Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Das bellende Kläffen eines Schakals drang tief in die Schwärze von Marcus Geist. Er schwebte hinweg über das schwarze Land, sah hinab auf die Ödnis der syrischen Wüste. Flügel rauschten um ihn herum, zogen ihn fern von all dem, was er das Leben nennen würde. Hinweg in ein anderes Land, eines ohne Körper, ohne Sein, ohne Physis. Immer wieder vernahm er das Bellen der Wüstenhunde, die sich wie Geier über das Aas her machten. Schmarotzer der Öde, die Hinterlistigen unter dem Tierreich. Frostklirrend, seltsam kalt war es im Nichts, was ihn umschlang und nicht mehr loslassen wollte. Und Marcus kämpfte nicht dagegen an, ließ sich tiefer hinweg gleiten.


    Das Leder des Parthers ächzte leise auf als er ausholt um den tödlichen Schlag zu schwingen. Arsarkes war sein Name. Nicht mehr als fünfundzwanzig Lenze zählte der junge Parther, doch sein ganzes Leben lang hatte er dem Ziel gewidmet in den Krieg ziehen zu dürfen. Ein Soldat seines Herrschers zu sein. Nun würde sein Schwert das Blut trinken, was danach suchte, das große Reich der Parther anzugreifen. Genauso überzeugt von der Richtigkeit seines Tuns – wie auch Flavius Aristides- war er des Nachts in den Kampf gezogen und genauso würde er den Römer unter sich töten. Ein Römer weniger, der das Schwert führen konnte, der durch das Land zog und sich aufführte wie die Herren der Welt. Außerdem hatte er gerade mit seinen Adleraugen ausmachen können, wie der Römer einen seiner Kameraden erstochen hatte. Nur ein: „Warte!“ aus dem Mund seines Begleiters, mit dem er sich in die Dunkelheit zurück ziehen wollte, ließ ihn inne halten. Das Schwert hing wie ein drohendes Damoklesschwert über Aristides. Der Zweite, verletzt und leicht humpelnd, trat heran und tippte mit seiner Fußspitze gegen Marcus Helm.


    „Ein Kommandant!“
    „Und?“
    „Womöglich ist er gut als Gefangener. Er kann uns vielleicht Informationen liefern.“
    „Na gut, wenn nicht verkaufen wir ihn. Als Sklaven. Wenn er überlebt.“


    Der Andere nickte zustimmend. Beide sahen hoch, Reiter preschten vorbei, das Getümmel schien ab zu ebben. Gemeinsam schleiften die Männer Aristides hinauf den Hang. Nur einmal verfing sich der cingulum militare an einem dicken Ast. Entnervt riß der Parther den Gürtel hinab, der scheppernd einige Meter hinunter fiel. Auch Schild und Schwert ließen sie zurück.


    „Danke.“
    „Wofür?“
    „Na, Du hättest mich auch zurück lassen können.“
    „Wozu dienen wir in einer Einheit? Ich hole die Pferde. Du wartest hier mit Deinem verletzten Fuß.“


    Blassblau zeichnete sich das erste Licht am Horizont ab. Der zweite, verletzte Parther kauerte neben Marcus auf den Boden und sah hinab auf das Flußtal. Einige Meter erhoben befand er sich und beobachtete die Bewegungen unter sich. Nur einen Moment hörte er noch das Knirschen, die die Schrittes seines Kameraden verursachte. Mit verengten Augen hielt er Wache und lauschte in die Dunkelheit. Ein Stöhnen drang aus Aristides Lippen. Es schien ein Flüstern zu sein. Doch Zuhabra, der zweite Soldat, verstand kein Latein. Auch interessierte ihn das Gebrabel des Feindes nicht.



    Zitat

    Original von Camillus Matinius Plautius
    „Meldung an den Signifer von der 2. Centurie I. Kohorte. Er soll in Abwesenheit des Optios und des Centurios das Kommando übernehmen. Wir rücken ab! ....


    Der Signifer vernahm die Anweisung des praefectus. Der Rest der zweiten centuria hatte sich bereits um ihn herum versammelt. Titus Orbius Laevus war schon ein alter Veteran. Es war nicht die erste Schlacht, das erste Geplänkel, was er erlebt hat und bei weitem nicht der erste centurio, der im Gefecht entschwunden war. Doch es würde wohl sein letzter Feldzug sein. Das Wetter gegerbte Gesicht des Veteran wandte sich den Soldaten zu. Auf Schilden oder zwischen zwei Soldaten wurden die Verletzten mitgeschleppt. Tatsächlich hatten sie auch zwei Parther gefangen nehmen können, der Rest war jedoch geflohen oder hatte den letzten Weg angetreten. Geschlossen und selbst – wenn möglich- die Toten mit sich ziehend, kam die zweite centuria wieder zurück ins Lager.


    „Bringt die Verletzten ins valetudinarium.“


    Zitat

    Original von Gaius Tallius Priscus
    Priscus nahm das Marschtempo auf und bewegte sich neben den Signifer. "Na, wie lief's? Und wo habt ihr den Chef gelassen?"


    Mühsam schleppte sich der ein oder andere Soldat in die benannte Richtung. Gerade wollte sich Laevus umwenden als schon Priscus auf ihn zutrat. Schnell hob Laevus die Hand und schlug sie gegen seine Rüstung, salutierte. Blut verklebte das Metall seiner lorica. Er war völlig erschöpft und verschwitzt unter seinem Helm. Seine Finger friemeln am Helm herum und mit einem Arm hält er das Feldzeichen fest. Erst nach einer langen Weile kann er den Helm lösen und atmet erleichtert auf. Ratslos zuckt Laevus mit der Schulter. Er hatte nicht wirklich gesehen, wohin ihr centurio verschwunden war. Aber er war in dem Augenblick auch zu weit weg gewesen.


    „Der ist uns abhanden gekommen, optio. Womöglich ist er tot. Aber ansonsten lief es gut. Aber es sind doch einige Verluste zu beklagen. Genaue Zahlen kann ich Dir noch nicht nennen, optio. Die Verletzten habe ich zum valetudinarium geschickt.“

    Warm und weich hielt eine dämpfende Wolke Marcus Sinne umfangen. Klebrig und zäh zerrte sie an seinem Inneren, zog ihn unablässig in den Abgrund hinunter.

    „Richtet ihn!“
    „ Versagt, verzagt und verzweifelt ist er.“
    „Durch ihn ist sie gestorben.“
    „Er hat sie im Stich gelassen.“
    „Richtet ihn, schickt ihn in den Hades.“

    Häßliche rauhe Stimmen flüsterten in Marcus Ohr. Keine Luft drang mehr in seine Kehle, die Klauen griffen nach ihm...


    Was einige Herzschläge zuvor passierte:
    Eine Lawine aus Geröll, kleinen Steinchen und Schutt rutsche den kleinen Hang im schmalen und engen Flußbett hinunter. Und mit dem steinigen Haufen rollten zwei Männer herunter, waren von einer undurchdringlichen Dunkelheit der Felswände verschluckt worden. Heftig schlug Marcus am Grunde auf und die Welt verschwomm in einem grauschwarzen Wirbel um ihn herum. Der Schmerz zog pochend durch seinen Arm, seine Finger wollten sich nicht mehr bewegen. Schwert und Schild hatte er bei dem Sturz verloren, bemerkte das jedoch nicht. Das Stöhnen aus seiner Kehle, das keuchende Atmen von ihm auch nicht. Ebensowenig den Körper des Parther, der halb über ihm lag. Starr sah Marcus in die nächtliche Dunkelheit hinauf. Der Schleier vor seinen Augen wollte sich nicht lichten. Etwas Erde rutschte über ihn hinweg und in die Ritzen seiner Rüstung hinein. Neben ihm bewegte sich der Parther erst langsam, dann rollte er sich schnell von Marcus herunter, kam wieder auf seine Beine.


    Es war der Schmerz, der Marcus Geist noch im Hier und Jetzt behielt. Es ihm verweigerte, sich dem sicheren Tod hinzugeben in dem Augenblick. Das Donnern vieler Hufe, das Schreien mancher Soldaten, die Geräusche fliegender Speere...sie waren so nahe und doch so fern von ihm. Ein Schwert blitzte auf und durch schnitt die Luft, wenn sie nicht vor der scharfen Klinge fliehen würde und rasant raste sie auf Marcus hinunter, um sein Leben auszuhauchen. Kein Augenblick zu lange lag Marcus dort, denn gerade als er sich mit einem mühsamen Stöhnen zur Seite rollte, schlug klirrend das Schwert ein, wo er eben noch lag. Immer wieder verschwamm es vor Marcus Augen. Seine Hände krallten sich in das Erdreich, was noch von der Sonne des Tages erwärmt war. Als abermals das Schwert auf ihn zuraste – Marcus merkte es mehr intuitiv – versuchte er schnell auf die Beine zu kommen. Seine Hand tastete nach sein Schwert, doch das gladius war entschwunden. Halb taumelnd und die letzten Reserven mobilisierend, sprang Marcus nach vorne und suchte danach den nächtlichen Schatten zu umgreifen. Seine Hände schlangen sich um Stoff und im nächsten Moment rollten beide Männer abermals über den Boden. Marcus spürte wuchtige Schläge in seiner Seite, zog dabei sein Bein nach oben und schlug mit seinem Knie zurück, direkt in den Bauch seines Angreifers.


    Rostig, bitteres Blut schmeckte Marcus in seinem Mund und fühlte den Schmerz als er immer wieder Schläge in sein Gesicht fühlte. Hände schloßen sich um seine Kehle und Marcus war nicht schnell genug sich von ihnen weg zu bewegen. Immer kälter wurde es um seinen Schwertarm. Die Schwäche hatte sich längst durch seinen ganzen Körper ausgebreitet und jegliche Kraft schien aus ihm zu entfleuchen. Der Schmerz wurde bedeutungslos, die Welt entglitt ihm. Warm und weich hielt eine dämpfende Wolke Marcus Sinne umfangen. Häßlich, schrill und betäubend drangen die Stimmen der Unterweltgeister zu ihm. Marcus...! Zittrig und matt suchten seine Finger, fanden es und damit stieß Marcus zu. Über sich ein Keuchen und dann sackte der Körper über ihm zusammen. Der pugio von Marcus steckte tief in seinem Fleisch.


    Frische Luft sog Marcus in seine Lungen hinein. Heftig hustend versuchte er noch mehr davon zu bekommen. Doch der schwere Körper des parthischen Angreifers schien ihn zu erdrücken. Mühsam wälzte Marcus den Leib von sich und rollte auf die Seite. Rasselnd atmete er ein und aus, wollte sich erheben. Einige Steine rieselten von dem Hang hinunter, das Trompeten der Hörner schien viel zu weit weg zu sein. Ein Schmerz raste durch seinen Kopf und dieser schien in tausend Stücke zu zerbersten. Nun kam die Schwärze doch auf Marcus zu, unaufhaltsam, ungnädig und unabwendbar. Marcus brach auf dem kargen Boden zusammen. Über ihn throhnte ein anderer Parther und hob sein Schwert, um den centurio den letzten Stoß zu geben...

    Es war eine beunruhigende Erfahrung, denn Marcus hatte das Gefühl, er löse sich von seinem Körper und bliebe neben sich stehen. Seine Augen ruhten auf sich selber. Er sah sich schwer atmen, zusammen gesunken wie ein Häuflein Elend auf der hölzernen Kiste. Vor sich stehend sein Stellvertreter und optio. Verwirrt musterte Marcus das Ganze. Er hatte das Gefühl lachende, schwarze Finger griffen nach ihm. Der Schmerz durchzog ihn und im selben Moment war er wieder in seinem Körper gefangen. Matt schüttelte Marcus den Kopf. Einen capsarius würde er in dieser Nacht nicht ertragen können. Mühsam sog Marcus die Luft in seine Lungen hinein, versuchte mit der Frische, die Priscus herein getragen hatte, aber auch der Rauch geschwängerten Luft des Zeltes den Schmerz in seiner Brust zu vertreiben. Nach einem weiteren Atemzug gelang es schon sehr viel besser.


    „Es geht schon, optio.“


    , murmelte Marcus und nickte, als ob er damit unterstreichen wollte, daß es ihm gut ginge. Fahl blaß war seine Haut wie die des Zeltes, wenn nicht die Schatten über den Stoff hinweg glitten. Das dumpfe Gefühl wollte nicht weichen, auch nicht das Grauen, was Marcus Herz umgriffen hielt. Aber das Rasen seines Herzens, der beißende Schmerz in seinen Lungen milderte sich. Marcus Augen verirrten sich zu dem großen Weinfleck. Der Schein der Öllampe strich flackernden Lichtes darüber hinweg und reflektierte diese Lache rubinrot. Bei Pluto, das konnte nicht wahr sein. Starr sah Marcus auf das rote Leuchten vor sich.


    „Hast Du Familie, optio? Eigene Kinder?“

    Gräßlich war der Klang von Metall, das über Knochen schabte, der Laut, wenn sich die Klinge von warmen, lebenden Fleisch löste und den Odem des Lebens entfleuchen ließ. Es war das Handwerk des Todes, was sie vollführten. Lieder über den Mut von Männern, die Heroen im Kampfe, die Glorie des Krieges verstummten im Angesicht des tatsächlichen Tuns eines Soldaten. Keine unnötigen Gedanken belasteten Marcus, kein Zögern und kein Zweifeln erfüllten sein Herz. Sein Schwert suchte sich einen Weg, fand es oder verfehlte es und ließ keinen Augenblick ab von seinem zähen Gegner. Zu seinen Füßen lag bereits ein Parther, den er als erstes nieder gestreckt hatte. Doch der Nächste erwies sich als tückischer. Seine schwarzen Augen funkelten Marcus mit verschlingendem Haß an, sein blutige Waffe lechzte nach Marcus Blut und hatte es bereits getrunken. Wuchtig durchbohrte Marcus mit der Spitze seines gladius den ledernen Überzug seines Gegners, der dieses hochriß und Marcus beinahe das gladius aus der Hand gerißen hätte. Ein derber und leiser Fluch drang über Marcus Lippen, der sein eigenes Keuchen von der Anstrengung nicht vernahm. Ebenso schienen alle Schmerzen aus seinem Körper verdrängt. Doch ein rascher Blick zur Seite und Marcus war sich über den Zustand der ersten Reihe im Klaren. Marcus kam natürlich nicht an seine kleine silberne Pfeife, schließlich kämpfte er vorne mit. Niemand sollte denken, daß er zu feige dafür wäre. Seine Baritonstimme dröhnte zu den Männern seiner Zenturie.


    „Wechsel!“


    Marcus blieb vorne und duckte sich haarscharf vor einer Attacke seines Gegners- eindeutig ein Veteran. Mit zusammen gebißenen Zähnen vertraute er darauf, daß seine Soldaten all die Übungen im Schlaf beherrschten. Und tatsächlich: Die erste Reihe glitt in einem geschmeidig, eingeübten Wechsel, wenn auch erschöpft, verletzt oder vereinzelnd dann doch taumelnd nach hinten. Die zweite Reihe kam nach vorne und begann erfrischt mit den Kämpfen. Cafo, Soldat der zweiten Zenturie, stand in der dritten Reihe. Direkt hinter Faustus Decimus Serapio. Als der Veteran meinte, bei dem frisch gebackenen Soldaten ein Zaudern zu sehen, gab er ihm mit der flachen Hand einen sachten Stoß nach vorne, damit er direkt in die erste Reihe kam. Die Feuertaufe wurde am Besten in einem solchen kleinen Gefecht bestanden. Der Veteran rückte nach vorne und hielt sein gladius bereit, sollte der Decimer in Schwierigkeiten geraten.


    Glitschig fühlte sich der Schwertgriff in Marcus Hand an. Das Blut seiner Feinde? Marcus hatte doch nur einen Parther erschlagen. Zudem trat ein flaues Gefühl an seinen Fingern auf und eine seltsame Kälte in seiner Schulter. Marcus Kiefergelenke mahlten aufeinander. Nur am Rande vernahm er die Stimme des praefectus. Doch in dem Moment sprang ihn der Parther in einem tollkühnen Angriff an. Seine Hand warf das Schild zur Seite und im Sprung- einem raubtierhaften Panther gleichend- umgriff er das Schild von Marcus. Sein Schwert sauste auf Marcus Kehle zu. Es war ein winzigster Bruchteil...die Zeit schien still zu stehen und Marcus sah auf das Schwert, was ihn mit einem Hieb das Leben rauben konnte...ihn ins Elysium schicken...für diesen Moment schien es nicht schlimm zu sein, gar schon erwünschenswert. Marcus....! Es war als ob Marcus ein Flüstern an seinem Ohr vernahm. Das einer Frau. Marcus blinzelte und riß im letzten Augenblick den Schwertarm nach oben. Die Klinge bohrte sich tief in sein Fleisch, ein unsäglicher Schmerz raste durch Marcus hindurch und er wurde von den Beinen gerißen. Mit dem Parther fiel Marcus, rollte über den steinigen Abhang und verschwand mit seinem Gegner zwischen zwei Büschen, rutschte den Abhang hinunter in die Dunkelheit.

    Fahl und geisterhaft beleuchtete der Mond die scharfkantigen Steine, die schroffe Landschaft und die kargen Büsche, die schwarz und wie ein Vorhof zur Unterwelt erschienen. Immer wieder schnitten mit einem hellen Ton die Pfeile über die Soldaten hinweg und bohrten sich in die Schilde hinein. Dumpf grollten die Schritte der vielen hundert Männer über den Boden. Das Lied des Krieges ertönte, gespielt von den Rüstungen der Soldaten, dem Scheppern der Schilde, dem dumpfen Einschlägen der feindlichen Waffen. Beschirmt von seinem Schild, zur Hälfte von dem seines Nachbarmannes drang auch die zweite Zenturie der ersten cohors durch das Tor des Marschlagers nach draußen. Immer wieder prasselten die Pfeile an ihnen vorbei, beleuchteten in einem kurzen Aufglühen, Sternschnuppen gleichend, ihren Weg. Dann jedoch schien ein dunkler Schwarm bösartiger Insekten auf sie herab zu stoßen, die dichte Pfeilsalven, die die Parther den Ausrückenden entgegen schickten.


    Testudo!“


    , befahl Marcus und rückte das Schild fest an das seines Nebenmannes. Hinter ihm erhoben die Soldaten die Schilde und legten es über den Rand des Seinigen. Ein scheinbar undurchdringlicher Wall bildete sich. Nur durch einen schmalen Spalt, halb rund der Krümmung des Schildes über ihm wegen, konnte Marcus noch nach vorne spähen. Einem Hagel gleichend trafen die ersten Pfeile auf sie ein, bohrten sich in das Holz, schlugen neben sie ein, durchschlugen jedoch an manchen Stellen auch das Holz der Schilde. Ein schmerzvoller Laut ertönte von einem getroffenen Soldaten, der wankte und für einige Herzschläge eine Lücke in die testudo riß. Diese wurde umgehend von den Soldaten geschlossen und der Verletzte nach hinten gezogen. Immer wieder durchdrangen die Pfeile die Schilde und verletzten einige Männer. Dumpf dröhnend erreichte das Horn auch Marcus Ohren und er konnte einige Bewegungen am Hügel auszumachen.


    „Vorwärts!“


    , brüllte Marcus und bewegte sich mit der ersten Reihe nach vorne. Schritt für Schritt kämpften sie sich unter den weiteren Pfeilsalven weiter, die doch deutlich schwächer wurden als die Parther ihren Rückzug antraten. Und so bleich wie Knochen leuchtete das Mondlicht auf die düsteren Gestalten der Parther hinab. Einen Herzschlag lang muteten sie Marcus wie jene schwarzen Fratzen an, die ihn aus dem Unterreich seit einigen Nächten zu besuchen schienen. Die Kälte von Plutos Reich schien sich um ihn zu schlingen, doch es war Marcus in jener Nacht herzlich egal. Seltsam taub für die Gefahr um sein eigenes Leben visierte er die Parther an und erkannte, dass sie wohl dabei waren, zu fliehen. Ingrimm stieg in Marcus auf und stetig mahnte er die Soldaten weiter zu rücken und steigerte das Tempo bis sie einigermaßen in Reichweite waren. Beruhigend sausten das schwere Geschoss der Römer über ihren Köpfen hinweg und auf die Feinde zu. Marcus warf nur kurz einen Blick über die Schulter und hoffte sehr für sie selber, daß die Soldaten am vallum sie erkennen würden. Die Pfeile waren mittlerweile nur noch vereinzelt auf sie herab geregnet.


    Testudo auflösen! Tollite pila!“


    , dröhnte Marcus Stimme über das laute Scheppern. Und kaum einen Herzschlag später, in dem er auch fest das pilum- eine Hand breit hinter dem Schwerpunkt- umgriff und den Zeigefinger so legte, daß er einen festen Halt hatte, kam der nächste Befehl.


    Mittite!“


    Marcus holte aus, hoffte für die Soldaten hinter sich, daß sie geistesgegenwärtig zurück getreten waren und schleuderte seinen Wurfspeer in die nächtliche Dunkelheit, zielte dabei auf die fliehenden Parther. Ob er getroffen hatte, besah sich Marcus nicht, dafür war keine Zeit.


    „Vorwärts!“


    , befahl er erneut und setzte an, den Hügel zu erklimmen. Aus den Augenwinkeln bemerkte Marcus einen Schützen, einen Mann - Ninsun -, der zielsicher in die Menge der Soldaten schoß. Es brauchte nicht lange, daß Marcus realisierte, daß der praefectus das Ziel jener Pfeile war, zumindest war es die Gegend um ihn. Marcus sah über seine Schulter zu dem Soldaten hinter sich- Iulius Sparsus.


    „Nimm Dir ein halbes Dutzend Männer, tesserarius, und schnappe Dir diesen Burschen da oben. Age!“


    Marcus zweifelte nicht daran, daß Sparsus zügig dem nachkommen würde und marschierte bereits weiter. Und schon standen sie einigen der Männer gegenüber, die den Rückzug ihrer Kameraden decken sollten. Ein hämischer Ausdruck schlich sich auf Marcus Gesicht als er erkannte, daß die Natur, das trockene Flußbett, den Römern gelegen kam und den Parthern den Rückzug erschwerte. Immerhin einige der Bastarde würden sie so noch erwischen können, so hoffte Marcus zumindest. Marcus Schwert klackte fest gegen den Schildrand, seine Nasenflügel erbebten als er die kalte Nachtluft einsog. Auge in Auge standen sie den Parthern gegenüber, keine Zeit mehr für Nachdenken, kein Zaudern! Einen Augenblick schien die Zeit still zu stehen, Marcus Gedanken waren klar und ohne zu zögern, rief er:


    „In der Phalanx angreifen! Age!"


    Die Übungen mußten sich auszahlen und die erste Reihe drang nach vorne, den Feinden entgegen. Marcus Schwert durchschnitt die Luft. Und dann spürte Marcus das wuchtige Gewicht eines Angreifers, der gegen sein Schild stieß. Die Spitze seines gladius stieß hinab auf den Angreifer und Marcus spürte wie das Schwert in Fleisch hinein drang. Abermals streifte ein scharfer Schmerz seinen Körper, doch ob es schlimm war oder nicht, merkte Marcus im Eifer des aufbrandenden Gefechtes nicht.

    Schwarze Schemen glitten über die Wände des Zeltes, düstergraue Fratzen starrten Marcus entgegen, wölbten sich mit ihren eisigen Klauen, die den Tod zu bringen schienen, ihm entgegen. Einer der Schatten krallte sich in Marcus Brust tief hinein und bohrte sich durch sein Fleisch. Eine andere Fratze beugte sich über ihn hinweg, riß ihr Maul auf und schien Marcus auszulachen. Es war als ob mit der Nachricht vom Tode seiner Tochter all die bösartigen Geister der Unterwelt nach oben gekrochen kamen, die dazu verdammt waren vor dem Eingang der Unterwelt ein trostloses Dasein zu fristen, während die glücklichen Seelen an ihnen ins elysium vorbei glitten. Die Erde unter seinen Fingern spürte Marcus nicht, sah auch nicht den Skorpion, der sich langsam und im Gegensatz zu den Schatten äußerst real dem centurio näherte. Im Licht der Öllampe glomm das giftige Getier an seinem Schwanz mit dem Dorn schon fast gülden, nur der Rücken war tiefschwarz. Auch bemerkte Marcus nicht das Hereintreten seines Stellvertreters. Kalter Schweiß war auf seine Stirn getreten und Marcus hielt seine rechte Hand an seine linke Brust gepresst. Eine menschliche Gestalt trat durch die herannahende Fratze, zerriß die schwarzen Schatten einer flüchtigen Rauchwolke gleichend. Die grauen Punkte vor Marcus Augen lichteten sich ein wenig und seine Hand krallte sich um die Kiste. Mühsam zog er sich hoch und blinzelte in die Richtung von Priscus, dessen Gesicht er nicht wirklich identifizieren konnte in seinem Schmerz.


    „Was...was hast Du gesagt?“


    Nicht einen Herzschlag konnte sich Marcus auf seinen Beinen halten, es war als ob eine Faust auf ihn einschmetterte und sich ein Feuer durch seine Brust fraß. Leichenblaß sank Marcus auf die Kiste hinunter. Seine rote centuriotunica tränkte sich mit dem Wein auf der Kiste. Dignitas, serveritas! Es war als ob Marcus die Worte seiner Mutter an seinem Ohr vernahm, die ihn schollt keine Schwäche zu zeigen. Doch selbst wenn es die süße Stimme seiner Mutter war, sie drangen nicht bis zu Marcus vor. Übelkeit stieg in Marcus auf und immer mehr wurde das Atmen zu einer Qual. Die Schwärze griff mit ihren gnadenlosen Klauen nach Marcus, dessen Herz in dem Moment nicht die Stärke eines Löwen besaß, weit entfernt davon.


    "Alles...gut..."


    , murmelte Marcus schließlich, doch alles an ihm schrie nahezu davon, daß das Gegenteil der Fall war.

    Düster glimmend spiegelte sich das Feuer eines Holzwagens auf der Rückseite von Marcus Rüstung wieder. Das Metall erwärmte sich an der Stelle, die Flammen knisterten als sie sich gierig durch das Holz fraßen, um nur Asche übrig zu lassen. Von vorne schlug Marcus die eisige Kälte der parthischen Nacht entgegen, die nur von dem tödlichen Hagel der parthischen Bogenschützen durchbrochen wurde. Mit einer gewissen Zufriedenheit bemerkte Marcus, daß nach dem anfänglichen Schrecken die Männer diszipliniert antraten und die Bereitschaft in den Kampf zu ziehen in ihren Gesichtern geschrieben stand. Auch die anderen Zenturien der ersten cohors versammelten sich zügig auf dem breiten Streifen des intervallum. Wie der Schweif eines Kometen oder der Odem eines Drachen flog eine weitere Salve von Pfeilen über die pilamauer. Schnell riß Marcus sein Schild nach oben.


    Scuta sursum!


    , rief Marcus schnell und spürte bereits wie die Pfeile wuchtig in das Holz hagelten und sich tief hinein bohrten. Gleich neben sich bemerkte er einen seiner Soldaten, der ebenfalls das Schild gehoben hatte und wie sich- die Übungen vieler Monate, nein Jahre, machten sich doch bemerkbar- eine Schildwall und -dach bildete. Nur einen Herzschlag spürte Marcus einen scharfen, aber in dem Augenblick für ihn nicht sehr schlimmen Schmerz an der Schulter, bemerkte nicht den warmen Rinnsal von Blut, der sich an seiner Schulter einen Weg suchte. Der Rauch des brennenden Holzes stieg in seine Nase, die Hitze wurde stärker, doch gelöscht wurden zuerst die Zelte und die Wägen mit Proviant, besonders jenen, die noch das spärliche Wasser der Legion mit sich trugen. Denn jeder Tropfen war kostbar geworden, seitdem sie schon seit zwei Tagen auf keine brauchbare Wasserquelle mehr gestoßen waren. Marcus riß die Pfeile aus dem Holz seines scutum oder brach sie an dem Schaft ab, wenn sie sich zu tief hinein gebohrt hatten und nickte als er die Worte von Priscus vernahm. Er drehte sich halb um und sah zu den Männern, die sich hinter ihm versammelt hatten. Sein Blick glitt kurz über den jungen Decimer. Hatte er ihn nicht lieber zu einer weniger gefährlichen Stelle schicken wollen, seitdem er den Verdacht hatte, daß es sich bei dem jungen Mann um den Neffen des Legat handelte? Doch Marcus hatte im Moment anderes im Kopf. Marcus sah zu den Geschützen hinüber und sah einen brennenden Pfeil, der sich in die Brust eines der Geschützmeister hinein bohrte. Der Schrei tönte nicht zu ihm als der Mann hinunter stürzte und vom Schatten des vallum verschluckt wurde. Marcus nickte knapp.


    „In Ordnung, optio, nimm Dir eine Handvoll Männer und verstärke die Geschütze.“


    Schon donnerte die Stimme des praefectus über die Köpfe der Männer hinweg, übertönte jegliche Rufe, das Dröhnen der Hörner und die Schreie der Männer. Und in Marcus kam kein Zweifel auf, was zu tun war.


    „Ihr habt ihn gehört, Männer. Ante!“


    Dumpf dröhnte das Metall des Hornes des cornicen, der signifer hob das Zeichen ihrer Zenturie hoch in die nächtliche Dunkelheit und Marcus folgte dem Befehl des praefectus, um unter dem Pfeigelhagel in die Nacht zu marschieren, bereit den Angriffen der Parther ein grausames Ende zu bereiten.

    Es war Naevius, der noch an einem der Marschtage, bevor Marcus selber jene verhängnisvollen Nachrichten aus Rom erhalten hatte, vorbei kam und ein Papyrus in der Hand zum dortigen Soldaten trug.


    "Salve, miles. Der Brief ist von centurio Flavius Aristides an seinen Bruder Flavius Felix in Roma. Falls der cursus publicus noch bezahlt werden muss, das Geld ist hier."


    Der Soldat reichte die Münzen hinüber für einen Eilbrief, was wohl jedoch utopisch war, wenn man bedachte, daß der Brief von mitten der Front verschickt werden mußte, zudem wohl noch erst die Zensur und andere Stellen passieren würde. Der Soldat nickte dem miles zu und wandte sich dann ab, leise und gut gelaunt vor sich hinpfeifend. Denn er hatte seinen centurio mal wieder übers Ohr bei dem Brief gehauen und sich zehn Sesterzen mehr genommen. So versüßte sich Naevius immer wieder sein Leben und das ständige Herumgeschickt werden.


    Ad
    Secundus Flavius Felix
    villa Flavia
    Roma, Italia



    Sei mir gegrüßt, mein Bruder,


    ich hoffe doch mal stark, daß Du Dich nicht zur Zeit auf Deiner Insel im Meer herumtreibst, sondern noch in Rom bist. Sicherlich wirst Du Dich wundern von mir einen Brief zu erhalten. Zum einen bin ich nicht sonderlich schreiblustig und andererseits haben wir uns eigentlich noch nie Briefe geschrieben. Wie auch, ich wußte zwar schon länger von Dir, aber meinen Bruder, also Dich, habe ich leider nie sonderlich gut kennen lernen können. Trotzdem möchte ich Dir meine brüderlichen Grüße aus dem fernen Parthia zusenden. Noch marschieren wir täglich, noch ist nichts Großes passiert. Aber wahrscheinlich erfährst Du als Senator und als ein Berater des Kaisers sehr schnell von den Neuigkeiten von der Front.


    Es sind jedoch noch mehrere Dinge, warum ich Dir schreibe. Zum einen: Mein Sohn ist zur Zeit in Alexandria. Aber er wird sicherlich bald wieder nach Rom zurück kommen. Ich hoffe, er fällt Dir in der villa nicht zur Last. Ich wäre Dir jedoch dankbar, solltest Du die Sklaven anweisen, meinen Sohn genau im Auge zu behalten. Zudem ist eine strenge Hand ihm gegenüber nicht unangebracht. Aber da Du der Herr der villa bist, halte ich es natürlich für natürlich, Dich darum zu bitten und nicht nur unseren Vetter Gracchus.


    Nun komme ich jedoch gleich schon zum zweiten Anliegen. Gracchus! Mir ist zu Ohren gekommen, daß er immer noch nicht zum Senator erhoben wurde. Weißt Du genaueres davon? Immerhin ist Dein Vetter auch Dein Klient. Und ich kann schlecht dem Kaiser einen Brief schreiben, der ihn bittet, Gracchus in den Senatorenstand zu erheben. Eventuell wäre es Dir möglich, dieses zu tun? Gracchus ist wahrlich ein fleißiger, strebsamer und brillanter Flavier. Und wenn der Senat Senatoren braucht, dann solche Männer wie Gracchus. Zudem ist ein weiterer Flavier wirklich nicht von Schaden, wenn wir ihn auf unserer Seite im Senat wißen.


    Ansonsten noch den Segen der Götter für Dich, mein Bruder, und ich hoffe für Dich, daß Dich nicht zu sehr das langweilige Senatorenpack um Dich herum anödet. Übrigens habe ich wohl einen Senatorenfreund von Dir getroffen. Aelius Quartus. Er schien erfreut zu sein, Deinen Namen zu hören. Aber mehr hat er mir auch nicht erzählt.


    Vale bene
    Dein Bruder
    [Blockierte Grafik: http://img64.imageshack.us/img64/9927/marcusunterschriftlq7.jpg]




    Sim-Off:

    Eilbrief überwiesen an den CP

    Schwarze Schatten glitten über das Innere seines Zeltes, verwoben mit den tanzenden Lichtern der Fackeln vor seinem Zelt und führten einen grotesken Geistertanz auf. Mit geöffneten Augen lag Marcus auf seinem Lager und starrte an das hölzerne Konstrukt, was sein Zelt festhielt. Stumpf und emotionslos betrachtete er die Streben, das sich immer wieder auf und abbauschende Tuch seiner Unterkunft, was dem rauen Wind des parthischen Landes ausgeliefert war. Schon seit Tagen hatte ihn diese Kälte erfasst, seine Nächte vergiftet und ihm den Schlaf geraubt. Und wenn er dann schlief, träumte er unerträgliche Bilder von seiner Tochter, seinem Kind. Draußen ertönte mal das Scharren eines Soldaten, der den Weg zu den Latrinen suchte. Einer der Lagerhunde kratze an seinem Zelt, wühlte in der Erde und verschwand wieder. Und Marcus wartete immer noch darauf, daß Morpheus Arme ihn umschlangen und in ein Reich aus schaurigen Alpträumen ziehen würde, um ihn schweißgebadet und verächtlich wieder in das graue Leben zurück zu schicken, was ihn seit der schlimmen Nachricht umfangen hielt.


    Ein Surren! Das Reißen von seinem Zelt und mit einem dumpfen Aufprall bohrte sich ein Pfeil direkt neben Marcus Kopf in das Holz seines Feldbettes. Flammen leckten an der eisernen Spitze empor und fraßen sich über das Fell neben Marcus hinweg. Golden und rötlich umschimmerte das Feuer den Schaft des Pfeils. Fasziniert, nur wenig verwundert und nicht sonderlich besorgt starrte Marcus auf den Pfeil, der ihn nur um eine Handbreit verfehlt hatte. Weitere Pfeile bohrten sich durch sein Zelt und einen Herzschlag später ertönte von draußen aufgeregte Rufe.


    „ALARM! ALARM! Angriff!“


    , schrie einer der Männer laut, was Marcus aus seiner dumpfen Apathie heraus riß. Mit einem Ruck erhob sich Marcus und war auf den Beinen. Unter seinen bloßen Füßen spürte er den rauen, scharfkantigen Boden dieser Gegend. Mit zwei Schritten war Marcus am Zeltrand und riß die Plane zur Seite. Den erstbesten Soldaten, der vorbei lief, packte Marcus am Ärmel.


    „Rufe die Männer zusammen. Schnell! Lass die Hörner zum Alarm blasen. Age!“


    Eigentlich unnötig, denn die Aufregung breitete sich so rasend aus wie das Feuer, was manche der Zelte ergriff, ebenso das von Marcus. Marcus wirbelte herum und riss seine Rüstung vom Ständer und streifte sie sich so schnell wie möglich über, während bereit das Fell auf seinem Lager brannte. So schnell es ging und mit dem nötigsten versehen, rüstete sich Marcus, griff nach dem brackigem Wasser von seiner Waschschüssel und goß das Wasser über sein Lager. Auch eigentlich unnötig, denn an anderer Stelle brannte es ebenso. Dann stürzte er eilig nach draußen. Einen Herzschlag lang sah Marcus in die Gesichter einiger Männer seiner Zenturie. Jetzt war es soweit! Jetzt würden sie sehen, wie gut die Zenturie aufeinander eingestimmt war, wie sie kämpften. Keine Übung mehr! Und sicherlich würde der eine oder andere Mann sterben können. Marcus atmete tief ein. Hörner wurden geblasen und immer wieder erhellte sich der Himmel mit lodernden, gelben Sternen, die tödlich auf die Soldaten herunter rasseln konnten.


    „Folgt mir zum intervallum.“


    Schnellen Schrittes ging Marcus an seinem Zelt vorbei und auf den Bereich zwischen dem vallum und den Zelten der centuriae zu.

    Feuerzungen flackerten aus einer Öllampe und erhellten mit ihrem schwachen Schein das Zelt des centurio der zweiten Zenturie- Marcus Flavius Aristides. Funkelnd spiegelten sich die Zungen auf dem Bleibecher von Marcus wieder, in dem dunkelroter Wein schillerte. Zufrieden hatte Marcus seine Füße auf die Holzkiste, die ihm sonst als Tisch diente, gelegt. Sein Abendmahl war trotz des Marsches reichlich gewesen, die Soldaten murmelten leise vor seinen Zelten und sanft strich der Wind über sein Zelt hinweg. Ein Kratzen ertönte von dem Eingang und Marcus spähte zum dunklen Zeltschlitz, durch das ein dürrer Soldat hinein trat, der noch durchscheinender des Marsches wegen geworden war. Zumindest schien es so.

    „Ah, Naevius. Himmel und alle guten Götter, Du mußt mehr essen. Du wirst immer mehr ein Strich in der Landschaft. Aber was gibt es?“
    - „Ave centurio, zwei Briefe sind für Dich angekommen. Soll ich sie Dir gleich vorlesen oder lieber erst morgen?“


    Gut gelaunt, gesättigt und mit einem Becher Wein in der Hand war Marcus jedoch schon jetzt in Brieflaune. So winkte er Naevius auf einem Schemel ihm gegenüber Platz zu nehmen.


    „Nein, nein, ließ sie jetzt vor. Von wem sind sie?“
    - „Der Erste ist von Deinem Cousin, Gracchus...“
    „Für Dich immer noch Flavius Gracchus, Naevius. Und bald wohl Senator Flavius Gracchus.“


    Ein Lächeln huschte über Marcus Gesicht. Irgendwie war Marcus sehr stolz auf seinen Vetter. Aber wenn es einen fleißigen Flavier gab, der zudem noch ein brillanter Kopf war und das Fundament der Familie in Rom, so war das Gracchus. Er war auch wohl einer der wenigen Menschen, denen Marcus rein gar nichts neiden konnte- nicht mal im Ansatz. Im Gegenteil. Zudem stand Marcus noch tief in der Schuld bei ihm. Auch wenn Marcus oft die Ausdrücke von seinem Vetter nicht verstand, so freute er sich sehr über einen Brief.

    „Na, dann ließ mal vor!“


    Der Schreiber nickte und tat es. Wobei er erst das Siegel brach und dann langsam und deutlich vorlas, damit Marcus auch alles gut vernehmen konnte.


    „Ah, Serenus ist in Ägypten? Bei Mars Faust, wie hat der Bengel das nur geschafft? Aber immerhin ist er nicht entführt worden. Iuppiter sei Dank! Lies weiter.“


    Der Schreiber nickte und vertiefte sich wieder in die akkurate und doch elegante Handschrift des Flaviers aus Rom. Doch bei dem zweiten Satz stocke er schon. Er sah kurz auf, leckte sich über die Lippen und las dann weiter.


    - „Unsere Base Leontia hat den Styx überquert und ist ins Elysium eingekehrt.“


    Es dauerte drei Herzschläge ehe Marcus realisierte, was sein Schreiber gerade dort vorgelesen hatte. Leontia war tot? Ein bohrender Stich durchdrang Marcus Herz und er vergaß das Atmen. Die junge und so liebenswürdige Leontia? Das liebe und so kluge Mädchen, was er noch vor wenigen Jahren auf seinem Schoß sitzen hatte, wenn sie mal nach Baiae? Marcus schluckte schwer und sah erstarrt auf die Holzmaserung der Kiste. Der Rest des Briefes rauschte an ihm vorbei, auch die folgenden Worte des Schreibers, der dann schnell verstummte und schweigend abwartete. Marcus Hand zitterte leicht.


    „Und der andere Brief?“


    , fragte er monoton. Der Schreiber sah Marcus einen Herzschlag lang besorgt an.

    - „Soll ich den nicht Morgen...?“

    „Nein, jetzt!“


    Der Schreiber nickte und brach auch das claudische Siegel. Seine Augen flogen schnell über die Zeilen hinweg und er riß bestürzt die Augen auf. Schnell rollte er den Brief zusammen.


    - „Ähm, centurio, ich glaube, meine Augen brennen zu sehr.“


    Verwirrt riß sich Marcus von dem Anblick der Flammen los und sah den Soldaten an, dessen Gesichtsausdruck schwer seine Gefühle verbergen konnte.


    „Noch mehr schlechte Nachrichten?“


    Der Schreiber leckte sich nervös über die Lippen und nickte schließlich. Marcus holte tief Luft und schloß die Augen. Sorge um seine Verlobte schloß sich an die Trauer um Leontia an, den Unglauben, daß das junge Mädchen schon in die Welt der Toten geholt worden war und wohl sich an die Seite ihrer Mutter gesellt hatte.


    „Lies vor...“


    Der Schreiber seufzte schwer und entrollte den Brief. Ganz langsam und immer wieder stockend las er vor, dann zögerte er und ganz leise flüsterte er:


    - "Ich weiß nicht, ob es angemessen ist, dir mein Beileid nur schriftlich auszudrücken, Marcus, aber wir haben leider keine andere Wahl, als damit Vorlieb zu nehmen. Es tut mir sehr Leid, dass Arrecina ins Elysium gegangen ist.“


    Dann brach der Schreiber ab und seine Hand zitterte mit dem Papyrus. Schweigen herrschte in dem Zelt. Marcus hatte die Worte gehört, doch sie drangen nicht zu ihm vor. Eine seltsame taube Wolke breitete sich um ihn aus. Er merkte gar nicht, wie seine Hand sich nicht mehr um seinen Becher schloß, er ihm entglitt. Ganz langsam schien der Becher herunter zu fallen. Das laute Scheppern, als der Becher auf die Kiste fiel, hörte Marcus nicht. Er sah nicht, wie sich der Wein wie eine rote Blutlache gleichend über das Holz ausbreitete und einem entgleitenden Lebensodem anmutend herunter tropfte. Bemerkte nicht, wie der Becher über den Boden rollte. Arrecina? Mein Kind... Es war als ob eine fremde Stimme zu ihm sprach. Marcus atmete nicht mehr.


    centurio?“


    Marcus hörte ihn nicht. Die Welt zerfloss in ein Meer aus grauen Schatten, Marcus Geist schien sich immer mehr zu entfernen um die Nachricht nicht zu sich dringen zu lassen. Doch dann kam sie mit der Wucht einer Keule, mit dem Faustschlag eines Gottes, mit dem kalten Hauch des Todes. Arrecina ist tot! Seine Tochter, sein größtes Glück. Sein Goldschatz. Cinilla, Arrecina! Marcus Atem entwich in einem zittrigen Stoß.


    „Raus...“


    , hauchte Marcus schwach. Die Schritte des Schreibers vernahm Marcus auch nicht. Ein unerträglicher Schmerz breitete sich in seiner Brust aus, schien in ihm zu explodieren und zerriß seine Seele in tausende Splitter. Kälte umschloss ihn und eine eiserne Faust schien seinen Körper umgriffen zu haben. Langsam versuchte Marcus aufzustehen, doch der Schmerz ließ ihn wanken und er fiel auf den Schemel zurück, der wankte und dann kippte. Marcus Hand krallte sich in die nackte parthische Erde tief hinein.


    „Arrecina...“


    Mit jedem Atemzug wurde das Atmen schwerer und der Schmerz in seiner Brust unerträglicher...

    Zitat

    Original von Lucius Aelius Quarto
    “Ja, so ist es. Ich habe die Ehre, dass der Imperator Caesar Augustus gelegentlich meinen Rat zu hören wünscht.“, antwortete er lächelnd.


    ...
    “Unser Gastgeber meinte, du könntest uns etwas über die Moral und den Kampfeswillen innerhalb der Truppe sagen?“


    Durchaus beeindruckt nickte Marcus. Im Beraterstab des Kaisers zu sein bedeutete mit Sicherheit eine hohe Ehre. Noch gut hatte Marcus die Momente seiner Audienz beim Kaiser vor Augen und war immer noch ganz von der imponierenden Ausstrahlung und Art des Kaisers eingefangen. Der Wein rann dabei erquickend an seiner Kehle hinab. Nachdenklich betrachtete er den Aelier. Dann würde er sicherlich seinen Bruder kennen! Schließlich war der auch ab und an mal so was wie ein Berater des Kaisers. Ganz klar war sich Marcus über die Rolle seines Bruders am Hofe nicht, nur dass sein Wort dort einiges an Gewicht hatte. Aber so wie der Aelier gleich nach Felix gefragt hatte, mußte er ihn wirklich kennen. Und daraus schloß Marcus in seiner scharfsinnigen Art: Sie mußten wohl so etwas wie befreundet sein. Vielleicht wegen ihrer ähnlichen Tätigkeit, wie auch immer die aussah. Besonders die freundliche Haltung, der Ausdruck von Quarto bestätigte ihn noch in seiner Annahme.


    „Oh, dann mußt Du ein guter Stratege sein, Senator Aelius. Bist Du gar in den Taktiken der Parther bewandert? Kannst Du uns einfachen Soldaten, wie mir wenigstens, einen Rat bezüglich unserer Feinde geben?“


    Marcus wäre an solch einem Hinweis höchst interessiert. Doch wie es Marcus flüchtige Art manchesmal war auch an den Speisen, die ihm den Abend noch mehr versüßen sollten. So ergriff er einige der Vorspeisen, die dar gebracht wurden und verspeiste sie voller Genuß. Etwas überrascht sah Marcus zu Quarto bei der Frage und hob die Hand, um sich nachdenklich am Kinn zu kratzen.


    „Die Moral? Ich glaube, die Männer hätten sich sehr gefreut, den Kaiser auch hören zu dürfen. Sie warten schon seit Wochen darauf und manche waren etwas enttäuscht, daß nur die centuriones, tribuni und so weiter ihn vernehmen konnten. Aber die Worte des Kaisers, die dann ja verlesen wurden...“


    Marcus räusperte sich, denn jenes Vorlesen war ihm noch etwas peinlich in Erinnerung. Dennoch sprach er weiter frei heraus, wie er es eigentlich immer tat.


    „...wurden jubelnd von den Soldaten vernommen...ähm...eigentlich jubelten sich danach, aber ich glaube, Du verstehst schon, was ich meine, hm? Ansonsten ist die Moral gut. Die Soldaten sind begierig darauf, auf die Feinde zu treffen und Rom einen großen Sieg einzubringen. Aber natürlich kommt auch hin und wieder das übliche Murren auf, besonders wenn es an die unangenehmen Aufgaben während des Feldzuges geht.“


    Am Rande vernahm Marcus einen doch bekannten Namen und war dem praefectus und legatus einen flüchtigen Blick zu. Serapio? Ein Verwandter? Ob das der Serapio seiner Einheit war? Immehin war er auch ein Decimer? Aber er meinte, daß er nur entfernt mit dem Legaten verwandt war. Etwas irritiert trank Marcus einen Schluck Wein und beschloß, das später heraus zu finden.

    Zitat

    Original von Quintus Tiberius Vitamalacus
    "Meine Herren ! Die Götter werden mit uns sein."


    Mit diesen Worten entliess er die drei Centurioen.


    Unzweifelhaft würden sie es sein, alles andere paßte nicht in Marcus Weltordnung. Denn daß Mars mit den Römern und nicht mit den Parthern war, konnte auch nicht anders sein. Schließlich war er ihr Beschützer, der Vater aller Römer und der Kriegsgott der Römer. Doch Marcus nickte zustimmend und erhob sich wieder, der Stuhl knarrte erleichtert als er das Gewicht von Marcus, was trotz Marsch in den letzten Zeit nicht unerheblich geworden war, nicht mehr tragen mußte. Marcus salutierte noch ein Mal, die Jahre hatten es ihm in Fleisch und Blut übergehen laßen. Selbst wenn er persönliche Abneigungen hegte, so traf seine Faust die Rüstung zackig über dem Herzen. Dann drehte er sich um und verließ das Zelt, um wieder zum Lager zurück zu kehren.

    ...melde ich mich auch erst Mal und mit guter Hoffnung auf längere Anwesenheit zurück. Ich werde aber erst Mal wieder nachlesen müßen und in den nächsten Tagen langsam die Fäden aufnehmen.



    Epicharis: Da fühlt sich ein Soldatenherz gleich viel weniger einsam, obwohl es ja Hiobsbotschaften sind.

    Aus äußerlichem Anlaß muß ich mich leider für -maximal- zwei, aber -minimal- eine Woche ganz und gar abmelden. Mir wird es leider nicht möglich sein, noch die offenen Threads in der Zeit weiter mit Beiträgen zu versorgen, noch in nächster Zeit in das Forum zu schauen.

    Zitat

    Original von Lucius Aelius Quarto
    Schließlich wurde er auch noch einem Centurio vorgestellt. Flavius Aristides? Zufällig verwandt mit Secundus Flavius Felix, dem Senator?“, fragte er um sicher zu gehen, den Namen richtig verstanden zu haben.


    Mit leicht verengten Augen betrachtete Marcus die Sonne und trat noch tiefer in den Schatten des Sonnenzeltes. Die formale Haltung fiel- bei den Worten des Legaten- deutlich von Marcus Schultern herab und er ließ sich von einem der Sklaven einen Platz zuweisen. Und schwupps, schon hatte Marcus einen Becher Wein in der Hand- und da Marcus von Natur aus bestechlich war, vermochte es seine tribunischen Aversionen marginal zu vermindern. Interessiert betrachtete Marcus die Dazukommenden, erwiderte den Gruß von Plautius, wie auch von Numerianus. Dabei genoß er durchaus schon den Vorgeschmack auf das gute Mahl und musterte dann den Zivilisten, der dazu stieß mit typischen soldatischen Vorurteilen. Man wußte es schließlich: Ein Zivilist hielt die Truppe nur auf und machte lauter Schwierigkeiten. Augenblicklich erschien auch der Gastgeber. Marcus nickte auf den Gruß und seine Augen verengten sich ein zweites Mal- dieses Mal nicht wegen der Sonne, sondern einer reinen Reflexhandlung, die womöglich bei dem Lieblingstier des Tribuns auch nicht anders ausgefallen wäre, wenn dem Tier sein Feind begegnen würde. Marcus spülte den unangenehmen Beigeschmack schnell herunter.


    Bei der Vorstellung nickte Marcus dann wieder artig, zumindest angemeßen, wie es in einer solchen Runde erwartet werden würde. Doch bei der Frage des Senators zuckte Marcus Augenbraue. Herrje, das war schon lange her, daß man ihn mit Felix in Zusammenhang gebracht hatte. Wenn er genau darüber nachdachte, war es bei seiner Rekrutierung in Germania gewesen. Den meisten normalen Soldaten war wohl ein Senator in Rom sonst herzlich egal. Marcus zuckte mit der Schulter und grinste schief- denn mit Felix wollte er nur ungerne verglichen werden. Felix= erfolgreich und strebsam – bis auf die letzten Jahre- großer Soldat, großer Politiker, erfolgreicher Patrizier durch und durch. Zudem hatte er ZWEI Söhne. Marcus= nur Zenturio, EIN Sohn, keinerlei Erfahrung in der Politik, miserabel in den Künsten der Wissenschaften und ohne Sinn für Feinsinn- außer der Musik. Marcus räusperte sich kurz- als es ihm ansatzweise wieder bewußt wurde.


    „Ähm...ja, Felix ist mein Bruder, um genau zu sein. Aelius Quarto...?“


    ...ist der kuriose Mann im Faß auf dem Forum Dein Verwandter? Gerade noch im letzten Augenblick konnte Marcus sich die Frage verkneifen.


    „...dann bist Du mit im Beraterstab des Kaisers?“


    , schloß Marcus etwas lahm an.

    Erleichtert wollte nicht nur Marcus, sondern auch Bruseus aufatmen, als sich die ganze Angelegenheit doch relativ glimpflich für die centuriones entwickelte. Denn man hätte auch noch sie dafür verantwortlich machen können, wenn man es so wollte. Zudem war Marcus erleichtert aus dieser- für ihn etwas beklemmenden Situation zu entkommen. Reden- ohne Vorlage von seinem getreuen Sklaven- war nun mal nicht so einfach. Marcus wollte sich gerade erheben, stützte bereits seine Hände ab um sich hoch zu drücken als der Tribun wohl doch noch etwas anfügen wollte, so lehnte sich Marcus wieder zurück. Reiterabwehr? Marcus nickte zustimmend. Das konnte wahrlich nicht schaden. Marcus lauschte dem Tribun und mußte befinden, daß dieser wohl durchaus Recht hatte mit dieser Annahme, wenn Marcus auch nur Gerüchte über die Strategien der Parther vernommen hatte- in der Historie war Marcus zu schlecht bewandert, um eine Aussage diesbezüglich zu treffen. Er nickte noch mal stumm und kratzte sich nachdenklich an der Unterlippe.


    „Also, wenn das Gelände so felsig und bergig bleibt wie hier, dann wird das für die Parther ein Leichtes sein, Teile des Zuges anzugreifen und und aufzutrennen...ohne daß man vorne davon etwas bemerkt.“


    , sprach Marcus eine sich ihm aufdrängende Befürchtung aus.


    „Aber wir werden darauf achten, Tribun.“


    Persönliche Abneigungen hin oder her, wenn es um solche wichtigen Angelegenheiten ging, wußte sogar Marcus seine Aversionen und Antipathien zurück zu stellen und sich rein der Materie zu widmen.

    Zitat

    Original von Gaius Tallius Priscus
    Priscus nahm die Gabe mit einem Dank entgegen und trat einen Schritt zur Seite, um den anderen nicht im Weg zu stehen. Es war ein schönes großes Stück, da würden die Kameraden in seinem Zelt auch etwas von haben. Posca für seine Trinkkelle hatte er sich selber mitgebracht, so dass er sie nach der launigen Rede lachend heben konnte. "Prosit! Wenn wir nicht auf dem Schlachtfeld siegen, fressen wir den Parthern einfach alle Ziegen weg und quatschen sie tot!"


    Geistesabwesend nickte Marcus, war jedoch recht zufrieden darüber, daß die Soldaten sich untereinander wohl kameradschaftlich verhielten. Doch er war immer noch halb in Gedanken im Zelt des Tribuns, der Parther wegen, aber auch der Meldung, die sie dem Tribun hatten überbringen müßen. Marcus sah einige Herzschläge vorbei an den probatus und durch die Lücke zweier Zelte. Dahinter zeichnete sich scharf und dennoch von der Nacht undeutlich die pila des vallum ab. Die Worte von Serapio rißen ihn jedoch aus aufkommenden grüblerischen Gedanken heraus und er sah ihn einen Augenblick verständnislos an.


    „Hm?“


    Doch dann ging ihm- im Nachhinein- doch noch der Sinn der Worte auf und der sorgenvolle Ausdruck auf seinem Gesicht minderte sich deutlich, wenn er auch nicht ganz entschwand.


    „Oh, ja, gerne doch. Ich komme dann später hinzu.“


    Marcus nickte dem Decimer freundlich-gutmütig zu und ging dann weiter. Einige kleinere Gespräche mußten noch geführt werden und zudem hatte er auch einen menschlichen Gang zu tätigen. Zu seinem Glück war es jedoch zu dunkel, um noch gewisse Kritzeleien zu entziffern, so daß er ahnungslos zu dem Platz der Zweiten zurück kehrte und zu dem contubernium zu schritt, das ihn für den Abend eingeladen hatte. Seine Schritte waren zu erst zu hören, ehe sich Marcus aus dem nächtlichen Dunkel schälte und in den Schein des Feuers trat.


    „Salvete, Männer!“


    , grüßte Marcus die acht Männer und nickte auch Priscus zu.


    Optio!“


    Den letzten Wortfetzen hatte Marcus noch mitbekommen und sah fragend zu Priscus, während er seine Daumen in den cingulum einhakte.


    „Tot quatschen? Ich dachte, das wäre mehr eine griechisches Tugend oder die von Frauen.“


    Marcus grinste schief und ihm stieg der verführerisch duftende Geruch nach frisch gebratenem Fleisch in die Nase.

    Die lauten Jubelrufe erfreuten Marcus und ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Hoffentlich würde dies die Männer für einige Tage motivieren, wenn es durch die Hitze, die fremde Landschaft und ins Feindesland gehen würde. Doch wirklich daran glauben tat Marcus nicht. In jenem Augenblick nickte er jedoch Priscus zufrieden zu und trat einen deutlichen Schritt nach vorne. Seine Augen, leicht verengt wegen der gleißenden Helligkeit der orientalischen Sonne, betrachtete die Männer einige Herzschläge lang stumm.


    „Nun, Männer, in zwei Tagen geht es also los. Wenn wir dann los marschieren, möchte ich eine geschloßen Einheit von euch sehen. Niemand verläßt die Formation ohne meinen ausdrücklichen Befehl. Niemand. Und das meine ich ernst. Wer dem Befehl zuwider handelt, muß mit Peitschenstrafe rechnen. Heute Abend bekommt ihr noch mal Freigang, aber übernehmt euch nicht und morgen möchte ich Ruhe und Frieden im Lager haben. Und bringt heute Nacht keine Troßhuren mit ins Lager. Wegtreten, milites!“


    Marcus wandte sich ab und ging zu Priscus.


    „Wir bekommen einen neuen tesserarius. Iulius Sparsus wird in Zukunft den Rang erhalten. Zudem möchte der Tribun Tiberius, daß wir uns nicht aus der Formation während des Marsches locken laßen von provokanten Partherangriffen. Wir werden wohl damit gehäuft rechnen müßen.“

    Die Schriftrolle in der Hand, die den centuriones nach der Rede übergeben worden war, wartete Marcus ruhig zwischen den Zelten der Zenturie und betrachtete einige vereinzelte Wolken, die am Himmel entlang zog. Wolken konnte man sie nicht nennen, mehr ein Schatten davon. Regen würden sie wohl nicht bringen und auch keinen Schatten. Marcus klemmte sich den Helm unter den Arm und wischte sich mit einer Hand über die Stirn. Einige seiner dunklen Haare klebten ihm an der Stirn, so sehr hatte er unter dem Helm geschwitzt und in seinen Augenwinkeln brannte der Schweiß. Ein warmes Bad wäre ihm sicherlich sehr Recht jetzt, doch das würde noch sehr lange auf sich warten lassen. Marcus rührte sich kaum vom Fleck bis die Männer angetreten waren. Dann richtete sich Marcus noch ein Stückchen mehr in seiner Paraderüstung auf und griff nach der Schriftrolle. Nach ein wenige Gekruschtel, da Marcus nicht wirklich eine Hand frei hatte, konnte er das papyrus entrollen.


    „Männer, der Kaiser hat gesprochen. Hier seine Worte...“


    Spontan und ohne Geisterschreiber war Marcus nun mal kein Mann von großen Worten. Seine Stirn furchte sich in Falten als seine Augen mit dem Blick die Schrift absuchten. Er musterte das Geschreibsel- immerhin war die Rede sorgfältig kopiert- und blinzelte verblüfft. Bei der Rede war es ihm nicht aufgefallen, aber der Kaiser hatte keinen Soldaten angesprochen.


    „Ähm...also, der Kaiser sagt folgendes: Cen-turio-nen! De-curio-nen! Sig-ni-fer! Prae-fec-ten! Tri-bu-ne! Leega-ten!“


    , las er langsam und betont vor. Marcus verstummte kurz, sah von dem papryus zu den Soldaten und wieder zum papyrus und bekam den einen spontanen Einfall, der womöglich minimal geschichtsfälschend später in die Analen eingehen sollte oder auch nicht- was sehr viel wahrscheinlicher war.


    „...und Soldaten aller Legionen hier.“


    So, die Anrede war geschafft. Marcus seufzte auf, hob den Blick und sah einige Herzschläge zu den Männern, ehe er wieder auf die Schrift guckte.


    „Iin zw...zweiii Ta..Ta...“


    Marcus räusperte sich und fühlte sich immer unwohler. Herrje, warum mußten die centuriones auch die Aufgabe bekommen, die Schriften ihren Männern vorzutragen? Hätte das nicht ein Schreiber machen können?


    „Ta..gen wer..werde ich...“


    Marcus hätte im Boden versinken können, zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er einen gewißen Scham darüber- nun, das war glatt gelogen, seiner Leseschwäche wegen hatte sich Marcus schon öfters geschämt, aber derart peinlich wie hier war es ihm noch nie gewesen. So täuschte er einen heftigen Hustenanfall vor und winkte Priscus heran.


    Optio...“ [Noch ein kräftiges Husten] „...lies Du weiter vor!“


    Prompt drückte Marcus seinem Stellvertreter die Rede des Kaisers in die Hand und legte die nun freie Hand auf den Rücken, um ein verlegenes Kratzen am Nacken zu vermeiden. Er war froh, daß er nicht noch weiter vorgelesen hatte, denn bei den zahlreichen Nebensätzen, schwierigen Satzkonstruktionen hätte er zwangsläufig sich noch sehr viel mehr verhaspelt.