„Gentor, da kommen ganf viele Ffiffe an!“
Ein kleines Mädchen mit dunklen Locken und goldbrauner Haut stand am Fenster eines auf einer Anhöhe gelegenen, mehr ärmlichen Hauses. Ihre dunkelbraunen Augen sahen gebannt auf den Einzug der Flotte und sie staunte über all die vielen weißen Segel. Ihr Vater war über seine Hobelbank gebeugt und schabte vorsichtig an einem Auftrag, den er von einem jüdischen Händler bekommen hatte. So sah er nicht auf, meinte nur beiläufig:
„Das kommen sie doch immer, Eirene.“
„Aber daf find Hunderte, nein Tausende und die funkeln ganf hell, Pater! Guck, guck...guck mal! Biiiitte! “
Seufzend erhob sich der griechische Handwerker von seiner Zedernholzarbeit- ein Baum, der besonders gut hier wuchs- und trat auf das Fenster zu. Als er auf das Meer schaute, sog er verblüfft den Atem durch seine Nase und umfasste das hölzerne Fensterbrett. Entsetzen, Abneigung und ein Schaudern jagte durch den Griechen, der das Landen der Schiffe nicht wohlwollend betrachtete. Von dem Krieg hatte er natürlich auch schon gehört, dennoch gehofft, mit den unmittelbaren Auswirkungen- den marschierenden Soldaten insbesondere- verschont zu werden. Vergeblich.
„Komm rein, Eirene und schließ die Fensterläden.“
„Aber Pater, ich will doch gucken...biiiiiiitteeee!“
Doch dieses Mal half kein Flehen, der Grieche schloß eilends seine Fensterläden.
Auf dem Schiff -der Wellentänzerin: Eine flimmernde Hitzeglocke schien über der Stadt zu liegen als sich die Schiffe näherten. Vor Marcus Augen verschmolzen die Häuser in ihrem ockerfarbenen Ton mit dem Hintergrund und wurden Teil der zerklüfteten, durchaus bergigen Landschaft, die sich hinter der Hafenstadt abzeichnete und noch sehr viel höher ragen würden, wenn sie sich Antiochia, der drittgrößten Stadt des Imperiums- womöglich der bekannten Welt- näherten, die über einem stathmos- mehr als einen Tagesmarsch- vom Meer entfernt lag. Mit verengten Augen, der Sonne und dem hellen Licht wegen, wandte sich Marcus um und betrachtete die zweite centuria. Ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen und abermals war er froh einen so pflichtbewußten optio zu haben und durchaus verläßliche Männer, die sich zügig an Deck versammelt hatten. Gleichsam kam Marcus der Gedanke, daß die Meisten es wohl nicht erwarten konnten das Schiff zu verlaßen. Doch eine Weile mußten sich die Männer erst noch gedulden. Zuerst wurden der Kaiser und der legatus an Land abgesetzt. Das Schiff schaukelte träge vor sich her, während die Ruder- die nun nach dem langen Segeln endlich wieder zum Einsatz kamen- immer mal wieder ihre Position korrigierte, damit nicht doch noch kurz vor der Landung ein Unfall geschah und Mann und Maus untergehen würden. Bei der Masse an Gepäck und Rüstung würden wohl viele Soldaten dabei ertrinken und das in fast unmittelbarer Griffweite des Landes. Doch dann waren sie an der Reihe, das Schiff folgte hinter dem der ersten centuria und Marcus bewunderte einen Augenblick lang die effiziente Signalgebung- irgendwas mit Rufen und ähnlichen Dingen- der classis.
Sand wirbelte auf als Marcus den ersten Schritt an Land setzte. Die Hitze schlug ihm noch schärfer entgegen und Marcus sog den Duft des Orients auf, die trockene und dabei leicht würzige Luft, die das Land ständig zu umgeben schien. Und er lächelte. Zuerst musste sich um das Abladen gekümmert werden, die Dinge an die Seite gebracht und anschließend der Weg frei gemacht werden. Erst als das Geschehen war, ließ Marcus die Männer sammeln und er winkte den cornicen heran. Tröt, tröt! Mit dem Signal an seiner Seite führte Marcus die Soldaten fort von den Kaianlagen, damit noch weitere Schiffe landen konnten. Aus den Augenwinkeln bemerkte Marcus eine schnelle Bewegung und sah zu dem Neuankömmling, der wohl meinte, daß Marcus ihn ganz hinten bei dem probatus nicht sehen würde. Es wäre auch der Fall gewesen, wenn Sparsus zu den alten Hasen gehört hätte oder nicht von ihm, sondern von Priscus ausgebildet wurde, aber so hatte Marcus durchaus eine deutliche Ahnung, wen er da vor sich hatte. Marcus Augenbraue wölbte sich nach oben, doch was er dem Iulier noch zu sagen hatte, das würde folgen, wenn sie einen Moment des Verschnaufens hätten. Auf einer schwachen Anhöhe, von wo man das Landen der Schiffe beobachten konnte, die Sachen abstellen und die Tiere anbinden, sie dabei jedoch nicht im Weg waren, ließ Marcus die Männer sich aufstellen. Marcus winkte Priscus heran.
„optio Tallius, zähl die Männer durch. Nicht daß uns noch mal jemand abhanden geht. Und schick die überzähligen Nasen zu ihren Einheiten. Dann laß die Männer sich ausruhen. Das wird alles noch eine Weile dauern.“
Marcus wandte sich dann um und ging langsam an der Reihe vorbei. Sein Blick streifte nun die Hafenstadt länger. Ein seltsames Sammelsurium von Häusern und Bauten sah er dort- von griechischen Tempeln bis hin zu römischen Bebauungen schien alles vertreten zu sein in der Stadt, die einst eine Hauptstadt war und nun nur noch einen bedeutenden Hafen darstellte. Aber es war nicht das erste Mal, daß Marcus solcherart gesehen hatte. Marcus beobachtete einige griechisch gekleidete Menschen, die zusammen kamen und von Ferne die Soldaten angafften, nicht unbedingt immer mit dem freundlichsten Ausdruck. Denn römische Soldaten waren durchaus im Osten gefürchtet und gehaßt, nicht weil sie das Land erobern konnten, sondern weil ein normaler peregrinus selten sich gegenüber den Übergriffen der Soldaten wehren konnten. Marcus Mundwinkel zuckten marginal als er einen großgewachsenen Griechen mit einer hoch frisierten schwarzen Mähne und einem kunstvoll gelegten Bart auf die Hafenanlagen zusteuern sah. Sein Gewand war leuchtend gelb und rot, ebenso mit vielen Goldfäden. Überall an ihm klimperten goldene Ringe und Ketten. Und die Schminke auf seinem Gesicht war auch nicht zu knapp gehalten. In seinem Schlepptau hatte der Mann zwei Sklavinnen, die jedoch mit einem feinen, weißen Schleier bedeckt waren. Kam der etwa auf sie zu? Marcus runzelte die Stirn, wandte sich dann jedoch um und trat direkt vor Sparsus.
„Miles, mir scheint, Pegaseus hat Dich auserwählt als sein Gefährte oder wie kommt es, daß ich Dich nicht auf dem Schiff gesehen habe?“