Rumpelstumpf
„Liebste Epicharis, mir geht es gut, wie geht es Dir?“
Sogleich schüttelte Marcus den Kopf. Nein, das war doch wirklich banal. Wirsch hob er die Hand, um seinem scriba, Adjutanten und Mädchen für alles Einhalt zu gebieten, ehe dieser den doch mehr als uneloquenten und völlig sinnlosen Satz auf die tabula kritzeln konnte. Daß Briefe schreiben so schwer sein konnte, selbst wenn man keine einzige Zeile niederschreiben mußte? Versonnen rieb sich Marcus die Schläfen und spähte über das blaue Wasser hinweg. Was sollte er schon schreiben, wenn nichts passierte? Kein Wunder, daß sein Kopf so leer war wie der Horizont. Inbrünstig betete er zu Mars und allen guten Göttern um eine kleine Abwechslung. Was auch prompt geschah. Ein Soldat kam nach vorne gelaufen, um mit einem Messer ein Stück Tuch zu organisieren. Schnell salutierte er als er Marcus gewahr wurde.
„Was ist denn da drüben los?“
-„Rumpelstumpf, centurio. So was wie griechisches Ringen um einen Holzstab.“
„Häh?“
- „Der praefectus macht auch mit!“
„Ah, so...na, wem's Spass macht!“
- „Und es gibt einen Schinken zu gewinnen!“
„Oh, na dann...“
Marcus erhob sich. Bei so einem lockenden Preis würde er sich nicht zwei Mal bitten laßen. Immer nur Fisch konnte er nicht ausstehen und das Federvieh, was er sich mitgebracht hatte, war längst verzehrt. Marcus gürtete sich seine rote tunica fester um seinen nicht unbeträchtlichen Bauansatz und marschierte zu der versammelten Mannschaft. Bandagen wurden ausgeteilt, doch Marcus sah nicht ganz den Sinn dahinter und stellte sich prompt zu denen, die keine hatten. Grinsend bemerkte er, daß er sich somit wohl seinen praefectus zum Feind gemacht hatte. Die Regeln- von Plautius viel zu kompliziert erklärt- ließ sich Marcus noch mal schnell von seinem signifer erläutern, nickte verstehend. Pack das Holz und trag es in das Heimatland! Na, das würde doch nicht zu schwer werden. Mit heimlicher Vorfreude seinen Vorgesetzten mal aus dem Felde schlagen zu können- Marcus hatte das fest vor- starrte er sein Gegenüber an und dachte schon nach, wie er das am Besten machen konnte. Und das viele Nachdenken, ja, das wurde ihm tatsächlich zum Verhängnis. Denn im nächsten Augenblick merkte Marcus nur noch einen unsäglichen Schmerz. Ein „Uff!“, kam von seinen Lippen und er sank halb auf das Deck und konnte eine unsanfte Landung nur mit der Hand abschwächen. Grausilberblaugoldenrote Sterne tanzten vor seinen Augen. Lautes Gebrüll brach aus, doch Marcus hörte von all dem nichts mehr. Trampeln, Donnern, Stöhnen und Ächtzen! All das rauschte an Marcus vorbei. Der Stab hatte schon einige Male den Besitzer gewechselt ehe sich Marcus wieder in der Lage fühlte überhaupt eine Bewegung zu vollführen. Langsam erhob er sich, unaufhaltsam zogen düstere Gedankenwolken um seinen Kopf auf- sicherlich nur sichtbar für Zauberer, Priester und Jahrmarktweiber. Gerade sprang der Stumpf in die Höhe, landetet direkt in den Armen von seinem Vorgesetzten- namentlich auch als Matinius Plautius bekannt. Marcus nahm- immer noch geschwächt- Anlauf und stürzte sich auf den praefectus, um ihn den Stab zu entreißen und mit der Schulter wuchtig gegen seinen Oberkörper zu 'tackeln'- wenn man den Begriff für Rumpelstumpf anwenden darf. Womöglich legte Marcus noch mehr Ingrimm darein, aber wenn es gegen seinen besten Freund ging, da kam in Marcus keine Gnade mehr auf.
Der Stumpf flog in die Höhe und landete....