Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Selbst wenn Marcus es mit allen Gesten, Worten und Versicherungen bestritten hätte, es wohl bis zum Ende seines Leben leugnen würde, so war er dennoch im Grunde froh, keine Schelte wegen der fehlenden tabula zu erhalten. So entspannten sich seine Schultern- er hatte gar nicht gemerkt, daß er ein wenig angespannt war- deutlich. Und nun konnte er sich doch wieder dem Inhalt der ganzen Besprechung zuwenden, den Fahnenflüchtigen. Mit einem Seitenblick bemerkte Marcus, daß jetzt jedoch Bruseus eindeutig sich unbehaglich fühlte. Immerhin waren das Männer von seinem Kommando, die sich aus dem Staub machen wollte. Aber Marcus wußte, daß davor kein centurio gefeit war und es genauso ihn hätte treffen können. Bei der Frage von Vitamalacus mußte Marcus nicht lange nachdenken, noch ausführlich darüber grübeln, denn sein Urteil- so unbedeutend es auch im Grunde für das Schicksal der Männer war- war doch schon in dem Moment gefällt als Bruseus davon vor dem Zelt des primus pilus berichtet hatte. So sprach Marcus auch frei heraus:


    „In meinen Augen verdienen solche Männer nur den Tod. Sicherlich kann man sie sich noch rechtfertigen lassen, aber im Zuge, daß wir bald in Feindesland kommen, wird es nur schädlich für die Moral und Einstellung der Männer sein, wenn sie sehen, daß so ein Verhalten nicht angemeßen bestraft wird.“


    Marcus nickte bekräftigend. Auch Bruseus, der einen Moment auf seiner Unterlippe herum gekaut hatte, folgte dem Beispiel und nickte andeutungsweise.


    „Ja..ja, es besteht keine Entschuldigung für Fahnenflucht.“

    Noch hatte die Sonne nicht den Horizont berüht, noch war es nicht in der Nacht und dennoch wurde zum abendlichen Mahl geladen- wie es nun mal auch üblich war unter den Römern. Zwei geschlagene Stunden hatte Marcus hin und her überlegt. Eine Einladung von ausgerechnet dem Mann, dem er doch- ohne es wirklich zu wißen- eine lebenslange Feindschaft geschworen hatte? Doch der Groll war tief in Marcus verwurzelt und so war er erst geneigt gewesen, die Einladung einfach auszuschlagen. Oder gar nicht erst aufzutauchen. Doch dann fiel ihm ein Spruch von seinem Sklaven ein- über den Marcus eine Weile lang sinnen mußte. Nicht, weil er so bedeutsam war, sondern weil ihm dieser Spruch nicht mehr richtig in den Sinn kommen wollte. Etwas von: Halte Deine Feinde näher als Dich selber oder halte die Freunde ferne als Dich? Marcus wußte es nicht, nur, daß er den Kontakt zu dem Mann wohl nicht vermeiden sollte, würde es doch früher oder später- Marcus hoffte natürlich auf später- doch dazu kommen. Doch nun marschierte er zwischen den Zelten entlang und auf das Zentrum ihres- das der Ersten- Lagers zu, wo die Zelte des Tribuns und auch des Legaten standen, nebst den anderen hohen Offizieren. Seine Rüstung trug er nicht- und auch dafür hatte er eine halbe hora gebraucht, um sich dazu zu entschließen- sondern nur eine einfache Zenturiotunica. Einfach war sie jedoch nicht wirklich, denn sie war die Tunika, die ihm seine liebste und reizende junge Base Leontia geschenkt hatte. Für den Anlaß fand er sie ausnehmend passend und wohl die einzige Gelegenheit, wo er ihr Geschenk auf dem Feldzug würdigen konnte. Sattrot war die Tunika, gewebt aus feinster Ziegenwolle, und mit dezenten goldenen Stickereien am Rande, die das flavische Wappen eingearbeitet hatten. Also für eine scharfkantige Rüstung völlig unbrauchbar, für eine cena- wie Marcus erleichtert festgestellt hatte- sehr passend.


    Dennoch war Marcus schon in Schwitzen gekommen, ehe er überhaupt die Zelte und das gespannte Sonnendach erreichte, es dürstete ihn und ihn freute die Aussicht auf ein gutes und hoffentlich zünftiges Mahl. Einige Schritte davor holte Marcus tief Luft, aber der Hedonismus seines Magen räumte schnell jegliche Bedenken aus und er kam bis zu den Wachen, denen er zunickte und wartete, bis sie ihn passieren ließen. Und ganz offensichtlich war Marcus nicht der Erste. Herrje, Tribun UND der Legat, nebst dem noch erscheinenden Gastbeber. Was für eine erlesene Führerschaft hatte sich da versammelt. Marcus war einen Moment genauso unschlüßig wie auf dem Fest in der villa Claudia, als Livianus dort unversehen dazu stieß. Sicherlich hätte eine einfache Begrüßung bei den beiden tribuni hier im Lager gereicht, aber nicht bei dem Anführer der Legion und das mittem im Feldlager. So salutierte Marcus freilich.


    Legatus!“


    , grüßte er ihn zuerst und fügte nach drei Herzschlägen an.


    Tribunus! Salvete!“


    , wobei Marcus dem ritterlichen Tribun zunickte. Zwei Mal hintereinander würde er gewiß nicht salutieren.



    Sim-Off:

    Edit: Livianus hat mir eines mindestens voraus: Er kann lesen. Ich hab nur die Begrüßung von Vitamalacus verändert, da er ja noch nicht da ist.

    Nach der Rede marschierte Marcus zurück zu dem Lager seiner Zenturie. Schon auf dem Weg fand Marcus es im höchsten Maß bedauerlich, daß seine Männer die Worte nicht mit eigenen Ohren vernommen hatten. Denn eine gewiße ungute Stimmung hatte sich unter den Männer breit gemacht gehabt. Etwas, was Marcus nicht ganz faßen konnte, aber auch nicht leugnen. Doch die Rede hätte sicherlich die meisten Männer wieder motiviert, gerade hier in der Fremde, wo der Kaiser das große Idol aller Soldaten war. Zwischen den Zelten angekommen, blieb Marcus einen Augenblick lang stehen, schnaufte tief durch, da ihn die Hitze durchaus zu schaffen machte und sah sich nach Priscus um. Dabei griff er nach dem Riemen, um seinen Helm zu lösen.


    optio, die Männer sollen antreten.“

    Kleine Sandwirbel bildeten sich vor Marcus Füßen als der Wind zwischen den centuriones hindurch strich und die rotbraune Erde dieses fremden Landes tanzen ließ. Doch Marcus merkte davon nichts, denn er hatte sich- in vierter Reihe stehend- hoch aufgerichtet, um einen Blick auf den Kaiser erhaschen zu können und gespannt der Rede zu folgen. Um sein Kinn spürte er den Lederriemen, der seinen Helm am Kopf festhielt, seine Helmzierde hatte er extra noch mal gekämt am Morgen, doch im Grunde fiel es nicht auf- denn alle Blicke waren schließlich auf den Kaiser gerichtet und dieser würde mit Sicherheit keinen Zenturiohelm vom Anderen unterscheiden können. Marcus Mund öffnete sich marginal als er lauschte. Mesopotamia? Das war also ihr nächstes Ziel und schon in zwei Tagen würde es los gehen. Warum sie dorthin marschierten und ob der Schätze wegen? Eigentlich hatte Marcus sich das nie gefragt, denn das Plündern zum Krieg dazu gehörte, das stand für ihn außer Frage und alles andere war die Sache der Kommandeure. Dennoch nickte er eifrig auf die Worte hin und hörte weiter zu- verstand jedoch nur die Hälfte von dem Gesagten. Denn zum einen kam es selbst bei ihm nicht mehr als zu laut an, zum Anderen war die Wort- und Satzwahl für Marcus etwas zu kompliziert. Dennoch, die Kernbotschaft hörte Marcus raus und war im höchsten Maße bewegt. Gerade als die Mänenr los jubelten fiel Marcus ein Spruch ein: Fortes fortuna audiavat- die Tapferen beschützt das Glück!. Doch er fiel ebenso in die Siegesrufe hinein wie die anderen Soldaten- beziehungsweise Offiziere. Nur blieb bei Marcus eine Frage offen: Wer, zum Hades, war Osroes?

    Sinnend betrachtete Marcus die großen Zelte des tribunus und zum ersten Mal ging ihm auf, warum es doch vernünftig war, in die Politik zu gehen. Der Komfort war einfach sehr viel besser ab einem gewißen Rang. Wenn schon es ein Sprung des Luxus vom miles zum centurio war, so war sein Zelt doch mickrig mit dieser kleinen Ansammlung hier. Doch immerhin mußte man mit einigen Nachteilen als Gegenleistung rechnen- stundenlange, langweilige und monotone Reden, die kleinen oder großen versteckten Intrigen und die harten Bänke der Senatshalle. Mit sich nach oben wölbender Augenbraue vernahm Marcus die Antwort von dem Leibwächter, der- wie Marcus anerkennend fest stellte- sofort sie einordnen konnte.


    „Der Tribun ist...?“


    , hakte Marcus nach, doch schon bekam er die Antwort und ebenso den Tribun zu Gesicht. Mit dem Hauch von Neugier und Faszination betrachtete Marcus die Wildkatze, die derart zutraulich an der Seite des Tiberiers entlang lief und geschmeidig ihre Tatzen auf den trockenen Boden zu setzen vermochte. Doch das vergnügte Funkeln in Marcus Augen- was sich dort bei dem Anblick der Katze einschlich- erlosch sofort als er zu dem Tiberier sah. Kälte trat an die Stelle und Marcus deutete ein Nicken an, was gerade noch als höflich durchgehen konnte, aber nicht wirklich freundlich oder respektvoll war. Denn an seiner Achillesferse getroffen zu werden, das vergaß Marcus Zeit seines Lebens nicht mehr. Schweigend folgte Marcus in das Zelt hinein, nahm Platz und verschränkte- in einer unbewußt abwehrenden Geste- die Arme vor der Brust und seiner Rüstung.


    Wie er es sich vorgenommen hatte, überließ er erst Mal Avitus die erste Rede und bereute es gleich darauf. Denn daß Avitus eine Tafel angefertigt hatte mit all den Vorschlägen, das bestürzte Marcus sehr. Er hatte keine, war er doch auf halben Fuß zum Abendessen erwischt worden und hatte vor der Besprechung keine Ahnung gehabt, was der primus pilus überhaupt zur Sprache bringen wollte. Unbehaglich rutschte Marcus auf dem Stuhl hin und her und fühlte sich wie in die Zeiten zurück versetzt als er mal einen besonders strengen Griechischlehrer hatte. Der einzige Grieche, der es geschafft hatte, bei Marcus etwas von Respekt zu erzeugen. Und stets, wenn Marcus seine Hausaufgaben vergeßen hatte, beschlich ihn so ein unangenehmes Gefühl der Kälte am Rücken und der Hitze an den Ohren- genau wie hier auch. Fast schon erwartete Marcus, daß sich tribunus Tiberius jeden Moment ihm zuwenden würde und mit strengem Blick auf eine tabula warten würde, die er- Marcus Flavius Aristides- mal wieder nicht hatte.


    Marcus wußte nicht, wie der Becher mit Wein in seine Hände gekommen war, doch er war sehr froh darum und klammerte sich an dem Getränk fest. Den Wortwechsel der Beiden vernahm Marcus nicht wirklich, hörte zwar den einen oder anderen bekannten Namen- er war schließlich lange Zeit in derselben Zenturie gewesen- und erst als das Schweigen sich über die anwesenden Personen legte, merkte Marcus, der dieses Schulgefühl im Betrachten des schönen Tieres abzulegen versuchte, daß wohl alles gesagt worden war. So sah er von dem Luchs fort zu Avitus, dem er einen andeutungsweise vorwurfsvollen Blick zuwarf- der tabula wegen-, und dann zu Vitamalacus.


    „Ja, also...“


    Marcus trank noch schnell einen Schluck von dem edlen- und sogar gekühlten!- Tropfen- Geschmack hatte der Tiberier, das mußte Marcus insgeheim zugeben oder mehr, er tat es trotzdem nicht- und leckte sich über die trockenen Lippen, um sich zu faßen.


    „Es sind in meiner Zenturie eigentlich nur zwei, die befördert werden sollen. Zum einen Iulius Sparsus zum tesserarius und dann noch Decimus Serapio vom probatus zum miles. Wir werden wohl doch recht bald auf den ersten Feindkontakt treffen und keiner meiner Soldaten sollte als probatus sterben.“


    Da weder ein optio, noch ein centurio ernannt werden sollte und es sich doch um vergleichsweise kleine Posten handelte, hielt Marcus es nicht für nötig- zudem er meist eh Intuitiventscheidungen traf- seine Vorschläge noch näher zu kommentieren. Stattdessen sah er gleich zu Bruseus, damit dieser auch sein Anliegen vortragen konnte. Der dickliche Zenturio räusperte sich und wirkte noch sehr viel unbehaglicher als Marcus- obwohl er Marcus sicherlich zehn Jahre mehr Berufserfahrung voraus hatte.


    tribunus, ich muß leider zwei Fälle von Fahnenflüchtige melden. Die beiden Männer sind jedoch gestellt worden und nun im provisorischen Carcer untergebracht, tribunus!“

    Zitat

    Original von Faustus Decimus Serapio
    Ich nickte, und als dann abzusehen war, wann das Fleisch gar sein würde, zog ich los, um Optio Tallius und Centurio Flavius zu suchen, und ihnen - wenn auch ein bisschen schüchtern - die Einladung meines Contuberniums zu überbringen.


    Königsblau erstrahlte der Himmel in einer nächtlichen Pracht als sich der Mantel von nox über das Lager legte und die leuchtenden, goldglänzenden Feuerzungen noch umso strahlender und einladender wirken ließ. Doch mit der schönen Bläue kam auch die grausame Kälte, die sich um die Soldaten herum schlich, sie um lungerte und ihnen unter die Rüstungen kroch, der warme Schein der Lagerfeuer war zu schwach und zu jämmerlich um die nächtliche Kühle zu vertreiben. So schauderte Marcus einige Herzschläge lang, denn seinen Umhang hatte er in seinem Zelt gelassen. Während Marcus durch das Lager zurück zu seiner Einheit marschierte, sann er über all die Dinge nach, für die er verantwortlich war. Dabei kratzte etwas an seinem Ohr, was er hörte- beziehungsweise: nicht hörte. Aber genau benennen konnte er es nicht. Dennoch seufzte er leise auf und fragte sich insgeheim, ob er wirklich dazu geschaffen war centurio zu sein. Doch dieser irrationale Gedanke keimte noch nicht mal einen Herzschlag in ihm auf, denn im Grunde war sich Marcus seiner eigenen Herkunft derart bewußt- es war ihm in die Wiege gelegt worden- daß er gar nichts anderes annehmen konnte als daß jeder Posten- so es ihm gefallen würde- auch für ihn geschaffen war. Selbst wenn es die Würde des Kaisers war. Nur war Marcus nicht skrupellos genug, noch sonderlich intrigant um eben jene Würde anzustreben. Daß ihm dafür der Witz und die Klugheit abging wäre wohl nicht so schlimm, denn seine Mutter hätte das sicherlich wett gemacht und das mit Eifer. Aber Fortuna und die Parzen meinten es anders und Marcus war nicht unzufrieden mit seinem Los bisher.


    Seine Füße lenkten Marcus zwischen die Zelte seiner Zenturie. Einträchtig, wie es schien, saßen die Männer an den kleinen Feuern, aßen aus ihren Näpfen, die sie stets mit sich trugen. Unterhielten sich, lachten, würfelten oder tauschten sich über vergangene Kriegserfahrungen aus. So manch einer von den Männern hatte noch unter Senator Purgitius gedient im Kampf für Rom und gegen den Ursurpator, ein Anderer war im Krieg in Germania oder in Dacia gewesen. Marcus blieb mal stehen und wechselte einige Worte mit dem ein oder anderen Soldaten, ließ die, die ungestört bleiben wollten, in Ruhe und traf dann unversehen auf den jungen probatus. Marcus blieb stehen und deutete mit seinem Kinn ein nicht unfreundliches Nicken an.


    „Gut eingelebt in der centuria, probatus?“


    In dem Moment fiel Marcus auf, was ihn gestört hatte. Die Grillen zirpten nicht mehr. Marcus war sich sicher, sie hatten es noch bei seinem Aufbruch getan.

    Das Sonnendach, das zwischen den drei Zelten aufgeschlagen war, flatterte ein Herzschlag lang als eine sachte Brise über die Ebene strich, eine kurzer Erfrischung brachte und scheinbar den Duft des nahen Wassers- des Euphrat- mit sich trug. Funken stiegen von einigen Lagerfeuern in der Nähe in die Höhe und Marcus spähte nach oben in den sich verdunkelnden Himmel, wo sich die ersten Sterne aus dem Dunkel hervor schälten. Die Liste mit den Kandidaten war in seinem Kopf schon etwas länger geworden, aber seine Entscheidung, optio Tallius in seiner Einheit erst mal zu behalten und nicht für einen Zentrioposten vorzuschlagen wurde immer unumstößlicher. Die Silhouetten der groß gewachsenen Männer vor dem Zelt des tribunus zeichneten sich deutlich vom Hintergrund ab. Marcus Augenbraue wölbte sich in die Höhe- natürlich in typisch flavischer Manier- und er fragte sich, ob das eine peregrinihorde aus dem kalten Germania noch war, die sich der Tiberier zu seinem Schutze dort hielt und woher er immer all diese riesenhaften Männer her bekam. Schon dieser Titus war Marcus immer sehr suspekt gewesen, aber anscheinend brauchte der Tiberier derartige Männer in seiner Umgebung. Marcus Mundwinkel zuckte einen Herzschlag lang spöttisch, dennoch ließ er keinen gehäßigen Gedanken, der auch sonst eher nicht in ihm aufsteigen wäre, in sich aufkeimen. Denn im Grunde beschäftigte ihn viel mehr die Liste der Beförderungen, die Deserteure und der konstante Hunger in seinem Bauch- der sich glücklicherweise nicht mehr gemeldet hatte seit dem Zelt des primus pilus.


    Unter seinen Soldatenstiefeln knirschten einige Steine, das vom Sommer ausgetrocknete Gras, was früher von Ziegen und Schafen abgefreßen worden war und nun unter all den tausend Füßen der Legion litt. Zwischen den drei Zelten und vor einem der großen Leibwächter angekommen, blieb Marcus stehen, bewegte andeutungsweise sein Kinn als Gruß.


    Salve, wir möchten den tribunus Tiberius sprechen in Angelegenheiten der Legion.“


    Daß die Männer die centuriones der ersten cohors kannten, schien für Marcus außer Frage zu sein. Nur runzelte er anschließend die Stirn und grübelte darüber nach, ob er Avitus hätte den Spruch aufsagen laßen sollen. Aber nun war es eh zu spät und er würde ihn einfach im Zelt das Reden überlaßen. Das war Marcus auch sehr viel lieber.

    Um sie herum knisterten mittlerweile zahlreiche Lagerfeuer, deren Zungen gierig in den sich dunkler verfärbenden Himmel strebten, die Luft um sich herum verschlangen und den Soldaten die Hitze für ihr abendliches Mahl, was sie sich nach dem langen Marsch auch redlich verdient hatten, schenkten. Der Duft nach einer gewürzten Weizenration stieg Marcus in die Nase und erinnerte ihn daran, daß er eigentlich Hunger hatte- wie wohl meistens am Tag. Sein Magen meldete sich in dem Augenblick, um das Gefühl zu verstärken und grollte leise. Bruseus verzog sein Gesicht und grinste breit. Marcus schloß sich ebenfalls mit einem Grinsen an und zuckte gleichmütig mit der Schulter.


    „Der Tod ist die einzig passende Strafe für Fahnenflüchtige. Was ist schon schlimmer als seiner Truppe derart den Rücken zu zu kehren, sie im Stich zu laßen und zudem damit den Kaiser zu verraten?“


    Marcus war kein Jurist, aber in den guten, alten Zeiten- wann auch immer die jemals gewesen sein mochten- da war Marcus sich sicher, wären die Deserteure sofort am Kreuz gelandet. Bei solchen feigen und niederträchtigen Männer hatte Marcus auch keinerlei Gewissenbiße- wenn er sie überhaupt bei Menschen hätte, die zum Tode verurteilt werden. Diese Gedanken lenkten ihn einen längeren Augenblick von der Beförderungsfrage ab. Ein oder zwei Kandidaten hätte er für die unteren Ränge durchaus, ein immunes, sein einziger probatus, aber die Liste würde er sich noch auf dem Weg ausdenken, da er anscheinend auch als Rückendeckung für Bruseus mitkommen sollte. So nickte Marcus. Auch Bruseus bekundete sein Einverständnis- wenn auch unnötigerweise, schließlich mußte der Gang in diesem Fall zumindest für ihn sein.


    „Unangenehm, sehr unangenehm, aber die Angelegenheit zum Zelt des tribunus zu tragen ist wohl unausweichlich...!“


    , fügte Marcus an und wandte sich in die Richtung des doch markanten Zeltes um.

    Wenn Marcus das Innere seines Zeltes als ein Tohuwabohu empfunden hatte, so mit dem Anblick des Lagers noch sehr viel mehr. Auf der leichten Erhebung an der Stelle, wo ihre Zelte aufgeschlagen waren, schien man eine Ahnung des Lagers zu erhalten. Und Marcus, der noch auf das Eintreffen von einem Nachzügler wartete, spähte über so manch eines der Soldatenzelte, zwischen denen in der Ferne die prunkvollen und großen Zelte des Kaisers und Kommandaten heraus stachen. Wie ein großer Haufen von Ameisen schien es zwischen all den Zelten zu wimmeln. Ein Chaos, ein Durcheinander für den Beobachter, doch nur eine Ameise würde sicherlich die Ordnung und die Geometrie hinter all dem mit Leichtigkeit erkennen. Marcus, selbst eine kleine Ameise in dem Haufen von dreißigtausend Mann, sah jedoch nicht lange genug hin, denn in dem Augenblick begann der primus pilus zu sprechen. Stumm wie die anderen Männer lauschte Marcus den Worten von dem ersten centurio. Administrative Angelegenheiten war sicherlich kein Stichpunkt, was allzu große Freude in Marcus aufkeimen ließ, doch solche Dinge gehörten nun mal leider dazu, wenn er auch stets versuchte diese Arbeit auf seine Untergebenen abzuwälzen. Wie die meiste Arbeit, die ihm lästig war.


    Marcus hörte mit halbem Ohr weiter zu und dachte nach. Beförderungen? Wen könnte oder sollte er aus seiner Legion vorschlagen? Er fuhr sich nachdenklich mit seiner Zungenspitze über die Unterlippe. Tallius Priscus? Eigentlich hatte der optio es wirklich verdient und er würde sich bestimmt gut als centurio machen. Doch zwei Sachen sprachen dagegen, ihn vorzuschlagen. Zum einen hatte Marcus mal munkeln gehört, daß der optio recht zufrieden war mit seinem Posten- aber es war nur ein Gerücht und Marcus wußte es nicht wirklich. Aber der Hauptgrund war eher: Marcus wollte nicht auf ihn verzichten. Priscus war sein Gewicht wirklich in Gold wert und Marcus auf ihn angewiesen, um weiterhin einen derart reibungslosen Ablauf in seiner Zenturie zu haben. Zudem schien er gut mit den Männern sich zu verstehen. So schwieg Marcus bezüglich seines Stellvertreters in der Zenturie. Auf das Lob von Avitus für die Männer nickte Marcus, sah, daß es seine Kollegen ebenso taten oder selber zufrieden schienen. Stirnrunzelnd rieb sich Marcus den Nacken und dachte weiter nach, während centurio Bruseos in die nachdenkliche Stimmung, die sich nach Avitus letzter Frage scheinbar ausgebreitet hatte, hinein fragte:


    „Beförderungen von optio aufwärts oder schon bis zum optio? Die immunesposten müssen wir ja nicht bis zum tribunus vortragen. Und bei Degradierungen und Strafen wohl auch nur das Schlimmere, hm?“


    Bruseus zögerte einen Augenblick und fügte dann an:


    „Da wäre nämlich durchaus etwas, also mehr als die üblichen Unverschämtheiten, Trunkenheit oder Dienstverletzungen. Gestern Nacht haben zwei Männer versucht abzuhauen. Das erste contubernium meiner Einheit hat es noch rechtzeitig gemeldet und wir haben die Fahnenflüchtigen fest gesetzt."


    Marcus, der gerade die Soldatenliste durch gegangen war, grübelnd, ob er einen davon zum optio vorschlagen sollte, wenn er auch gar nicht sicher war, ob überhaupt ein Posten frei war, bei ihm zumindest nicht und die anderen Zenturien hatten wohl auch fast oder sogar mehr als Sollstärke, sah bei der Nachricht auf und runzelte die Stirn.


    „Herrje, direkt vor dem Kriegsgebiet ist das keine gute Sache. Da müssen wir wohl ein Exempel statuieren.“


    Marcus verschränkte die Arme vor der Brust und wippte auf seinen genagelten Absätzen hin und her. Er war froh, daß niemand aus seiner Zenturie bis jetzt Fluchtversuche gewagt hatte. Den hätte er wohl eigenhändig in Grund und Boden geprügelt, bis ein Einsperren im Carcer keinen Sinn für ihn mehr machen würde.

    Ein Tohuwabohu herrschte in dem kleinen Zelt - immer noch bedeutend größer als das seiner Soldaten- von Marcus Flavius Aristides. Zwei Soldaten standen vor der Holztruhe, die Marcus zu einem Tisch umfunktioniert hatte. Beide ereiferten sich lautstark über einen völlig unwichtigen Streit, den sie bis zu ihrem centurio tragen mußten. Daneben stand ein griechischer, etwas schmieriger Händler und der signifer der Zweiten betrat ebenso das Zelt. Marcus, der in all dem Lärm und während des griechischen Redeschwalls des Händler- wie auch immer der bis zu ihm gekommen war, Marcus war das Ganze doch recht schleierhaft- trotzdem sich bemühte eine Nachricht seines treuen Sklaven Hannibals zu entziffern, saß auf einem kleinen Holzschemel, seufzte ab und an und rezitierte den Brief.


    „...iiich...bin....“ unverständliches Gemurmel „Baiae....Arrecina...Mutter so...soorgt....um sie...ah!“


    Der Schatten des signifer fiel mitten auf den Text und raubte Marcus so das Quäntchen Licht, was durch den offenen Zelteingang hinein fiel. Marcus sah zu dem signifer hoch und griff automatisch nach dem bronzenen Schlüssel, den er dem Mann reichte für die wöchentliche Auszahlung des Soldes, etwas, was er nur Priscus oder dem Mann anvertraute. Wobei Marcus sich mittlerweile sicher war, daß sein signifer ihn bestahl. Immer kleine Summen und nicht auffällig, aber doch stieg immer mehr dieser Verdacht in Marcus auf.


    „Irgend etwas besonderes vorgefallen?“


    Der signifer schüttelte den Kopf und Marcus vertiefte sich wieder in den Brief- der auch über ominöse Kanäle ihn erreicht hatte. Stirn runzelnd sah er auf und betrachtete einen weiteren Brief, der versiegelt und unberührt vor ihm lag. Das unverständliche Kauderwelsch des Händlers rauschte an ihm vorbei. Selbst wenn sich Marcus konzentriert hätte, er würde schwerlich den Mann verstehen können. Griechisch war nun mal nicht seine Stärke, selbst wenn er lange Jahre damit geplagt worden war. Zudem mischte sich ein penetrantes: centurio, er hat unser contubernium bestohlen.“ und ein: „Was? Bestohlen? Ich hab die Hacke nur ausgeliehen. Woher soll ich denn nun wissen, wo ihr sie nun versteckt habt?“, ähnliche Beschuldigungen folgten, dazu einige wüste Beschimpfungen, die Marcus ebenfalls ignorierte. Ab und zu nickte Marcus bei dem griechischen Wortschwall oder gab ein leises: „Hmh!“ bei dem Gezetere der beiden Soldaten von sich. Erneut fiel ein Schatten auf den Brief, gerade als dieser ihm den zweiten Brief- den er nur an jemanden übergeben sollte- erklärte. Marcus sah auf und zu Soranus.


    „Salve! Tut er das? Ah gut, ja, ich komme sofort. Du kannst wegtreten, miles!“


    Marcus wartete einen Augenblick bis jener wieder sein Zelt verlaßen hatte und sah zu den beiden Soldaten.


    „Corvus, Du zahlst dem contubernium eine neue Hacke. Und das nächste Mal wendet euch an optio Tallius.“


    Marcus würgte jegliche Proteste von dem miles Corvus ab, der sich zu Unrecht behandelt fühlte und schickte beide Soldaten- einer Triumphierend und der Andere erbost, aber Marcus war nun mal kein Salomon- aus dem Zelt hinaus. Den fragenden Ausdruck des Händler quittierte Marcus nur mit einem andeutungsweise Nicken und einem: „Ja, ja!“. Dabei stand Marcus auf, griff nach seiner vitis, ließ den Helm neben der Kiste liegen und trat hinaus um den Weg zum Zelt des primus pilus zu beschreiten. Kurze Zeit später erreichte er auch dieses, mit kurzer Pause um auch das Ausmaß des riesigen Lagers nochmalig zu betrachten. Dann trat er zu den anderen centuriones und nickte zum Gruße.


    Salvete!“

    - Ein Ausschnitt aus einem langen Marsch -


    Kein Lüftchen regte sich über dem Land und dennoch schienen sich die Olivenbäume an den Hängen der bergigen Landschaft zu bewegen. Wie schlanke Tänzerinnen wogten sie sachte hin und her. Oder täuschte sich Marcus darin? Im Mund schmeckte er noch den sauren Essigtrunk, der ihn schon die letzten drei Meilen von dem Durst befreit hatte, der ihn jedoch ständig zu begleiten schien. Dabei waren sie noch immer im grünen Teil von Syria und sie marschierten stetig auf einen Landstrich zu, den manche Völker als den Ursprung des Paradieses ansahen, das Land zwischen Euphrat und Tigris. Marcus sparte sich den Atem und lief nur an der Spitze der centuria secunda, vernahm jedoch durchaus die Gespräche von so manch einem Soldaten in seinem Rücken.


    „Wann wir wohl ankommen?“
    - „Zehn Tage Marsch, haste doch gehört vom optio...also sind es noch eine Mütze voll.“
    „Das Buddeln in diesem elenden Boden ist auch kein Vergnügen...“
    - „Na, könnte schlimmer sein. Wird auch noch schlimmer.“


    Obwohl es gerade erst zwanzig Schritte her war, griff Marcus erneut nach seinem ledernen Schlauch aus dem Darm eines Schweines und öffnete den Verschluß. Der Inhalt war jetzt schon lauwarm und schmeckte deutlich widerlicher als noch am Morgen. Auch Marcus hatte sich nicht daran gewöhnen können, nachdem er Jahrzehnte lang nur guten Wein zu sich genommen hatte- zumindest über zwei Dekaden lang. Marcus spülte sich noch mal den trockenen Mund aus und spuckte das Essigwasser zur Seite, ehe er den Schlauch an seinem cingulum zurück hängte, sich das Schild zurecht rückte und dann einen Schritte zur Seite machte und kurz neben der Zenturie her lief. Seine Augen streiften die Soldaten, dann reihte er sich mit drei großen Schritten wieder vorne ein. Wieder verstrich die Zeit, die Landschaft schien sich nur wenig zu ändern und Marcus unterdrückte ein hin und wieder aufsteigendes Seufzen.


    „Und ich dachte, er wäre größer.“
    - „Och...auf den Spielen vor ein paar Jahren sah er auch nicht wie eine riesige Statue aus.“
    „Aber immerhin ist er der Kaiser.“
    - „Hmh...er ist schon größer als die Anderen, findest Du nicht auch? Und was hältst Du von den anderen Soldaten? Diesen Zwölfern?“
    „Hm, weiß nicht, aber so gut wie wir sind sie bestimmt nicht. Bummeln wahrscheinlich den ganzen Tag in Antiochia herum und verbringen die Zeit in den Lupanaren anstatt auf dem campus.“
    - „Du tust in Mantua doch auch am Liebsten nichts anderes. Ha, ha!“


    Marcus wandte den Blick zu den beiden Soldaten, erkannte in ihnen Tius und Cafo und schüttelte nur andeutungsweise den Kopf, ehe er weiter marschierte. Es würden noch viele Tage, viele Marschlager und Nachtwachen vergehen ehe sie den Euphrat erblicken würden, die eine Ader des Zweistromlandes.

    Obwohl noch früh am Tag war die Sonne des Orients schon erbarmungslos mit ihren Strahlen. Und sie stach auf Marcus hinunter und brachte ihn schon während des Aufmarschierens zum Schwitzen. Zudem dröhnte noch sein Kopf ganz schrecklich, ein seltsam flaues Gefühl war in seinem Magen zu spüren und seit zwei horae fragte sich Marcus, was in der letzten Nacht in Antiochia wohl passiert sein mochte. Marcus entsann sich nur an einzelne Episoden- wie er die Stadt betreten hatte, das Lärmen und die Düfte der reichen Orientstadt, irgendein penetrant, widerlicher Syrer, das Tempellupanar, an die Musik entsann er sich noch gut, irgendwas mit einer Prügellei, irgendwann muß er wohl von Bruseus getrennt worden sein und wachte in einem sehr seltsamen Haus im Morgengrauen auf. Was Marcus an jenem Abend wohl alles zu sich genommen hatte, wußte er bei Leibe nicht mehr, war nur froh- hoffte es zumindest- daß keiner seiner Soldaten etwas von seinen Eskapaden der Nacht miterlebt hatte. So wartete er mit grätziger Miene auf das weitere Aufmarschieren der Truppen und schließlich auf den ersehnten Befehl. Marcus hob sein Schild und schnallte es sich auf seinen Rücken. Der Maulesel maulte in dem Moment auf als ein Soldat ihn nach vorne zerrte und Marcus gab dem signifer mit einem Kopfnicken das Zeichen. Dann wurde los marschiert. Marcus warf der Stadt nur noch einen halbherzigen, fast schon verschämten Blick zu ehe er sich mit dem Rücken der Stadt zu wandte und die Berge hinter der Stadt betrachtete. Zu schade, daß er dem Heiligtum Daphne nicht mehr einen Besuch abstatten konnte. Die Rüstung klapperte, das Schild schlug sachte gegen seine Beine bei jedem Schritt und Marcus versuchte bei den ersten Schritten mit ein wenig Essigwasser den Kater zu mindern.

    Last but not at least...on this day


    Da ich bestimmt keine engelsgleiche Stimme -wie Albina- habe, erspare ich Dir doch ein soldatisches Geburtstagsständchen und faße mich kurz- wie Du es doch schätzt, im Spiel zumindest:


    Alles Gute zum Geburtstag.

    Zufrieden war Marcus durchaus mit den Bemühungen des probatus. Natürlich zeigte Marcus solcherlei nur, wenn ein Soldat wirklich auch einer Tat beging, die auch lobenswert war. Nicht jedoch, daß der probatus lediglich eifrig bei der Sache war. Denn beim Schwertkampf waren die Männer immer schnell bereit sich für die Übungen zu begeistern. Als junger Mann- Marcus wähnte das immer noch nicht soo lange her- war es bei ihm auch nicht anders gewesen. Zwei Dekaden war es aber schon her, doch Marcus ließ gar nicht erst solche Gedanken aufkommen, sondern nickte knapp und machte noch einen Schritt zur Seite, denn die aufkommenden Bewegungen des Decimers schienen ihm doch etwas gefährlich zu wirken. Und wie manche Anfänger das Schwert schwangen, war durchaus mal eine Nasenspitze abgehauen oder ein Auge ausgestochen. Es wunderte Marcus somit nicht sonderlich, daß von dem jungen Mann eigentlich nur wildes Herum-Gefuchtel zu sehen war. Seherisch völlig unbegabt- man wußte ja, das war mehr die Gabe einer Frau, und sogar scheinbar aller Frauen, die doch schon immer wußten, was ein Mann dachte oder vor hatte, bevor er es überhaupt in Angriff nahm- nun, wie gesagt, Marcus wußte nicht, was sich der Decimer dort vorstellte und konnte immer weniger ein breites Grinsen unterdrücken.


    An das sanfte Schaukeln unter seinen Füßen hatte sich Marcus mittlerweile gut gewöhnt. Er machte den Gang viel weicher, der Boden schien bei jeder Welle nach zu geben. Marcus wischte sich mit einer Hand über die Stirn und einige Schweißtropfen von seinem rot angelaufenen Gesicht. Die Hitze wurde jedoch immerhin durch die milden Brisen immer wieder gemindert. Vor dem probatus blieb Marcus jedoch stehen und sah von seinem herunter sinkenden Schwert zu dessen Gesicht. Gerade noch wußte Marcus, was das Nächste war, was er anstreben wollte. Die ersten Grundbewegungen, die üblichen Reden von: Stechen, nicht Schlagen. Passt auf euren Nebenmann auf, etc., etc. als der probatus von dem üblichen Verhalten der Männer abwich, die Marcus bis dahin ausgebildet hatte. War es schwer einen Menschen zu töten? Marcus sah den Decimer ausdruckslos und starr für einige Herzschläge lang an, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und war ein wenig aus dem Konzept gebracht. Marcus warf seine Stirn in Falten und betrachtete einen Herzschlag- der sich scheinbar in die Ewigkeit ausdehnte- die Maserung der Planken vor sich. Als Soldat hatte Marcus niemanden töten müssen, selbst in Germania nicht. Dennoch wäre es in diesem Krieg nicht das erste Mal. Die Sklaven, die durch ihn- jedoch selten durch seine eigene Hand- gestorben waren- es waren auch nicht so viele wie bei seiner Mutter- zählte er natürlich nicht zu den Menschen. Selbst wenn er ein freundschaftliches Verhältnis zu seinen vertrautesten Sklaven hegte und manches Mal früher eine Sklavin einem weiblichen Wesen seines Standes vorgezogen hätte, so galten sie in seinen Augen als Besitz- nicht mehr und nicht weniger. Marcus leckte sich kurz über seine vom Seewind getrockneten Lippen. Er schmeckte ein undeutliches Salzaroma- fast wie von Tränen und doch ganz anders. Womöglich war das Meer auch nur die Tränen einer Wesenheit...ehe Marcus ins Grübeln kam, sah er auf und zuckte mit der Schulter.


    „Nein, das Töten ist unter Umständen nicht sonderlich schwierig. Es kommt mit Sicherheit auf Deinen Gegner an. Das Schwert gleitet sogar erstaunlich weich durch den Körper, wenn Du an der richtigen Stelle ansetzt. Doch nicht der Moment des Tötens- Du wirst ihn meist nicht sonderlich bewußt wahr nehmen- sondern die Augenblicke danach, besonders beim ersten Mal, sind nicht immer einfach. Je nachdem, wen Du getötet hast. Aber, probatus, das ist etwas, worum Du Dir jetzt noch keine Sorgen machen mußt. Viel mehr mußt Du im Moment noch darum bangen, daß Du nicht allzu schnell einem Parther begegnest. Denn dann ist wohl die Wahrscheinlichkeit, daß Du Pluto von solchen Sorgen berichten kannst höher als tatsächlich jemanden zu dem Gott der Unterwelt geschickt zu haben.“


    Marcus zögerte einen Augenblick und fuhr etwas weniger streng fort.


    „Zudem vergiß nicht, die Parther sind unsere Feinde. Sie sind...nun, keine richtigen Menschen...also...ach egal, wie machen weiter.“


    Marcus ließ sich jedoch erst mal seinen Schlauch mit verdünntem Wein reichen- auf das Essigwasser verzichtete er, so gut es ging- und spülte solche ernsthaften Gespräche- die ihm ganz und gar nicht behagten, kratzten sie doch an ein oder zwei Begebenheiten, über die er von je her nicht gesprochen hatte- durch seine Kehle herunter. Schließlich widmete er sich dann doch wieder den Kampfesübungen.


    „Also, deine Vorführung war ja recht erheiternd, aber nicht effektiv. In der Legion kämpfen wir jedoch, um zu siegen und zu überleben. Oder halt umgekehrt oder...ach...Auf jeden Fall nicht um jemanden zu beeindrucken. Nun, Du bleibst in Formation- was wir noch in Syria üben können- und machst keine Alleingänge, stürmst nicht nach vorne, sondern folgst stets meinen Befehlen, da ich den Überblick in einem Kampf behalten werde. Dieser wird Dir schnell abhanden gehen, weswegen es wichtig ist, daß Du stets in der Reihe bleibst. Am Effektivsten zudem ist, über das Schild hinweg zu stechen, an der Schildkante vorbei, weniger das Schlagen. Denn zum einen exponierst Du Dich bei der Bewegung durchaus, zum Anderen kann es schnell passieren, daß Du im Schwung Deinen Nachbarmann mit dem Schwert erwischst. Das heißt nicht, daß das Schlagen nicht auch mal wichtig sein kann. Aber das werden wir in den nächsten Tagen und zwei Wochen üben.“


    So gesagt, so getan. Marcus demonstrierte und ließ den Decimer immer wieder alles einproben. Dabei zeigte sich schnell: So schön wie während einer Gladiatorenvorstellung sah es gewiß nicht aus. Schweißtreibend waren die Übungen dennoch.

    Nur mit Mühe konnte Marcus ein Prusten unterdrücken als er die Bewegungen des Decimers beobachtete. Langsam trat Marcus noch einige Schritte von ihm weg, damit ihm nichts entging. Irgendwie erinnerte Marcus das an einige der Gladiatorengeschichten, die er als Kind so geliebt hatte. Die Manuskripte stammten auch von irgendwo aus dem Osten und waren reichlich illustriert gewesen, so dass Marcus sich nur die Texte vorlesen ließ und dazu die zahlreichen Bilder anstarren konnte. Gaius ist der Beste gehörte natürlich auch zu Marcus Lektüre als Kind, so manch ein Exemplar hatte er an seinen Sohn vererbt mittlerweile- manch eine kostbare Rarität gehörte dazu. Freilich hatte Marcus es nicht selber gelesen, stets hatte er sich das vorlesen lassen von Hannibal. Marcus hob die Hand zum Kinn und seine Augenbrauen wanderten amüsiert nach oben. Doch, so könnte man die Haltung sicherlich für eine Titus-will-Kaiser-werden Ausgabe in Bild fassen. Marcus trat auf ihn zu, zog sein Schert und schlug sachte mit der Breitseite gegen das rechte Bein des Decimers.


    „Wenn Du kämpfen willst, ist es stets wichtig einen guten Stand zu haben. So wie Du im Moment stehst, brauche ich Dich nur mit dem Schild anzurempeln und Du liegst am Boden. Rechtes Bein etwas zurück, das linke Bein an das Schild. Die rechte Schulter auch mehr nach hinten, dafür die Linke unter den Schutz des Schildes.“


    Marcus trat um Serapio herum und auf seine rechte Seite. Um es dem Decimer zu demonstrieren, stellte sich Marcus ebenfalls in die Grundhaltung auf. Rechtes Bein etwas zurück, Linkes vor und das Schild somit optimal als Deckung genutzt.


    „Römische Soldaten kämpfen nicht wie Gladiatoren alleine gegen ihre Gegner und das ist unsere Stärke. Die Phalanx. Schild ist an Schild gereiht und ein Soldat schützt auch immer seinen Mitkameraden. Wie Du nämlich sehen kannst, ist Deine rechte Seite doch ziemlich ungeschützt. Da kommt Dein Nachbarmann ins Spiel.“


    Marcus hob sein Schild an und der linke Teil seines scutum schützte nun die rechte Seite des Decimers. Dann löste sich Marcus wieder aus dieser Stellung und trat etwas zurück. Kurz streifte Marcus mit seinem Blick den Mast, aber der Kapitän würde es ihm wohl übel nehmen, wenn er diesen als Übungspfahl nutzen würde. Marcus zuckte mit der Schulter und meinte:


    „Und nun, stell Dir vor, ein Gegner stünde vor Dir, ein wild gewordener Syrer. Age!“

    Langsam, aber unaufhaltsam verschmälerten sich Marcus Augen. Düster betrachtete er den jungen Iulier vor sich und drehte wie einen verhängnisvollen Vorboten den Zenturiostab in seinen Händen. Marcus bemühte sich sehr, den Ingrimm aus zu strahlen, damit die Soldaten auch ja nicht an Respekt oder Furcht vor ihm verloren. Das war nicht immer ganz einfach. Aber Marcus entsann sich einfach in dem Moment an seine Herkunft und die Art, die ihm seine Mutter eingebläut hat, damit die Plebejer ihnen mit Respekt begegneten. Sein rechter Mundwinkel zuckte einen Herzschlag lang, aber wenn er jetzt grinste- wie es ihm eigentlich mehr lag- dann würden die Soldaten alle Türen und Tore zur Disziplinlosigkeit geöffnet sehen. Gerade wollte Marcus den Mund öffnen, um Sparsus etwas zu erwidern als sich der Nachbarsoldat- der junge probatus in die ganze Angelegenheit mischen wollte. Der sinistre Blick richtete sich nun auch auf den jungen Decimer, Marcus preßte die Lippen zusammen. Denn wenn er was nicht ausstehen konnte, wenn ein Soldat meinte, es besser als er zu wissen. Aber daß sich der junge Mann bereits für einen Kameraden einsetzen wollte, das gefiel Marcus. Denn Kameradschaft und Loyalität waren wichtig in einer centuria, in der legio überhaupt. Marcus hob seine vitis und hielt den Holzstock wie ein drohendes Damoklesschwert über den beiden Soldaten, bereit, den einen oder anderen doch zu schlagen. Der Stab sank in Richtung von Serapios Schulter und legte sich fest darauf.


    probatus, ich habe nicht um Deine Meinung gebeten. Wir sind hier nicht auf dem forum romanum, wo jeder seine Meinung kund tun darf wie ein vertrottelter Jahrmarktschreier. Haben wir uns da verstanden, probatus?“


    Marcus presste seine Lippen umso fester zusammen, damit ja nicht ein Lächeln ihm entschlüpfte und er weiterhin grimmig drein schauen konnte, denn nun widmete er sich wieder dem verloren und wieder gefundenen Soh...Soldaten. Die vitis wanderte von Serapios Schulter zu der von Sparsus. Marcus atmete tief ein und aus und schüttelte resigniert den Kopf, ganz als ob er völlig machtlos war bei der Bestrafung.


    „Nun, Iulius, es ist leider nichts daran zu ändern, Du mußt bestraft werden...“


    Marcus ließ ihn noch einige Herzschläge lang schwitzen. Der junge Mann sollte einige kleine Tode vor Sorge sterben ehe Marcus gedachte, die Situation für ihn zu entschärfen. Alles nur dafür, daß der Soldat das nächste Mal vorsichtiger war.


    „Das bedeutet für Dich, daß Du die nächsten zwei Wochen die Latrinen und die Gräben dazu ausheben wirst. Und ich laße Dich von optio Tallius zu drei zusätzlichen Nachtschichten einteilen.“


    Bestechlich war Marcus durchaus, so daß man ihn womöglich noch zu nur zwei oder einer Nachtschicht um entschließen lassen könnte. Aber Marcus war nicht mit Geld bestechlich, daß war in seiner centuria durchaus bekannt, schließlich kam er aus einer reichen Familie. Nein, es war ein saftiger Schinken oder mal eine frische Ente, die ihn schnell erweichen ließ. Marcus zog den Zenturiostock zurück und wollte sich umwenden, als ihm noch etwas einfiel.


    „Ah, und weil probatus Decimus mit Dir derart solidarisieren möchte, kann er das auch bei dem Graben der Latrinen tun. Er wird Dir die nächste Woche Gesellschaft leisten.“


    Marcus wandte sich um und ging zu Priscus, um von ihm die Meldung entgegen zu nehmen, daß die Männer vollzählig waren. Zufrieden nickte Marcus und spähte zu den Schiffen, um zu sehen, wie weit sie schon mit dem Abladen fertig waren. Es würde wohl noch ein sehr langer Tag werden ehe alle Soldaten an Land und sie bei ihrem ersten Lager noch bei der Hafenstadt waren.

    Völlig verschwitzt, geschafft und müde kam Marcus an der Seite seiner centuria bis zu dem Platz vor den Mauern Antiocheias an. Die Hitze hatte ihm schon den ganzen Tag zu schaffen gemacht und obwohl er durchaus eine gesunde Bräune von Italia noch hatte, ebenso von der Schifffahrt, so hatte er dennoch wieder einen leichten Sonnenbrand bekommen. Nachdem die großen Eckpunkte abgesteckt waren, die Mitte des Lagers fest gelegt wurde, suchte Marcus für seine centuria den Platz, der ihnen als zweite centuria der ersten cohors auch zustand. Und das lag natürlich auch genau neben dem Lager der ersten centuria und somit einen Katzensprung nur entfernt, was Besuchen natürlich nicht abträglich war. Das Gepäck wurde abgelegt, die Schaufeln und Hacken gepackt und dann an den Lagerbau gemacht. Steinig, sandig und trocken war der Boden und das Graben somit natürlich nicht so einfach wie im italischen Boden bei Mantua, wo doch die feuchte Erde viel leichter auszuheben war. Und in der immer noch vorherrschenden Hitze war alles noch anstrengender. Die meisten Soldaten wurden zum Grabenausheben eingeteilt, aber auch einige wenige unglückselige zum Ausheben der Latrinengräben und das Anlegen der Latrinen selber.
    Erst am Abend als die Strahlen der Sonne vom Westen her schon die Berge hinter Antiocheia berührten und Marcus seine Rüstung in sein aufgebautes centuriozelt geworfen hatte, trat er zu Priscus.


    optio, die Männer bekommen heute Abend Ausgang für die Stadt. Teile die Männer in Gruppen ein, ich möchte keine Alleingänge sehen. Und sag ihnen, daß sie sich gefälligst zu benehmen haben. Sollte ich von Beschwerden erfahren oder von Übergriffen auf die Bevölkerung, dann drohe ihn mit Peitschenhiebe. Hier ist der Schlüssel zu der Holzkiste in meinem Zelt. Zahl den Männern ihren Sold aus für diese Woche!“


    Marcus reichte Priscus den Schlüssel. Priscus war auch der Einzige in seiner centuria, dem er diesen Schlüssel blind anvertrauen würde.


    „Und Du solltest auch mal die Stadt anschauen gehen, Tallius. Sie ist wirklich sehenswert und ein vortrefflicher Ort, um sich zu vergnügen.“


    Marcus grinste breit und rollte seine paenula um seinen Arm, denn gleichwohl es am Tag sehr heiß war, konnte es in der Nacht in dieser Gegend durchaus kühl werden. Sein Schwert an der Seite gegürtet, ebenso seinen Dolch und seinen Geldbeutel machte sich Marcus dann auf, um das Lager zu verlassen, nachdem alles angeordnet war. Am Tor traf er noch auf centurio Bruseus, mit dem er dann das Lager verließ und zur Stadt strebte.

    In einem tiefen Purpur strahlte die Sonne im Abendlicht auf die Berge hinter Antiocheia, illuminierte sattrot den breiten und strömenden Fluß Orontes, der sich durch die Stadt und an der Stadt entlang wandte und die Ufer und das Land darum herum mit seinem kostbaren Naß näherten. Zypressen wuchsen am Rande des Weges, den Marcus entlang schritt. Doch auch eine Fülle von Orangenhainen, Granat- und Jasminbüschen konnte Marcus ausmachen, wie auch die knorrig verdrehten Olivenbäume, deren silbrig grünen Blätter jetzt in ein blutiges Rot getaucht waren. Wie eine Oase erschien die Landschaft mit all den Weinhängen und Feldern rund um Antiocheia. Die Stadt litt in keiner Weise unter Wassermangel, jedes Haus hatte sogar seinen eigenen Wasseranschluss, durch den Fluss oder den Quellen von Daphne. Venus blinzelte als Erstes im Abendlicht auf die drittgrößte Stadt des Imperiums hernieder, die von der Größe Rom und Alexandria kaum nach stand. Beeindruckend ragte die riesige Stadtmauer hinauf, ebenso die Tempel der Stadt, die zahlreichen Theater und Thermen, die in jedem Stadtviertel von einer ungeahnten Pracht waren. So manch ein gebürtiger Mann aus Antiocheia behauptete, dass die Thermen gar in dieser Stadt geboren wurden.


    Doch nicht nur die Pracht zeichnete die Stadt aus, nein, es war auch der Ruf der Zügellosigkeit. Der Preis des lebhaftesten Nacht- und Spielelebens gebührte ohne Zweifel der griechischen Hauptstadt in Syria, die ihre Künste und ihre Lebekunst in das ganze Imperium, insbesondere Rom getragen hatte. Wer kannte nicht die syrischen Flötistinnen- die ambubaia- die syrischen und oft ungeschlagenen Wagenlenker, die syrischen Tierhatzen und die syrischen Fabelgeschichten- von Liebes-, Räuber. Kuppler-, Wahrsager- und Traumgeschichten bis zu Fabelreisen? All diese mehr unterhaltsamen Geschichten entstammten den Federn der Syrer von Antiocheia. Musikanten, Tänzer, syrische Spitzbuden tummelten sich auf den Straßen und den unzähligen Taberna und den syrischen Lupanaren und Vergnügungsetablissements. Ebenso gefürchtet, geliebt und gehaßt war jedoch auch der Hang der Syrer zu ihrem beißenden Spott, der selbst vor dem Kaiser nicht halt machte und ebenso in der Stadt in den Theatern oder an Straßenaufführungen gefrönt wurde. Es versprach ein unterhaltsamer und vergnüglicher Abend für Marcus und seinen Mitcenturio Bruseus zu werden.


    Als sich das Purpur mit dem Blau mischte, trat Marcus mit Bruseus über die Brücke, die über den breiten Strom hinweg gebaut worden war. Marcus deutete auf die Richtung, in der das Wasser floß.


    „Dort geht es nach Daphne. Das ist nicht nur ein großes Heiligtum, sondern auch eine wahre Lustmeile. Wir müssen unbedingt noch dort vorbei schauen, wenn wir die Zeit erübrigen können, Galeo!“
    „Wie lange ist es her, daß Du hier warst?“
    „Hm...ein paar Jahre. Aber ich sag Dir, das Lupanar von..ähm...so ne syrische Gottheit...Elagabalus...oder ne, irgendwas anderes. Naja, es ist eigentlich ein Tempel, aber dann doch wiederum nicht. Ach, Du wirst schon sehen. Es gibt aber angeblich nirgendwo bessere ambubaia"


    Marcus grinste breit und anzüglich, wich einigen Kamelen aus, die durch das Stadttor geführt wurden und ihn mit ihren Kamelaugen einen Moment anglotzten und dann langsam und träge sich zwischen all die vielen Menschen- die orientalischen Hellenen und Syrer, die die kühleren Abendstunden nutzen wollten- drängten.

    Bedächtig drehte Marcus seine vitis hinter seinem Rücken, spürte den glatten Stab, nicht aus Rebenholz sondern aus dem Stamm eines Zitronenbaumes gemacht, zwischen seinen Fingern. Streng musterte er den Iulier vor sich. Fand sich Milde und Güte bei Marcus? Nun, eine gewiße Gutmütigkeit konnte man ihm schwerlich absprechen. Aber mehr eine Gelassenheit, was Verfehlungen seiner Soldaten anging. Solange sie nicht feige waren, ihn belogen oder betrogen, war Marcus doch in seinen Strafmaßnahmen recht milde. Dennoch spiegelte sich davon nichts in seinen braunen Augen wieder. Marcus sah über den Hafen hinweg, der schon unter seiner Familie- den flavischen Kaisern- mühevoll erweitert werden sollte und genügend Molen für den Verbrauch der Stadt Antiocheia zu errichten. Nur mit mäßigem Erfolg, doch Marcus vermochte das nicht zu beurteilen. Denn von der Kunst der Ingenieure hatte er nicht den blaßesten Schimmer. Stattdessen widmetet er sich wieder dem miles vor sich.


    „Das falsche Schiff? Was für eine faule Ausrede. Miles, ich war schon drauf und dran Dich auf die Liste der Fahnenflüchtigen zu setzen. Der Auflistung der feigen Verräter und dem Abschaum, die aus Angst vor dem Krieg und der Fremde abhauen. Weißt Du, was auf Fahnenflucht für eine Strafe steht, Iulius?“


    Marcus Augen verengten sich und er taxierte den jungen Soldaten vor sich durchdringend. Seine vitis wanderte nach vorne und er drehte den centuriostab in seinen Händen. Der Stab, mit dem er durchaus jederzeit und ohne, daß ihn jemand hinterfragen konnte oder es tun würde, die Soldaten seiner Einheit bestrafen und disziplinieren konnte.

    Gentor, da kommen ganf viele Ffiffe an!“


    Ein kleines Mädchen mit dunklen Locken und goldbrauner Haut stand am Fenster eines auf einer Anhöhe gelegenen, mehr ärmlichen Hauses. Ihre dunkelbraunen Augen sahen gebannt auf den Einzug der Flotte und sie staunte über all die vielen weißen Segel. Ihr Vater war über seine Hobelbank gebeugt und schabte vorsichtig an einem Auftrag, den er von einem jüdischen Händler bekommen hatte. So sah er nicht auf, meinte nur beiläufig:

    „Das kommen sie doch immer, Eirene.“

    „Aber daf find Hunderte, nein Tausende und die funkeln ganf hell, Pater! Guck, guck...guck mal! Biiiitte! “


    Seufzend erhob sich der griechische Handwerker von seiner Zedernholzarbeit- ein Baum, der besonders gut hier wuchs- und trat auf das Fenster zu. Als er auf das Meer schaute, sog er verblüfft den Atem durch seine Nase und umfasste das hölzerne Fensterbrett. Entsetzen, Abneigung und ein Schaudern jagte durch den Griechen, der das Landen der Schiffe nicht wohlwollend betrachtete. Von dem Krieg hatte er natürlich auch schon gehört, dennoch gehofft, mit den unmittelbaren Auswirkungen- den marschierenden Soldaten insbesondere- verschont zu werden. Vergeblich.


    „Komm rein, Eirene und schließ die Fensterläden.“
    „Aber Pater, ich will doch gucken...biiiiiiitteeee!“


    Doch dieses Mal half kein Flehen, der Grieche schloß eilends seine Fensterläden.


    Auf dem Schiff -der Wellentänzerin: Eine flimmernde Hitzeglocke schien über der Stadt zu liegen als sich die Schiffe näherten. Vor Marcus Augen verschmolzen die Häuser in ihrem ockerfarbenen Ton mit dem Hintergrund und wurden Teil der zerklüfteten, durchaus bergigen Landschaft, die sich hinter der Hafenstadt abzeichnete und noch sehr viel höher ragen würden, wenn sie sich Antiochia, der drittgrößten Stadt des Imperiums- womöglich der bekannten Welt- näherten, die über einem stathmos- mehr als einen Tagesmarsch- vom Meer entfernt lag. Mit verengten Augen, der Sonne und dem hellen Licht wegen, wandte sich Marcus um und betrachtete die zweite centuria. Ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen und abermals war er froh einen so pflichtbewußten optio zu haben und durchaus verläßliche Männer, die sich zügig an Deck versammelt hatten. Gleichsam kam Marcus der Gedanke, daß die Meisten es wohl nicht erwarten konnten das Schiff zu verlaßen. Doch eine Weile mußten sich die Männer erst noch gedulden. Zuerst wurden der Kaiser und der legatus an Land abgesetzt. Das Schiff schaukelte träge vor sich her, während die Ruder- die nun nach dem langen Segeln endlich wieder zum Einsatz kamen- immer mal wieder ihre Position korrigierte, damit nicht doch noch kurz vor der Landung ein Unfall geschah und Mann und Maus untergehen würden. Bei der Masse an Gepäck und Rüstung würden wohl viele Soldaten dabei ertrinken und das in fast unmittelbarer Griffweite des Landes. Doch dann waren sie an der Reihe, das Schiff folgte hinter dem der ersten centuria und Marcus bewunderte einen Augenblick lang die effiziente Signalgebung- irgendwas mit Rufen und ähnlichen Dingen- der classis.


    Sand wirbelte auf als Marcus den ersten Schritt an Land setzte. Die Hitze schlug ihm noch schärfer entgegen und Marcus sog den Duft des Orients auf, die trockene und dabei leicht würzige Luft, die das Land ständig zu umgeben schien. Und er lächelte. Zuerst musste sich um das Abladen gekümmert werden, die Dinge an die Seite gebracht und anschließend der Weg frei gemacht werden. Erst als das Geschehen war, ließ Marcus die Männer sammeln und er winkte den cornicen heran. Tröt, tröt! Mit dem Signal an seiner Seite führte Marcus die Soldaten fort von den Kaianlagen, damit noch weitere Schiffe landen konnten. Aus den Augenwinkeln bemerkte Marcus eine schnelle Bewegung und sah zu dem Neuankömmling, der wohl meinte, daß Marcus ihn ganz hinten bei dem probatus nicht sehen würde. Es wäre auch der Fall gewesen, wenn Sparsus zu den alten Hasen gehört hätte oder nicht von ihm, sondern von Priscus ausgebildet wurde, aber so hatte Marcus durchaus eine deutliche Ahnung, wen er da vor sich hatte. Marcus Augenbraue wölbte sich nach oben, doch was er dem Iulier noch zu sagen hatte, das würde folgen, wenn sie einen Moment des Verschnaufens hätten. Auf einer schwachen Anhöhe, von wo man das Landen der Schiffe beobachten konnte, die Sachen abstellen und die Tiere anbinden, sie dabei jedoch nicht im Weg waren, ließ Marcus die Männer sich aufstellen. Marcus winkte Priscus heran.


    optio Tallius, zähl die Männer durch. Nicht daß uns noch mal jemand abhanden geht. Und schick die überzähligen Nasen zu ihren Einheiten. Dann laß die Männer sich ausruhen. Das wird alles noch eine Weile dauern.“


    Marcus wandte sich dann um und ging langsam an der Reihe vorbei. Sein Blick streifte nun die Hafenstadt länger. Ein seltsames Sammelsurium von Häusern und Bauten sah er dort- von griechischen Tempeln bis hin zu römischen Bebauungen schien alles vertreten zu sein in der Stadt, die einst eine Hauptstadt war und nun nur noch einen bedeutenden Hafen darstellte. Aber es war nicht das erste Mal, daß Marcus solcherart gesehen hatte. Marcus beobachtete einige griechisch gekleidete Menschen, die zusammen kamen und von Ferne die Soldaten angafften, nicht unbedingt immer mit dem freundlichsten Ausdruck. Denn römische Soldaten waren durchaus im Osten gefürchtet und gehaßt, nicht weil sie das Land erobern konnten, sondern weil ein normaler peregrinus selten sich gegenüber den Übergriffen der Soldaten wehren konnten. Marcus Mundwinkel zuckten marginal als er einen großgewachsenen Griechen mit einer hoch frisierten schwarzen Mähne und einem kunstvoll gelegten Bart auf die Hafenanlagen zusteuern sah. Sein Gewand war leuchtend gelb und rot, ebenso mit vielen Goldfäden. Überall an ihm klimperten goldene Ringe und Ketten. Und die Schminke auf seinem Gesicht war auch nicht zu knapp gehalten. In seinem Schlepptau hatte der Mann zwei Sklavinnen, die jedoch mit einem feinen, weißen Schleier bedeckt waren. Kam der etwa auf sie zu? Marcus runzelte die Stirn, wandte sich dann jedoch um und trat direkt vor Sparsus.


    Miles, mir scheint, Pegaseus hat Dich auserwählt als sein Gefährte oder wie kommt es, daß ich Dich nicht auf dem Schiff gesehen habe?“