„Tatsächlich. Nun, du kennst Deine Frau sicherlich besser als ich.“
Marcus zuckte mit der Schulter, denn er wollte nicht auf Gracchus belehrend oder besserwisserisch wirken, wo Marcus es wohl schwerlich beurteilen könnte- Gracchus Familie und Privatleben kannte er nur aus wenigen Begebenheiten, die er in Gracchus Leben geteilt hatte. Marcus musterte seinen Vetter dann stumm und er fühlte ein tiefes sympathisches Mitgefühl für ihn. Sicherlich, Sympathie hegte Marcus ohnehin für seinen klugen, wenn auch schrulligen Vetter, aber die Misere einer unglücklichen Ehe konnte Marcus ganz und gar nachvollziehen. Und auch er wußte nicht, wie es sich in seiner Zukunft verhalten würde, die noch so fern durch den Krieg wirkte. Marcus Mundwinkel hoben sich und er winkte gelassen ab. Mit Worten war Marcus eindeutig nicht so versiert wie Gracchus.
„So meinte ich das auch nicht, Manius. Mein Sohn bedeutet mir sehr viel, meine Familie ist alles, was mir auf der Welt bedeutet und ich bin sehr stolz auf meinen Jungen, sogar wenn er mich an der Nase herumführt- wenn nicht sogar insbesondere dann…ähm…nun…zumindest nachdem ich dann aufgehört habe mich darüber zu ärgern. Er ist nun mal ein kluger Junge und ja…wissbegierig.“
Marcus lächelte und freute sich darüber, daß sein Sohn ein derartig guten Eindruck bei Gracchus hinterlaßen hatte, nein, er war sogar im höchsten Maße zufrieden darüber, zeugte es doch davon, was sein Sohn alles vollbringen konnte. Ein guter Junge, abgesehen von gestern Nacht und jetzt wo er verschwunden war. Marcus Mundwinkel senkten sich erneut und er kratzte sich an der Schläfe Gedanken verloren, grübelnd, wie er seinen Sohn am Besten auffinden konnte.
„Aber was meinen Sohn angeht, kenne ich ihn doch um Jahre besser als Du, Manius. Sei gewiß, er ist ein Schlingel und Frechdachs durch und durch, nur ein Brillanter dazu.“
Marcus streckte sich wohlig, denn eine Massage nach dem Aufstehen war genau das Richtige, was er nach so einem Abend mit viel Wein und noch viel mehr Essen gebrauchen konnte. Obwohl er durchaus ordentlich zugelangt hatte, war er erneut hungrig wie ein Bär nach dem Winterschlaf- nur daß er im Gegensatz zu dem Tier aus dem Walde nicht derart von seinen Fettreserven befreit war. Abermals verwundert wölbte Marcus seine Augenbraue in die Höhe. Die Angewohnheit früh aufzustehen hatte er in der legio freilich auch, aber nur gezwungenermaßen. Interessiert- wie immer wenn es um die Belange der Familie ging- lauschte Marcus. Die arme Minervina, dachte Marcus gleich. Wie gebeutelt mußte das junge Ding sein, das zerbrechliche kleine Mädchen- Leontia, Minervina und seine eigene Tochter waren in Marcus Augen noch mehr Kinder als Frauen. Spontan entschloß sich Marcus, daß er etwas tun mußte, damit Minervina in Zukunft sicher war. Einige Leibsklaven, am Besten einen Gladiator, der sie vor allen Widrigkeiten schützen vermochte. Wobei Gladiatoren doch nichts anderes als abgerichtete Bestien war. Marcus grübelte schon über einen geeigneten Kandidaten nach als sein Vetter einen Namen nannte, der all seine Nackenhaare aufsträuben ließ. Caecilius! Der praefectus! Marcus Atem stob schnaubend durch seine Nase und sein Ohr gehörte wieder ganz seinem Vetter.
Mit wachsendem Unmut lauschte er dessen Worten. Und es brauchte eine Weile bis die ganze Bedeutung- nun sagen wir mal, der Ansatz davon- bei Marcus ankam. Ungläubig starrte Marcus seinen Vetter an, die Selbstvorwürfe von ihm registrierte er nur am Rande, nickte flüchtig. Caecilius Crassus, diesem Mann war Minervina auf einer Feier begegnet und dann wie eine Närrin hinter her gereist? Marcus konnte es nicht fassen und schüttelt dann verwirrt den Kopf. Crassus war noch vor einigen Monaten in der Villa gewesen, um um seine Tochter Arrecina zu werben- auf eine Weise, wie sich Marcus das niemals hätte vorstellen können, beleidigend und anmaßend- und dann hatte er ein Techtelmechtel mit seiner Base? Und die fiel auch noch auf diesen Aufschneider herein. Zudem befreite er diese noch von Räubern? Räuber…Räuber…Marcus Augenbrauen zogen sich zusammen und Mißtrauen- wider Marcus sonstiger Natur, der doch mehr das Gute in den Menschen sehen wollte und auch in dieser Angelegenheit Minervina doch sofort frei von jeder Schuld sprechen wollte, sie wurde nun mal von einem skrupellosen Mann herein gelegt- keimte in Marcus auf. Erneut schnaubte Marcus und griff nach dem Brot, was die Sklavin herein gebracht hatte. Grob riß er ein Stück aus dem Laib, als ob er damit seinen Ärger bezeugen wollte.
„Caecilius Crassus, dieser Parvenue! Oh, Manius, ich sage Dir, wenn ich den Namen schon höre, dann…ja…werde ich halt wütend. Hab ich Dir erzählt, daß er vor einiger Zeit in die villa Flavia gekommen ist und um die Hand meiner Tochter angehalten hat? Ich habe noch nie einen derart unverschämten Kerl erlebt, der schlägt sogar noch diesen Aurelier…wie hieß er noch mal?...ähm diesen Antontinus oder so…dieser Crassus hat im selben Atemzug noch unseren gesamten Stand defamiert…aber was rede ich da? Ich meine, Du hast mir doch bei dem Brief geholfen, den ich ihm als endgültige Absage zugeschickt habe…so eloquent wie Du das formuliert hast…das kannst Du wahrlich gut.“
Marcus atmete tief ein und aus, die Wut wurde stärker als er an die Abgründe jenes Mannes- worin sich Marcus gerade mit tiefer Lust hinein steigerte- dachte. Sein Hals färbte sich rot und auch sein Gesicht- was immer passierte, wenn er sehr zornig, aber auch wenn er verlegen wurde. Marcus biß in das Brot und kaute mechanisch, schluckte das Stück Brot hinunter, so daß es ihm fast in der Kehle stecken blieb. Heftig hustend versuchte Marcus sich davon zu befreien, was ihm erst durch einen tiefen Schluck Wein gelang.
„Puh…also, Manius, ich würde mich nicht wundern, wenn dieser Kerl alles arrangiert hätte, um sich der nächsten Flavierin habhaft zu werden. Wahrscheinlich ist er sehr begierig auf unseren Namen und sich bei uns einzudrängen. Die Feier, ein junges und unschuldiges Mädchen, was er verführen kann, eine fingierte Entführung, er als strahlender Held und somit ein Freund der Familie. Pah! Bei Mars Faust, ich wette mit Dir, Manius, der hat alles so eingefädelt. Die arme Minervina. Ist so einem Kerl auch noch auf dem Leim gegangen. Herrje!“
Marcus schüttelte den Kopf und sah empört, wütend und dann durchaus wegen der armen, kleinen Minervina bewegt seinen Vetter an.