Das bellende Kläffen eines Schakals drang tief in die Schwärze von Marcus Geist. Er schwebte hinweg über das schwarze Land, sah hinab auf die Ödnis der syrischen Wüste. Flügel rauschten um ihn herum, zogen ihn fern von all dem, was er das Leben nennen würde. Hinweg in ein anderes Land, eines ohne Körper, ohne Sein, ohne Physis. Immer wieder vernahm er das Bellen der Wüstenhunde, die sich wie Geier über das Aas her machten. Schmarotzer der Öde, die Hinterlistigen unter dem Tierreich. Frostklirrend, seltsam kalt war es im Nichts, was ihn umschlang und nicht mehr loslassen wollte. Und Marcus kämpfte nicht dagegen an, ließ sich tiefer hinweg gleiten.
Das Leder des Parthers ächzte leise auf als er ausholt um den tödlichen Schlag zu schwingen. Arsarkes war sein Name. Nicht mehr als fünfundzwanzig Lenze zählte der junge Parther, doch sein ganzes Leben lang hatte er dem Ziel gewidmet in den Krieg ziehen zu dürfen. Ein Soldat seines Herrschers zu sein. Nun würde sein Schwert das Blut trinken, was danach suchte, das große Reich der Parther anzugreifen. Genauso überzeugt von der Richtigkeit seines Tuns – wie auch Flavius Aristides- war er des Nachts in den Kampf gezogen und genauso würde er den Römer unter sich töten. Ein Römer weniger, der das Schwert führen konnte, der durch das Land zog und sich aufführte wie die Herren der Welt. Außerdem hatte er gerade mit seinen Adleraugen ausmachen können, wie der Römer einen seiner Kameraden erstochen hatte. Nur ein: „Warte!“ aus dem Mund seines Begleiters, mit dem er sich in die Dunkelheit zurück ziehen wollte, ließ ihn inne halten. Das Schwert hing wie ein drohendes Damoklesschwert über Aristides. Der Zweite, verletzt und leicht humpelnd, trat heran und tippte mit seiner Fußspitze gegen Marcus Helm.
„Ein Kommandant!“
„Und?“
„Womöglich ist er gut als Gefangener. Er kann uns vielleicht Informationen liefern.“
„Na gut, wenn nicht verkaufen wir ihn. Als Sklaven. Wenn er überlebt.“
Der Andere nickte zustimmend. Beide sahen hoch, Reiter preschten vorbei, das Getümmel schien ab zu ebben. Gemeinsam schleiften die Männer Aristides hinauf den Hang. Nur einmal verfing sich der cingulum militare an einem dicken Ast. Entnervt riß der Parther den Gürtel hinab, der scheppernd einige Meter hinunter fiel. Auch Schild und Schwert ließen sie zurück.
„Danke.“
„Wofür?“
„Na, Du hättest mich auch zurück lassen können.“
„Wozu dienen wir in einer Einheit? Ich hole die Pferde. Du wartest hier mit Deinem verletzten Fuß.“
Blassblau zeichnete sich das erste Licht am Horizont ab. Der zweite, verletzte Parther kauerte neben Marcus auf den Boden und sah hinab auf das Flußtal. Einige Meter erhoben befand er sich und beobachtete die Bewegungen unter sich. Nur einen Moment hörte er noch das Knirschen, die die Schrittes seines Kameraden verursachte. Mit verengten Augen hielt er Wache und lauschte in die Dunkelheit. Ein Stöhnen drang aus Aristides Lippen. Es schien ein Flüstern zu sein. Doch Zuhabra, der zweite Soldat, verstand kein Latein. Auch interessierte ihn das Gebrabel des Feindes nicht.
ZitatOriginal von Camillus Matinius Plautius
„Meldung an den Signifer von der 2. Centurie I. Kohorte. Er soll in Abwesenheit des Optios und des Centurios das Kommando übernehmen. Wir rücken ab! ....“
Der Signifer vernahm die Anweisung des praefectus. Der Rest der zweiten centuria hatte sich bereits um ihn herum versammelt. Titus Orbius Laevus war schon ein alter Veteran. Es war nicht die erste Schlacht, das erste Geplänkel, was er erlebt hat und bei weitem nicht der erste centurio, der im Gefecht entschwunden war. Doch es würde wohl sein letzter Feldzug sein. Das Wetter gegerbte Gesicht des Veteran wandte sich den Soldaten zu. Auf Schilden oder zwischen zwei Soldaten wurden die Verletzten mitgeschleppt. Tatsächlich hatten sie auch zwei Parther gefangen nehmen können, der Rest war jedoch geflohen oder hatte den letzten Weg angetreten. Geschlossen und selbst – wenn möglich- die Toten mit sich ziehend, kam die zweite centuria wieder zurück ins Lager.
„Bringt die Verletzten ins valetudinarium.“
ZitatOriginal von Gaius Tallius Priscus
Priscus nahm das Marschtempo auf und bewegte sich neben den Signifer. "Na, wie lief's? Und wo habt ihr den Chef gelassen?"
Mühsam schleppte sich der ein oder andere Soldat in die benannte Richtung. Gerade wollte sich Laevus umwenden als schon Priscus auf ihn zutrat. Schnell hob Laevus die Hand und schlug sie gegen seine Rüstung, salutierte. Blut verklebte das Metall seiner lorica. Er war völlig erschöpft und verschwitzt unter seinem Helm. Seine Finger friemeln am Helm herum und mit einem Arm hält er das Feldzeichen fest. Erst nach einer langen Weile kann er den Helm lösen und atmet erleichtert auf. Ratslos zuckt Laevus mit der Schulter. Er hatte nicht wirklich gesehen, wohin ihr centurio verschwunden war. Aber er war in dem Augenblick auch zu weit weg gewesen.
„Der ist uns abhanden gekommen, optio. Womöglich ist er tot. Aber ansonsten lief es gut. Aber es sind doch einige Verluste zu beklagen. Genaue Zahlen kann ich Dir noch nicht nennen, optio. Die Verletzten habe ich zum valetudinarium geschickt.“