Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Jede Regierung bekommt eine gewisse Zeit zugestanden, wo sie noch nicht gleich mit Kritik angegangen wird, einer neuen Redaktionsführung sollte man selbiges gewähren. Zudem hat ein wenig Humor noch niemandem geschadet und ähnliche humoristische Anwandlungen gab es schon früher in der acta.

    Ganz trocken waren Marcus Lippen, er wünschte sich sehnlichst einen Schluck Wein, nein, eine ganze Flut davon, aber zu dieser Stunde und im praetorium schien es nicht angemeßen zu sein, nach Wein zu fragen, oder? Marcus behielt seine Haltung und dachte einige Herzschläge lang über diese Problematik nach und er hatte auch genügend Zeit, denn der Legat schien noch anderweitig beschäftigt zu sein. Marcus unterdrückte das Verlangen bei all dem Warten mit der Fußspitze im Sand zu malen, nein, keine Lücke und Schwäche offenbaren, dieses Mal behielt er – wie schon gesagt! - Haltung. Oh! Oh! Das war aber schwer, er hatte das Gefühl, etwas stieg ihm in den Kopf, ganz als ob er betrunken wäre, dabei hatte er kaum einen Tropfen Wein am Tage getrunken, nur, als er die letzte Portion Haoma zu sich genommen hatte. Immer noch stand Marcus gerade, fast schon wie eine Salzsäule – man könnte es auch als unerschütterliche Ruhe interpretieren! Huh? Was war denn das? Die Zeltwand öffnete sich, eine Tür erschien dort, wo eben noch keine war. Gänzlich aus goldenem Licht! Marcus Pupillen weiteten sich marginal. Eine einzelne Hand, ein Schatten, griff durch die Tür und fiel auf das Haupte des Legaten, ein Vorbote des Eindringlings. Ein kleiner Mann, rundlich – wenn nicht sogar eher dicklich – unansehnlich von der Gestalt und in einen grauen Umhang gehült, trippelte zu dem Tisch von Vitamalacus und stellte dort eine schwere Tasche ab. Marcus Mund öffnete sich marginal, nicht wirklich auffällig, während er stumm in die Richtung von Vitamalacus sah. Der dicke Gnom griff in die Tasche und zog ein seltsames Instrumentarium hervor, aus Metall und mit einer gedrehten Spitze vorne. Der bizarr zackige Schatten davon zeichnete sich auf der Zeltwand ab, in den Augen des Gnoms funkelte es diabolisch, zudem ein wenig unzufrieden.


    „Schau her, centurio! Ich offenbare Dir die Wahrheit. Schau nur gut zu!“


    Dann lenkte er das spitze Ding auf Vitamalacus zu. Marcus – selbst wenn er da einigen Argwohn gegen den neuen Legat hegte, würde er doch nicht zu laßen, daß ein Mitrömer von einem ominösen Gnom angegriffen wurde, gar einem parthischen Daimon? - wollte sich nach vorne stürzen und dem Gnom das Werkzeug entreißen; aber Marcus war unfähig sich zu rühren, etwas hielt ihn umfangen, paralysiert. Er vermochte nur drei Mal zu blinzeln. Auch sein Mund konnte sich nicht öffnen und so sah man Marcus keine Regung an, kein Zeichen von seinen Erkenntnissen. Er wirkte sogar recht normal. Der Gnom hielt das Instrumentarium an das Ohr von Vitamalacus, während dieser den Kopf hob und sie musterte - seine Augen lagen in tiefen Höhlen - seinen Mund öffnete, aber nur seltsame Worte von sich gab, die Marcus nicht verstand. Bei den Göttern, etwas stimmte eindeutig hier nicht!


    "Meine Herrn, ein Blumentheater findet statt ! Nehmt euch die Masken, denn morgen ist saturnalia !"
    „Sieh her, centurio. Ganz genau!“


    Der Schatten des Instrumentariums bohrte sich in Marcus, er hatte das Gefühl ein Stich ging durch seinen Körper und mit Entsetzen sah Marcus, wie die Gestalt, deren düstere Silhoutte immer wieder im Zelt auf und ab tanzte, anfing an Vitamalacus zu schrauben. Doch mehr als ein weiteres Blinzeln konnte Marcus als Reaktion nicht offenbaren. Haoma, Marcus hatte eindeutig zu tief in seinen Beutel gegriffen!

    [Blockierte Grafik: http://img219.imageshack.us/img219/972/daryaa1qs5.jpg] | Daryaa


    Eine einzige Flamme spiegelte sich auf der Oberfläche des Wassers ab, ein schlanker Finger tauchte sich in das Naß und verzerrte das Spiegelbild der fröhlich vor sich hin flackernden Feuerzunge. Wellen glitten in Ringform durch das Wasserbecken, den Teich in dem üppig bewachsenen Garten, schwere blauviolette Blüten neigten sich über die hölzerne Ballustrade und berührten mit der Spitze des Blumenkelches das Wasser, bewegten sich auf und ab als die Wellen mit ihnen spielten. Die Hitze des Tages war schon lange verschwunden, kühl war es mittlerweile und die junge Frau, die am Rande des Brunnens saß, sah grüblerisch in das dunkle Wasser, suchte danach es mit ihren Augen zu durchdringen. Das rote Gewand über ihren Schultern raschelte leise als sie sich bewegte, ein Schatten glitt an sie heran und eine Hand streckte sich nach der sonnengebräunten Schulter der jungen Frau.


    „Wenn Du mich erschrecken willst, Anoosh, mußt Du leiser laufen!“
    , grinsend drehte sich die junge Frau um und sah zu dem grobschlächtigen Mann hinter ihr, der die Hand schnell sinken ließ. Anoosh zuckte mit der Schulter und kratzte sich am Ohr.
    „Öhm...ja, Herrin. Beim nächsten Mal.“
    „Oder übernächsten Mal!“

    , erwiderte Daryaa.
    „Ist es soweit?“
    „Ja, Herrin!“


    Daryaa erhob sich, der Schal um ihre Schultern entglitt ihren Fingern und fiel langsam hinunter, landete sanft auf dem Rand des Beckens und fiel zur Hälfte in den Brunnen hinein, der Stoff tränkte sich schnell mit dem Wasser und das leuchtende Rot nahm einen dunkleren Ton an. Das Wasser drückte den Stoff tiefer hinunter. Mit einem leisen Seufzer nahm Daryaa den Stoff in ihre Hand und ließ den naßen Schal durch ihre Finger gleiten. Ihre Augen ruhten auf dem dunklen Teil und ihre Lippen pressten sich zusammen.


    „Wenn ich doch nur ein Mann wäre! Vater würde...“
    „...Dich genauso lieben, Daryaa. Hör doch mit dem Unsinn auf!“
    „Aber ich könnte kämpfen. Die Stadt mit verteidigen. Gegen diese Hunde! Die unser Land überfallen!“


    Die junge Frau ballte ihre Faust um den zarten Schal und presste ihn heftig zusammen, ein Wassertropfen glitt an ihrer Faust entlang und fiel hinunter auf den Brunnenrand, unbeachtet und bedeutungslos. Daryaa sah bitter in den dunklen Garten, der im Herzen des schönen Händleranwesens lag. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren drehte sich Daryaa um und marschierte über den Gartenweg und in das Haus, das aus Lehmziegeln erbaut war, aber mit einem strahlenden Kalküberzug am Tage leuchtete und mit Zedernholz an vielen Stellen geschmückt war, der seinen Duft immerzu ausströmte und seinen wunderschönen Schnitzereien den Reichtum der Familie von Daryaa offenbarte. Über bunte Mosaike trat die junge Frau, einen Gang entlang, der von Öllampen erhellt wurde und in eine große Eingangshalle. Erneut keimte die Bitterkeit in Daryaa auf als sie ihren Vater sah, dem eine Dienerin die alte Rüstung anzog, die er vor mehr als zwei Jahrzehnten das letzte Mal getragen hatte und damit nun rüstete, um die Stadt vor den Römern zu verteidigen. Ihre Mutter schluchzte und jammerte, aber Daryaa hielt sich aufrecht und trat auf ihren Vater zu, der ihr einen liebevollen Blick schenkte.


    „Mein Herz!“


    Daryaa lächelte, sie wußte, es machte keinen Sinn, ihren Vater davon noch einmal abzuhalten, gegen die Römer sich zu stellen, selbst in seinem hohen Alter nicht mehr, auch die Tränen seiner Tochter – die sie in dem Moment nicht weinte – würden ihn nicht umstimmen. Die Dienerin schnallte die letzte Armschiene an, zog den Brustpanzer zurecht – der etwas altmodisch wirkte. Barzin, Daryaas Vater, hob die Hand und legte sie auf die Wange von Daryaa.


    Ehre Spenta Armaiti, mein Herz. Und Haurvatat! Strebe stets danach Ascha hoch zu halten, mein Kind. Wir sehen uns in Bälde wieder!“
    „Möge Ormuzd nicht von Deiner Seite weichen, Vater!“


    Freundlichen Lächelns und stolz beugte sich Barzin- der selbst im Alter sein Feuer nicht verloren hatte, um gegen die Römer zu kämpfen - zu seiner Tochter vor und küßte sie sanft auf die Stirn. Seiner Ehefrau schenkte er einen weiteren Kuß, dann wandte er sich ab, ließ sich sein Schwert reichen und verließ schnell das Haus, ehe er es sich doch noch anders überlegte bei all den Tränen. Daryaa sah eine Weile lang auf die geschloßene Tür, dann drehte sie sich um, das Klagen ihrer Mutter nicht beachtend eilte sie schnell in ihre Gemächer, gefolgt von Anoosh. Eilig suchte sie in einer Kiste etwas und warf ein Bündel auf ihr Bett.


    „Was hast Du vor, Herrin!“
    „Ich warte nicht ab, daß die Römer meine Stadt erobern. Nein!“
    „Aber Herrin...!“

    „Keine Widerrede. Hilfst Du mir oder muß ich mich alleine nach draußen schleichen?“

    „Herrin...!“
    , flehte Anoosh eindringlich.
    „Nun?“
    , erwiderte Daryaa ungeduldig.
    „Also gut!“


    Nur wenige Minuten später war das Fenster nach hinten geöffnet, die Gemächer der jungen Frau leer und ihre roten und weiblichen Kleider lagen unbeachtet auf dem Mosaikboden...




    Chengeant funkelten die Sterne am dunklen Nachthimmel, flackerten mal heller, dann dunkler, getrübt von der schützenden Lufthülle, Marcus sah einen Herzschlag lang in den Nachthimmel, betrachtete einen marginalen Augenblick lang den Mond, um anhand seiner Wanderung abzuschätzen, wie lange sie ungefähr bis zur Mauer gebraucht haben. Nicht mal eine Hand weit hatte Luna ihre Bahn über das nächtliche Firmament gezogen, zufrieden wandte sich Marcus um, weiter nach dem Eingang suchend. Das Wasser des Flußes plätscherte immer mal wieder gegen die Sohlenkante seines Stiefels als er zwischen Fluß und Mauer entlang schlich, aber nur weitere - mehr marode, aber durchaus hohe - Mauerteile inspizieren konnte. Ein Rascheln, schnelle Schritte, Marcus richtete sich auf, nachdem er einen dunkleren Schatten an der Mauer genauer angeschaut hatte und sah den aufgeregt scheinenden Serapio, der dem Tribun gestikulierend etwas zeigte, Marcus folgte den Gesten, spähte mit den Augen an der Wehrmauer entlang und ahnte mehr, als daß er es wirklich sah, daß dort womöglich ein Durchgang war. Ohne zu zögern schritt Marcus von seiner Position aus zurück und folgte dem Tribun, wobei er schnell einen Blick zu den Männern warf, um zu sehen, ob auch alle sich anschloßen. Ein Stein kullerte zur Seite als Marcus an dem Gestrüpp und Schlingpflanzen vorbei trat, jetzt erkannte auch Marcus den Eingang, das Loch in der Mauer. Oh je, das sah nicht sehr groß aus und Marcus ahnte schon, daß es für ihn sehr müsehlig werden würde, sich dort hindurch zu zwängen. Der schmale Spalt an der Seite war ganz gewiß zu schmal für den ordentlich um die Leibesmitte ausgestatteten Aristides. Aber auch der große Titus schien dasselbe Problem erkannt zu haben, denn er machte Anstalten, an dem Gitter zu ziehen, Marcus musterte die Bemühung eine Weile und als er dann die Worte vernahm, die Titus sprach, tat Marcus, was ihm in den Sinn kam. Er zog seinen pugio und kniete neben dem Eingang nieder. Er rüttelte einige Male an dem Gitter, dann steckte er den Dolch zwischen die Mauer und das Gitter und drückte das Metall tief hinein, mit brutaler Gewalt, aber auch gleichzeitig das Gitter festhaltend, damit es ihm nicht entgegen sprang. Dabei ließ Marcus noch etwas Platz, falls noch einer der Soldaten mit anpacken wollte. Es kratzte über Stein, dann ein leises Ächzen des Gemäuers, Marcus verharrte einen Moment und spähte nach oben, aber je schneller sie von hier weg kamen, desto besser. Ganz offen war das Gitter nicht, aber besser als vorher war es allemal. So beschloß Marcus schnell in den Gang zu schlüpfen.


    Den Händler voran gehen zu laßen, das hatte Marcus gewiß nicht vor, wer weiß, wen dieser windige Geselle in der Stadt auf sie hetzen wollte und vorher seinen Kopf aus der Schlinge ziehen? Marcus deutete einem Soldaten ihm direkt zu folgen, dann rutschte Marcus zu der Lücke und suchte danach, sich durch die Öffnung zu zwängen. Mit seinen Armen kam er natürlich leicht durch, seine Hände stützten sich in einer eckelhaften, braunen Brühe ab, die er lieber nicht näher inspizieren wollte, er drängte sich weiter, sein Chiton verfing sich in den Stäben, der Stoff riß, das spitze Metall drang durch seine grobe Tunika und schürfte seine Haut etwas auf, ein unterdrücktes Fluchen drang von Marcus Mund, so gepresst, daß es vom Rauschen des Wassers und der Cloace übertönt wurde. Dann kam der schwierige Teil, seine Leibesmitte, Marcus merkte, daß ihm das Gitter sehr zu Leibe rückte, er zog seinen Bauch ein und drängte sich weiter. Herrje, wäre das vielleicht peinlich, wenn der Zenturio jetzt stecken blieb und alle aufhielt - wobei man ihm durchaus die Schwierigkeit von Außen ansehen konnte, die er bei dem Durchgang hatte, schließlich glitt Aristides nicht flink hinein. Innerlich fluchend verdammte sich Marcus, in den nächsten Wochen etwas mehr wieder zu marschieren; er rutschte weiter und mit einem Seufzer der Erleichterung - auch nicht wirklich laut - war er hindurch und im Inneren des Durchganges, der an der Stelle nicht sonderlich groß war. Aber ein wenig konnte sich Marcus aufrichten und brachte einigen Abstand zwischen sich und den folgenden Soldaten, Tribun und Händler, die Marcus hinter sich erwartete. Marcus griff nach seinem Dolch und klemmte das Metall zwischen seine Zähne, dann begann er durch die enge Röhre - wie gut, daß ihn solch eine Platznot nicht den Schweiß auf die Stirn trieb! - zu kriechen. Um seine Knie plätscherte es träge, es verfing sich etwas undefinierbar Widerliches an seiner Hand, stoisch - wie wohl selten! - ließ Marcus das über sich ergehen und kroch immer weiter. Eine Ratte huschte vor ihm davon, der Gang schien etwas anzusteigen, mal streifte Marcus etwas Feuchtes an der Wange - wahrscheinlich eine Wurzel, die sich vom Erdreich bis hier vor gebohrt hatte. Das Rauschen des kleinen Stroms wurde etwas lauter und dann auch der Gang, eine Abzweigung, wo auch immer die hinführte, tauchte direkt vor Marcus auf. Der Kanal wurde deutlich größer und Marcus rappelte sich etwas auf. Seine Augen, die sich etwas an die Dunkelheit gewöhnt hatten, meinten, einen zweiten Gang vor sich zu entdecken, der nach links, aber auch nach rechts ging, ihr Gang bohrte sich jedoch gerade aus weiter; ein schmaler Sims war am Rande zu sehen, der jedoch schnell wieder aufhörte und in dem träge vor sich hinfließenden Strom unterging. Marcus kletterte weiter nach vorne, sein Arm versank nun bis zum Ellbogen in der Brühe, er erhob sich ein wenig und rutschte in den anderen Kanal, an dem ihr Einstieg den Teil eines Kreuzes bilden würde. Marcus watete durch das Wasser und drehte sich um, die Anderen abwartend, auch den Händler, denn in welche Richtung, das konnte Marcus zwar erahnen - nämlich entgegen der Strömungsrichtung! - aber davon gab es nun deutlich zwei! Marcus wartete und stutzte! War da nicht ein Geräusch aus dem wegführenden Gang, eindeutig nicht von den Soldaten? Marcus legte seinen Kopf etwas zur Seite und versuchte erneut zu lauschen...

    Mit Tintenflecken an der Stirn, einer grüblerischen Miene und einer halboffenen Rüstung marschierte Marcus langsam von dem Zelt weg und sah sich in dem Lager der Zweiten um. Nanu? Wo waren denn die Soldaten geblieben? Das laute Gejohle, das Rufen von der Nähe des Flußes beantwortete schnell Marcus Frage, die irritierten Falten auf seiner Stirn schwanden und Marcus schlenderte langsam in die Richtung des Flußes, grüblerischer Stimmung und in Gedanken vergraben. Ab und an kickte er mit seinem Fuß einen Stein hinfort, der über den Boden polterte und neben trockenem Gras liegen blieb. Über seine Zukunft dachte Marcus schon eine geraume Weile nach, auf eine Weise, wie er das selber nicht gewohnt war, aber seit Edessa hatte sich bei Marcus etwas verändert, seit jenem Tage wollte er sich nicht mehr nur von den Wogen des Schicksals lenken laßen, sich nicht nur den Entscheidungen seiner Mutter beugen oder dem, was ihm das Militär vorgab. Wann hatte Marcus selber entschieden, was er tun wollte in seinem Leben? Es war schon verdammig lange her. Marcus Lippen preßten sich fest zusammen, er stierte immer noch auf den Boden und vernahm das Rauschen des Flußes nur am Rande, bis ihn lautes Gegröhle aufsehen ließ, einen Augenblick sah Marcus einfach nur in das Treiben der Männer, Silio und sein Auftritt, und verstand im ersten Moment die Begeisterung der Männer nicht, bis eine weibliche Stimme an sein Ohr drang. Marcus sah hinüber, zu Iulia Helena, und hob beide Augenbrauen an. Die etwas sehr subtile Äußerung - die natürlich nur von einem Politiker oder einer Frau derart formuliert werden konnte! - verstand Marcus nicht. Marcus mußterte die Frau einen Augenblick länger, fragte sich, woher er sie kannte. Troßlupa? Wenn, dann wohl eine verdammig Edle, wahrscheinlich von einem hohen Offizier, gar dem Kaiser selber? Das Gelächter der Männer und die ungezwungene Erwiderung von Silio steckte Marcus jedoch an, die grüblerische Stimmung verflog mit einem Mal und ein Grinsen schlich sich auf die Züge von Marcus. Das Wasserrauschen lockte, es juckte Marcus an der Haut, das kühle Naß zu erproben und alles Lästige von sich zu waschen. Marcus Lächeln verbreiterte sich noch ein wenig und er ging einige Schritte weiter, tippte sich dabei mit dem Finger an die Stirn, um die hübsche - wenn auch reichlich blaße und etwas magere - Frau zu grüßen, wobei er sich ein anzügliches Augenzwinkern - immer noch in der falschen Annahme, eine Konkubine vor sich zu haben - nicht verkneifen konnte.


    "Unterschätz' nicht Silios Charme, meine Liebe. Man sagt ihm nach, er hätte schon hunderte von Frauenherzen gewonnen."
    Einen Moment sah er Helena ins Gesicht. Woher kannte er sie bloß?
    "Auch wenn er momentan etwas rauh wirkt!"
    Weiche Haut, edle Kleidung. Sie mußte wirklich eine kaiserliche Konkubine sein. Da war natürlich etwas mehr Freundlichkeit angebracht, schließlich brauchte der Kaiser in seiner momentanen Verfaßung jede Aufmunterung.
    "Seh' es ihnen nach, meine Liebe. Einer schönen Frau wie Dir würden wohl jeder Mann gerne näher rücken."


    Außer Marcus, selbst wenn er ihr noch mal verschmitzt zuzwinkerte! Denn obwohl er ihr Äußeres wohl zu würdigen wußte, regte sich gar nichts bei ihm, bei ihrem Anblick. Sie war einfach nicht sein Typ. Zu mager, zu blaß, wie schon gesagt. Marcus nickte ihr noch mal zu und stieg das Ufer weiter hinab, wobei er sich von seiner Rüstung befreite, sie mit einem lauten Klacken auf das Ufer herab sinken ließ, sein Stiefel halb gebückt aufmachte und abstreifte, dabei hüpfte er einige Male auf und ab, was nicht sehr würdevoll wirkte, der cingulum militare folgte auf den Boden, als letztes zog er sich die Tunika vom Leib und warf sie auf den Boden, zwischen die Kleidung der anderen Soldaten. Ungeniert und nackt stand auch Aristides am Ufer und scherrte sich nicht einen Deut um Iulia Helena. Man sah ihm zwar die Jahre an Training und Militär an, man könnte - wenn man es freundlich formulierte - Marcus durchaus als stattlich bezeichnen, aber die Jahre der Völlerei und des Essens zeichneten sich durchaus in seiner Leibesmitte ab, ebenso die Kämpfe und das Schlachtgetümmel, daß sich in einigen Narben an seinem Körper äußerte. Wie eine behäbige Ente watschelte Marcus tiefer in das Wasser, über den kiesigen Grund und durch das kalte Wasser, wobei er leise "Brrrr!", murmelte. Das Wasser umfing ihn bis zu seinen Oberschenkeln, er sah in die tiefere Strömung und dann glitt er mit einem schnellen Sprung in die reißerischen und wilderen Fluten hinein, die etwas unbeholfenen Bewegungen - der glatten Steine wegen - abstreifend und mit einem Male gewandt das Wasser durchschneidend, Marcus tauchte unter und tief in das Wasser hinein.

    Eine Schlange glitt in den Graben, schlängelte sich durch den morastigen Grund, tauchte unter als das Platschen eines Soldaten ertönte. Der Wind zerrte an dem Gebüsch, nahe des Flußes, es knackte an einem Ast, irgendwo war ein Rascheln in der Dunkelheit zu vernehmen, all die kleinen Geräusche um sich herum nahm Marcus wahr, halb bewußt, aber durch die Anspannung des nächtlichen Treibens etwas sensibilisiert darauf, wer weiß, vielleicht war das ganze hier doch eine Falle? Ein Tribun, ein centurio, mehrere Soldaten der prima, ganz unlohnend waren sie nicht als Ziele, womöglich erhofften sich die Stadtbewohner eine Geisel, um den Kaiser zu bewegen abzuziehen und ein Tribun wäre doch sicher ein lohnenswertes Opfer. Marcus Augenbrauen zogen sich zusammen, er warf Cyprianus einen schnellen Seitenblick zu, war sich aber sicher, daß der Mann schon wußte, was er tat. Schließlich war der Terentier - wie Marcus von einem Kollegen erfahren hatte! - ebenfalls vorher Berufssoldat gewesen. Dem Händler schenkte Marcus einen abfälligen Blick. Zivilist!, dachte er sich. War zwar heraus gekommen, aber entsann sich nicht mehr an die Öffnung, die er doch den Römern zeigen wollte, wozu hatten sie ihn dann überhaupt dabei? Der Funken von Mißtrauen keimte etwas mehr in Marcus, aber er nickte nur stumm auf den Befehl von Cyprianus, jedes Wort könnte sie schließlich verraten, jeder Laut auf sie aufmerksam machen. Marcus wandte sich den anderen Soldaten zu und deutete mit einer stummen Geste, ihm zu folgen. An dem Rad duckte sich Marcus vorbei, warf einen Blick auf die Stadtmauern und näherte sich an dem dichten Gewächs des Ufers der Stadtmauer.


    Leise schmatzte es mal unter Marcus Füßen, ehe er etwas trockenen Grund fand und auch den kleinen Ästen - soweit er sie in der Dunkelheit sehen konnte - auswich. Immer mal wieder spähte er zu der Mauer hinauf, doch, ein Schatten glitt vorbei, Marcus hob die Hand, damit der Trupp im Schutze des Ufergestrüpp verharrte, dann, als der Schemen vorbei war, lief Marcus geduckt weiter. Mit dem Rücken stellte sich Marcus an die Mauer und sah erneut nach oben, seine Finger glitten über den brüchigen Stein, der hier einen tiefen Riß offenbarte. Einer ernsthaften Belagerung würde die Mauer nicht mal Tage stand halten, so erschien das Marcus in dem Augenblick, aber der Kaiser wollte die Stadt im Handstreich haben, darum war die nächtliche Operation - egal wie suspekt sie schien! - noch immer die bessere Option. Marcus sah nach rechts und links, erneut nutzte er nur seine Hände, um die nächsten Befehle weiter zu geben. Drei kleine Grüppchen von Männern, die die Mauer nach dem ominösen Durchgang - sofern er überhaupt existierte - suchen sollte. Marcus ließ seine Hände sinken, wartete einen Moment, ob ihn die Soldaten verstanden hatte und trat an das Flußufer, das immer wieder gegen die Befestigungsanlage der Stadt plätscherte. Der Mond spiegelte sich in den Fluten, Marcus sah seinen Schatten darüber hinweg gleiten und trat langsam am Uferrand entlang. Wenn es den Durchgang gab, würden sie ihn hoffentlich entdecken, Marcus Pupillen weiteten sich marginal, er suchte den Rand des Ufers ab, drückte mal einen dornigen Busch zur Seite, erblickte jedoch nur einen weiteren Mauerabschnitt. Hoffentlich hatte jemand von den unteren Rängen mehr Erfolg.

    Dunkel war die Nacht, dunkel war das Land und das weiche Band aus rauschendem Wasser neben ihnen, völlig finster, wenn nicht der Mond gewesen wäre, um ihnen ein wenig Licht zu schenken und silbrig die Landschaft zu beleuchten. Weich strichen die Gräser an Marcus Wade entlang, seine Finger berührten ab und an die grauen Grashalme, deren satte Farbe von Nox geraubt wurde. Die weichen Stiefel, die er sich für die Nacht angezogen hatten, dämpften jeden Schritt, der mal über trockenen Grund oder matschigen Lehm lief. Zwischen den Grashalmen wogte es, Wellen gleichend, die sich gegen den Fluß warfen, sich davon zurück zogen und ab und an mit den Grasspitzen in das schwarze Nass hinein tauchten. Zwei große helle Ohren spähten zwischen dem Gras hervor, dunkle Augen musterten den Trupp, ein lebendiges Wesen, daß die Männer bemerkt hatte – ein Wüstenfuchs, der sich zu dem Fluß verirrt hatte um seine durstige Zunge mit dem Wasser zu benetzen. Marcus blieb nicht mal einen Herzschlag lang stehen, betrachtete das zierliche Tier mit den Ohren, die so groß wie sein Kopf waren und wandte sich ab, um geduckt weiter zu laufen. Aus den Augenwinkeln bemerkte Marcus, daß der Wüstenfuchs sich von seinen Hinterläufen erhob und mit schnellen Schritten – auf dem gegenüberliegenden Uferseite – den Männern folgte, um dann in einem geschmeidigen Satz im Gras und der Dunkelheit zu verschwinden. Der Mond spiegelt sich in Marcus Augen wieder, bildete einen silbernen Punkt in seiner braunen Iris, verschmolz mit dem Rand der schwarzen Pupille, die ein wenig geweitet war, um jedes Licht der Nacht aufzusaugen und die Stadt zu fixieren, die in ihrer Nähe aufragte.


    Es schien Marcus, als ob er Menschen auf den Mauern der Stadt ausmachen konnte, kleine dunkle Punkte hinter den Fackeln, die sich langsam hin und her bewegten, oder täuschte er sich einfach nur? Marcus Augen verengten sich ein wenig mehr, er fixierte die Mauern und wäre dabei beinahe in einen der Bewässerungsgräben getreten, seine Stiefelspitze streifte das kühle Naß, daß den Boden aufgeweicht hatte. Doch ein Fluchen kam nicht über Marcus Lippen, stumm und stoisch trat er darüber hinweg und lief leise weiter. Die grobe Wolle an seinem Körper kratzte, der Chiton aus altem Leinen verbarg hingegen den Dolch, den er sich über die Tunika geschnallt hatte, ebenso das Kurzschwert. Bei jedem Schritt hielt Marcus eine Hand an dem Kurzschwert, damit es keine Geräusche von sich gab, aber auch das sichere Gefühl zu haben, das todbringende Metall direkt an der Innenseite seiner Hand spüren zu können. Das kleine, geheime Fähnlein kam zum Halten, Marcus ging an einem seltsam anmutenden Bewässerungsrad vorbei, ohne den Schaufeln und Gewinden sonstige Beachtung zu schenken, nur sein Arm streifte an dem Holz entlang, das Rad drehte sich einen Zoll und ein paar Tropfen von dem Naß, daß sich vom Tage noch dort gehalten hatte, tropfte hinunter in den dunklen Graben.


    Neben Tribun Terentius Cyprianus blieb Marcus stehen und lauschte den leisen Worten des Terentiers, die er nur teilweise vernehmen konnte. Der Wind trug die Worte eher an das Ohr von dem Händler, den Marcus längere Zeit musterte, womöglich das erste Mal richtig. Vielleicht versuchte Marcus zu erkennen, was einen Verräter ausmachte? Hatte der Mann nicht eine kriecherische Haltung, ein verlogenes Blitzen in den Augen, einen schmierigen Ausdruck auf dem Gesicht? Aber im Grunde konnte Marcus selbst im Mondlicht und gerade in der Dunkelheit wenig erkennen. Marcus fand den Mann jedenfalls auf Anhieb unsympathisch und nahm ihm nicht ab, daß er das zum Wohle der Bevölkerung tat. Der Schatten des Gewindes fiel auf den Händler, ein dunkles Kreuz zeichnete sich auf seinem Körper ab. Marcus Augenbrauen zogen sich zusammen, denn an Zeichen und Eingebungen glaubte Marcus durchaus und das schien ihm eindeutig ein Omen zu sein. Aber Befehl war Befehl. Marcus Blick, der einige Herzschläge lang auf dem Gesicht des Händlers geruht hatte, wanderte zu den Mauern und der Stadt. Wo wohl dieser ominöse Durchgang war?

    Die Zuversicht von Avitus erfaßte in dem Augenblick auch Marcus, waren doch die Worte und Gesten des Artoriers überzeugend genug. Was die Nacht an dreckigem Geschäft für sie bringen würde, ebenso an Gefahr und gar Tod, das würden sie alle noch früh genug erfahren, ein Zauderer war Marcus noch nie in seinem Leben gewesen, zwar konnte man ihm viele schlechte Eigenschaften vorwerfen, Trinksucht, Völlerei, Faulheit, und ähnliche hedonistische Veranlagungen, aber ein Feigling war Marcus gewiß nicht. Marcus nickte andeutungsweise.
    „Das wird er gewiß tun!“
    , erwiderte Marcus, wenn er sich dessen auch nicht sicher war, womöglich schaute der Gott des Krieges doch lieber bei einer Schlacht als bei einer solch nächtlichen Angelegenheit zu. Marcus nickte sowohl Avitus, aber auch den beiden anderen Soldaten noch mal kurz zu ehe er sich um wandte und in Richtung der Männer der Zweiten zurück lief. Es galt die Männer auszuwählen, die zwei bis drei Freiwilligen, sich mit dem Tribunus besprechen, die Ausrüstung zu sammeln und womöglich tatsächlich das ein oder andere Vorgehen zu erproben. Und daran machte sich Marcus, die freiwilligen Männer zu finden war auch nicht schwierig und der Tag eilte in großen Schritten davon...

    Selbst zu dieser Stunde – womöglich gerade deswegen! - war die via praetoria nicht ausgestorben, Soldaten eilten vorbei, manche warfen ihnen einen Blick zu, andere taten so als ob es sie gar nicht interessieren würde, gleichwohl Marcus ahnte, daß die Meisten vor Neugier brannten, denn daß die Stabsoffiziere zum Legaten gerufen worden war, das hatte sich bis zu Manchen schon durchgesprochen. Abgesehen von Marcus, der an dem Morgen mit den anderen Männern trainiert hatte und sich wenig um das Geschwätz gekümmert hatte – in manchen Dingen schienen Soldaten die Waschweiber noch zu übertrumpfen, wie Marcus fand. Er wandte sich halb um, in die Richtung aus der Imperiosus zu ihnen stieß und nickte ihm zu. Er hatte zwar wenig mit dem anderen Artorier bis jetzt zu tun gehabt, hauptsächlich kurze Gesprächsgewechsel während der letzten Schlacht, der bei Edessa, aber dabei einen doch recht positiven Eindruck von dem Mann gewonnen, aber es wunderte Marcus nicht, schließlich hatte ihn Avitus geformt, wenn Marcus das richtig in Erinnerung hatte. Marcus nickte dem zweiten Artorier einen Herzschlag ernst zu, bemerkte dann auch Licinus, der hinzutrat, auch ein sehr tapferer Mann, wie es Marcus bis dato - ebenso leider flüchtig - erlebt hatte, den er gleichsam mit einem Nicken grüßte, doch dann wandte sich Marcus erneut Avitus zu. Marcus verschränkte die Arme vor der Brust und sah auf den Untergrund, der von dem Fluß sehr fruchtbar wirkte, wenn nicht gerade tausende von Füßen jede Vegetation platt gedrückt hätten, Marcus Augenbrauen zogen sich zusammen, eine steile Falte bildete sich zwischen ihnen- der Konzentration wegen mit der er Avitus lauschte. Marcus nickte ab und an und verriet wenig durch sein Gesichtsausdruck, dachte viel mehr schon über das Besagte nach. Daß er die Stadtbewohner für mutig, aber wahnsinnig hielt, daß er nicht wußte, was er von einem solchen Verräter hielt, der sich zu den Römern geschlichen hatte und behauptete, er wüßte einen Weg in die Stadt. Konnte man einem solchen Verräter trauen? Aber war es letztendlich nicht nutzlos, nur eine Handvoll Soldaten in die Stadt zu locken und sie zu töten? Aber wenn die Legion eingekesselt werden würde? Marcus grübelte und die Falte zwischen seinen Augenbrauen wurde tiefer, sein Starren auf den Boden konzentrierter. Einiges ging Marcus durch den Kopf, von möglichen Fallen zu möglichem Vorgehen...etwas, was er noch vor zwei Monaten unterlassen hätte und sich ganz den Befehlen des Kommandanten und ersten Speer gefügt und überlaßen – was er natürlich jetzt auch tun würde, aber mit eigenem Sinnen über die Situation. Die Ruhe mit der er das tat, die hatte er irgendwo in den letzten Wochen gewonnen, während seiner letzten Verletzungen. Marcus sah auf und direkt in das Gesicht von Avitus, um dort abzulesen, ob dieser auch Skepsis an sich trug – Marcus konnte ihn nicht erkennen, was aber noch lange nichts hieß. Auch als Marcus Name von ihm in den Mund genommen wurde, hatte er das Grübeln einen Augenblick lang unterbrochen. Marcus nickte langsam.


    „Natürlich melde ich mich freiwillig. Ich werde noch zwei oder drei Männer meiner Einheit dazu ziehen.“


    Marcus hob die Hand und rieb sich damit einen Herzschlag an der Nasenwurzel – was er wohl unbewußt von seinem Vetter übernommen hatte, aber das schien ihm beim Nachdenken stets zu helfen. Keine Rüstungen dachte sich Marcus, griechische Gewandung am Besten? Marcus sah auf und hörte die Frage von Licinus, nickte zustimmend und wollte noch eine Frage stellen, dem Widerstand betreffend, doch die Worte von Avitus machten ihm klar, daß es unnötig war. So nickte Marcus nur ein zweites Mal.


    "Verstanden und keine Fragen mehr, primipilus!"
    , erwiderte Marcus darum nur.

    Simoff- Danke!


    Eine Dattelpalme rauschte als ein warmer Wind durch die langen, grünen Blätter hindurch wehte, die langen Zweige mit den prall gefüllten Früchten bewegten sich langsam und träge hin und her, erzitterten heftig als ein Soldat sich reckte und nach den Früchten griff, eine Hand voll davon abriß und das Fruchtfleisch begutachtete und dann hinein biß. Da sie reif waren, griff er erneut nach oben und pflückte noch einige weiteren ehe er sich um wandte. Der Fluß rauschte in ihrem Rücken, in der Ferne zeigte sich die nächste Stadt, die in die römische Hand fallen sollte. Mit federnden Schritten kehrte der Mann zu der Gruppe von Soldaten zurück, die sich, erschöpft und schwitzend, am Rande eines kleinen, sandigen Platzes versammelt hatten, um – selbst im Kriege und gerade dort! - Übungen und dem schweißtreibenden Training zu frönen. Es waren die Männer der zweiten Zenturie, die ihr Zenturio – Flavius Aristides – dort hinberufen hatte. Schwer atmend stand Marcus am Rande des Platzes und begutachtete die Übungskämpfe der Soldaten, die, seitdem sie vor der Stadt lagerten, am Tage keine Marscharbeit mehr zu vollbringen hatten und am Abend keine mühselige Schanzarbeit, ihr Lager stand bereits und alle warteten darauf, ob sie bald die Stadt erstürmen sollten oder was sonst vom Kaiser und den Legaten entschieden wurde. Marcus wischte sich über die Stirn seines hochroten Gesichtes, einige Runden war er mit gelaufen ehe er schlapp machte und an den Rand des Platzes ging, um erst mal einen Schluck von dem widerlichen Essigwasser zu sich zu nehmen. Gerade als ihn der Soldat erreichte und ihm die Nachricht von dem primus pilus der Legion übermittelt. Marcus nickte, zog sich das Tuch vom Hals herunter und wischte sich damit die Stirn ab, ehe er sich aufmachte und in die Richtung ging, die ihm der Soldat gewiesen hatte.


    Bei jedem Schritt klimperte die Rüstung, die Marcus für die Übungen angelegt hatte, der cingulum militare verstärkte das metallische Geräusch, jedes Mal, wenn er an Marcus Beine schlug und schließlich erreichte Marcus Avitus, den er mit der Faust über der linken Brustseite grüßte.
    Ave, primus pilus.“
    , fügte Marcus dem Gruße seiner Hand an.

    Die Kohle glomm, die Lichter flackerten, die Höhle wurde von Schatten, aber auch dem goldenen Schein erfüllt. Ein leises Raunen füllte den natürlich erschaffenen Tempel des Mithras, als sich drei Männer unter den Masken leise unterhielten und dann abwandten, um ihre Plätze an der Seite einzunehmen. Sie sanken herab auf die Felle und Decken, die die Männer vor der Kälte des Steines schützte, das niemals das Licht der Sonne erblickt hatte. Sorgsam drehte Marcus den Umhang in seinen Händen hin und her, faltete es nach Rechts, suchte danach, ob es wie eine toga zu legen wäre, dann zuckte er mit der Schulter, sah, daß sich Avitus es wohl eindeutig nicht so kompliziert machte. Marcus warf sich den Umhang über und griff nach der Maske, die man ihnen gereicht hatte. Seine Finger strichen über die glänzenden schwarzen Federn hinweg, den dunkelroten Stoff an der Seite, mit dem man die Maske befestigen konnte, den goldglänzenden gebogenen Schnabel, Marcus sah auf und erheischte in dem Herzschlag den Blick seines primus pilus. Fragend sah Marcus zu ihm, bis ihm einfiel, daß der Cornelier ihnen die Frage nach dem Opfer stellte. Marcus hatte schon das ein oder andere Mal ein Opfer geleitet, viele Male dabei geholfen, aber hier und in dem Moment, mit der Rabenmaske in der Hand, fühlte er sich auf gänzlich neuem Terrain, schnell hob Marcus die Maske an, um es den Anderen gleich zu machen und hinter der Maske zu verschwinden. Um die Mundwinkel des Corneliers zuckte es als er das Zögern bemerkte. Er wandte sich Avitus zu – dem er es wohl eindeutig eher zutraute die Aufgabe zu übernehmen.


    „Es wäre mir eine Ehre, solltest Du Dich später dazu bereit fühlen, Lucius Avitus aus dem Geschlecht der Artorier!“


    Die Schritte des Corneliers hallten in der Höhle wieder als er sich dem Altar zuwandte, sein Gewand raschelte leise und er hielt die Maske mit den menschlichen, aber verfremdeten Gesichtszügen in seiner Hand. Ruhig stand der Soldat in der Mitte des Miträums, die Fackeln flackerten an den Seiten als noch ein letzter Soldat durch die schmale Lücke im Felsen trat. Erst als der letzte Mann einen Umhang übergestreift hatte, löste sich der Cornelier aus der Starre heraus.


    „Brüder. Es ist die Nacht, bevor der Strahlende geboren wurde. Die Finsternis obsiegt in diesem Moment. Aber ein Leuchten wird erscheinen!“


    Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin erhoben sich einige Männer und griffen nach den Fackeln, drehten sie um und erstickten die Flammen in dem erdig-steinigen Untergrund. Das Licht verschwand mit einem Male, nur das milde Glimmen der Kohlebecken blieb zurück, die mehr Wärme als Helligkeit erzeugten. Marcus blieb eine Moment stehen als alles um ihn herum dunkel wurde, dann sank er schnell auf einer der freien klinenähnlichen Plätze an einem Steinsims, wobei er die Maske zurecht rückte um zwischen den beiden Spalten im Gefieder nach vorne zu starren.

    Ein bitterer Geschmack machte sich auf Marcus Gaumen breit, was bestimmt von den Kräutern her rührte und er am Liebsten mit einem Schluck Wein herunter gespült hätte. Stumm wartete Marcus und betrachtete das Treiben vor den Zelten, die Soldaten, die den neuen Legaten bewachten und dann den anderen Riesen, der auf sie zu trat.
    'Vielleicht züchtet er die irgendwo! Diese Riesen scheinen wie aus dem Boden zu sprießen.'
    Marcus achtete nicht auf die gehässige Stimme an seinem Ohr, am Liebsten hätte er mit der Hand danach gewedelt, denn solche Boshaftigkeiten waren ihm zuwider. Ebenso stumm wie eben, nickte Marcus Titus zu, den er von Germania noch kannte und ihn schon damals nicht sonderlich schätzt, was wohl daran lag, daß er stets im Windschatten von Vitamalacus zu sehen war.
    Marcus wandte sich einen Herzschlag zu Serapio und dachte darüber nach, den Jungen erst Mal draußen warten zu laßen. Doch er nickte ihm nur zu, Marcus zu folgen. Dann trat Marcus an den beiden Soldaten vorbei und ins Innere des Zeltes, duckte sich unter der Zeltplane hindurch, richtete sich auf und spähte in das Innere. Drei Schritte, dann stand er Vitamalacus gegenüber. Mehr mechanisch als mit dem Herzen berührte Marcus mit der Faust das Eisen über seiner linken Brust und grüßte den Tiberier.


    Ave...“
    Es kostete Marcus eine große Überwindung, mehr kühl kam das nächste Wort hervor.
    „...legatus!“
    Marcus Nasenflügel blähten sich einen Herzschlag lang auf und er betete zu allen Göttern, daß der Tiberier nicht etwas ansprach, was Marcus letzte Selbstkontrolle hin weg wischte und ihn zu Dummheiten verleitete.

    Ein Wildhund bellte in der Ferne, womöglich um einen Artgenossen zu vertreiben, vielleicht auch nur, um genau jenen zu Grüßen. Marcus Ohren waren einer ganz anderen Stimme zugewandt, doch genauso wie wohl der Windhund waren Marcus Ohren ganz 'gespitzt'. Sie wohnte angemeßen? Angemeßen...ein kleiner Palast tauchte vor Marcus Augen auf und er grunzte leise als Zeichen, daß er das natürlich seiner Mutter sofort glaubte. Sie hatte sicherlich den Shah in Shah dazu bringen können, ihr einen seiner Paläste anzuvertrauen, aber ein winziger Keim von Zweifel kam in Marcus schon auf. Doch die warme Flut von tiefer und ergebener Zuneigung, welcher Art Marcus sonst niemals gegenüber einer anderen Frau spüren konnte, beseitigten Stimmen, die Skepsis vortrugen, seltsame Mißtrauensschwankungen und ähnliche Empfindungen, mal abgesehen davon, daß Marcus sich eigentlich nur wegen all dem Schwanken und Geschaukel elendig fühlte und ganz in Selbstmitleid zerfließen würde, wenn nicht der gestrenge Blick seiner Mutter auf ihm ruhen würde. Aber genug Trost bot sich dem armen :D Marcus durchaus als er die flüchtige Berührung auf seiner vom Wein erhitzten Stirn spürte, wie kühl doch immer ihre Finger waren oder war das stets bei den weiblichen Wesen so? War sie darum in der Lage, einen klaren Kopf zu behalten, wo Marcus Temperament bereits wie ein Vulkan ausbrechen würde? Ein glückseliges Lächeln glitt über Marcus Gesichtszüge, eine Welle von Freude, Zufriedenheit und Leutseligkeit durchflutete ihn, die Übelkeit wurde schon schlagartig besser und all das zeichnete sich auf Marcus Zügen wieder, der blinzelnd nach oben sah und Helena - oder im treuen Glauben eher seiner Mutter! - ein breites Lächeln schenkte. Es gluckerte leise und schon schwebte ein Becher vor ihm. Wasser? Wasser! Tatsache!


    "Aber Mater, man weiß doch, von Wasser wird man nur noch kränker!"


    Gehorsam griff er jedoch nach dem Becher, sah angewidert in das kühle Naß, daß bereits die nächtliche Temperatur angenommen hatte. Als ob er erneut in eine Zitrone beißen würde oder eine scheußliche Medikation herunter spülen mußte, führte Marcus den Becher an den Mund und trank einige Schlücke von der nach nichts schmeckenden Flüssigkeit. Als er sah, daß seine Mutter sich umwandte, schüttete Marcus eilig den Rest neben sein Lager, das Wasser versickerte im Erdgrund. Leise stöhnend streckte sich Marcus auf der Liege aus und wartete darauf, daß es besser wurde - wie versprochen. Es wurde nicht besser, das Schwanken triebe ihn nach links und rechts, er legte eine Hand über seine Augen, dann zurück auf seine Brust, die sich unter der Tunika langsam hoch und runter bewegte, immer langsamer, wollte die Augen öffnen, um wieder seiner Mutter - solch einen Besuch mußte man schließlich ausnutzen! - die ganze Aufmerksamkeit zu schenken, aber es war um Marcus geschehen. Das Einzige was Marcus noch hervor brachte, war ein "Mmmmaa....hrarch...", was sich in den Schnarcher verwandelte als er selbstverständlich und vertraut nach Helenas Hand griff und sie an seine Wange führte und diese darauf bettete, ganz wie er das so oft in Baiae getan hatte - Marcus konnte viele Jahre lang nicht einschlafen, wenn seine Mutter nicht bei ihm gewesen war die erste halbe hora. Selig und federleicht entfleuchte Marcus dem weltlichen Treiben, sein Geist sprang anmutig wie eine Gazelle in Morpheus Arme. Das Rauschen von Baiae ertönte, wenn sich die Wellen an den Klippen brachen, die sich unter der flavischen villa erstreckten. Dunkle Haare taten sich auf, dunkle Augen, die sanft säuselnde Stimme seiner Mutter, seine liebreizende Tochter sah ihm strahlend entgegen.
    "Cinilla, Sonnenschein..."
    , murmelte Marcus leise.
    "Ge'l'g'n, g'r ni't tot!"
    , wisperte Marcus als letztes undeutlich. Er war zu Hause angekommen, wenigstens für eine Nacht im fernen Parthia. Dann verstummte er, aber nur an Worten, während er anfing im fernen Gefilde ganze Wälder zu sägen, nur mit seinem Geschnarche.

    Im Lager klapperte einer der Soldaten mit einem Wassereimer, ein Pferd wieherte in der Nähe auf, Schritte näherten sich und vergingen wieder, all jene kleinen oder größeren Geräusche zeigten, wie lebendig es trotz der Nacht im Lager pulsierte, die Ereigniße des Tages ließen wohl viele Männer noch beschäftigt, wenn auch manche sich schon längst auf ihren Lagern zusammen gerollt hatten, um jene Mütze Schlaf zu bekommen, die sie für die anstehende Wache noch brauchten, um aufmerksam das Feindesland zu begutachten, hatte sie doch der Tag gelehrt, daß sie im Grunde keine Minute, keinen Herzschlag lang sich dem Müßiggang mitten im Lande der Feinde hingeben konnten; es war ein unbekanntes Land, ein wildes Gefilde und sie waren hier fremd. Mit jedem Atemzug, den Marcus einsog, fiel ihm das immer mehr auf. Die Welt roch hier anders, selbst der Sternenhimmel zeigte sich nicht so, wie Marcus es vom vertrauten Himmel in Italia her kannte. Sackgasse? Familie enttäuscht? Es klang ein wenig bekannt in Marcus Ohren, denn was trieb die Männer am Ehesten an, in die Legion zu gehen? Geld oder die Familie! Marcus starrte über den Wall hinweg in die dunkle Landschaft, abwesend wirkte sein Gesichtsausdruck, seine Augen sahen, aber erblickten nichts, war doch immer noch eine seltsam nachdenkliche Stimmung über seinen Geist ausgebreitet.


    "Hmh!"
    , murmelte Marcus leise als Erwiderung auf die Worte von Serapio.
    "Familientradition?"


    Er entsann sich an den Senator, der die Truppen in Germania bei der Neunten begutachtet hatte. War der nicht auch Legat gewesen und ein Decimer? Dann noch Livianus und wohl noch mehr Männer? Ob sie auch in dem Moment irgendwo in der Fremde arbeiteten, Wache hielten oder kämpften? Marcus wußte, keiner seiner Flavierverwandten diente in der Legion und von Tradition konnte man in seiner Familie auch nicht sprechen, obwohl sein Bruder auch als Soldat gedient hatte- wenn sich Marcus richtig entsann! Marcus brummte unbestimmt in sich hinein und fand keine großen Worte als Erwiderung. Bedachtsam atmete er ein und aus, schwieg und dachte über die Frage nach. Meine Mutter hat mich zur Legion geschickt? Nur lupae und vinum hatte ich im Kopf vorher? Es klang bekannt, nachdem Serapio so frei heraus gesprochen hatte.


    "Hrmpff....nun, es war recht ähnlich bei mir. Leider habe ich meine Familie nicht gerade mit Ruhm bekleckert und als Soldat zu dienen, als einfacher Soldat, war meinerzeits die einzige Möglichkeit für einen Patrizier. Nicht so wie heute...letztendlich war es auch besser so!"


    Marcus deutete mit dem Kinn auf das Lager, Marcus wollte damit wohl auf den senatorischen Tribun weisen, den sie nun auch nicht mehr hatten, aber dessen Posten von unnützen Patriziern - wie er es mal war!- und Politikern besetzt werden konnte, die glaubten ein wenig Militärerfahrung würde ihrer Karriere dienlich sein - mal von denen abgesehen, die es tatsächlich ableisten mußten. Marcus sah einen Moment noch nachdenklich auf die dunkle Landschaft.


    "Vor Jahren hätte ich nicht gedacht, daß ich eines Tages im Krieg stehen würde und Menschen mit meiner Hand kaltblütig das Leben nehmen muß. Wie ein Schlächter oder ein sonstiger Handwerker, als ob das Ganze nicht mehr mit Menschen zu tun hätte..."
    Marcus unterbrach sich. Wann würde er wohl nicht mehr töten können? Wann würde er nur noch töten können und sonst nichts? Es war ein erschreckender Gedanke, den er schnell herunter kämpfte.
    "...aber so ist das mal. Dafür dienen wir, dafür leben wir als Soldat und womöglich sterben wir für jenen Zweck!"


    Ein düsterer Glanz suchte sich in Marcus sonst mehr freundliche und lebensbejahende braune Augen. Er sah einen Herzschlag lang grimmig aus, dann verschwand das mit einem Mal und ein munteres Lächeln trat auf seine Lippen, genauso schnell, wie der Schatten des Todes und der Gefahr sich in seinen Worten wieder gespiegelt hatte.


    "Aber nicht in nächster Zeit, Faustus. Auch nicht unbedingt in den nächsten Wochen, Monaten oder Jahren. Und wer weiß, Faustus, ein paar Jahre noch, ein bisschen mehr Erfahrung und Du stehst selber als centurio vor Deiner Einheit. Also, versinke nicht zu sehr in Grübeleien, das hat einem Mann immer nur geschadet."
    Marcus richtete sich auf und legte eine Hand auf den Rücken.
    "Augen aufhalten, miles!"
    , weniger als Befehl, mehr als ein paar freundliche Worte kam die letzte Anweisung aus Marcus Munde. Marcus nickte Serapio zu und ging langsam weiter, um einige Schritte später von der Nacht verschluckt zu werden bis ihn die nächste Fackel eine Gestalt verlieh und er weiter seinen Gang auf dem vallum antrat.

    Schon während Marcus mühselig sich die Rüstung übergestreift hatte, dachte er darüber nach, warum er und ausgerechnet der Decimer zum neuen Legat -ganz abfinden konnte sich Marcus damit noch nicht, schließlich fühlte er sich Decimus Livianus in erster Linie in der Treue verpflichtet und für Marcus war dieser immer noch der Legat! - gerufen worden waren. Immer noch tat er das, als er aus dem Zelt getreten war und Serapio entdeckt hatte. Die Rüstung schmerzte an seiner Schulter und drückte auf die frisch zu genähte Wunde dort, die immer mal wieder ein Pochen durch seinen Körper sandte. Marcus fühlte sich immer noch hunde elend und sah auch blass im Gesicht aus, dennoch hielt er sich gerade und gab die herabgesackte Haltung vom Inneren seines Zeltes auf als er einiger Blicke Gewahr wurde.


    "Miles!",
    Marcus nickte mit unbewegter Miene.
    "Folge mir!"


    'Es wird sicherlich etwas harmloses sein!'
    Marcus kramte gerade beim Gehen in seinem unauffälligen Beutel, in dem er Houma mit Opium gemischt verstaut hatte und was ihm gegen die latenten Schmerzen half. Verdutzt sah Marcus zu Serapio zurück, doch es war nicht die Stimme des Decimers, die Marcus an seinem Ohr raunen hörte.
    'Er will ihn sicher beseitigen lassen. Den letzten Decimer in der Legion! Dann ist er alle lästigen Zeugen los.'
    'Womöglich eine Belobigung. Hör nicht auf ihn, er redet immer nur schlecht!'
    'Das kann doch kein Zufall sein. Gerade ist der Legat ominös verschwunden und jetzt wird der Neffe zu dem Mann gerufen, der am Meisten von Livianus Verschwinden profitiert?'


    Marcus Augenbrauen zogen sich zusammen. Ja, das war nicht von der Hand zu weisen. Aber die sanfte Stimme - wo auch immer sie, verflixt noch mal, auch her kam! - flüsterte weiter beruhigend auf Marcus ein. Derart marschierte Marcus direkt auf das ihm altbekannte praetorium zu. Doch kein Mensch stand davor und hielt Wache, auch nicht die unnatürlich großen Männer des Tribun - in Gedanken von Marcus nannte er Vitamalacus nicht anders. Er deutete Serapio einen Moment zu warten und sah sich suchend nach einem Soldaten um, den er gleich anhielt.


    "Wo ist der Tri...Legat?"
    "Im neuen praetorium. Das hier will er wohl nicht nutzen!"
    "Ah!"


    Marcus wandte sich um, nickte Serapio gutmütigen Ausdruckes zu und marschierte weiter, von praetorium primum zum praetorium secundum. Dort standen tatsächlich einig der ominösen Leibwächter des Tiberiers, Marcus nickte ihnen andeutungsweise zu.


    "centurio Flavius wurde zum Trib...legatus gerufen."

    Unruhig stampfte das Pferd mit dem Huf auf dem sandigen Grund. Das Fell erzitterte als eine dicke Fliege über das Roß hinweg glitt und sich auf dem braun glänzenden Behaarung des Tieres nieder zu lassen, um mit dem schmarotzenden Rüssel in die Haut zu stechen, das warme Blut aufzusaugen und es in sich einzuverleiben. Marcus hielt die Hufe des Pferdes in der Hand und schabte vorsichtig den Dreck heraus, um zu dem zu kommen, was seinem Pferd seit dem Marsch auf Edessa immer wieder Schmerzen bereitete. „Ve'flu'tes Pa'th'la'd!“, murmelte Marcus halblaut und zwischen seinen zusammen gepressten Zähne hervor als sich das Roß ihm entziehen und sogar nach ihm beißen wollte. Marcus gab dem Pferd einen kräftigen Klaps auf die Seite und griff erneut nach der Hufe, die stampfend wieder auf dem Boden gelandet war. Die Schritte hinter sich bemerkte Marcus nicht, er war noch durch geschwitzt vom Tage, eigentlich völlig erschöpft und die Verletzungen von der Schlacht machten Marcus sehr zu schaffen. Er hoffte, daß die nächste Schlacht, das nächste Gefecht noch lange auf sich warten ließ und er erst seine diversen Wunden ausheilen konnte. Auch der Halsreif, den er erhalten hatte, machten ihn nicht gesünder oder weniger erschlagen. Aber das Pferd würde ihn die nächsten Tage tragen müßen, darum kümmerte sich Marcus lieber selber darum. Ein Stein, ein kleiner Stein, der sich in den sensiblen Teil hinein gebohrt hatte und dort bestimmt seit Tagen schwärte...


    centurio?“
    Marcus sah auf und erkannte einen der grauen und unscheinbaren Schreiber von der Verwaltung.
    „Ja?“
    Der Schreiber sah etwas irritiert auf Marcus Erscheinung. Eine alte rote Tunika, durch geschwitzt und überall Verbände.
    „Der Legat möchte Dich sprechen. Ebenso den Soldaten Decimus! Im praetorium!“
    Marcus sah ihn verdutzt an. Im praetorium?
    „Ah. Sofort?“
    Der Schreiber nickte.
    Schwer seufzte Marcus. Er hatte eigentlich besseres zu tun.
    „Wir kommen gleich. Du kannst weg treten!“
    Marcus wandte sich an den Sklaven um.
    „Lege mir eine frische Tunika heraus, ebenso meine Rüstung. Sie verbirgt die Verbände. Dann rufe den Soldaten Decimus Serapio zu meinem Zelt.“
    Der Sklave nickte eifrig und eilte davon, um die Aufträge zu vollführen. Froh, dem Pferd entkommen zu sein, daß auch stets nach ihm biß. Marcus kümmerte sich noch um den Stein, reinigte die Wunde des Pferdes und strich dem unruhigen Tier über die Mähne, ehe er es einem anderen Sklaven überließ und sich zu seinem Zelt aufmachte und sich dort umzog. Danach trat er heraus und sah sich vor dem Zelt um.

    An die Familie von Appius Iunius Lucullus
    Aus dem Geschlecht der Iunier
    Casa Iunia
    Roma, Italia



    Salve verehrte familia Iunia,


    mit tiefem Bedauern muß ich Euch mitteilen, daß der Soldat und Euer Familienmitglied, Appius Iunius Lucullus, vor Kurzem ehrenvoll auf dem Schlachtfeld nahe Edessa in Ausübung seiner Pflicht gefallen ist. Mutig und mit großer Tapferkeit stellte sich der Soldat Iunius Lucullus den feindlichen Heerscharen, kämpfte an der Seite seiner römischen Brüder und gab sein Leben, um das Imperium vor den parthischen Feinden zu schützen. Ehrenhaft hat er sich geopfert und kein Soldat, kein Mann meiner Einheit wird jemals diese Aufopferung vergeßen. Seine Taten werden darum weiter leben und sein Handeln wird helfen das Imperium zu sichern. Selbst wenn der Tod eines Familienmitgliedes tief erschütternd ist und Iunius Lucullus stets eine Lücke hinter laßen wird, so hoffe ich, daß dieses Wissen um seine Taten und seinen Mut Euch ein Trost sein kann. Auch der Kaiser wußte um die Courage und Mannhaftigkeit von Iunius Lucullus, weswegen Lucullus noch nach der Schlacht seiner Heldenhaftigkeit wegen mit den armillae ausgezeichnet wurde.


    Sein sterblichen Überreste haben nach der Schlacht eine würdige Zeremonie und eine angemessene Verbrennung erhalten. Ich schicke Euch anbei eine Urne mit seiner Asche, zudem die Auszeichnung, die ich im Namen von Iunius Lucullus vom Kaiser entgegen genommen habe und Euch zukommen laßen möchte.


    Ich möchte Euch meinen ehrlichen und tief empfundenen Beileid bekunden. Iunius Lucullus war ein guter Kamerad, ein aufrechter Bruder der anderen Soldaten der prima und ein honoriger Römer. Mögen die Götter ihm nun ein paradiesisches Leben gewähren.


    [Blockierte Grafik: http://img263.imageshack.us/img263/3769/aristidesunterschrifthd1.gif]
    centurio legionis primae





    edit: simoff- Geld wurde überwiesen! Danke schön.

    Das letzte Licht drang durch die Löcher der Zeltes, daß durch die Schnürung verursacht wurde, mit der die Zeltteile verbunden oder auch der Eingang geknüpft worden waren, der Eingang des Zeltes von Marcus Flavius Aristides, ein solcher centurio, saß an einem provisorisch erbauten Tisch, eine Kiste, die nun als Unterlage für Pergamente und einem Weinbecher diente, dessen Inhalt – sehr stark verdünnt – Marcus in kleinen Schlücken zu sich nahm und dabei die Musterungslisten betrachtete, die ihm sein Schreiber vor einer hora gebracht hatte. Ein „Grmpf!“ oder ein „Hmm!“, drang von Marcus Lippen und er kniff die Augen zusammen, um beim letzten Lichte noch die Schrift zu entziffern. Seine Lippen raunten leise die Namen, lautlos konnte Marcus einfach nicht lesen, und immer wieder blätterte er in einigen Unterlagen, wenn er sich einen Namen heraus gepickt hatte. Es war mühselig, es strengte Marcus Augen an, ihm tat der Kopf schon höllisch weh von all dem Lesen, aber es mußte sein. Es ging um die Strukturen in seiner Einheit, es mußten Männer angefordert werden aus anderen Einheiten, die weit besser bestückt waren, damit der Kahlschlag etwas aufgemindert werden konnte, zudem hatte Marcus die Beförderung von einigen Männern im Auge, die schon lange oder verdient im Dienste der Legion standen, auch manche von ihnen würden deswegen die Einheit wechseln müßen. All das mußte er endlich bearbeiten. Dazu mußten Listen erstellt werden, damit neue Ausrüstung bestellt werden konnte, lästiger Verwaltungskram eben, um die Marcus - so sehr er es auch wollte!- nicht herum kam. Marcus seufzte schwer und starrte vorwurfsvoll zu seinem blassen und dürren Schreiber, Naevius, der eifrig an irgend etwas herum schrieb, was Marcus von der Entfernung nicht entziffern konnte. Der Schreiber bemerkte den Vorwurf nicht, darum widmete sich Marcus eine Weile lang wieder den Listen.


    „Cafo? Meinst Du...“
    „Ich glaube, der signiferposten würde ihn schon interessieren. Er hat es auch verdient, centurio! Seine Dienstzeit endet bald.“
    Marcus nickte.
    „Scallus?“
    Der betrügt zu sehr, centurio!“
    „Sparsus?“
    „Hm...ein bisschen kurz dabei, centurio. Aber ein tapferer Mann. Und ehrlich. Eine seltene Tugend.“
    „Hmh!“

    ,erwiderte Marcus nachdenklich.
    Optio!“
    Marcus seufzte und war sich unschlüssig, den Mann wollte er nicht verlieren, genauso wenig seinen anderen optio. Aber trotzdem, deswegen würde Marcus nicht die Karriere eines Soldaten verhindern. Marcus Blick fiel auf einen anderen Namen, nachdenklich fuhr er mit dem stylus darüber hinweg.
    „Serapio?“
    „Aber centurio, der ist keine drei Monate dabei!“
    „Er hat sich gut gemacht, Naevius! Tapfer, ordentlich, ehrlich. Wie war das noch gleich? Eine seltene Tugend. Außerdem hat er eine Belohnung verdient, wegen den Prätorianern!“
    „Das stimmt!“
    Marcus sah zu Sparsus Namen zurück.
    Tesserarius!“


    Und so ging Marcus weiter in der Liste. Schließlich war das auch erledigt und Marcus ließ es von Naevius für die principia bereit machen, dann schickte er Naevius los, es zu den Schreibern des ritterlichen tribunus zu bringen, der momentan noch den praefectus castrorum vertrat, dessen Posten seit Plautius Scheiden noch verweist war. Marcus griff schließlich zu einem anderen Stück papyrus und starrte auf das leere Blatt hinab. Es stand etwas unangenehmes bevor, eine Angelegenheit, die er seit langem vor sich her schob, aber was es nun zu erledigen galt. Grübelnd starrte Marcus auf das leere Blatt und nach vielen Minuten erst rang sich Marcus durch, die richtigen Worte zu suchen. Düster war sein Gesicht und umwölkt der Blick seiner braunen Augen. Die Feder kritzelte über das Blatt, der Brief mit den Beileidsbekundungen würde später noch von Naevius sauber kopiert werden, ehe er nach Rom geschickt wurde. Als Marcus damit fertig war, seufzte er schwermütig und griff zu den Listen von Waren, die er anfordern mußte. Er ließ es sinken und griff nach Wein, den er mit einem tiefen Schluck runter spülte- wenngleich er den Geschmack, geschweige denn die Wirkung des Rebensaftes kaum erschmecken konnte.

    Ohohoh! Ein Orkan tobte um Markus, der Wind rauschte, das Schiff schaukelte, eine Schiffsglocke ertönte in der Ferne. Dong, dong! Gemischt mit den Rufen von dem Kapitän, der sie nach Syria tragen sollte. Ohohoh!, wie es doch in Marcus' Magen rebellierte, das wilde Geschaukel war einfach zu viel. Das Stöhnen gelangte bis zu seinen Lippen, er lag geschlossen auf dem Rücken, kämpfte gegen die Übelkeit und hörte ein helles Kling! Kling! nebst einem leisen. „Der Eimer, Herr!“ Doch Marcus öffnete nicht die Augen, sondern kämpfte gegen des Schiffes wütendendes Taumeln durch die dichte See. Aber Moment! Sie waren doch gar nicht mehr auf See! Aristides öffnete ein Auge und sah auf Stoff, das sich herab beulte. Dann ging das Andere Auge auch auf und er erkannte verschwommen das Zelt um sich herum. Nein, ein Zelt an Bord eines Schiffes war doch absurd. Marcus hob die Hand und beschirmte die Augen, um nicht von einer Öllampe geblendet zu sein, die der besorgte Sklave hielt, wohl um zu sehen, ob sein Herr nun tot war. Marcus grummelte und scheuchte den Sklaven mit einer unwirschen Geste hinfort.


    „Scher Disch fort...noch lebe isch...pah, stehscht sowieso nischt in meinem Testament...“
    Das Marcus auch gar nicht hatte, selbst des Krieges wegen hatte sich Marcus nicht dazu aufraffen können.
    „Ja...natürlisch...“
    , murmelte Marcus als Antwort auf Serapios Frage.
    „In der Kischt...Kischte dort hinten...“
    Marcus deutete auf einen Stuhl. Der Sklave zeigte hilfreich auf eine Kiste an der Zeltwand.
    „Nisch Deine schöne Tante...oh Junge...Du hascht Die fäschischescheste Tante, die esch gibt...“
    Marcus lächelte breit und selig, hatte dabei etwas von einem verliebt vertrottelten Narren an sich.
    „Wuuuunderschön ischt sie...die groschartige Lucilla!“
    Marcus seufzte ergriffen.
    „Der Brief isch dort irgendwo...von Hanig...nein, Hanisch...Hannibal...hab ihn schon etwas länger bekommen...von einem Boten...“


    Marcus bemühte sich, sich etwas aufzurichten und in dem Zelt umzusehen, vielleicht gar zu erheben, um noch etwas mehr Wein aufzutreiben oder etwas zu Essen, sein Magen rebellierte zwar und wollte sich zwar mehr erleichtern als noch zu füllen, aber Marcus hatte absurderweise Gelüste nach Oliven. Schwarzen und saftigen Oliven in viel Öl getränkt. Oder eine Zitrone? Stöhnend sank Marcus wieder zurück und zog ein Gesicht als ob er sich tatsächlich die saure Zitrone in den Mund gesteckt hatte. Gerade trat Helena hinzu und erntete als Antwort eine sehr besagendes Stöhnen. Die weibliche Stimme drang dann schnell zu Marcus Geist und er spähte zu ihr hinüber. Schwarze Haare verschwammen mit einem liebreizenden Gesicht, daß Marcus immer noch seiner Mutter zuordnete.


    „Ah, Mater...“
    , murmelte Marcus und wollte sich erneut erheben. Zeigen, daß er gaaaar nicht so betrunken war, wie es womöglich wirkte. Aber es stellte sich auch für Marcus heraus, daß er doch derart beduselt war, wie es wirkte. Die Übelkeit brandete in dem Moment auf und wollte sich ihren Weg nach oben bahnen. Doch nicht vor Deiner Mutter, ertönte eine andere weiblich, mahnende Stimme in seinem Kopf. Schnell erhob sich Marcus und wäre beinahe zusammen gebrochen, insbesondere, da der Eimer wieder in den Weg kam. Den Göttern sei Dank!, hastig ergriff Marcus den Eimer.


    „Moment...“
    , murmelte er und taumelte nach draußen. Nur ein Würgegeräusch drang bis ins Innere des Zeltes, was sich sehr erbärmlich und jämmerlich anhörte. Nach einem längeren Moment und der dann eintretenden Stille hörte man erneut ein Stöhnen und schließlich wurde der Zelteingang zurück geschlagen. Marcus wankte, ganz grün im Gesicht, zurück ins Zelt und plumpste auf die Liege zurück.


    „Verzeihung...“
    , murmelte er entschuldigend zu Helena. Marcus blinzelte und spähte in das Gesicht von Helena, aber noch hielten sich die Weindünste beharrlich um Marcus trägen Geist.
    „Wo wohnst Du eigentlich?“
    , fragte Marcus verwundert. Daß seine Mutter plötzlich in Parthia aufgetaucht war, das erstaunte ihn zwar, aber damit fand er sich ab. Seine Mutter war eine höchst ungewöhnliche Frau und stets für Überraschungen gut.