Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Die Sonne schien nun wieder passend, der Piepmatz regte Marcus nicht mehr auf, denn jetzt war wohl alles zu einigermaßen beidseitiger Zufriedenheit gelöst. Nun, zufrieden war Marcus nicht im Geringsten. Die Vorstellung, ein Mann würde um seine kleine Tochter werben, mißfiel Marcus aber ganz gehörig. Doch er war einfach froh, daß dieses Gespräch, wo er sich wie auf glattem Eis fühlte, doch einigermaßen passabel über die Bühne gegangen war. So lächelte er warm und bei den Worten seiner Tochter ging ihm auch das Herz auf.


    „Ach, mein Sonnenschein. Ich werde Dich sehr vermissen, meine Cinilla. Aber nach dem Krieg, da werde ich aus der legio austreten und ganz nach Rom kommen.“


    Marcus zögerte einen Herzschlag. Er war immer sehr sparsam mit tatsächlichen Worten der Zuneigung, fühlte sich darin noch viel ungewandter und ungelenker als in sonstigen tiefschürfigen Gesprächen. Natürlich zeigte er seine Zuneigung oft durch andere Dinge und gerade aus dem Grund, glaubte er, daß es nicht notwendig war, diese in Worte zu kleiden. Doch dies war ein gänzlich anderer Augenblick: Er zog bald in den Krieg, mit der Ungewissheit, niemals zurück zu kommen und seine Tochter hatte einfach Angst vor einer unsicheren Zukunft. So drückte er seine Tochter noch mal an sich heran und murmelte leise in seinen nicht vorhandenen Bart.


    „Ich hab Dich auch lieb, mein Kind...“


    Doch dann löste er sich, durchaus verlegen, und stand auf. Das restliche Essen ließ Marcus stehen, denn sie konnten auch noch in der Stadt etwas zu sich nehmen. Und auf die Wünsche seiner Tochter reagierte er mit einem erleichterten Lächeln. Denn das war doch etwas, was er ihr mit Leichtigkeit erfüllen konnte. Dafür mußte er nur seinen Geldbeutel öffnen.


    „Du darfst Dir aussuchen, was Du willst, mein Sonnenschein. Auch zwei oder drei Kleider...und vielleicht noch schönen Schmuck?“


    Marcus nahm ihre Hand und verließ mit ihr den Garten, um seine Tochter wenigstens mit materiellen Dingen glücklich zu machen.

    Unendliche Erleichterung machte sich in Marcus breit. Es war wohl überstanden, zumindest für den Augenblick. Und das zählte für den leidenden Marcus durchaus eine Menge. In dem Moment wünschte sich Marcus, Arrecina hätte noch eine Mutter und diese könnte mit ihr über solche Angelegenheiten sprechen. Bis vor kurzem hatte Marcus auch immer darauf vertraut, daß seine eigene Mutter diese Lücke ausfüllen würde, aber scheinbar war das Verhältnis zwischen seiner Mutter und seiner Tochter nicht immer das Beste. Aber er wußte auch, daß seine Mutter mehr Stolz auf ihren Enkel als auf ihre Enkelin verspürte, wenn er das auch stets verdrängte. Denn seine Tochter war und würde immer sein besonderer Goldschatz bleiben. Marcus hob noch mal seine Hand und strich Arrecina väterlich über die dunklen Haare.


    „Mein Sonnenschein, natürlich vertrau ich Dir. Und gewiß weiß ich, daß Du der Familie nicht schaden willst. Ich würde mich sogar so sehr auf Dich verlaßen, daß ich Dich alleine mit einem Mann laßen würde, aber man kann den Männern nun mal nicht trauen. Du bist ein hübsches Mädchen...ähm...ja junge Frau und Männer sind nun mal...nun anders als Frauen. Und zudem würden die Leute sich das Maul zerreißen, weil sie Dich nicht kennen. Verstehst Du, weswegen ich das will?“


    Marcus lehnte sich etwas zurück und winkte einem Sklaven seinen leeren Becher wieder zu füllen und verfluchte sich. Er konnte irgendwie nie die richtigen Worte finden und schwamm in einem See aus Sprachlosigkeit und Stottern.


    „Aber meine Kleine, Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Das verspreche ich Dir. Ich werde schon dafür sorgen, daß Du niemanden heiraten mußt, den Du verachtest oder verabscheust.“


    Marcus wußte zwar noch nicht genau wie, aber er würde das schon vorher noch alles regeln, ehe er in den Krieg aufbrach. Denn ob seine Mutter derartige Hemmungen hatte, da war sich Marcus nicht sicher. Im Gegenteil, er glaubte mehr, daß sie Arrecina mehr für ein nützliches Ehebündnis vermählen würde, um dann Serenus eine größere Zukunft zu ermöglichen. Doch Marcus lächelte seine Tochter zuversichtlich an, wollte ihr damit jegliche Sorge nehmen.


    „Das wird schon, mein Sonnenschein. Und? Sollen wir nun noch den Tag schön verbringen? In der Stadt oder wo auch immer Du willst, hm?“

    Verwunderung erntete Arrecina bei Marcus als er ihren weiteren Worten lauschte. Ein Vogel zwitscherte etwas unpassend in der Nähe- Marcus warf ihm einen genervten Blick zu und hätte nicht übel Lust gehabt, eine Olive nach dem Piepmatz zu werfen, der so penetrant zwitscherte- und der Wind rauschte sachte in den Ästen der Bäume. Die Worte um: Ich kann Dich nicht heiraten, weil Du mein Vater bist und Du suchst nach einem Ebenbild trafen nur auf völliges Unverständnis bei Marcus. Sicherlich, Marcus hatte seltsame Vorlieben und seiner Mutter gegenüber hegte Marcus durchaus- womöglich nur halb bewußt- solche Wünsche, aber bei seiner Tochter war das nicht aufgekommen. In seinen Augen war sie schließlich sein kleines Mädchen, sein Kind. Und solange er sich nicht von diesem Bild lösen konnte, würde Marcus ihre Worte auch nicht erahnen können von der Bedeutung her. Zudem war er sich nicht sicher, ob er sich beleidigt fühlen sollte. Verachtete und haßte sie ihn derart, daß sie sich einen Mann, der ihm ähnlich war, niemals heiraten würde? Marcus war ganz irritiert und ließ seine verschränkten Hände sinken.


    „Ja, ja, Du hast Recht, Arrecina. Ich verstehe Dich nicht. Bei Mars und Venus, das ist auch verflucht noch mal schwierig. Irgendwie scheine ich es Dir nicht Recht machen zu können. Ich habe Dir doch keine Vorwürfe wegen diesem Senator gemacht. Dennoch, Arrecina, Du bist ein junges Mädchen und kannst mir glauben, ich habe doch durchaus etwas mehr Lebenserfahrung als Du. Und aus dem Grund entscheiden die Väter für ihre Töchter, weil sie sich im Leben besser auskennen. Und auch, was andere Männer angeht.“


    Aber ehe Arrecina protestieren und auf ihre jugendliche Reife oder Ähnliches verweisen konnte, hob Marcus die Hände und seufzte resigniert. Wenn eine Frau nur lange genug auf ihn einredete, gab Marcus dann doch meist schnell auf, nur um der Situation zu entkommen.


    „Also gut, Arrecina. Ich möchte Dir nicht Steine für Dein Glück in den Weg legen. Aber es gibt gewisse Bedingungen, die eingehalten werden müßen. Erstens: Du triffst Dich nicht heimlich mit einem Mann oder mit dem Senator. Ich glaube auch nicht, daß Du das getan hättest. Aber sollte ich erfahren, daß Du es doch tust, dann werde ich keiner Hochzeit zustimmen. Zweitens: Du wirst immer einen Sklaven dabei haben, den meine Mutter ausgesucht hat. Der Sklave wird dafür sorgen, daß Dein Ansehen bewahrt bleibt. Drittens: Der Senator oder vergleichbar angesehene Mann wird sich selber darum kümmern, ob er Dich heiraten darf. Wenn er consul ist, werde ich noch eher gewillt sein, dem zuzustimmen. Aber Dir muß klar sein, Arrecina, daß Du einen Plebejer auf manus Art und Weise heiraten mußt.“


    Marcus ergriff einen Becher Wein und stürzte ihn hinunter. Seine Tochter aus seinem Schutze frei zu geben, das wollte Marcus im Grunde auf keinen Fall. Aber alles andere war nicht möglich, er wüßte schon, was für Vorhaltungen ihm sonst seine Mutter machen würde. Überhaupt, sie wäre wohl kaum begeistert davon.

    Gerade noch wollte sich Marcus in der Illusion ergehen, es wäre nun alles wieder in Lot und heile Welt, da zerstörten Arrecinas Worte seine kleine Seifenblase, die er sich um sie beide schaffen wollte. Marcus lehnte sich zurück und seufzte abgrundtief. Warum nur, mußten es Frauen derart kompliziert machen? Es mußte immer alles besprochen, geklärt und beredet werden. Reden, Reden, Reden. Was hatten die Götter nur der armen Kreatur namens Mann damit angetan, der Frau ein derart reges Mundwerk zu geben und dazu noch einen gewitzten Geist. Das mußte ja eine Katastrophe werden. Marcus hob die Hand, kratzte sich am Nacken und sah seine Tochter ungnädig an, schon etwas genervt.


    „Cinilla. Warum müßten wir das jetzt besprechen, es ist doch so ein schöner Nachmittag und...und...ich geh doch bald...“


    , fügte er mehr kläglich an, ehe er sich aufraffte und zustimmend nickte. Wenn sie das wollte, dann sollte es so sein. Also verschränkte er die Arme, abermals unbewußt, und lauschte ihren Worten. Herrje, scheinbar hatte sich seine kleine Tochter schon alles ausgemalt und wahrscheinlich war sie schon dabei, das Hochzeitskleid dafür zu weben. Hatte er als Vater nicht auch das Recht, in der Hinsicht etwas zu bestimmen? Doch, Marcus kam zu dem Schluß: er hatte es.


    „ Du hast Recht, Arrecina. Wenige Männer wären mir gut genug für Dich. Selbst die meisten Männer meines, unseres, Standes nicht. Denn ich kenne Männer durchaus besser als Du und kann einschätzen, wer Dich glücklich machen kann oder nicht und wer auch noch meinen Ansprüchen gerecht werden könnte. Ich kenne den Senator nicht sonderlich, aber Du ebenso wenig und willst mir jetzt schon sagen, Du wüßtest, daß er Dir ein gutes Leben bescheren kann? Zudem, sicherlich, er ist ein Mann mit Name und Rang, einer, der es sicherlich noch in die nobilitas schaffen kann. Oder ist er das schon...?“


    Marcus Hand hob sich und kratzte an seinem Kinn. Die Purgitier konnte Marcus nicht ganz einordnen. Eine kleine Familie mit einem Mann, der berühmt war.


    „Wenn er consul wäre, dann stände alles ganz anders. Und was soll das heißen, Du weißt nicht, ob er Dich will? Pah, der kann sich glücklich schätzen, wenn er überhaupt für Dich in Frage kommt. Bei Iunos T....ähm...ja. Nun...“


    Marcus stockte, denn in dem Augenblick fiel ihm etwas auf, was Arrecina sagte. Er hatte es womöglich erst überhört, doch dann kam es vollends in sein Bewußtsein.


    „Keiner, der nicht ich bin? Ja, Kind, was meinst Du denn damit? Du bist meine Tochter, Arrecina!!“


    ...und nicht seine Mutter, für die er tatsächlich schon von jungen Jahren an eine derartige Affinität verspürte, die Arrecina wohl ihm für sie zutraute. Entgeistert sah Marcus sie an.

    Nun war der Zorn gänzlich verraucht. So schnell wie er auch über Marcus gekommen war. Aber Marcus war ein Mann, der von Temperamenten schnell erfaßt, aber genauso eilends wieder verlaßen wurde. Und er schollt sich einen unbedachten Narren als er die Worte seiner Tochter vernahm. Natürlich! Warum hatte er einfach nicht früher daran gedacht? Zwar machte er sich Sorgen, um seine Tochter, war oft in Gedanken bei ihr, aber auf das Naheliegendste ist er nicht gekommen. Wahrscheinlich, weil Marcus sich nicht in eine Frau hinein denken konnte und das ganz gewiß auch niemals tun wollte. Dennoch wollte er nicht weiter sie mit Vorwürfen oder Diskussionen um standesgemäße Ehebünisse belästigen. Sie war doch noch so jung!


    „Mein Sonnenschein. Das tut mir Leid. Daran habe ich nicht gedacht. Aber Du mußt Dir keine Sorgen machen, für Dich wird gut gesorgt werden, wenn mir etwas paßiert und Du wirst ganz gewiß nicht mit einem alten Patrizier verheiratet werden, nur weil er ein Patrizier ist.“


    Marcus lächelte und wollte damit beruhigend auf Arrecina einwirken. Er nahm seine Tochter dann in den Arm und zog sie an sich, strich ihr väterlich durch die Haare und tätschelte ihr sanft den Rücken. Sanft, weil er sie immer für so zerbrechlich hielt, daß eine kräftigere Berührung sie sicherlich bersten laßen würde. Besonders in letzter Zeit schien Arrecina in seinen Augen noch filigraner geworden zu sein. Aber Marcus schob es immer noch auf den Verlust des Babyspecks hin- was er freilich schon seit zehn Jahren tat- und dann entließ er sie wieder aus der Umarmung. Ratlos betrachtete Marcus sie und dachte nach. Meridius oder Durus? Nein, letzter war ja Patrizier und kam somit schon von ihrer Argumentation nicht in Betracht. Und Meridius war bereits verheiratet, das wußte Marcus sicher.


    „Senator Purgitius Macer? Ähm, Arrecina...Du weißt schon, daß der Mann Dein Vater sein könnte? Oder Decimus Meridius? Der ist verheiratet, Arrecina.“


    Purgitius Macer kannte Marcus nicht länger als von gestern Abend, hatte nur von dessen großen Ruf gehört und seine freundliche Art am Abend erfahren können. Doch immer wenn es um seine Tochter und Männer ging wurde Marcus ungnädig gegenüber den Männern, die sich möglicherweise an seinen Schatz heran machen wollten. Ein Runzeln erschien zwischen Marcus Augenbrauen, doch da Marcus annahm, sie hätten nur die Begegnung auf dem Fest unter aller Augen geteilt, konnte er noch keinen Grund finden den aufkeimenden Unmut Ausdruck zu verleihen.


    „Er ist bestimmt schon verheiratet, Cinilla. Aber komm, mach Dir keine Sorgen, ich kehre schon aus dem Krieg zurück. Nun? Magst Du mit mir heute noch in die Stadt gehen? Du könntest Dir noch ein paar Dinge auf dem Markt aussuchen, ganz was Du willst. Na, hast Du Lust dazu, mein Sonnenschein?“

    Generös und breit grinsend winkte Titus Crassus ab. Womit man die Anwärter immer gleich glücklich machen konnte? Und wie strahlend sie einen dann anschauten. Wie kleine Kinder, die man mit Süßigkeiten ausgestattet hatte. Titus verstand überhaupt nicht Appius, der alle jungen Leute als unhöflich und verlogen abstempelte. Titus hatte da ganz andere Erfahrungen gemacht, wie bei dem jungen Decimus hier. Doch dann blinzelte Titus verblüfft.


    „Was? Du kannst nicht nähen? Ja, bei Iuno...ah, ich seh schon, Du kommst aus dem noblen Zweig der Decimer. Himmel, das wirst Du noch lernen müßen. Ein guter Soldat kann nähen, waschen und kochen. Besser als jede Hausfrau vom Aventin. Sehr viel besser. Und Ordnung halten, dafür sind Soldaten bekannt. Jawohl! Auf dem Feldzug bist Du für Deine Sachen selber verantwortlich.“


    Und prompt landete ein Set aus knöchernen Nadeln, Bindfaden und Knöpfen auf dem Bündel. Etwas skeptisch betrachtete Titus die Bemühungen das Horn zu blasen, zuckte dann jedoch mit der Schulter. Flötenspieler waren eben auch immer willkommen in einer Einheit.


    „Naja, kannst es aber mitnehmen, wenn Du willst. Vielleicht repariert es ja Dir jemand aus Deiner neuen Truppe.“


    Bei der Übergabe der Waffen und die anschließenden Worte konnte Titus nicht mehr. Dröhnend und brummig scholl sein Lachen durch den Raum und er hielt sich seinen wackelnden Bauch, dessen Erschütterungen sich bis zu seinem wabeligen Kinn und seine kräftigen Oberarme ausbreiteten. Erst nach einigen Herzschlägen konnte er endlich wieder aufhören, wischte sich einige Lachtränen aus den Augenwinkeln seiner kleinen, aber fröhlich funkelnden Schweinsäuglein.


    „Toll? Haha, das sind notwendige Sachen, Decimus. Damit Du den kommenden Krieg überstehst und nicht, um die Weiber damit zu beeindrucken. Das hilft zwar auch, aber was ist das schönste Weibsbild, wenn Dir ein Parther Dein bestes Teil abgehauen hat. Na, komm ich zeig's Dir mal. Ist ganz einfach...“


    Und dann zeigte Titus dem probatus, wie man den Beutel mit den notwendigen Sachen- wie Kochgeschirr, etc- packte, dieses an die Stange hängte, Rüstung und Waffen anschnallte, das Schild und anschließend die Stange mit dem Beutel über das Schild hängen ließ. Immer wieder ließ er das den jungen Mann selber machen, bis Titus der Meinung war, daß er es konnte.


    „So, nun kann's auch für Dich in den Krieg gehen. Halt Dich einfach an die Veteranen. Dann, Mars mit Dir, Decimus, und viel Erfolg in der legio. Vale!“


    Titus wandte sich um und scheuchte die letzten Soldaten herum.


    „Hopp, hopp, wir müßen los. Aber zackig.“


    Einige Jahrhunderte später in einer anderen Zeit und unter anderen und doch ähnlichen Umständen hätte Marcus womöglich romantischere Intentionen und besondere Handlungen vollzogen in jenem Augenblick auf dem Turm einer Burg. Doch das Wort Minne oder die Botschaft der Troubadoure kannte Marcus, Römer und Patrizier durch und durch, nicht im Mindesten. Die Lichter der Lagerfeuer flackerten wie muntere Feuerzungen in den Himmel und von vielen Stellen des Lagers drang Musik von Flöten und so manch einem Horn hinauf zu der Wehrmauer. Der Wind umwehte immer kühler den Turm, presste seine unsichtbaren Hände gegen die Steinmauer, glitt durch Fugen und Ritzen und umspielte den Mann und die Frau, die dort hoch oben über dem Lager waren. Die Kühle und der frische Lufthauch, der sich unter die Rüstung von Marcus schlich tat seinem überhitztem Blut sehr gut, denn gleichwohl die Rüstung ein Schutzpanzer zwischen ihm und Epicharis darstellte für jegliche lasterhafte Gedanken- und doch waren sie bei Marcus sofort gekommen- so pochte es durchaus in seinen Schläfen und noch in seinem ganzen Körper. Es war nicht der Fall, daß Marcus noble, ehrenhafte Gedanken hegte und er hätte nicht gezögert, all seine kleinen Tricks und Mittel zu nutzen, um Epicharis nicht nur in seine Unterkunft zu locken und sie- einem bösen Wolf aus dem Walde gleichend- zu schlimmeren Untaten zu bewegen und somit schnurstracks in sein Lager zu führen. Aber es war der Grund, daß er bald in den Krieg ziehen würde, daß er zögerte. Denn es bestand immer die Gefahr, daß eine Frau schwanger wurde und eine Schande derart- zumal er weit weg sein würde- wollte er Epicharis doch ersparen. So löste er sich schließlich doch ein wenig von ihr, denn Marcus kannte sich selber gut genug. Irgendwelche Vorsätze oder Vernunft waren in dem Moment zerschlagen und lösten sich wie eine Rauchfahne in der Gewalt des Windes auf, wenn die Versuchung sich ihm zu drängend darbot.


    „Dann sollten wir unbedingt den Göttern danken, daß sie uns derart ein Geschenk gemacht haben. Vielleicht bringen wir, wenn ich zurück kehre, noch Iuno ein Opfer bevor wir heiraten. Damit sie uns weiterhin diese Gunst schenkt.“


    Opferungen fühlte sich Marcus gewachsen, nur nicht das Lesen der Organe. Aber das würde er wohl auch nicht vollbringen müßen. Marcus hob seine Hand und fuhr mit seinem Daumen an Epicharis Kinn entlang, ließ den Finger dort ruhen und betrachtete sie nachdenklich. Was für ein liebreizendes Lächeln, was für eine wunderbar offene Art sie doch hatte! Nur hoffentlich war sie nicht eifersüchtig, denn daß Marcus die Gänge ins lupanar jemals sein laßen konnte, das wußte er, würde wohl nie paßieren. Doch zu dem Zeitpunkt und mit so einer vollkommen grazilen, dabei doch vereinnahmenden jungen Frau vor sich waren solche Gedanken keine, die Marcus zu beschäftigen wußten.


    „Die Zeit des Krieges wird ganz gewiß schnell herum gehen. Und ich habe wahrlich nun einen wunderbaren weiteren Grund eilends wieder nach Hause zu kommen, zu helfen, die Parther noch flugs in die Knie zu zwingen.“


    Marcus legte sanft seine Hände auf ihre Wangen und gab ihr einen Kuß, einen Leichten, der nicht sein Blut in Wallung bringen konnte, aber dennoch die Zuneigung ausdrückte, die er immer mehr für die junge Frau verspürte. Aber dann geschah, was Epicharis befürchtet hatte und das auch aus dem Grund heraus, daß Marcus meinte, sie würde wirklich frieren.


    „Gehen wir doch zurück. Die Feier wird sicherlich noch vonstatten gehen.“


    Marcus ergriff ihre Hand, um mit ihr zusammen den Turm wieder zu verlaßen und sich in das nächtliche Lager zu begeben, das gefüllt war mit vielen Soldatenherzen die bang oder eifrig darauf warteten, bald in den Krieg und in das fremde Parthia zu ziehen.

    Stumm und völlig unscheinbar standen vier Sklaven in einige Schritt Entfernung um den Vater und die Tochter. Doch selbst wenn es bei intimeren Gesprächen gewesen wäre oder selbst bei den Latrinen, es wäre Marcus nicht aufgefallen. Sein ganzes Leben lang war er von Sklaven umgeben und sah in den Meisten nicht mehr Wert als einer Vase oder einem schönen Reittier. Nur bei wenigen Sklaven hatte Marcus bis jetzt eine Ausnahme gemacht- Hannibal, Salambo oder den alten Reitmeister des Gestüts seiner Mutter, was sie vor einigen Jahren erst verkauft hatte. Doch nun unterhielt er sich darum ohne Zögern oder Zaudern mit seiner Tochter und war mehr als froh über den Vorschlag seines Kindes, das Vergangene ruhen zu laßen. Er nickte und willigte damit ein und kam lieber zu dem, was sie am Schluß ansprach. Wobei er eigentlich gar nicht gerne über solche Angelegenheiten mit seiner Tochter redete. Regeln, Standesdünkel und Erwartungshaltungen der Familie. Wie oft hatte Marcus sie verflucht, aber sich stets diesen ergeben. Meist seiner Mutter zu Liebe und irgendwann, weil er es nicht mehr anders gewohnt war.


    „Arrecina, ein Patrizier oder eine Patrizierin zu sein verlangt nun mal auch eine gewisse Würde und Standesdenken zu pflegen. Wir sind nicht der Pöbel, wir können nicht unseren Launen und unserer Liebe nachgeben. Wir müßen den niederen Ständen mehr noch ein Vorbild sein und ihnen beweisen, was es heißt ein ehrenhafter Römer oder Römerin zu sein. Wir gehören zu den Familien, die Rom zu dem gemacht haben, was die wunderschöne Stadt heute ist. Das Herz des größten Imperiums was es wohl je gegeben hat und jemals exestieren wird.“


    Sicherlich irrte sich Marcus dahingehend, aber er wußte es nicht besser und konnte es auf die Zukunft bezogen auch nicht ahnen. Er hob seine Hand und strich sanft seiner Tochter eine Strähne zurück, die er gerade noch aus ihrer Frisur gewuschelt hatte.


    „Das ist eine Last, die nicht nur Du tragen mußt, sondern ich auch. Ich würde nicht noch mal in meinem Leben heiraten, wenn ich die Wahl gehabt hätte. Aber ich möchte nicht, daß Du unglücklich wirst, darum sage ich Dir das mit der manus Ehe. Ein anderer Patrizier und Vater hätte Dir das noch nicht mal als Option vorgeschlagen. Aber ich verstehe nicht ganz, warum Du eine derart schlechte Meinung über die Patrizier hast, also die anderen Männer. Es gibt doch sicherlich den ein oder anderen Mann aus unserem Stand, der Dir gefallen könnte. Und was einen Plebejer angeht? Nun ja, ein Senator ist nicht unbedingt einem Patrizier ebenbürtig. Ein Mann der nobilitas könnte man das noch zugestehen, wobei es eine andere Würde und Bürde ist, die dieser trägt. Aber, Arrecina, möchtest Du wirklich einen consul heiraten? Die sind doch mindestens dreißig Jahre älter als Du...wie der Jetzige!“

    Das Lärmen und die Tumulte gingen um sie herum weiter. Die Scheibe der Welt- so in Marcus Vorstellungen- drehte sich unerheblich in jenen Momenten weiter, aber dennoch ohne auf ihre Belange zu achten. Und so war es scheinbar auch mit den Göttern, die in ihnen beiden nicht mehr als zwei Menschenleben in dem Treiben der ewigen Stadt sahen oder zumindest mit Kriegsplänen in Parthia- zumindest Mars- mit dem Bewachen des Goldschatzes- Saturn- oder einfach mit dem sich herumtreiben lassen und Frauen nachstellen- Iuppiter- beschäftigt waren. Nichts ahnend stand Marcus noch im Lichte von Sols Strahlen, hatte die Augenbrauen gerunzelt und starrte konzentriert auf die Wachstafel hinab. Nein, es wollte ihm einfach nicht aufgehen, was dort stand, was der Inhalt und besonders der Sinn dahinter war. Womöglich konnte er auch seinen Sklaven um Rat fragen, der hatte doch einen Faible für Philosophie- im Gegensatz zu Marcus, der Empedokles oder die Stoa für ein exotisches Gericht gehalten hätte. Doch dann kam die Lösung, von den Lippen seiner Verlobten. Marcus sah auf und Epicharis sprachlos an. Woher wußte sie das? Und das nach so einem kurzen Moment.


    „Ist das der Sinn hinter den Worten, Epicharis? Und wie hast Du das heraus gefunden? Das ist wahrlich...“


    Frauen eben, dachte sich Marcus. Die konnten so was. Wenn er da nur an seine Mutter dachte, dann verwunderte ihn das Ganze nicht. Marcus lächelte und sann einen Herzschlag über die Worte nach. Den Göttern war es egal? Nun, das klang nicht so großartig. Aber ihren Segen hatten sie?

    „Aber was wohl mit 'meinen Segen' gemeint ist? Das des Orakels? Aber nun, ich kann Deinen Scharfsinn nur bewundern, Epicharis. Dann ist das Rätsel um das Orakel gelöst. Aber ob es zufrieden stellend ist? Nun, die Götter sind nicht immer derart gnädig, unsere Wünsche sofort zu erfüllen. Aber vielleicht erkennen wir noch eines Tages, was die wirkliche Bedeutung jener Worte sind, meinst Du nicht auch?“

    Vielleicht hat mich die Sache mehr mitgenommen, als wir alle glauben. Der Zorn war mit jenen Worten aus Marcus völlig gewichen und mit einem Schlag kehrte die Besorgnis zurück, die Marcus all die letzten Monate um seine Tochter verspürt hatte, die an ihm zehrte und ihm schlaflose Nächte- metaphorisch gesehen- bereiteten. Denn Ironie war ein Stilmittel, das Marcus völlig abging. Man mußte schon mit dem ganzen Lattenzaun winken, bis Marcus auch nur ansatzweise erahnte, daß die Aussage nicht derart ernst gemeint war, wie der Urheber sie beabsichtigt hatte. Darum ging er schnell zu seiner Tochter und nahm neben ihr Platz.


    „Mein arme kleine Cinilla!“


    , sprach er und schien nicht so ganz die Worte über das Erwachsen-werden von ihrer Seite aus verstanden zu haben. Denn er hob die Hand und wuschelte ihr mit der Hand über den Kopf.

    „Das tut mir Leid. Natürlich, Du hattest einfach eine schlimme Zeit in den letzten Monaten. Ach, was bin ich doch für ein Holzklotz heute und in letzter Zeit gewesen. Es tut mir so Leid, mein Sonnenschein. Und natürlich bin ich Dir doch nicht böse. Wie könnte ich? Du bist doch mein Goldschatz, Cinilla. Du bedeutest mir doch alles auf der Welt!“


    Und mit ihren Worten kam tatsächlich alles wieder in Lot, denn daß sich seine kleine Tochter an Männer heran warf und gar lüsterne Gedanken hegte, das war völlig ausgeschloßen für Marcus. Und er wollte und konnte das nicht denken, schlug sofort jegliche Vermutungen nieder. Stattdessen betrachtete er seine Tochter und- trotz ihrer Worte- wurde sie wieder das kleine Mädchen in seinen Augen. Nur das mit der Hochzeit paßte immer noch nicht so ganz in diese Vorstellung.


    „Es tut mir leid, mein kleiner Sonnenschein. Natürlich glaube ich nicht, daß Du Dich allen Männern an den Hals wirfst. Das war wieder grob von mir. Du kennst mich doch, ich kann so schwer mit Worten umgehen. Ich bin nun mal nicht wie Manius. Aber natürlich darfst Du Dich auch mal mit einem Mann unterhalten...“


    ...solange das unter den Augen von Sklaven geschah, aber das war für Marcus derart selbstverständlich, daß er es nicht laut aussprach. Doch das mit dem Plebejer gefiel Marcus nicht, aber überhaupt nicht. So wurde er wieder etwas ernsthafter und väterlich strenger, sprach jedoch weiterhin wieder milder als noch einige Herzschläge zuvor.


    „Arrecina, wenn Du einen Plebejer heiraten willst, dann wirst Du ihn manus heiraten müßen und die Flavier aufgeben. Denn alles andere widerspricht allem, was unserer Familie wichtig ist. Zudem ist es durchaus eine Schande außerhalb des Standes zu heiraten. Selbst wenn es jemand ist aus einer guten plebejischen Familie. Nun, womöglich wäre noch einer von der nobilitas ganz passabel, aber eigentlich mußt Du auch dort Dich dem Mann überantworten, ganz und gar. Und dann könnte ich Dich nicht mehr beschützen, mein Kind.“

    Das wurde immer besser, befand Marcus. Warum war er nur nicht schon beim ersten Mal darauf gekommen? Nein, da hatte er sich draußen auf eine Bank gesetzt und hatte sich in stundenlanger, mühevoller Arbeit die Antworten zusammen gereimt, viel geraten, einmal einen Soldaten bei der Lösung einer Frage angehauen und dann ein mehr bescheidenes Ergebnis abgegeben. Aber nein, er hätte gleich Hannibal die Arbeit machen lassen können. Zufrieden lächelte Marcus und nickte dann darauf zustimmend.


    „Wunderbar, dann würde ich das gerne so handhaben.“

    Grübelnd kratzte sich Titus Crassus an seinem schwabbeligen Kinn und sah auf die tunica des Decimers. Ganz korrekt war es nicht, aber im Grunde war es Titus Crassus auch egal. Er hatte sogar schon Anwärter gehabt, die mit kompletter eigener Ausrüstung ankamen und solange sie wie die von der legio prima wirkten, war es gehopft wie gesprungen. Denn am Ende zahlte alle ihre eigene Ausrüstung selber, sie wurde ja auch vom Lohn des Soldaten abgezogen. So nickte er und grummelte leise etwas in seinen nicht vorhandenen Bart hinein.


    „Hmrhgr..nun, jaaa, also gut, Decimus. Du kannst Deine tunica tragen, aber nimm ruhig die Ollen hier als Ersatz mit, falls wir schlechtes Wetter bekommen oder so. Und in Ravenna besorg' ich schon noch die passende Ausrüstung. Oder kannst Du nähen? Ich hab nämlich noch einige Ballen Stoff, da könnt ich Dir was abzweigen.“


    Prüfend betrachtete Titus die Bemühungen von dem neuen probatus und deutet auf dessen Knöchel.


    „Von unten anfangen. Und dann mit den Lederriemen befestigen, sonst rutschen sie gleich wieder runter nach ein paar Schritt.“


    Den Soldaten hinter sich hatte Titus Crassus nicht bemerkt. Dementsprechend von hinten angegangen fuhr Titus herum.


    „Ja, bei Iuppiters Blitz, Junge...“


    Ehe der Soldat das Horn holte, nahm ihm Crassus wieder die Tafel weg und sah auf die Angaben dort. Mit gerunzelter Stirn sah Titus auf als das Horn heran geschleppt wurde.


    „Junge, Junge, Flöte...hier steht Flöte und nicht Horn. Das ist ein Unterschied in der Handhabung. Mann, Mann. Oder kannst Du auch das Horn spielen, Decimus? Aber Moment...“


    Da es Titus recht eilig hatte, schließlich wollte er noch unbedingt sich nach Mantua schleichen ehe sie aufbrachen- Ausgangssperre hin oder her, die Soldaten hatten eh schon ein geheimes System gefunden, um die zu Dehnen. Darum verschwand er schnell wieder hinten und kam mit Waffen und Rüstung zurück. Schwert, Schild, lorica segmentata und Wurfspeer, ebenso der Dolch. Dazu den klimpernden Militärgürtel und auch das Marschgepäck.


    „Sodele, da haben wir doch alles. Gladius, pilum, scutum, lorica segmentata, pugio, cingulum militare und das Marschgepäck. Na, das wirst Du auch schon Morgen früh brauchen können. Weißt Du, wie man das alles am Besten trägt?“



    Sim-Off:

    Zur Info:
    Marschgepäck
    Waffen


    Appius starrte auf die geschloßene Tür des Rekrutierungsbüro. So, das war es aber mit Anwärtern. Appius stand auf und griff nach dem Korb mit der Katze, die immer noch mißtrauisch den Hund am Ende der Lagergaße betrachtete. Der optio klemmte sich die Musterrollen unter den Arm, drehte sich noch mal um und vergewißerte sich, daß auch alles in vollkommener Ordnung zurück gelaßen wurde, dann trat er vor die Tür und hängte ein Schild an die Außenseite der Tür.



    Die legio prima befindet sich im Krieg.

    Das officium ist momentan geschloßen!


    Schritte entfernten sich und ebenso ein Körbchen mit einer kleinen Katze, dem einzigen Freund von Appius.




    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    Zitat

    Original von Spurius Purgitius Macer
    Der Schreiber grüßte, hörte aufmerksam zu und stellte fest, dass die Legio I in letzter Zeit häufiger in seinem Büro zu Gast war. Vielleicht sollte man sie mal wieder auf einen Feldzug schicken.


    "Ja, grundsätzlich ist das möglich, sofern du das Examen zum Thema Lagerbau ablegen möchtest", beantwortete er dann die gestellte Frage.


    Von möchten war kaum die Rede. Marcus haßte Prüfungen immer noch, wenn sie nicht sein Sklave erledigen konnte. Doch von einem Kollegen der ersten Legion hatte Marcus erfahren, daß man die Fragen auch zu Hause bearbeiten konnte. Darum war Marcus optimistischer, denn er würde seinen Sklaven die Arbeit machen laßen und es nur noch per Hand abschreiben, damit- bei einem Schriftvergleich- die Männer von der Akademie nicht mißtrauisch wurden. Marcus wäre nicht darauf gekommen, aber Hannibal hatte ihn vor einer Stunde in der villa das Vorgehen bei dieser Angelegenheit erläutert. Wie man betrog und belog, ja, das konnte sein Sklave, der nun mal viel gewitzter als Marcus war, sehr viel besser.


    „In der Tat, das würde ich gerne. Kann ich später meinen Sklaven schicken, um die Antworten zurück zu bringen?“

    Verständnislos betrachtete Marcus seine Tochter. Was sie genau von ihm wollte, das sagte sie ihm zwar, aber dennoch konnte Marcus es nicht so ganz einordnen. Seine Vorstellung von ihrer Konstellation, Vater und Tochter, war doch durchaus anders. Doch ihr zu Liebe hörte er sich ruhig alles an, wobei die Falte zwischen seinen Augenbrauen nicht weg gehen wollte. Herrje, wo waren die Zeiten geblieben als Arrecina noch mit einer schönen Puppe oder in Honig getauchten Früchten zufrieden war? Wo sich Probleme nur auf die nächsten Stunden bezogen, damit sie nicht Langeweile ertragen mußte oder sie unzufrieden war, weil sie einen Sklaven nicht haben durfte? Die Vorstellung- ein kleines Mädchen vor sich zu haben- schwand mit jedem Wort immer mehr in Marcus. Denn seine Tochter hatte ein Stadium erreicht, was nur Frauen besaßen: Komplikation und das Bedürfnis, alles schwieriger zu machen, als es doch in Wirklichkeit war. Zudem alles stets und immer besprechen zu wollen, Gefühle zu erläutern und ähnliches. Marcus seufzte, lehnte sich gegen die Lehne seiner Liege zurück und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust, bis er bemerkte, daß das eine Geste war, die er stets bei seiner verstorbenen Frau angewandt hatte. Abermals durch die Nase geschnaubt und Marcus stand auf, ging einige Schritte auf dem Weg neben der Liegegruppe hin und her.


    „Mein liebe Arrecina, ich habe noch nicht mal mit Deiner Mutter immer alles besprochen...“


    ...gerade nicht mir ihr.


    „Sicherlich, Lucius hat noch weniger von mir erlebt. Aber er ist stark und auch niemals, nicht einen Tag alleine gewesen, sondern stets im Schoße der Familie. Er ist ein Kind zudem. Denkst Du wirklich, ich bespreche meine Angelegenheiten mit einem Kind? Und bei Dir, Arrecina, habe ich meine Anwesenheitspflicht lange genug ernst und intensiv wahrgenommen. Bis Du schon lange im heiratsfähigem Alter warst, warst Du ständig bei mir und um mich herum. Jeder anderer Vater hätte Dich zu dem Zeitpunkt, vor drei Jahren bereits, einem anderen Mann überantwortet. Doch das wollte ich nicht für Dich...schließlich...ja...Du warst noch so jung.“


    Marcus griff sich an den Nacken und sah Arrecina verwirrt an.


    „Und was meinst Du damit, daß ich Dich beobachten laße? Das ist nicht wahr! Ich habe Dir stets vertraut. Warum hätte sich das nach Deiner Entführung ändern sollen, Arrecina. Ich habe niemanden auf Dich angesetzt. Ich habe nur gehofft, daß Du hier die Ruhe findest, Dich wieder an alles zu erinnern.“


    Kopfschüttelnd nahm Marcus wieder Platz, den Drang sich zu bewegen hatte er genug ausgelebt.


    „Liebe, Gefühle, glückliches Leben? Arrecina, Arrecina, glaubst Du das wirklich in einer Ehe zu finden? Außerdem ist mir doch auch an Deinem Wohl gelegen, sonst hätte ich Dich schon längst einem Mann wie Claudius Vesuvianus oder Tiberius Durus versprochen. Beides gute und ehrenhafte Männer...“


    Jetzt fiel Marcus erst ein kleines Detail in Arrecinas Rede auf. Den, den er damals abgewiesen hat? Wenn sie einen Mann traf, der sie glücklich machen würde, aber kein Patrizier war? Marcus kombinierte. Es dauerte. Ein Herzschlag, noch einer und dann ein Dutzend. Schließlich sah er von dem grünen Flecken Gras auf, was ihm als Gedächtnisstütze helfen konnte. Hätte er es nicht sogar heute schon von jenem Caecilier gehabt, dann wäre es ihm womöglich gar nicht aufgefallen.


    „Was...? Soll das heißen, Du bist Caecilius Crassus schon vorher begegnet? Hattet ihr etwa ein Techtelmechtel miteinander? Ist das der Grund, daß der unverschämte Kerl bei mir angetanzt ist?“


    Marcus sah seine Tochter sprachlos an, konnte diese Vermutung nicht wirklich faßen, aber es mußte so sein.


    „Und warum, meine liebe Tochter, hast Du es nicht für nötig erachtet, mich vorher zu informieren? Zudem: Der Mann ist aufs übelste aufgetreten, hat die Flavier und unseren ganzen Stand diffamiert und mir ins Gesicht gesagt, ich könne doch froh sein, einen solchen Kandidaten für Dich zu bekommen. Und so einem unverschämten Wicht hätte ich Dich geben sollen? So einem Grobian und Prahler?“


    Abweisend kratzte sich Marcus an der Wange und abermals eröffnete sich ihm eine weitere Erkenntnis.


    „Und wer ist das, von dem Du noch nicht mal weißt, ob er Dich haben will? Herrje, Arrecina, mir wirfst Du vor, ich würde nicht mit Dir sprechen, aber scheinbar wirfst Du Dich laufend Männern hinter meinem Rücken an den Hals...“


    Erst als Marcus das aussprach- er hatte nicht darüber nachgedacht- wurde er sich der Bedeutung klar. Schockiert starrte er seine Tochter, sein Kind an. Sie war doch noch so jung, nein, das konnte irgendwie nicht sein.

    Einige Steine sprangen munter davon als Marcus weiter an der Seite seiner centuria entlang schritt und seine Hände an die Riemen des Schildes legte. Ein einzelner Schweißtropfen ran ihm an der Schläfe entlang, spielte in seinen Augenwinkeln. Erst als Marcus blinzelte, wischte sich dieser hin fort. Mit zusammen gekniffenen Augen spähte Marcus nach vorne, betrachtete die Marschordnung der Männer und nickte zufrieden. Die Worte von Priscus quittierte Marcus mit einem Schulter zucken. Aber das mit dem quaestor leuchtete Marcus durchaus ein. Und die Redegewandheit jenes Mannes, überhaupt das Bedürfnis lange Reden zu schwingen, lag auch in der Natur von Politikern.


    „Nun, wir werden es sicherlich noch erfahren. Und wie ist die Stimmung unter den Männern? Sind sie optimistisch?“


    Einige Zeit später:
    Die letzten Monate, die Marcus nicht mehr aktiv auf dem campus verbracht hatte- das Rumscheuchen von probati mit seiner vitis zählte nicht unbedingt als sehr schweißtreibend- hatte Spuren bei Marcus hinterlaßen. Nicht nur die überzähligen Pfunde, die er nun mit jedem Schritt schleppen mußte, sondern auch, daß er doch schneller außer Puste geriet und oftmals so hochrot war, daß man meinte, er würde gleich von der Hitze dar nieder gestreckt werden. Doch nach langem Marsch kam das Ziel immer näher, ebenso- wenn er die Zeit noch finden könnte- womöglich einige vergnügliche Stunden bei seinem Onkel. Schon von weitem meinte Marcus den Geruch von Salzwasser in seiner Nase ausmachen zu können, selbst wenn es noch dauern würde, bis sie das blau glitzernde Meer erblicken würden. An jener Wegstrecke war auch die größte Ablenkung das Auftauchen ihres legatus- mal abgesehen von manchen italischen Bewohnern, die dem Aufmarsch der Legion zuschauten oder manches Mal ihnen zuwinkte, sogar zujubelten als ob sie jetzt schon Helden wären, dabei waren sie erst noch auf dem Weg in den Krieg. Marcus hob den Blick an, als der Legat an ihnen vorbei galoppierte, Marcus spähte einige Herzschläge nach vorne, doch dann gab er sich wieder dem üblichen Marschtrott hin.




    Edit 1-3: simoff angefügt, aber wieder entfernt, weil es sich erledigt hat.

    Einige Soldaten schleppten ein paar große Kisten an dem Decimer vorbei, gerade als dieser die Kammer betreten hatte, die wie leer gefegt wirkte. Nur ein einzelner Hocker stand in der Mitte, wie vergessen und verloren und dahinter, mit einer Wachstafel in der Hand, stand ein dickleibiger Mann in dunkelgrüner Soldatentunica. Schwungvoll hakte er etwas auf der Wachstafel ab und sah überrascht auf, als er angesprochen wurde.


    „Woas? Ein neuer probatus? Ja, bei Venus Titten, das gib's doch nicht...“


    Titus Crassus, so der Name des optio, sah Serapio einen Herzschlag verwirrt und dann auch ratlos an. Doch dann schlich sich sofort ein breites Grinsen auf sein rundes Gesicht mit dem Doppelkinn.


    „Aiaiai, da hast Du aber wirklich das noch auf den allerletzten Drücker geschafft, Junge. Na, salve, salve und herzlich Willkommen. Dein Dank kann an Fortuna gehen, denn eigentlich wollte ich grade die Rüstkammer abschließen und mich den Truppen anschließen. Wo ist denn Deine tabula? Die Schreckschraube Appius hat es bestimmt nicht vergeßen, sie Dir zu geben, hm? Hah, das wäre schön, wenn ich ihn mal dabei erwischen würde...naja...“


    Schwer seufzend sah sich Titus um und deutete Serapio genau an der Stelle zu warten. Mit stapfenden Schritten verschwand Titus in dem Nachbarraum. Ein Poltern und Grummeln, ein Fluchen und einige unflätige Worte drangen bis nach vorne, dann kehrte Appius mit einem Riesenbündel wieder.


    „Bei Mars Bart, dummerweise ist das Meiste schon an die Soldaten ausgegeben worden und ich habe noch nicht mal annähernd den vollen Bestand hier. Wir werden uns wohl mit einer Notlösung begnügen müßen. Ja, bei allen Göttern, was ist denn das? Mann, Mann, dabei sag ich doch schon immer: 'Nicht mit den tunicae der centuriones waschen. Die roten Beeren färben ab.' Hach, man muß immer alles selber machen. Dabei muß doch ein guter Soldat kochen, waschen und nähen können. Und was bekomme ich ab? Die Unfähigen. Naja, Junge, wird schon.“


    Titus Crassus nahm drei tunicae, eine Graugrüne, die an Serapio etwas sackartig sein würde, eine Braune, die noch etwas umgenäht werden müßte, damit sie nicht zu lang ist, und eine beige-rosa Gefleckte, die wohl eindeutig die Farbe der roten tunicae angenommen hatte. Immerhin, der Umhang, paenula, war in einem dezenten Dunkelgrau.


    „Tut mir leid, wir haben keine Anderen mehr. Vielleicht kann ich Dir unterwegs noch was Besseres besorgen, Decimus. So, dann hier die übrige Kleidung. Schau mal, ob Dir die Sachen passen. Also die Stiefel, da hätte ich noch ein anderes Paar, das subarmalium, die feminalia und so weiter. Die tibialiae passen jedem, mußt sie nur wickeln.“




    Sim-Off:

    Zur Info: Militärkleidung




    Verwirrt sah Appius auf seine tabula hinab. Die Konfusion rührte immer noch daher, daß ihn die Eröffnung des praefectus, aber auch dessen höchstpersönliches Erscheinen in seinem kleinen Reich, was Appius nun für lange Zeit verlaßen mußte, völlig aus dem Konzept gebracht hatte. Name? War da. Herkunft? Ebenso. Krankheiten? Auch. Und Fähigkeiten hatte er gerade erfragt. Appius notierte es sich, machte einen kleine Querverweis zu dem Musikinstrument.


    „Ich habe nicht nach Deiner Familie gefragt, Decimus! Und was soll das für eine Sprache sein? Mundart? So was können wir in der Legion nicht gebrauchen, außerdem ist das wirklich nichts Unnormales. Na, immerhin kein Suburakauderwelsch.“


    , meinte Appius barsch. Daß die Decimer, seiner Meinung nach, wohl irgendeinen Vorteil daraus schlagen wollten, weil sie den gleichen Namen trugen wie der legatus, womöglich auch enger mit ihm verwandt waren, das erlebte Appius nicht zum ersten Mal und es gefiel ihm immer weniger. Appius griff nach einer leeren tabula, machte einige Initialen darauf.


    „Immerhin hast Du schon mal in Deinem Leben gearbeitet und nicht nur der Familie auf der Tasche gelegen, wie die Meisten heutzutage. Ja, ja, die Jugend von heute, verkommen und verlodert. Und das mit der Flöte kannst Du ruhig in Deiner neuen centuria erwähnen, Musikanten sind immer gerne gesehen.“


    Bei dem letzten Satz war Appius deutlich milder, doch dann hob er den Kopf, sah den Decimer nochmal genauer an und hob beide Augenbrauen. Dabei reichte er Serapio die Wachstafel.


    „Aber gegen Dein Lodderaussehen müßen wir noch was machen. Hier, nimm die Wachstafel. Zuerst meldest Du Dich im valetudinarium, anschließend in der Rüstkammer. Und dann gehst Du zum Barbier. Die Haare müssen ab, bis auf Daumen breit, verstanden? Danach läßt Du Dich zum Fahnenplatz führen, in Rüstung und Helm und schwörst den Eid. Die Wachstafel läßt Du Dir vom medicus und dem optio in der Ausrüstungskammer abzeichnen. Verstanden? Findest Du den Weg?“



    [Blockierte Grafik: http://img510.imageshack.us/img510/268/leg1optiopf1.png]

    In einer Explosion aus feuerroten Farben, von Orange-Gelb bis zu einem tiefen Purpur- was in den Tiefen eines Lagerfeuers lodern würde- versank die Sonne hinter dem Horizont, wurde von dem heranziehenden Blau der Nacht verschluckt und gab nur noch einen letzten Schimmer Preis, ehe die letzten Farben in milden Pastelltöne verblasste. Der Abendstern- die Venus- offerierte ihr Licht und ein Stern nach dem Anderen zeigte sich erst zögerlich, dann mit größerer Freude am Firmament. Marcus bemerkte das jedoch nicht, hatte weder Augen noch Sinne für den Sonnenuntergang übrig- wie sonst wohl auch kaum. Sanfte Haut spürte Marcus mit seinen Lippen, küßte Epicharis erst hauchzart, fühlte ihren betörend duftenden Körper an sich, wenn auch die Rüstung viel zu dämpfen vermochte- was vielleicht gut war und Marcus Blut nicht gleich hoch schießen ließ. Sachte glitt seine Hand an ihrem Kinn entlang bis zu ihrem Hals. Seine Fingerspitzen ertasteten ihr Ohrläppchen und strichen dann durch den Ansatz ihrer Haare.


    Nachdem Marcus einige Herzschläge lang, milde mit seinen Lippen die von Epicharis erkundet hatte, öffnete er ganz langsam seinen Mund, umgriff ihre Unterlippe und ging dann noch ein wenig weiter. Es war schon gut, daß die Rüstung sie noch trennte. Denn gleichwohl Marcus nicht zur Gänze ihren Körper spüren konnte, ging sein Atem doch jetzt schon bedeutend schneller. Es lag auch schon einige Tage her, daß er bei einer Frau gelegen hatte und Epicharis schmeckte wie Ambrosia in jenem Moment, ihr Duft war wie das süßeste Parfüm und ihre weiche Haut für ihn aufwühlend. Ein Herzschlag schien sich in eine Unendlichkeit zu dehnen, der Kuss wollte nicht enden und Marcus gedachte in jenem Augenblick auch nicht das zu tun. Und dann war die Zeit schneller verflogen als er es gedacht hätte, langsam löste sich Marcus nach dieser verworrenen Blase der Zeit und dem langen Kuss. Erstaunt bemerkte Marcus, daß nur noch ein schmaler Lichtschein am Horizont zu sehen und sie im Licht der Sterne getaucht waren, die nicht sehr viel erhellten.


    Der erste Nachtwind kam auf und Marcus sah zum ersten Mal das dünne Kleidchen von Epicharis, meinte sogar eine Gänsehaut bei ihr zu entdecken. Aber Marcus war sich dessen nicht ganz sicher, litt er doch durchaus unter einer gewissen Nachtblindheit- wenn auch nur in schwacher Form. Trotzdem löste er den leichten Umhang, der mehr zur Zierde über seiner Rüstung hing, die Wärme seines Körpers schon aufgesogen hatte und legte diesen um Epicharis Schultern. Die goldsilberne Schließe klickte leise, als er sie zu machte. Daß Marcus mal fror, war nur im Winter so- oder während Germanias kalten Nächten. Doch nicht zu dieser Zeit und in Italia, selbst wenn es mal frischer wurde. Immer noch hielt Marcus einen Arm um Epicharis geschlungen und strich mit der anderen Hand unter ihrem Kinn entlang.


    „Schöne Epicharis, ich muß etwas zugeben. Anfangs war ich nicht sonderlich davon angetan wieder zu heiraten. Meine erste Ehe war...nun, sagen wir, sie war nicht sehr erbaulich. Aber ich bin wahrlich positiv von Dir angetan. Du bist charmant, klug, freundlich und wunderschön. Ein Geschenk der Götter.“


    Marcus lächelte und fuhr mit seinem Daumen angedeutet an ihrer Unterlippe entlang.

    Zitat

    Original von Marcus Valerius Mercurinus
    Der Scriba nickt, notiert und schaut auf. "Gab es eine Feier*? An welchem Datum fand sie statt? Ansonsten kann ich das heutige Datum eintragen."


    Das letzte Mal hatte es bei Marcus erster Verlöbniseintragung keine solche Fragen gegeben, was daran lag, daß seine Mutter das erledigt hatte und zudem es keine Feier gab. Denn seine verstorbene Frau war schon in anderen Umständen gewesen und trug bereits seine kleine Tochter im Bauch. Marcus nickte jedoch, wollte die Fragen des Mannes gewißenhaft beantworten, schließlich sollte da kein Fehler dabei sein. Er runzelte die Stirn und sann über das Datum nach, ehe es ihm dann doch noch einfiel.


    „Es fand eine Feier statt, sie wurde 12 Tage vor dem ersten Tag des Monats maius gefeiert, ein Tag nach der cerialia. Es wäre uns Recht, wenn Du das Datum eintragen könntest und nicht das Heutige.“