! Marcus nickte nochmals mit einem grüblerischen Gesichtsausdruck.


    „Ja, wohin der Kaiser die Prima auch schicken mag. Wer weiß, vielleicht folgen wir noch den Spuren Alexanders bis nach...?“
    Wohin war Alexander noch gezogen? Marcus wußte es nicht mehr. Africa war es nicht! Irgend so ein ominöses östliches Land. Nur, daß fast keiner der Soldaten in die Heimat kam, daran entsann sich Marcus noch.
    „Wollen wir es lieber nicht hoffen. Außer daß wir genauso siegreich sind!“


    Herrje, Marcus!, dachte er sich. Am Ende war Alexander gar nicht siegreich gewesen, denn Geschichte war kein wirkliches Steckenpferd von Marcus. Er warf vieles gerne durcheinander, verwechselte ganze Epochen, siedelte Königreiche in völlig fremden Ländern an und hatte keine Ahnung, wann der große Alexander überhaupt gelebt hat. Womöglich vor gar nicht allzu langer Zeit. Marcus sah einen Moment in seinen Wein, ehe er anfügte:


    „Sparsus wird optio hier. Er ist ein tüchtiger Bursche. Wenn auch unerfahren, aber er wird es noch lernen und dann womöglich zu einem anderen centurio kommen...mal sehen...“
    Marcus sah auf und in das Gesicht seines optios, der es wohl nicht mehr lange war.
    „Hast Du es schon gehört? Wir haben einen neuen primus pilus und einen neuen praefectus.“

    Auch Marcus ergriff einen der Becher, die ein Sklave im Hintergrund bereits im Vorfeld gefüllt hatte, damit keiner der centuriones auf dem Trockenen sitzen mußte. Verdünnt war der Wein, aber nicht zu sehr. Es war auch nicht der beste Wein, den sich ein centurio sonst leisten konnte, womöglich etwas zu lieblich, zu süß und wenig würzig, aber es war ein passabler Wein, den Marcus in seinen Händen hielt und im Lichte einer Öllampe einen Herzschlag lang betrachtete. Die ganze Feier hier erinnerte ihn selber an seine Erhebung zum centurio, es schien ihm eine halbe Ewigkeit her zu sein, lange vor dem Feldzug und der Feldzug schien wiederum Jahre von seinem Leben gefreßen zu haben. Marcus sah auf und lächelte gut gelaunt, freute er sich doch ehrlich über den neuen Kameraden in ihrer Reihe, der sich außerdem so bereit willig dem Treiben der anderen centuriones ergeben hatte. Marcus sah in die Gesichter der Männer, manch einen raubeinigen Soldaten, der es nach vielen Jahren zu dem Rang des Zenturio geschafft hatte, aber viele von den Männern hier waren mehr der Schlag der lustigen Runde, die Marcus eher als Gesellschaft bevorzugte als so manch einen seiner Kollegen in der Prima, die mit viel heißer Luft gefüllt waren, einen eisernen Arm hatten, um ihre Soldaten zu schlagen, aber wenig Humor und Courage. Sein Lächeln wurde noch etwas breiter bei dem Trinkspruch, er hob den Becher und stimmte ebenso, wie viele der Kollegen in den Spruch ein.


    „Auf Rom, auf unseren Imperator und die Prima. Mögen die Parther vor uns erzittern!“
    Daß der Kaiser nur wenig Zeit später sterben würde, das ahnte Marcus in dem Moment ganz gewiß nicht.
    „Auf unseren neuen centurio in der Prima. Möge Fortuna ihm hold sein, Mars sein Beschützer und Venus ihm stets das Leben versüßen!“
    , fügte Marcus mit einem breiten Grinsen an.
    „Typisch...woran denkt unser Flavier? Nur an die Frauen!“
    , spottete Hortensius gutmütig.
    „Gar nicht wahr!“
    , protestierte Marcus halbherzig und grinste verhalten.
    „Nicht streiten, Kinder.“
    , unterbrach Bruseus die Beiden, ehe Hortensius noch etwas erwidern konnte.
    „Auf unseren neuen Bruder! Und nun, Männer, laßt uns nicht lange warten, das Essen wird kalt!“


    Einladend deutete Bruseus, centurio der fünften centuria der ersten cohors, auf die Platten, die auf den niedrigen Tischen standen. Gebratene Ziege, anderes gebratenes Fleisch, dessen Ursprung nicht allzu sicher war, Brot, harter Käse, alles samt Speisen, die nicht zu einem wirklichen Festmahl paßten, aber es war Krieg und da mußten sich selbst die centuriones ein wenig zurück nehmen, hatten nicht mehr den Komfort wie in einem Standlager in der Heimat, wie in Mantua. Die Soldaten nahmen Platz, auf improvisierten Sitzgelegenheiten, Lager, Fellen und ähnlichem. Auch Marcus flenzte sich auf ein großes Schaffell und griff, ohne zu zögern, nach einem Stück von dem Fleisch, um es sich in den Mund zu schieben. Dabei betrachtete er Imperiosus und dachte darüber nach, was er über jenen Mann wußte. Es war herzlich wenig. Er war mit dem ehemaligen PP verwandt, war ein Artorier und ...ja, das war es eigentlich.


    „Und? Wie sind Deine Männer so, Artorius?“

    Die jetzt kommenden zwei Wochen mit Blockkurs an der Uni und anschließender - nicht sehr einfachen - Klausur verhindern momentan etwas eine rege Aktivität. Man möge es mir nachsehen, wenn ich mal mit den Antworten hinter her hinke und nicht überall sogleich antworten kann.

    Der Wind drückte sich gegen die Zeltwand, das Zelt, was dort stand, wo man womöglich die Lagerräume eines Lagers erwarten konnte und das war gewiß kein Zufall, denn tatsächlich wurden in diesem Zelt, wie in manchen Anderen auch, die Dinge gelagert, mit denen die Soldaten auf dem Feldzug versorgt wurden. Im Nachbarzelt waren Ersatzteile, in diesem Zelt die Verpflegung von den Soldaten, die sich für mehrere Tage gleich ihre Ration abholen konnten, freilich für das gesamte contubernium oder mehr. Eine kleine Katze sprang auf ein Faß, daß vor das Zelt gerollt worden war. Klein, zierlich und völlig fehl am Platz war die Katze, die ihren Schwanz hoch aufgereckt hielt, und ihr Haupt stolz in die Höhe. Seitdem der dicke Kater des alten praefectus - Plautius - weit fort war, fühlte sich die kleine Drusilla wie die Königin des Lager – wenn nicht all die Hunde wären, die immer wieder durch das Lager streiften! - und somit zeigte die kleine Katze – deren Herrchen zufälligerweise ein gewisser Appius Carteius Cirenthius, immer noch optio des Rekrutierungsbüro, sofern es eines gäbe! - ihre ganze majestätische Würde. Sie blieb auf dem Faß und setzte sich, begann sorgfältig ihre Pfote zu belecken und störte sich nicht an dem dicken Soldaten, Titus Crassus, der nach draußen trat und die Zeltplane zur Seite schlug. In seiner Hand trug er eine tabula, ihm folgte ein Soldat, der Titus immer zur Hand ging.


    „Himmel und alle guten Götter, bei Venus Ti....“
    „Keine Gotteslästerung da draußen!“
    , tönte es im selben Moment aus dem Zelt. Eisig kalt war die Stimme. Titus drehte sich um, seine Augen funkelten wütend.
    „Pah, ich fluche wie ich will!“
    , donnerte er zurück. Aber den Ausspruch wiederholte er nicht.
    „Also, gut sieht es nicht mehr aus. Verflucht noch mal...Himmel und...“
    „Immerhin haben wir keinen Wassermangel mehr. Soll ich die Fässer auffüllen laßen?“


    Titus nickte abwesend und studierte weiterhin die tabula, auf der die Listen von Verpflegung und Proviant aufgelistet war. So merkte er gar nicht, daß erneut das Zelt geöffnet wurde und der zweite optio dieser Versorgungseinheit – die erste Kohorte war ihr Gebiet – heraus kam. Einen frostigen Blick schenkte Appius dem dicken optiokollegen, der leise vor sich hinmurmelnd zu einem Wagen ging. Daß Appius ausgerechnet mit seinem Feind zusammen arbeiten mußte, war schon eine arge Zumutung für die Schreiber- und Krämerseele von Appius. Griesgrämig trat Appius zu dem Faß, auf dem seine Katze sich mittlerweile sonnte und begann sie an ihrem Bauch zu kraulen. Die Katze – schon eine alte Veteranin, was ihre Artgenoßen anging – schnurrte leise. Wie oft war die Katze schon dem Tode entronnen? Einige Male in den letzten Monaten. Aber sagte man nicht, daß Katzen neun Leben hätten? Appius sah liebevoll auf seine Katze - das einzige lebende Wesen, daß er wirklich schätzte und die ihn mochte, so wie er war, ansonsten war Appius immer noch im Lager verhaßt! - herunter, Appius war immer noch so dürr und klapprig wie in Mantua, und genauso blaß, als ob er den Marsch stets in Sänften oder in Planwagen mitgemacht hätte. Als Schritte sich näherten, hob Appius den Blick und ließ seine Miene wieder den frostigen Ausdruck gewinnen, den er stets in Öffentlichkeit trug.


    Die mehr schmalen Lippen von Hortensius – an deren Unterrand sich eine dünne Narbe entlang schlang - wölbten sich zu einem erfreuten Lächeln. Auch die beiden anderen centuriones nickten beifällig als sich Imperiosus derart vertrauensvoll in ihre Hände begab. Hortensius winkte Aristides heran, der den groben Leinensack bei sich trug und ohne zu Zaudern schlang Hortensius die groben Stricke um Imperiosus Handgelenke, band sie geschickt zu, prüfte dabei den Knoten und ob sich Imperiosus einfach daraus befreien konnte. Dann nahm er Aristides den Sack aus der Hand und grinste breiter.


    „Die Dunkelheit kommt, damit das Licht umso heller wird. Keine Sorge, Bruder. Wir centuriones müssen doch zusammen halten, nicht wahr?“


    Dann stülpte er Imperiosus den Sack über den Kopf und zog ihn mit einem weiterem Strick fest um ihn. Sicherheitshalber winkte er vor dem Sack, ob Imperiosus noch etwas sah. Aristides trat an die Seite von Imperiosus, Hortensius flankierte ihn an der anderen Seite. Und auf ging es. Die drei centuriones führten Imperiosus durch das Lager. Mal begleitet von einem leisen Glucksen und ähnlichen Lauten oder einem „Obacht, eine Zeltschnur...genau...Fuß heben. So ist's Recht!“ Durch das halbe Lager wurde Imperiosus geführt, schließlich wurde er von Aristides und Hortensius angehalten, es dauerte einen Moment, dann war ein leises Flüstern zu vernehmen.


    „Ah...da ist er ja...gut!“
    „Bereit?“
    „Alles klar. Er kann rein kommen!“


    Geraschel, weiteres Getuschel, etwas unverständlich, dann wurde Imperiosus weiter geführt. Plötzlich wurde Imperiosus los gelaßen. Aristides und Hortensius lösten sich von Imperiosus, ungefähr ein Dutzend Männer, die sich hier versammelt hatten, sahen sich gegenseitig an, hoben bedeutungsvoll die Augenbrauen oder sahen fragend zu Hortensius und Bruseus, die beiden ältesten centuriones im Zelt.


    „Ein neuer centurio ist in unserer Runde. Ein neuer Bruder, den wir in unsere Reihen aufnehmen. Taugt er auch etwas?“
    „Natürlich tut er das!“
    „Bürgst Du dafür?“
    „Das tue ich!“
    „Einer ist keiner!“
    „Ich bürge auch für ihn!“
    „Gut! Sehen wir, ob er aus dem harten Kern gemacht ist, den ein centurio braucht...“


    Gerade mal ein Herzschlag – ein völlig unbedeutendes Pochen eines menschlichen Herzens lang – dauerte es und schon stürzten sich die Männer auf Imperiosus, um ihn ordentlich durchzuwalken. Kampferprobte Männer, die Imperiosus mit Fäusten und Ellbogen stießen und rauften – selbst wenn sie nicht zimperlich waren, ernsthaft und wirklich schlimm schlug keiner zu, außer vielleicht mal ein Tritt, den Imperiosus ab bekam.


    „Genug!“
    , ertönte eine kräftige Stimme.
    „Er ist genug gedroschen worden. Er ist so, wie ein centurio sein soll.“


    Schon wurde Imperiosus der Sack vom Kopf gerißen. Aristides nahm einen Dolch und schnitt Imperiosus die Fesseln ab, musterte ihn kurz, ob alles in Ordnung war und lächelte dabei gutmütig freundlich. Mitten in einem großen Zenturiozelt waren die Männer, Feldstühle und Felle standen und lagen dort und einige Kisten, die als Tische genutzt wurden und nun große Platten mit Essen und große Amphoren mit Wein enthielten. Flackernde Öllampen spendeten Licht und eine große Kohlepfanne die Wärme gegen die bitterkalte Nacht.


    „Willkommen im Kreis der centuriones, centurio Artorius!“
    So und ähnlich sprachen die vielen Männer den Glückwunsch aus.

    In aller Ruhe rüstete sich Marcus, während er schon im Zelte hörte, daß sich die Männer draußen auf den Ruf von Naevius hin versammelten. Ein Sklave zog die Schnallen an seiner Rüstung fest, was keine leichte Aufgabe war, denn die Rüstung war in Zeiten zurecht gehämmert worden als Marcus noch deutlich schlanker und trainierter war. Marcus ächzte leise und fluchte vor sich hin als ihm fast wie ein Korsett die Rüstung die Luft abschnürte, doch dann war auch die letzte Schnalle zu, die Rüstung an seinem Leib und Marcus sah deutlich rüstiger aus. Der Sklave wischte mit einem groben Tuch und etwas Öl über die Rüstung, bis sie wieder mehr glänzte, geduldig ließ Marcus ihn heute gewähren und sann still und stumm vor sich her. Schließlich winkte er den Sklaven zur Seite, griff nach seinem Helm und den länglichen Gegenstand, dem ihm Naevius schon vor einer Weile gebracht hat. Naevius kam etwas atemlos wieder in das Zelt zurück und lächelte selig – was er immer tat, wenn er sich wichtiger fühlte durch die Aufträge, die ihm Marcus gab.


    „Alle sind angetreten, centurio!“
    „Sehr gut!“
    , erwiderte Marcus.

    Marcus trat auf den Zeltausgang zu, schlug mit einem Arm den Stoff zur Seite und trat hinaus. Purpur hatte sich der Himmel verfärbt im Beginn des Sonnenuntergangs, eine milchige Wolkenbänder zogen sich über den Himmel, strahlten leuchtend orange, während ihre Ränder blaulila verfärbt waren. In der Luft war ein würziger Geruch, wie so oft am Abend. Etwas, was Marcus gut gefiel in diesen Landen. Mit aufrechter Haltung, ernster Miene, die er für solche Angelegenheiten paßend fand, schritt Marcus bis vor die Soldaten, dabei viele der Männer musternd, die teilweise sich sorgfältig rasiert hielten, andere wiederum ihren Bart frei wachsen ließen. Augen, die seinen Blick erwiderten, Männer, die ihm schon lange Zeit in der Prima dienten und auf die er – wie zahlreiche Schlachten bewiesen hatte – zurecht auch stolz sein durfte. Vor den Männern und in der Mitte der Zeltreihe blieb Marcus stehen. Er schwieg einige Herzschläge lang, ehe er sprach - und das in einem noch ominösen Tonfall, der nichts verriet, was der Sinn dieses Appells war.


    „Iulius Sparsus! Vortreten!“

    Ich bin mir sicher, ihr könnt euch denken, warum ihr hier seid? Eine gute Frage, aber eigentlich stand Marcus in dem Moment auf dem metaphorischen Schlauch. Er blinzelte einige Male und dachte scharf nach, aber den Göttern sei Dank, kam ihm Avitus zu Hilfe. Der Einsatz in Circesium. Noch immer hatte Marcus das Gefühl, der Geruch von Cloaca haftete an ihm. Er hatte sich zwar schon mehrmals im Fluß gewaschen, die Sachen, die er in jener Nacht getragen hatte, von einem Sklaven fortbringen laßen, aber der scheußliche Gestank wollte einfach nicht aus seiner Nase verschwinden. Egal, was er aß, er roch die Cloaca, was ihm ordentlich den Appetit vergelte – hoffentlich hielt das nicht an, sonst würde er gewiß abmagern! - egal, wohin er ging, der Geruch kam mit ihm. Doch in jenem Augenblick wurde er von den Unannehmlichkeiten ihres vergangenen Auftrages abgelenkt. Marcus Schultern hoben sich ein wenig, stolz wegen den lobenden Worten des Artoriers. Marcus Mundwinkel umspielte ein marginales Lächeln, seine Augen funkelten vergnügt. Sicherlich, es waren einige auch weniger heroischen Dinge passiert, die alten Männer auf dem Weg mal abgesehen, aber erfolgreich waren sie dennoch gewesen und Marcus wollte sich lieber nicht vorstellen, was sonst noch passiert wäre, wenn die Stadt mit Gewalt hätte erobert werden müßen– mit brachialer Gewalt! Aber dennoch...


    „Nun, primus pilus,...“
    Marcus war ja noch ahnungslos.
    „...wenn ich für mich sprechen darf? Ich war für meinen Teil sehr froh, als die erste Kohorte rechtzeitig eintraf. Mars war uns allen - dem Männern der ersten cohors - hold in jener Nacht. “
    Avitus Leistungen in jener Nacht, die von Priscus, die von all den anderen Männern der ersten Kohorte, die in genau dem richtigen Moment kamen, diese wollte Marcus damit erwähnen. Selbst wenn Marcus womöglich nicht die passenden Worte dafür finden konnte, er hatte von dem Politikerblut der Familie eben eindeutig zu wenig abbekommen.

    Viele Füße marschierten zu dem praetorium, Militärgürtel klimperten bei jedem Schritt, leises Stimmengemurmel drang bis zu Marcus Ohren, viele der Männer fragten sich, was das wohl zu bedeuten hatte. Marcus natürlich auch, der mit seiner Einheit – dem letzten Rest seiner großen Truppe, die durch den Krieg schon empfindlich gelitten hatte – bis zu den Zelten in der Mitte des Lagers kamen. Avitus, Tribun, andere Einheiten? Lag was Größeres an? Marcus stellte sich vorne und rechts neben seine Männer, grüßte den Tribun - der sich als äußerst fähiger Kommandant erwiesen hatte - mit einer Bewegung seiner Faust zur linken Brustseite, nickte Avitus zu – glaubend, immer noch den ersten Speer vor sich zu haben – und nahm Haltung an. Hinter seinem Rücken hörte Marcus erneut ein leises Getuschel, konnte es jedoch nicht ausmachen. Doch dann verstummten auch diese Männer und sahen – wie Marcus auch – erwartungsvoll nach vorne.

    "Jawohl, eine Tradition! Mehr darf ich noch nicht verraten. Oh nein!"


    Warnend sah Hortensius über seine Schulter, doch dieses Mal waren die beiden anderen centuriones ausnahmsweiße brav und bemühten sich auch darum, dem Ganzen einen wahrhaft würdevollen und erhabenen Moment zu verleihen. In einigen Zelten neben an raschelte es leise, ab und an streckten sich Mal Köpfe heraus. Auch näherte sich ein Soldat vom Ende der Lagergaß, der wohl nach dem Rechten sehen wollte. Aristides löste sich von den Soldaten und ging einige Schritte in die Dunkelheit, nur ein noch halb glühendes Lagerfeuer beschien seine Konturen, den Rücken, der von einer paenula bedeckt wurde. Leises Stimmengemurmel drang von dort her, dann kam Aristides bereits zurück, ohne einen Soldaten, der sich in die Szenerie mischte und sie störte. Zufrieden drehte sich Hortensius um und rieb sich mit der Hand über seinen Bart, strich ihn glatt.


    "Nicht jeden Tag wird schließlich ein Mann aus den Reihen der Soldaten zu einem centurio erhoben, zu einem Mann, der verantwortlich ist für viele tapfere und treu dienende Soldaten. Ein solcher feierlicher Moment will gebührlich gefeiert werden mit altem Brauch und Sitte. Sitte, die freilich nur wir centuriones kennen. Du wirst wohl kaum davon gehört haben..."
    "Wie auch? Ich schlie..."
    "Still!"


    Ärgerlich sah Hortensius zu den beiden Spaßmachern in seinem Rücken und seufzte resigniert. Wie sollte er da der Zeremonie den paßenden Anfang geben, wenn die jüngeren Männer ihm ständig dazwischen pfuschten?! Doch selbst die inzwischen etwas grimmigeren Züge des ältesten centurio in dieser Viererrunde zeugten immer mal wieder von der Fröhlichkeit, die auch manch einen anderen seiner Kollegen an diesem Abend befallen hatte. Die Hand vom Bart fiel herab, er hob die andere Hand, wo Fesseln, aus rauhen Pflanzenfasern gedreht, parat waren.


    "Dafür musst Du blind und gebunden mit uns mitkommen. Wenn Du dazu bereit bist, dann strecke die Hände aus."

    Rüstungen blitzten im Mondlicht auf, Schwerter schwangen auf den letzten Widerstand herunter, der Wind umwehte Marcus und spielte in seinem dunklen Haar, trocknete den Schweiß auf seiner Stirn, der ihm beim Laufen und Kämpfen aus allen Poren getreten war. Agil schien Imperiosus - aus der Sicht von Marcus - die Treppen hoch gestürmt war, ebenso Sparsus; Marcus hinwieder hatte schon schwer geatmet als er an den oberen Treppen, und kam erst einige Herzschläge später an, um sich mit in den Kampf zu stürzen; die Männer, die sie töteten hatte Marcus nicht mehr vor Augen, mal war es wohl das Gesicht eines Jünglings, der Marcus mit Grauen ansah, als er merkte, daß es seine letzte Nacht war und dann das Gesicht eines bärtigen alten Mannes. Sehr ruhmvoll empfand Marcus das Töten dort oben nicht. Aber irgendwann ertönten unten die Schritte der Verstärkung, die erste Kohorte unter dem Befehl von Avitus, die ihnen zur Hilfe eilten. Schwer atmend kam Marcus herunter und trat bis zu Avitus als dieser gerade die Befehle weiter gab.


    „Salve, primus pilus. Verstanden!“


    Marcus marschierte weiter und nickte Serapio am Tor aufmunternd zu, erblickte auch Sparsus und war höchst zufrieden mit beiden Männern, aber im Moment gab es noch wichtigeres als Lob auszusprechen. Marcus nickte auch Priscus zu als beide – sich gegenseitig suchend! - aufeinander trafen.


    „Gut, Dich zu sehen, optio!“
    Schließlich wären sie sonst wirklich in arge Not geraten, wenn die Männer der ersten Kohorte ihnen nicht geholfen hätten.
    „Es geht für uns weiter. In die Stadt hinein. Wir sollen die Rädelsführer uns schnappen. Und jeglichen Widerstand im Keim ersticken. Ein gewißer Navid am Wasserturm und ein Saamaan an der hinteren Stadtmauer, sowie einen Händler Barzin. Ruf die Männer zusammen, auch die anderen Nachtschwärmer...“
    Womit Marcus auf Serapio und Sparsus deutete.
    „Wir rücken vor!“

    Etwas unbehaglich fühlte sich Marcus durchaus, denn mit einem Mal erfaßte ihn so eine seltsame und untypische Wehmut, zuerst hatten sie zusammen gedient, er und Priscus, dann immer noch weiter als Marcus schon Zenturio war; wenn auch Marcus nicht den blaßesten Schimmer hatte, was Priscus im Allgemeinen bewegte, viel von seinem Leben wußte er auch nicht – nur, daß er selten in Mantua in die Stadt gegangen ist, daran entsann sich Marcus noch gut!- , aber dennoch hatte er mit Priscus mehr Zeit verbracht als in den letzten Jahren mit seiner Familie, geschweige denn überhaupt in seinem ganzen Leben mit seinem leiblichen Bruder, Felix. Als sich Priscus dann auch noch bei ihm – bei Marcus? - bedankte, da blinzelte Marcus verblüfft, war aber sehr erfreut.


    "Oh...Danke, das freut mich natürlich!"
    Marcus, werd' nicht sentimental. Das ist doch was für Weibsbilder...so eine Rührseligkeit. Marcus hob darum schnell den Becher, um ja den Moment seiner Betretenheit zu überspielen.


    „Auf eine gute Zeit und darauf, daß die morgigen Tage und die Folgenden ebenso gut werden!“


    Marcus nahm einen tiefen Schluck und spürte den würzigen Wein – leider etwas warm – seine Kehle hinab rinnen. Ein guter Tropfen aus dem Süden Syrias, den sein Sklave ihnen kredenzt hatte. Der marginale bittere Hauch eines kräftigen Weines blieb auf Marcus Zunge zurück, ein guter Geschmack, der nur kam, wenn man den Wein nicht zu sehr verdünnte. Und zu solchen Gelegenheiten kam so etwas nicht in Frage, das übertriebene Verwäßern. Zufrieden über den Eigengeschmacks dieses orientalischen Weines lehnte sich Marcus etwas zurück und gegen den Pfosten des Zeltes.


    „Ich werde später noch die Männer zusammen rufen laßen. Ich würde mich freuen, wenn Du dann noch hier wärest. Ich denke, die Männer möchten sich sicherlich noch angemeßen von Dir verabschieden.“
    Schließlich war Priscus bei den Männern beliebt und das wußte Marcus. Nachdenklich musterte Marcus den optio einen Moment.
    „Sag' mal, optio, wie steht es eigentlich bei Dir? Hast Du Dir schon Gedanken gemacht, was nach einem Feldzug für Dich kommen könnte? Würdest Du in der Legio Prima bleiben wollen oder...ähm...woanders hin wollen?“
    Ruhestand oder ähnliche Worte wollte Marcus lieber nicht in den Mund nehmen, selbst wenn Priscus wohl sehr viel länger als Marcus schon bei der Prima diente.

    Schon seit langer, langer Zeit war es jeden Abend dasselbe: Marschende, Gepäck abladen, Werkzeug hervor, abwarten, bis die Vermessungen fertig waren, Schnüre gesteckt, das Schaufeln beginnt, der Aufbauer der Zelte, alles, was ein Lager so brauchte – auch die unangenehme Latrinenarbeit, die von Tag zu Tag mal auf einen anderen Soldaten fiel und in seltenen Fällen auch mal eine ganze Woche, wie vor scheinbar langer Zeit als Aristides noch Sparsus und Serapio dazu verdonnert hatte, ein Grünschnabel und ein kaum mehr erfahrener Soldat. Die sich in der Zeit doch durchaus gemacht hatten und nun wichtige Posten in seiner Einheit einnahmen, Marcus beobachtete ihre Arbeit eine Weile lang zufrieden – er hielt sich bei den anstrengenden Arbeiten mehr oder minder vornehm zurück. Mit verschränkten Armen vor der Brust inspizierte Marcus all die Arbeiten – was man auch einfach als faules Herumstehen betrachten konnte, aber immerhin tat Marcus das mit einem würdevollen Ausdruck auf dem Gesicht, der sagte: Ich bin wichtig, darum steh ich einfach so hier herum! Und tatsächlich dachte Marcus nach, über all die Arbeiten, die zu bewältigen waren und dazu gehörte, alles für eine Belagerung fertig zu machen. Wie waren die Befehle? Ah ja, laßt zeitig Holz für Belagerungsgeräte herbei schaffen. Es erinnerte ihn an Mantua, an eine Übung, über die Marcus Tage lang noch geflucht hatte als sie einen Belagerungsturm erbaut hatten. Ein Claudier – der zu den Reitern ging, ein sympathischer Geselle-, Avitus, als sein Zenturio damals, Plautius, der alte Veteran, der immer ein lustiges Sprüchlein auf den Lippen hatte, Priscus, der damals sein Kollege war und mit ihm zuverlässig Balken für Balken aneinandergefügt hatte, und er damals als optio, der noch nicht mal einen Nagel in das Holz hauen konnte. Na, es war bestimmt morgen Zeit dafür einen Belagerungsturm zu erbauen und – immerhin! - Marcus und einige andere der Soldaten der ersten Kohorte - natürlich auch Priscus - hatten das schon gemacht. Marcus ließ einige Männer ausschwärmen, die sich, mit anderen Einheiten, um das Problem des Holzes kümmern sollten.

    SimOff: Alles prima so.



    Nicht einmal volle sechzig Herzschläge lang konnten sich die zwei Männer im Rücken von Hortensius beherrschen, insbesondere als sie das Gepoltere aus dem Inneren des Zeltes vernahmen. Zuerst prustete Aristides los und dann auch sein Kollege, schließlich lachten beide herzhaft und derart, daß ein Soldat neben an verwundert den Kopf aus dem Zelt steckte. Doch unter dem Blick von Hortensius verschwand der Mann wieder im Inneren. Hortensius verschränkte die Arme vor der Brust und sah Aristides und Laberius strafend an.


    „Schrecklich ist das. Zwei glucksende Hennen seid ihr!“
    Prustend und in der Tat glucksend, erwiderte Marcus:
    „Hennen? Also, das möchte ich mir doch stark verbitten...haha...Hennen...also wirklich!“
    „Wenn schon dann Hähne!“
    , fügte Laberius breit grinsend an.
    „Hähne? Pah, ihr macht meinen alten Schwestern Konkurrenz. Zwei alte Jungfern, die auch nur den ganzen Tag rumgackern...mit ihren ganzen Freundinnen.“


    Hortensius wandte sich um, als er die Stimme von Imperiosus hörte. Jetzt waren sie -eindeutig wegen dem Gelächter der beiden jüngeren centuriones – entdeckt. Immerhin bemühten sich die Zwei jetzt eindeutig, ihre Heiterkeit zu verbergen als sie den frisch gebackenen centurio erblickten. Dennoch zuckte mal eine Schulter oder ein Mundwinkel, aber immmerhin mußten beide nicht sprechen, das übernahm Hortensius, ein centurio um die Fünfzig und schon seit zwanzig Jahren bei den Legionen, wenn auch erst seit sechs Jahren bei der Prima. Hortensius hatte einen dichten schwarzen Bart, leicht gelockt, wo sich noch kein einziges graues Haar zeigte, nur die Lachfalten um seine Augen verrieten, daß er die fünfzig schon überschritten hatte und womöglich die Blessuren alter Kämpfe. Hortensius richtete seinen drahtig, bulligen Körper auf und sah feierlich zu Imperiosus.


    „Kein Angriff, keine Sorge!“
    Hortensius grinste dann doch, schließlich sah der Artorier aus als hätte er sich wahrlich hastig angekleidet. Doch das Grinsen wandelte sich wieder in einen bemührt würdevollen Ausdruck.
    Es gibt eine Tradition in dieser Legion...eine alte Tradition...“
    „Ja, so alt wie der Feldzug bestimmt...“
    „Ruhe aus den billigen Reihen!“
    , gab Hortensius zurück und ließ sich nicht irritieren.
    „Es gibt ein Ritual für die Aufnahme in unseren Reihen. Willst Du Dich dem stellen, centurio Tiberius Imperiosus aus dem Geschlecht der Artorier?“

    [Blockierte Grafik: http://img219.imageshack.us/img219/972/daryaa1qs5.jpg| Daryaa und Anoosh |[Blockierte Grafik: http://img252.imageshack.us/img252/3321/ashoonnb0.jpg]


    Starr wie eine Springmaus in ihrem Loch stand Anoosh hinter dem Baum, mehrere Männer kamen aus dem Ausgang, er sah das Aufblitzen eines Schwertes, das dann unter einem dunklen Stoff verdeckt wurde. Einer, zwei, drei, vier Männer, ein Riese, noch ein Mann, Anoosh Augen weiteten sich als er all die Gestalten in der Dunkelheit sah, die gerade mal einen Arm weit von ihm entfernt vorbei huschten und in der Gaße verschwanden. Einige Momente blieb Anoosh noch weiter stehen und guckte den Gestalten, die nun schon längst nicht meh rzu sehen waren, hinter her. Seine Knie fühlten sich ganz weich an und im dem Moment schickte er ein Stoßgebet zum Himmel, wo er den Gott seiner Herrn vermutete. Dann schlüpfte er eilends hinter dem Baum hervor und nahm die Beine in die Hand und lief in genau die andere Richtung. Gehetzt warf er immer wieder Blick über seine Schulter, ganz als ob jeden Moment die Männer es sich anders überlegten und wie ein Verhängnis über Anoosh her fallen wollten, doch die Götter hatten wohl ein Einsehen mit dem armen Sklaven. Trotzdem quietschte Anoosh laut auf als er plötzlich gegen jemanden stieß.


    „Uh, uh! Gnade, Gnade! Ich hab gar nichts gesehen. Ich bin ein blinder Bettler, jawohl!“
    „Anoosh, was ist los?“
    Anoosh ließ die Hände sinken, die er in seiner Panik vor sein Gesicht geschlagen hatte. Voller Erleichterung erblickte er Daryaa.
    „Oh, Herrin, Herrin. Den guten Lichtwesen sei Dank. Es ist furchtbar, da waren Männer, bewaffnete Männer...mit den graden Schwertern...“
    , plapperte der Sklave atemlos.
    „Gerade Schwerter? Wie die in der großen Halle meines Vaters?“
    Anoosh nickte und konnte nicht antworten, denn immer noch hechelte er um Luft.
    „Römer!“
    Anoosh riß die Augen auf und sah zurück. Jetzt wußte er wirklich, daß er dem Tod gerade von der Schippe gesprungen war.
    „Ja...wir müssen...warnen...die...“
    „Vater!“
    „Stadt...“


    Zu spät, Daryaa hörte schon nicht mehr Anooshs letztes Wort, sondern sie rannte, in Richtung der Mauer und des Tores. Ihre Füße flogen über den Boden hinweg, sie hängte den schnaufenden Anoosh schnell ab, doch die junge Daryaa war eindeutig zu spät. Kampflärm drang bis zu ihr, noch ehe sie die Mauer erreichte, dann bog s ie um ein Haus herum und stand zwanzig Schritte vom Tor entfernt. Männer kämpften auf den Zinnen, vor dem Tor, Daryaa sah sich eilends um, zog bereits ihren kleinen Dolch hervor, um sich damit einem römischen Soldaten zu stellen. Die Tore gingen auf und Daryaa sah ihn schließlich, ihren Vater, der oben auf der Mauer sein Schwert gezogen hatte und gegen einen Mann kämpfte. Daryaa hielt die Luft an und stieß einen Schrei aus als sie sah, daß das Schwert des Fremden sich in den Bauch ihres Vaters bohrte, während schon viele Füße sich näherten und noch sehr viel mehr Römer hinein kamen. Daryaa wollte nach vorne stürzen, um ihrem Vater zu Hilfe zu kommen als eine Hand sie packte.


    „Herrin, nicht! Es ist verloren!“
    „Aber mein Vater..er ist dort oben!“

    Dein Vater kann kämpfen, Du nicht! Du kannst es ihm nicht antun, hier zu sterben, Daryaa. Und denk an Deine Mutter!“


    Männer füllten die Straßen, ein römischer Soldat erspähte Daryaa und zog schon sein Schwert. Anoosh zog Daryaa in den Schatten zurück. Daryaa sah ein Banner, das auf die Mauern gestellt wurde, mehrere Römer, die von dort her kamen, wo wohl ihr Vater lag. Sie sah einen Mann*, der von der Mauer herunter geschritten kam, sah noch das Blut an seinem Schwert, aber nicht seine Gesichtszüge, zudem trug er keine Rüstung. Dieser trat auf einen anderen Mann** zu, was die Beiden sprachen vernahm Daryaa nicht, sie konnte auch kein Latein. Sie konnte den Blick nicht von den Soldaten lösen, doch Anoosh zog sie unerbittlich hinter sich her.


    *Aristides
    ** Avitus


    Was Daryaa nicht verstand: „Salve, primus pilus. Verstanden!“ Sie sah auch nicht, wie sich jener Mann zu seiner centuria begab, um den Befehl des ersten Speer der Legion auszuführen.

    Es war Nacht über Parthia, der Mond hatte an seiner kugeligen Form verloren und magerte von Nacht zu Nacht mehr ab um in wenigen Tagen für eine Nacht gänzlich vom Sternenhimmel zu verschwinden. Es war wieder mal eisig kalt in dieser Nacht, ein weiteres Marschlager war aufgebaut worden, Gräben gezogen, Verteidigungsmaßnahmen getroffen worden und die Wehr'mauern' mit wachsamen Männern besetzt worden. Soldaten gingen durch das Lager, an vielen Stellen brannten noch die Lagerfeuer, doch vor anderen Zelten der contubernia waren sie längst gelöscht und die Männer holten sich die Mütze Schlaf, die sie für die spätere Nachtwache noch gebrauchen konnten. In der Ferne heulte ein Schakal. Der Wind strich über die Zelte hinweg, kalt und frostig. An vielen Stellen war es ruhig im Marschlager, nur unterbrochen von den Stimmen der Wachsoldaten. Aber mitten im Lager ging noch etwas anderes von statten. Hinter dem dünnen Tuch eines Zenturiozeltes drang Lachen von Männern hervor, Stimmen, die sich zu einem verschwörerischen Raunen mischten und schließlich eine tiefere Stimme.


    „Wir losen, einverstanden? Wer ihn holen darf.“
    „Also gut...hier...Hölzchen oder Würfel.“
    „Würfel! Schließlich sind wir anständige Soldaten!“
    , was von einem Lachen mancher Männer begleitet wurde – aber nur wohl für die Männer verständlich war, die in Italia stationiert gewesen sind.
    „Mist!“
    „Na, da haben wir es doch. Also, ihr drei geht und holt ihn, wir bereiten hier alles vor.“


    Die Zeltplane wurde zur Seite geschlagen und drei Männer traten hinaus, konspirativ warfen sie sich Blicke zu und schlichen in die Dunkelheit, ganz als ob sie etwas verbotenes vor hatten. Sie trugen einen linnenen Sack mit sich und Stricke. Die Lagergaße entlang gegangen, mal dem einen oder anderen Soldaten wichen die Männer geschickt aus und kicherten leise und vergnügt – was für sich genommen wohl selber amüsant war, wenn man sich drei gestandene Männer vorstellt, zwischen 40 und 50, alte Soldatenveteranen, die wie vergnügte Mädchen vor sich hin glucksten. Vorbei an dem praetorium kamen sie und an einen Wachmann, der, ihrer Schritte gewahr werdend, aufspähte.


    „Heda, wer da?“
    centurio Hortensius, weitermachen, Soldat!“
    „Ähm...ja, centurio!“


    Verwundert runzelte der Soldat die Stirn, als er aus der Dunkelheit ein verhaltenes Gickeln vernahm. Schon waren die Drei an ihm vorbei und sie schlichen in Richtung der neunten Kohorte, vorbei an einigen Soldaten, die selig in ihren Zelten schliefen und auf ein großes centuriozelt zu.


    „Meinst Du, er schläft schon?“
    „Keine Ahnung. Aber egal. So machen wir es schließlich immer. Tradition!“
    „Seit wann denn das?“
    „Ähm, keine Ahnung. Womöglich auch noch nicht so lange. Aber zumindest auf dem Feldzug. Wer weckt ihn? Flavius? Laberius?“
    „Öh...mach Du mal, Du bist der Ältere!“
    „Pah, Feiglinge. Alle Beide.“
    „Das will ich nicht gehört haben!“
    „Ich spreche nur die Wahrheit aus, Flavius. Haha!“


    Das Lachen von Hortensius ließ seinen Bart erzittern, den er sich auf dem Feldzug hat wachsen laßen und dann schlich er zu dem Zelteingang und knüpfte die Seile hinfort.


    centurio Artorius Imperiosus! Aufwachen! Aaaaaapppeeeeeelll!“


    Hortensius warf einen strafenden Blick zu Aristides und Laberius, die wieder leise vor sich hin lachten.

    Leise raschelte es in einer Ecke der Höhle, die von einem empor strebenden und mittlerweile ausgetrockneten Stalagmiten verdeckt wurde. Der Cornelier trat einige Schritte zurück und der Schatten verschluckte ihn. Einige der Männer, die sich ebenfalls auf den Lagern nieder gestreckt hatten, raschelten leise mit ihren Gewändern oder den Masken, die sie sich mit Leder oder Stoffbändern am Haupte befestigten. Es knackste leise, wenn einer der Kohlestücke in den großen Pfannen von der Hitze gebrochen wurde. Ein seltsames Summen breitete sich in der Höhle aus - waren es menschliche Stimmen oder eine Flöte?- tief und sonor war der Klang jedoch. In den tiefen Ton mischte sich eine männliche Stimme aus der Dunkelheit, es war nicht die Stimme des Corneliers, aber sie klang melodiös und harmonisch, die Worte waren klar formuliert und in einem geschwungenen Latein, der höchstens einen Hauch eines griechischen Akzentes an sich trug.


    „Mithrakana!
    Am Anfang stand die Finsternis, die Dunkelheit hielt die Welt umgriffen, die Hoffnung war verloren gegangen, doch in jener endlosen Nacht, kam er.
    Mithrakana! Aus dem Stein wart er geboren!“


    Ein goldenes Licht erstrahlte hinter dem viereckigen Altarbild, es schimmerte um den Stein herum, einem goldenen Kranz nicht unähnlich. Eine Gestalt erhob sich hinter dem Altarbild, fast als ob er durch den Stein brechen würde. Er trug einen langen goldroten Mantel, eine Maske mit menschlichen Zügen - die eines Jünglings - und eine phrygische Mütze. Der güldene Schimmer strahlte um die Gestalt wie einen Heiligenschein. Sie hob die Arme an, wie Flügel breitete sich der rote Umhang aus, das Licht schien durch den Stoff dringen zu wollen, verlieh ihm jedoch nur ein sattes Glänzen.


    „Seht. Mithras. Der Herr über das Licht und das Gute.“
    Einige Männer raunten leise und ehrfürchtig, als ob Mithras unter ihnen sei.
    „Mithras, sei Willkommen!“


    Erneut kreiste der Becher in der Runde herum, gefüllt mit dem schweren Wein, der ein wenig von dem berühmt berüchtigten Haoma – dessen Wurzeln der parthischen Erde entstammte- enthielt. Das Licht umstrahlte die Mithrasgestalt noch einige Herzschläge, während er vor den Altar trat, die Arme immer noch ausgestreckt.


    „Mithras ward geboren und die Finsternis wurde zurück gedrängt.“


    Marcus, der sich auf eine der Felle gesetzt hatte, betrachtete stumm die Erscheinung des Gottes. Der Haoma - den er eingangs zu sich genommen hatte - pulsierte bereits durch sein Blut, umfing ihn angenehm, schließlich hatte Marcus einige Wochen lang Haoma und Mohn zu sich genommen, als er verletzt war. Marcus griff nach dem Becher, den ihm ein unbekannter Soldat reichte, und setzte ihn an seine Lippen, natürlich erschmeckte er den bekannten, marginalen Hauch von Haoma - er kannte ihn bereits sehr gut - und trank einige Schlücke, ehe er - beide Hände um den schweren goldsilbernen Pokal - diesen an Avitus weiter reichte, damit auch er in den Genuß jenes Elexiers kam.

    Die lästigen Schreibarbeiten hatte Marcus mittlerweile zur Seite gelegt, er konnte auch nicht länger als eine Stunde über diesen Verwaltungsrollen sitzen, ohne daß er glaube, ihm würde gleich der Kopf platzen. Manchmal dachte Marcus sehnsuchtsvoll an seine Zeit als optio zurück. Sicher, es war unbequemer, man mußte sein Marschgepäck tragen, hatte nicht so ein großes Zelt und war auf seinen centurio angewiesen, daß man unter keinem Schinder diente, aber Marcus hatte damit in seiner Zeit Glück gehabt, großen sogar, wenn er man einen seiner Zenturiokollegen betrachtete, die fröhlich und munter ihre vitis schwangen, auf die Rücken ihrer Soldaten. Nicht, daß Marcus nicht den Sinn mancher Strafen absprechen würde. Dennoch vermißte Marcus die - nachträglich verklärte - unkomplizierte Zeit als optio. Grübelnd sah Marcus auf einen Becher, der zu 4/5 mit Wasser gefüllt war und einen kleinen Spritzer Wein enthielt, um die bösen miasmen zu beseitigen, die – bekanntlicherweise! - dem Wasser anhingen. Marcus sah auf, als Priscus herein trat und nickte ihm freundlich zu.


    „Salve, optio!“
    , grüßte Marcus ihn und deutete auf einen der improvisierten Lagerstühle, gegenüber seines improvisierten Tisches.
    „Nimm doch bitte Platz!“


    Marcus drehte sich um, winkte einen Sklaven heran und trug ihm leise auf, etwas Wein zu holen und zwei Becher, anschließend sollte der Sklave ihnen – Priscus und Marcus – die Becher mit Wein füllen. Dann drehte sich Marcus wieder um und schwieg einige Herzschläge lang. Marcus war nicht grade ein Mann großer Worte, noch fühlte er sich in der Lage, derart eloquente und wohlgefeilte Worte wie seine Vettern von sich zu geben, dennoch hatte er das Gefühl, einige Dinge sagen zu wollen.


    „Nun, Priscus, wir dienen ja schon eine Weile zusammen. Erst als optiokollegen, dann Du bei mir als optio...ich meine, während ich dann schon Zenturio war. Und ich muß sagen, mir hat das Zusammenarbeiten mit Dir immer gut gefallen. Man kann sich stets auf Dich verlaßen, Du machst Deine Arbeit sehr gut.“


    Besser als Aristides, hatte Marcus oft das Gefühl. Priscus sollte eigentlich schon längst Zenturio sein.


    „Ich wollte mich bei Dir bedanken für all das.“


    Herrje, Marcus! Das war etwas holprig. Marcus sah auf als der Sklave heran kam und den roten Wein in die Becher einschenkte.


    „Aber auch jede gute Zeit hat leider sein Ende. Ich will nicht lange und große Worte drum machen...“
    Was er schon hatte, wenigstens ansatzweise.
    „...Du wurdest versetzt. Und zwar zu einem frisch gebackenen centurio. Der optio der Ersten wurde zum Zenturio ernannt. Und ich denke, er braucht einen erfahrenen optio, wie Dich, Priscus.“
    Marcus griff nach seinem Becher und drehte ihn in seinen Händen, trank jedoch noch nicht davon.
    „Artorius Imperiosus ist Dein zukünftiger Kommandant. Ich glaube, ein guter Mann. Er wird die Fünfte der neunten Kohorte befehligen...“
    Marcus dachte einen Herzschlag lang nach, was man ihm deutlich im Gesicht ablesen konnte.
    „Gibt es Männer von der Zweiten, die Du mitnehmen möchtest und die ich gegen ein paar Männer der Fünften eintausche?“






    SimOff: Ich wurde darauf freundlicherweise aufmerksam gemacht, daß der Thread ja noch vor Circesium war. Die Handlung spielt jedoch nach Circesium, ich wollte nur nicht noch einen neuen Thread nur dafür aufmachen. Entschuldigung.

    Später am Tag, Marcus hatte bereits sein Abendessen nach dem langen Marsch, dem neuen Lagerbau, all den Organisationsangelegenheiten zu sich genommen - leider war die Ration etwas mager, aber im Krieg durfte man sich einfach nicht beklagen! - betrachtete Marcus die anderen Ernennungsurkunden. Ein marginales Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, die Zeltplane wurde zur Seite geschlagen und sein Mädchen für alles - besonders für seine private Korrespondenz - Naevius betrat das Zelt. Er reichte Marcus einen länglichen Gegenstand, Marcus nickte dankbar, dann legte er die Urkunden zur Seite und stand auf.


    "Meine Rüstung..."
    , meinte er knapp zu einem Sklaven in der Nähe.
    "Naevius, rufe die centuria zusammen. Sie sollen sich vor meinem Zelt aufstellen. Alle!"


    Naevius nickte und verschwand nach draußen. Dort hörte Marcus einen Augenblick später seine Stimme sich über das Lager der Zweiten erheben.


    "Aaaaaappell. Alle Mann vor das Zelt des centurios. Aber hurtig!"


    Marcus grinste verhalten. Zwar war das Stimmorgan von Naevius nicht das Beste, dessen Stimme klang etwas kratzig und dünn, aber dennoch bemühte sich der dürre Schreiberling eindeutig. Nur mit dem richtigen Ruf haperte es noch. Aber Naevius war nun mal mehr ein Bürokrat, hatte eine Schreiberseele. Marcus ließ sich von seinem Sklaven in die Rüstung helfen.

    Einige Tage nach dem Zusammentreffen von iulischer Damenhaftigkeit, soldatischem Badespaß und centurionischen Schwimmrunden saß Marcus erneut in seinem Zelt, grübelnd über Schriftrollen gebeuckt, mit gerunzelter Stirn einige - für ihn! - kryptischer Buchstaben betrachtend, die sich einfach nicht enträtseln wollte, als ein junger Mann - ein scriba der Verwaltung - sich bei Marcus melden ließ. Einige Worte wurden gewechselt, einige Rollen überreicht, Marcus Gesicht hellte sich auf, wenn auch ein wenig Wehmut und Bedauern ihn erfaßte. Doch nachdem Marcus den Schreiberling weg geschickt hatte, sah er nicht lange auf die Ernennungsurkunden, Er winkte Naevius heran und hob nur kurz den Kopf.


    "Naevius, schicke einen Soldaten nach Priscus. Er soll zu mir kommen."


    Naevius nickte und wandte sich um, wenige Schritte trennten ihn nur vom Zeltausgang. Dort rief er einen jüngeren Soldaten heran und trug ihm die Aufgaben an. Der Soldat eilte davon, suchte, suchte noch etwas länger und als er auf Priscus traft, salutierte er schnell und zügig.


    "Salve, optio. Der centurio möchte Dich sprechen. Er ist in seinem Zelt, Herr."