Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Marcus richtete sich ein Stück auf als der primus pilus an den Reihen in voller Montur vorbei marschierte. Neidlos mußte Marcus zugeben, daß Avitus einfach die Autorität in Person war. Es gab Menschen, die von Natur aus dies auszustrahlen vermochten und Befehlsgewalt durchsetzen konnten. Das merkte man bei der ersten cohors, die sich doch grader hinstellten und gespannt ihrem Vorgesetzten entgegen blickten, erwartungsvoll ob jetzt bedeutsame Befehle verkündet wurden. Marcus konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen als er die Worte von Avitus hörte, denn dieser sprach ihm aus dem Herzen ohne es wohl zu ahnen. Gleichwohl Marcus nicht zu denen gehörte, die Ruhm und Ehre hinter her jagten, war er doch langsam des Wartens ebenso überdrüssig, wie manch einem seiner Untergebenen. Noch waren die Soldaten motiviert und bereit, in den Krieg zu ziehen, um das römische Imperium als das darzustellen, was sie waren- eine unschlagbare Militärmacht. Doch bald würde dieser geistige Höhepunkt überwunden werde und die Soldaten würden unzufrieden werden. Zudem war so manch einer seiner Soldaten begierig darauf, die Gelegenheit zu erhalten viel Beute im Reichen Osten zu machen, um nach der Dienstzeit noch einige gute Jahre zu verbringen.


    Marcus wandte seinen Kopf in Richtung der ersten centuria von wo er das Klopfen auf die Schilde vernahm, seine Soldaten nahmen das ebenfalls auf und schlugen rhythmisch gegen die Holzschilde. Auch Marcus, der sich der Stimmung anschloß, schlug mit seiner Faust gegen das Holz seines schwarzen Schildes. Marcus stützte sich mit seinen Handballen auf dem Schild vor sich ab und ließ seinen Blick über die Männer schweifen, sah in einige vor Aufregung gerötete Gesichter, ganz als ob sie nur wenige Momente vor einer Schlacht standen wirkten sie. Marcus Mundwinkel hob sich ein wenig. Hoffentlich würde es bald losgehen. Marcus sah den centurio der Dritten vortreten und hob sein Schild, um dessen Beispiel zu folgen. Marcus stapfte nach vorne zu Avitus, schlug seine Hand zum Gruße vor die linke Brust. Sein flavischer Siegelring klackte dabei leise gegen das Metall der Rüstung.


    Ave, primus pilus. Die Zweite ist Abmarsch bereit.“


    Solche Meldung kam auch von seinem geschätzten Mitcenturio Bruseus.

    War es Entgeisterung in Marcus Gesicht bei der Erwähnung des actaartikels? Marcus hatte nicht die blaßeste Ahnung, was Epicharis mit einem Artikel meinen könnte, schließlich las Marcus die acta so gut wie nie und ließ sich mehr von seinen Mitcenturio diesbezüglich informieren. Womöglich sollte Marcus mal doch einen Blick in die staatliche Zeitung werfen. Jedoch gedachte Marcus nicht, die cohortes in dieser Angelegenheit zu involvieren, denn seine Meinung bezüglich einer Effektivität solcher Maßnahmen waren deutlich bescheiden. Er vertraute mehr darauf, daß sein Sklave seinen Sohn finden würde. Schritte hallten in dem Gang entlang und Marcus wandte sich dem Neuankommenden um. Die in seinem Gesicht eingegrabene Sorge schwand für einige Herzschläge, stattdessen nickte er Vesuvianus freundlich zu.


    Salve, Vesuvianus.“


    Marcus sah von Vater zu Tochter und seine Mundwinkel hoben sich ein Wenig.


    „Dann sind wir wohl bereit.“


    Aber ob das officium schon bereit war für ihr Eintreten, war eine andere Sache. Marcus legte eine Hand auf dem Rücken und warf dem claudischen Sklaven einen fragenden Blick zu, für den Fall, daß sie schon herein gebeten wurden.

    Überrascht wölbte sich Marcus Augenbraue in die Höhe und er betrachtete seinen Vetter aufmerksam, während er seine tunica glatt zupfte und mit einer Hand nach einem mit Silber beschlagenen Gürtel griff, um ihn um seine Taille zu gürten und ebenso dabei den leichten Bauchansatz zu kaschieren, den er seitdem er centurio geworden ist, wieder erworben hatte. Wenn er auch vom Gewicht bei Weitem noch nicht die- wie man es wohl freundlich sagen könnte- Stattlichkeit erreicht hatte von seiner Zeit vor der Legio und welche Ergebnis zahlreicher Orgien und Freßgelage war. Die Verwunderung, die Marcus nun verspürte, rührte von Grachus Worten seiner Frau betreffend. Hieß das, daß Gracchus womöglich gar nichts vom wahren Empfinden seiner Frau wußte? Marcus hob seine Hand ratlos, strich sich durch seine kurzen, schwarzen Haare und zuckte mit der Schulter.


    „Vielleicht irre ich mich ja, aber ich hatte gestern das Gefühl, sie freut sich besonders Dich zu sehen, Manius. Eine Frau lächelte ihren Mann nicht derart an, wenn sie ihn verachtet. Nein, das herablassende Lächeln einer Ehefrau kenne ich wahrlich gut genug.“


    Marcus erhob sich seufzend und griff nach der Weinamphore. Da er die Sklavin fort geschickt hatte, mußte er sich selber einschenken, was er tat und auch Gracchus den Becher auffüllte. Unter seinen bloßen Füßen spürte er den kühlen Marmor aus Africa bis er sich wieder auf die Kline zurück begab und sich seinem dritten Becher an dem Morgen widmete. Bezüglich der Rethorik winkte Marcus ab, denn im Grunde und wäre es nicht Gracchus gegenüber, wäre eine derartige Offenbarung seiner Unkenntnis Marcus peinlich. Denn von ihm als Patrizier erwartete man nun einmal Bildung und Eloquenz, was er Beides nicht besaß. Und mit einer geschulten Stimme konnte man diese Mankos nicht aufwiegen.


    „Mach Dir nichts draus, Manius. Ich habe schließlich den Sinn durchaus noch verstanden. Und Serenus hat Dich wirklich zu dem cursus begleitet? In der Tat, er ist talentiert in solchen Belangen. Ach, das muß er von seiner Großmutter haben. Von mir sicherlich nicht. Aus ihm wird, wenn ich ihm nach der Sache von gestern den Hintern versohlt habe, bestimmt mal ein aufgeweckter und aufstrebender Flavier. Meine Mutter wird sicherlich mit ihm zufriedener sein…“


    …als mit Marcus selber, dessen war sich Marcus stets bewußt und hatte durchaus gemerkt, daß seine Mutter mehr ihre Hoffnung auf Serenus als ihren eigenen Sohn legte. Doch, da er seinen Kindern gegenüber keine Eifersucht verspüren konnte, lachte Marcus, ob der Worte von Gracchus.


    “Serenus und untadelig? Ich bin beeindruckt von meinem Sohn, daß er Dich derart getäuscht hat, Manius. Serenus kommt in mancher Hinsicht sehr mir nach und frei von Tadel war ich bei weitem niemals in meinem Leben. Mein Junge hat mich schon früher stets versucht herein zu legen…was ihm oft gelungen ist, peinlicherweise. Aber da bin ich beruhigt, daß ich nicht der Einzige bin, der sich von Serenus derart hinters Licht führen lässt. Und was den Hauslehrer angeht. Nun, ich war nicht dabei, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, daß Serenus verstanden hat, was er hören wollte.“


    Kopfschüttelnd und schmunzelnd dachte Marcus über die Worte von Gracchus nach, verstand seine Aussage nicht so ganz. Marcus hielt von Gracchus derart große Stücke, daß ein solch vernichtendes Urteil für ihn außer Frage stand. Gracchus war gebildet, ein Genie und wahrlich strebsam, fleißig und tugendhaft. Er verkörperte das Ideal eines Patriziers, mal von der kleinen Marotte mit den Knaben abgesehen- aber Marcus fand, jeder Mensch mußte auch eine kleine Schwäche haben.


    „Herrje, Manius. Du warst mir eine sehr große Hilfe in der Vergangenheit. Es ehrt Dich, daß Du Dein Tun so derart der Größe nehmen willst, die sie eigentlich verdient. Darum laß’ mich wenigstens die Wahrheit aussprechen und wenn ich mich revanchieren kann, dann sag’ es mir einfach. Sag mal, hast Du schon gefrühstückt?“


    Marcus klatschte in die Hand und die junge Sklavin erschien einen Herzschlag später.


    „Bring uns ein kleines Mahl!“


    Die Sklavin neigte den Kopf und entschwand. Marcus wandte sich derweil wieder seinem Vetter zu und grinste schief.


    „Also ich komme bestimmt nicht in Verlegenheit oder dem Streben, die Welt im Alleingang zu erobern. Im Gegenteil, die Anteile an Ehrgeiz, die wohl unsere erfolgreichen Familienmitglieder haben, sind mir nicht gegeben worden. Für mich zählt die Familie auch mehr als irgendein Amt. Ah, übrigens, was ist eigentlich mit der jungen Minervina in Hispania passiert? Sie wurde von Räubern überfallen? Ist sie gar diesen Verrätern in die Hände gefallen? Und dann war sie im Lager der Praetorianer? “

    Langsam ließ Marcus seine Finger durch das Wasser gleiten, wie ein feiner Schleier aus Kühle und Näße zog sich das naße Blau über seine Hand. Die Fische huschten schnell von dem Schatten seiner Hand davon und tummelten sich auf der anderen Seite des Teiches. Ein wenig Hunger keimte abermals in Marcus auf, während er über seine Kinder, insbesondere den verschwundenen Serenus und auch seine Tochter, immer noch Quell seiner Sorgen, nachdachte. So bemerkte er kaum, daß schon eine Weile vergangen war ehe seine Tochter den Garten betrat. Der Schatten ihrer schlanken Gestalt fiel auf den Teich und Marcus hob den Kopf. Ein warmes Lächeln glitt auf seine Züge und in seine braunen Augen trat der liebevolle Ausdruck, den er stets offenbarte, wenn er seine Tochter sah.


    „Cinilla, mein Sonnenschein.“


    Marcus stand auf und trat einen Schritt auf sie zu. Doch etwas an der Haltung, an dem Ausdruck in ihren Augen erschien ihm abermals derartig fremd, daß es ihn zögern ließ. Früher hätte er nicht gezaudert und hätte sie in seine Arme geschlossen. Du wolltest mich sehen… Reserviert und abweisend erschien ihm das. Der Fluch…oder doch die Feier von Gestern? Der Ausdruck von Haß, den Marcus an dem Abend bei ihr gesehen hatte, war nicht vergeßen, wenn er es auch bis zu jenem Augenblick verdrängt hatte. Marcus atmete tief ein.


    „Nun, möchtest Du vielleicht mit mir das Abendessen einnehmen?“

    Stumm betrachtete Marcus den goldenen Käfig, der in den Zweigen eines Baumes des flavischen Gartens hing. Ein kleiner unscheinbarer Vogel hüpfte auf den geschnitzten Zweigen aus Ebenholz in dem Käfig. Selbst der Trink- und Körnernapf des Vogels war aus Gold und Silber angefertigt, die einzelnen Gitterstäbe waren mit funkelnden Rubinen veredelt, so klein, daß sie nur im strahlenden Sonnenlicht auffielen und leuchteten. Marcus hob die Hand und drehte den Vogelkäfig hin und her, der Vogel flatterte erschrocken an die Wand des Käfiges und schlug wild mit den Flügeln. Marcus ließ schnell wieder von dem Käfig ab, denn er meinte das rasende Herz in der kleinen Brust des Tieres sehen zu können. Marcus seufzte schwer und wandte sich zu dem älteren Mann hinter sich um. Streng sah er den Sklaven an, hochmütig war Marcus Mienenspiel in jenem Augenblick, denn Sklaven gegenüber war Marcus selten- eigentlich fast nie- so herzlich und verzeihend gegenüber wie seiner Familie. Zudem war Marcus im höchsten Maße unzufrieden, denn der Sklave brachte ihm nicht die gewünschte Nachricht, nämlich den Verbleib seines Sohnes.


    „Tot? Alle?“


    Der ältere Sklave, den Marcus als viel zu dick empfand, nickte und schüttelte sofort den Kopf.


    „Ja, nein…Herr, wir wissen es nicht. Genaueres ist uns unbekannt, die Soldaten waren zu schnell vor Ort und überlebende Sklaven sind auch nicht zurückgekehrt.“


    Marcus Lippen preßten sich fest zusammen und er sah ungnädig auf den Mann hinab, der sich vor ihm duckte. Marcus wunderte es nicht, daß die Sklaven nicht zurück gekehrt waren, schließlich drohten allen zweihundert Peitschenhiebe, was noch am Nachmittag für die beiden dümmlichen Sklaven anstand, die auf seinen Sohn gehört hatten und die Ratte in den Raum trugen. Marcus würde es nicht dulden, daß ein Sklave in der villa Flavia jemals wieder sich über seine Autorität hinweg setzte und eher seinem Sohn gehorchte, das würde ein Exempel am Nachmittag sein, was im Haus niemals mehr vergessen werden sollte. Wirsch winkte Marcus den Sklaven von dannen und dachte darüber nach Hannibal, der gestern Nacht wieder in der villa eingetroffen war- die junge Minervina sicher in die flavische Residenz bringend- rufen zu lassen. Doch stattdessen nahm er am Rande des Fischteiches Platz, betrachtete das Geschenk von Leontia an Lucullus im Wasser und winkte erneut einen Sklaven heran.


    „Suche meine Tochter und bitte sie, falls es ihr Recht wäre, doch in den Garten zu kommen. Vielleicht möchte sie mit mir auch das abendliche Mahl einnehmen.“


    Die forteilenden Schritte des Sklaven bemerkte Marcus schon nicht mehr. Marcus verschränkte die Arme vor seiner Brust und der rostroten tunica, betrachtete dabei die glitzernde Oberfläche des Teiches und hing seinen ganz eigenen Gedanken nach- so grüblerisch, wie es eigentlich wider seiner Natur war.

    Zitat

    Original von Claudia Epicharis
    Nur zwei Tage nach der Feier, hatten sich Epicharis und Aristides verabredet, um hier gemeinsam die Verlobung eintragen zu lassen, damit sie auch rechtens war. Inzwischen hatte die Acta auch schon über das Ereignis berichtet und dabei sogar jenen Zwischenfall nicht ausgelassen, den sie Serenus zu verdanken hatten. Bei diesen Gedanken stellte sich Epicharis eine Frage, denn soweit sie wusste, war der Junge noch am Abend verschwunden. Sie sah Aristides von der Seite an. "Marcus, ist denn dein Sohn inzwischen wieder aufgetaucht?" fragte sie ihn mit leichter Besorgnis in der Stimme, auch wenn sie nicht glaubte, dass ein Satansbraten, wie Serenus einer war, so schnell in arge Bedrängnis geraten konnte.


    Sie passierten eine Säule, an die jemand "Cato et Caecina" gekritzelt hatte, was Epicharis schmunzeln ließ, dann waren sie auch schon vor dem ausgeschilderten Officium angekommen und ein claudischer Sklave klopfte für das verlobte Paar an.


    Abermals war Marcus zu Fuß zu dem Treffpunkt mit Epicharis gekommen. In eine Sänfte wollte er nicht durch die Straßen getragen werden und zu Pferde konnte man auch nicht kommen. So ging er nun neben Epicharis, ähnlich gekleidet wie zu dem Orakel, und betrachtete die Umgebung um sich herum. Die Sorge um seinen Sohn, nun schon seit einem Tag von Wut in Bangnis umgeschlagen zeigte sich recht deutlich auf seinem Gesicht. Denn gleichwohl sein Sohn einige Sklaven dabei hatte wohl, so war es für einen patrizischen Jungen auf dem Pflaster von Rom, Ostia oder noch weiter entfernt nicht ungefährlich. Marcus Stirn zerfurchte sich und er seufzte leise, wobei er resigniert mit der Schulter gezuckt hatte.


    „Nein, schlimmer noch. Die Sklaven, die ich ihm hinter her geschickt habe, wurden tot aufgefunden. Auf den Weg nach Ostia. Es ist keine Spur mehr von meinem Sohn und ich befürchte gar, er wurde entführt.“


    Marcus plagte sich schon seit einigen Stunden damit, ob er die cohortes informieren sollte. Aber noch lieber hätte er seinen eigenen Sklaven darauf angesetzt. Schließlich erregte es erst die Aufmerksamkeit von halsabschneiderischen Halunken, wenn es bekannt wurde, daß ein junger Patrizier sich frei und ohne Schutz in Rom oder in Ostia bewegte. Vor der Tür angekommen, mühte sich Marcus von seinen düsteren Gedanken fort zu kommen und wandte sich Epicharis zu, derweil sie warteten.


    „Sag, stehst Du noch unter der patria potestas Deines Vaters. Hat er eine schriftliche Dir Erlaubnis gegeben oder wird er noch selber kommen?“


    Dabei fiel ihm noch einige andere Modalitäten ein, die es noch zu besprechen galten. Ob es eine manus Ehe werden würde oder nicht. Und ähnliches. Aber dafür war auch nach dem Feldzug noch Zeit dafür.

    Die Vogelschau schien Marcus in letzter Zeit häufiger zu beschäftigen. Denn einige Herzschläge sann er über das Omen nach, welches der Falke ihnen offenbart hatte. Würden die römischen Legionsadler schnell über die Parther hinweg ziehen, ihre Klauen in ihr Fleisch rammen und mit schwerer Beute nach Hause ziehen können? Für Zeichen des göttlichen Willen, abernatürliche Offenbarungen war Marcus leicht zu gewinnen und auch damit zu beeindrucken. Doch daß die Götter stets und überall ihren Orakelspruch zeigten, das Schicksal nicht so uneinsehbar ist, wie man leichterhin annehmen könnte, davon war Marcus fest überzeugt. Schließlich trug er auch das ein oder andere Schutzamulett, was er noch aus Baiae hatte und nur zum Baden in den Thermen ablegte, wenn auch widerwillig. Er hatte eines gegen den bösen Blick und eines, was ihn vor Unglück bewahren sollte. Es hatte nicht immer geholfen, doch Marcus lebte und atmete noch, hatte zwei prachtvolle Kinder- in den letzten Monaten und auch jetzt leider ein großer Quell von Sorgen- und sonst war sein Leben auch von einer sonnigen Seite beschienen. Denn seine Verlobte, die sich ihm gegenüber an der Mauer abstützte, hatte sich von einer gewinnenden und liebreizenden Art gezeigt, die ihn durchaus angenehm überrascht hatte. Und Marcus hoffte inständig, daß das auch so währen blieb.


    „Für etwas muß man schließlich entlohnt werden, wenn man Stunde um Stunde einen monotonen Dienst verrichten muß, niemals einen Feind erwartend und höchstens von einem Kauz in der Nacht begrüßt werdend. Nun, der Wachdienst wird in nächster Zeit sicherlich nicht mehr monoton sein.“


    In Germania war auch stets damit zu rechnen gewesen, daß sich einige verrückte Freiheitsdenker ins castellum schleichen wollte. In Italia trauten sich das noch nicht mal die dümmsten Gauner. Aber in Parthia, so rechnete Marcus damit, würde das sicherlich noch anders werden. Sie würden oftmals in ständiger Wachbereitschaft sein müßen. Da Epicharis noch weiter die Landschaft betrachtete, besah sich Marcus weiter ausführlich seine Verlobte. Den Schwung ihrer Nase, ihre hohen Wangenknochen und die sinnliche Wölbung ihrer Lippen, ebenso das kess nach vorne gereckte Kinn. Marcus lächelte sinnierend, schöne Frauen konnte er stundenlang ansehen. Dabei lauschte er ihren Worten und vor seinen Augen zeichnete sich Hispania ab. Gesehen hatte Marcus das Land noch nie, war auch nicht im Geringsten im Bilde, wie Hispania aussehen könnte. Aber eine fiktive Landschaft, golden, rot und braun in allen Schattierungen konnte er sich durchaus ausmalen. Doch mehr als Berge, wilde Pferde und guten Wein, zudem noch Räuber und Verräter konnte Marcus sich nicht unter Hispania ansonsten vorstellen. Doch er nickte und konnte gut nachempfinden, was Epicharis meinte.


    „Oh ja, ich vermiße Baiae auch oftmals. Ich bin aufgewachsen und war sehr glücklich dort. Und dort wo man seine glücklichen Kindheitsjahre verbringt, an diesen Fleckchen Erde hängt man sicherlich noch sehr viel mehr als an die schönsten Plätze der Welt. Selbst Africa, ein paradiesisches Land, vermag meine Heimatstadt nicht zu schlagen.“


    Den Westen von Africa wollte Marcus eines Tages noch erkunden, war das doch ein Land der weißen Flecken auf Marcus persönlicher Landkarte- sprich, er hatte das Land noch nicht erforscht und wollte es noch unbedingt kennen lernen. Gerade steckte ein Soldat seinen Kopf durch den Durchgang zum vallum, sah Epicharis und Marcus und verschwand eilig wieder ehe Marcus ihn wegschicken konnte. Marcus wandte nun doch seinen Blick von dem schönen Antlitz der jungen Claudia ab, betrachtete das Treiben im Lager und das Entzünden so manch einer Feuer, die wohl dem Zwecke des abendlichen Mahls dienten- Puls und verdünnter Wein für die einfachen Soldaten. Mit so einer Kost gab sich Marcus keinen Abend mehr zufrieden, hatte jedoch die Befürchtung, daß er das bald wieder mußte. Marcus Mundwinkel verzogen sich zu einem Schmunzeln. Sollte er jemals in die Verlegenheit kommen einen Artikel für die acta zu verfassen- was wohl niemals sein würde- so würde Epicharis mehr als zu tun bekommen. Es sei denn, er gab es Hannibal in Auftrag. Marcus lehnte sich mit der Schulter erneut gegen die Wand und sah Epicharis unverwandt an. Die Haare umschmeichelten ihr schönes Gesicht und umrahmten sie ganz zauberhaft. So konnte Marcus schwerlich, wie schon im Garten in Rom, der Versuchung widerstehen. Er hob seine Hand und strich sanft eine Haarsträhne zurück, die sich um ihre Wange schmiegte. Dabei berührte seine Hand ihre Wange, doch statt dieses Mal seine Hand wieder zurück zu ziehen, ließ er seine Hand weiter an ihrer Wange entlang gleiten und legte sie behutsam an ihr Kinn.


    „Es wäre schön, wenn Du noch in den nächsten Tagen in Mantua bleibst, Epicharis. Wann wir genau aufbrechen, hängt leider noch in der Schwebe. Morgen, Übermorgen oder erst in einer Woche? Wir wissen es nicht. Die Soldaten, die nicht im Stab sind zumindest.“

    Verwundert ob der Haltung und der Fassade seines Vetters betrachtete Marcus den Flavier vor sich, wobei er immer mal wieder einen Schluck Wein zu sich nahm und seine Hand an den Nacken der jungen Sklavin legte, die ihm schon die letzte Nacht nach der Verlobung versüßt hatte und ebenso den jetzigen Moment. Hegte Marcus darüber irgendwelche Gewissensbisse? War es für ihn eine moralische Untat, daß er noch an seiner Verlobung sich wieder einer anderen Frau zugewandt hatte? Für Marcus war dem nicht so! Sklavinnen und lupae bedeuteten ihm nicht mehr als das Vergnügen eines guten Weines oder Mahles. Es diente einzig und alleine, seine Lust für einen kurzen Zeitraum zu stillen, ihn zufrieden zu stellen und danach vergaß er das Erlebnis sogar meist wieder, die Frau sowieso. Schließlich waren es nur Sklavinnen. Dennoch ließ er die Finger weiterhin genießerisch durch die dunklen Locken der Frau kreisen, die er gestern am Nachmittag in der Villa entdeckt hatte. Doch seine Gedanken kreisten nicht um die junge Frau zu seinen Füßen oder das, was sie Beide gestern Nacht getan hatten, mehr die Schuldbewußte und zerknitterte Miene seines Verwandten. Mit vollem Verständnis lauschte Marcus den ersten Worten von Gracchus. Ja, die Ehe war nun mal nicht einfach zu ertragen, besonders wenn sich Mann und Frau nicht gut ergänzten. Aber es verwunderte Marcus durchaus. Das Lächeln von Antonia noch am gestrigen Abend hatte ihn für Gracchus anderes hoffen lassen. Sie schien ja regelrecht euphorisch zu strahlen, schien ihm wie eine glückliche Ehefrau an der Seite ihres geliebten Gatten zu sein. Sie dünkte ihm eindeutig verliebt zu sein. Oder womöglich war das der Grund für Gracchus leidende Miene? War ihm das zuviel an Gefühlen von seinem Eheweibe, derer er nicht so viel empfinden konnte, bevorzugte er doch lieber den Leib eines Knaben? Verwirrt kratzte sich Marcus am Nacken und lehnte sich zurück auf die Liege. Seinen Vetter und dessen verworrenes [Liebes-]Leben zu verstehen war Marcus manchmal einfach zu hoch, genauso wie die blumig- verschnörkelte Sprache, derer sich Marcus nicht bedienen, noch sie sonderlich gut verstehen konnte.


    „Tja, Manius, die Ehe ist nun mal eine Last für uns Patrizier. In dieser Hinsicht dürfen wir wohl die Plebejer erneut beneiden, die sich ihre Verbindung selbst aussuchen dürfen. Aber Manius, tröste Dich doch damit, daß Deine Frau eine tiefe Verehrung und Zuneigung zu Dir verspürt. Das sieht doch jedermann sofort.“


    Marcus meinte das zumindest erkannt zu haben. Aber um zu seiner Vermutung auch eine Antwort zu erhalten, nutzte er dies, in dem er es in das einfache Gewand seiner direkten Frage legte.


    „Oder liegt darin das Problem?“


    Schwer seufzend leerte Marcus seinen Becher und reichte ihn an die Sklavin weiter, die ihn prompt füllte und Marcus zurückgab. Mit einem demütig gesenkten Blick schmiegte die Sklavin ihre Wange an Marcus Knie, er legte abermals seine Hand auf ihren Nacken und setzte das Kraulen von ihr fort, als ob er sich mit einer Hauskatze beschäftigen würde. Seine Gedanken kreisten jedoch um Arrecina, seinen Sonnenschein, und um seinen Sohn. Ebenso bemühte er sich Gracchus zu folgen. Die ersten Sätze hatten noch Sinn und Zusammenhang, waren Marcus einleuchtend, aber schon bei indispensabel verlor Marcus den Faden, vernahm nur noch die Wörter indisputablen und diskulpiere und war völlig ratlos, was sein Vetter damit meinen könnte. Er meinte sich nicht daran entsinnen zu können, solche Worte jemals gehört zu haben. Waren sie griechischer Natur oder stammten sie gar aus einem fremdländischen Land, dessen Vokabular sich Gracchus in seinem Sprachtalent zu eigen gemacht hatte? Marcus sah ihn mit leicht geöffneten Lippen an, war völlig überfordert und bemerkte erst nach einigen Herzschlägen, dass Gracchus wieder zu einer vernünftigen Wortwahl zurückgekehrt war.


    „Ähm…..öhm…was?“


    , setzte Marcus erst an, dachte dann einige Herzschläge über die Worte nach, die ihm doch verständlich waren. Marcus holte tief Luft und schüttelte schließlich den Kopf.


    “Bei Mars und Venus, Manius, was redest Du bloß? Mal abgesehen von den Wörtern, die mir wieder mal völlig unbekannt sind und die Du wohl so gerne benutzt, um mich in meiner Unwissenheit aufzuziehen. Nein, im Ernst. Manius, ich bin Dir Deiner Hilfe, die Du mir in den letzten Monaten, nein Jahren stets so aufopferungsvoll und ohne eine Gegenleistung zu verlangen gewährt hast sehr, sehr dankbar. Du hast alles getan, was in Deiner Macht stand, mehr als ich jemals verlangen konnte und wollte. Wenn es nicht Dir gelang, dann hätte es auch kein anderer vermocht. Und zudem weiß ich doch, daß ein Fluch nichts Leichtes ist, wahrscheinlich nicht zu brechen. Womöglich habe ich Dich mit meiner Bitte sogar noch in Gefahr gebracht, ich verstehe doch von all dem so wenig. Wenn, dann ist es an mir, mich zu entschuldigen, Manius. Zudem habe ich Dir niemals die Erziehung meines Sohnes überantwortet. Daß er bei Dir die Belange der Priesterwürde und des cultus erlernt ist bei Weitem genug. Ihn zu einem guten Patrizier, zu einem ehrenhaften jungen Mann zu machen, war niemals Deine Aufgabe, Manius. Das ist meine, bin ICH doch sein Vater. Und in dieser Hinsicht habe ICH versagt. Nicht Du, mein Vetter, wahrlich nicht Du.“


    Marcus seufzte schwer, löste die Hand aus den Locken der Sklavin, die ihm im Moment lästig wurde. Mit seinem Kinn schickte er sie in den Nachbarraum, wo auch sein Bett stand. Ebenso winkte er den Massagesklaven zu entschwinden. Marcus beugte sich nach vorne und sah Gracchus ernst an.


    „Es ehrt Dich sehr, daß Du ein derartig starkes Pflichtgefühl meiner Familie gegenüber offenbarst, aber das mußt Du nicht und das verlangt niemand von Dir. Ich danke Dir dennoch sehr, Manius. Ich stehe tief in Deiner Schuld und sollte ich je soviel für Dich tun können, dann brauchst Du es mir nur zu sagen.“


    In einem Zug leerte Marcus den Becher, stellte ihn zur Seite und griff nach seiner tunica, die neben der Liege lag. Da er alle Sklaven rausgeworfen hatte, krempelte er das Gewand selber um und zog sie sich über den Kopf. Unter dem Stoff drangen einige gedämpfte Worte hervor.


    “Weißt Du, Manius, mit Kindern ist das oftmals gar nicht so einfach. Daß mein Sohn mich derartig bloß stellt, hätte ich mir auch niemals gedacht. Sicherlich, ich habe mich wohl selber etwas ungeschickt angestellt, es stand einfach alles Kopf bevor die Feier begann und ich wollte eigentlich noch mit ihm und Arrecina darüber reden…aber ein wenig Familienloyalität kann man von dem eigenen Sohn doch erwarten oder ist das zuviel verlangt?“


    Marcus Kopf tauchte unter der tunica hervor und er sah fragend zu seinem Vetter.

    Die Schwalben flogen tief an jenem Abend über dem Kastell, schienen sich von der Bereitmachung der Soldaten, dem hektischen Treiben im castellum nicht stören zu lassen. Immer wieder segelten sie in der Luft den Insekten hinter her und fingen diese kunstvoll in der Luft ein. Als Marcus in voller Rüstung, mit Helm und Marschsachen von den Unterkünften zum intervallum marschierte, betrachtete er aus den Augenwinklen den Flug der Tiere. Ob das ein gutes Zeichen war, ein göttliches Omen für die Soldaten? Marcus wußte es nicht zu benennen, doch er glaubte erst mal daran. Hinter sich hörte Marcus das Schreiten von fast hundertsechzig Mann, seine kleine Truppe und seine centuria. Noch in der Unterkunft hatte sich Marcus davon überzeugt, dass alle Abmarschbereit waren, dass sein Maulesel auch gepackt und die letzten Briefe nach Baiae versandt worden waren. Dennoch fühlte Marcus sich noch ganz fern einem Aufbruch nach Parthia, war er sich der Erkenntnis, daß es bald viele, viele Hunderte Meilen in die Fremde und in den Krieg ging, wenig bewußt.


    Mit den anderen centuriones und deren Männer versammelte sich Marcus in Reih und Glied, aufgeteilt in die jeweiligen centuriae. Die Rüstungen glänzten im Abendlicht, die Schilde standen vor den Soldaten auf dem grünen, niedergetrampelten Gras und die Standarten flatterten ein Wenig im Wind. Marcus, der schon unter seinem Helm sehr zu schwitzen begann, stellte sich an die Seite seiner Männer in das erste Glied der acht Reihen. Sein schwarz goldenes Schild, was sich von den Rotgoldenen seiner Männer deutlich abhob, lehnte gegen sein linkes Knie. Sein gladius hatte er mit seinem cingulum militare an seine linke Seite gebunden, Zeichen seines Status als centurio, seinen pugio, das Geschenk seines Vetters Gracchus zu den Saturnalien trug er auf seiner Rechten. Langsam sickerte auch in Marcus das Bewußtsein, daß es doch bald losgehen würde. Er richtete sich auf, seine Nasenflügel bebten als er die Luft des Abends tief einsog. Er vertraute darauf, dass sein optio alle Männer in den hinteren Reihen im Blick hatte, während er vorne auf sie acht gab.

    Erfrischend und befreiend von der stickigen Luft des praetorium umwehte Marcus die Brise auf dem vallum. Genau genommen war es nicht sehr warm im Hof, wo die Hochzeit von statten ging, aber die Luft schien ihn in dem Hof- der unangenehmen Situation wegen- sehr zu drücken. Marcus sog die Luft tief durch seine Nase hinein, roch den würzigen Duft der grünen Wiesen vor dem castellum. Das Funkeln in Epicharis Augen mißfiel Marcus nicht im Geringsten. Im Gegenteil: Unternehmungslustige Frauen, Frauen, in denen das Feuer brannte und die keine sanften Lämmchen waren, vermochten ihn viel mehr zu reizen als die braven Stubenkatzen. Wenn sich auch jede Frau in seinen Augen mit seiner Mutter messen mußte, die die schönste und wundervollste Frau für Marcus war- und noch sehr viel mehr, was jedoch Marcus sich nie eingestehen würde. Aber im Vergleich mit seiner Mutter würde dennoch jede Frau scheitern müssen, egal wie temperamentvoll oder verführerisch sie auch war. Es mußte wohl an den Jahren in Hispania liegen, die der jungen Epicharis dieses Funkeln beschert hatte, denn anders konnte sich Marcus nicht vorstellen, wie dieser Keim in einem derart strengen Haushalt, wie wohl die Claudier es lebten, hatte gedeihen und wachsen können.


    „Wohl denn, es sind auch nicht sonderlich viele Treppen hinauf, aber dennoch schön mit der Aussicht.“


    Marcus führte Epicharis an dem Wall entlang, vorbei an der hohen steinernen Mauer, die trutzig sein Angesicht der menschenleere Landschaft offenbarte und mit jedem Stein laut zu rufen schien: Ich lasse niemanden durch. Ein schmaler Durchgang führte auf eine Treppe, die aus großen Steinblöcken geformt war, entlang an der Mauer, die aus quadratförmigen Steinen bestand. Und schon war man auf dem Wehrturm. Der Wind wehte hier oberhalb des castellum kräftiger, zerrte an Kleidern und Haaren und umschmeichelte dennoch mit einer sanften Wärme die Wangen und die bloß liegende Haut. Mit dem unteren Rand schwebte die Sonne bereits weniger als eine Handbreit über dem Horizont, das Firmament färbte sich coralfarben und tauchte die grüne und saftige Landschaft rund um Mantua und dem Kastell in ein mildes Licht. Marcus stützte sich mit einer Hand auf dem rauen Tuffstein ab, der den Abschluss bildetet und betrachtete einen Herzschlag lang die Landschaft, einige Schafe, die über die Wiesen entlang liefen, gefolgt von einem schlaksigen, jungen Schafhirten. Ein Falke kreiste über einer kleinen Waldgruppe und entschwand in einem rasanten Sturzflug schließlich zwischen dem grünen Geäst um gleich darauf mit einer wilden Taube in den Klauen aufzutauchen und als kleiner Punkt am Himmel zu entschwinden. Marcus atmete noch mal tief ein, lehnte sich mit der Schulter ein Deut gegen die Mauer und sah von der Landschaft weg, die nur noch wenig seine Aufmerksamkeit erregen konnte, er hatte schließlich viele, viele Stunden schon auf den Türmen und dem vallum bei zahlreichen Wachdiensten verbracht- besonders in seiner Zeit als optio.


    „Schön, hm? Siehst Du in Mantua Deine Heimat, Epicharis, oder mehr noch in Rom?“


    Marcus betrachtete ihre Gesichtskonturen, ihre dunklen, seidenglatten Haare, die im Sonnenlicht in vielen Farbnuancen brillierten. Ihre etwas zu blasse Haut- gleichwohl das wohl viele noble und schöne Römerinnen hatten, wie Marcus durchaus wußte. Doch, Marcus befand abermals, daß Epicharis eine schöne Frau war. Immerhin bürdete seine Mutter ihm nicht ein kleines patrizisches Scheusal auf, nur um irgendwelche obstrusen Pläne für seinen Lebensweg leichter zu gestalten. Das Klappern von Hufen, das Rufen eines Soldaten und das Bellen eines der vielen Lagerhunde brachte Marcus dazu, sich wieder dem Kastell zuzuwenden. Noch strotzte das Kastell vor Leben, doch schon wenige Tage später würde es leer und fast völlig verlassen sein, die Legion auf dem Weg nach Ravenna- wie Marcus hoffte- oder Misenum- was für Marcus ebenso wunderbar wäre, das Erste wegen einem Verwandten und das Zweite seiner Mutter wegen.


    „Du arbeitest für die acta, Epicharis?“

    Stumm und lauschend verschränkte Marcus seine Händer vor der Brust und war weiterhin ratlos. Woher sollte auch gerade er- der doch am Wenigsten in der Familie von solchen Belangen wußte- den Spruch des Orakels deuten können? Da Marcus nicht ganz folgen konnte, schweifte seine Aufmerksamkeit ab, besonders da einige Sklavinnen vorbeigingen, die tönerne Amphoren auf ihren Schultern trugen. Einer der von der Sonne geliebkoste Sklavin hatte es Marcus sofort angetan. Seine Augen blieben auf ihrer goldbraunen Haut hängen, auf ihren runden Schultern, die Wölbungen, die sich unter der dünnen tunica abzeichnete und ihr wohl geformtes Gesäß, was sich bei jedem Schritt munter bewegte. Marcus lächelte entzückt und sah weiter dorthin. Die Sklavin, die seinen Blick spürte, wandte ihren Kopf, lächelte ebenfalls und zwinkerte Marcus keck zurück. Tief einatmend mußte sich Marcus schwer beherrschen und war völlig von diesem Bild gefangen- bis er seinen Namen aus Epicharis Mund vernahm. Ein Wenig irritiert riß er seine Augen von dem Anblick los und wandte sich Epicharis zu. Ein „Ähm?“, kam von ihm. Er sah die tabula, dann wieder Epicharis an und nickte ein Wenig.


    „Darf ich...?“


    , fragte er und ließ sich die Weissagung reichen. Völlig ratlos sah er auf das Gekritzel und hob seinen Finger, um die Zeilen besser lesen zu können.


    „Vielleicht fragen wir einfach meinen Vetter Gracchus. Er ist ein wahrhaftes Genie, zudem kennt er sich mit Sicherheit mit solcherlei Dingen aus...hmmm....also...ja, Du wirst wohl recht haben...“


    Eigentlich hatte Marcus nur die Hälfte mitbekommen von Epicharis Worten. Irgendwas mit Boot und Schicksalsweberinnen. Sein Finger ruhte auf dem ersten Wort, was er leise von sich gab- Marcus konnte einfach nicht lautlos lesen, dafür war er zu ungeübt. Manche Wörter schien er jedoch nur noch zu Wispern, andere sprach er klarer aus.


    „ Deeen.....Göt-teern...hmm.....Also....Ist....“


    Marcus grummelt leise vor sich hin, ehe ihm abermals ein Wort und noch Eines entschlüpfte.


    „...Al-les....So...Vööl-lig...“


    Marcus kratzte sich verwundert am Nacken, für ihn war das einfach eine Geste, die er nicht unterbinden konnte.


    „...Eeegal...“


    Marcus mühte sich, so leise es ging und so wenig peinlich es wirkte mit der tabula weiter ab.


    „...Aber.....Meinen....“


    Kopfschüttelnd verharrte Marcus und seufzte leise, doch er wollte unbedingt noch mal die letzten Worten schaffen, um doch noch einen Sinn dahinter zu entdecken.


    „...Segen....Habt....Ihr......! Hmmm....also Tartaros klingt wirklich nicht gut.“


    Marcus sah auf und zuckte verwirrt mit der Schulter. Gracchus mußte ran, das war Marcus nun völlig klar.

    Schwerlich drückte auch das Leben auf Marcus, aber es war im Augenblick mehr von dem Drücken des Katers und den Folgen einer durchzechten Nacht, die es Marcus an jenem Tage so schwer machte. Dennoch auch die neuerdings lastende Sorge um seinen Sohn, nachdem der erste Zorn über dessen Verschwinden aus der villa verraucht war. Das Licht des Türspalt fiel in den Raum hinein und Marcus hob den Kopf von der Liege, auf der er träge ruhte. Die Fenster zu seinem cubiculum waren weit geöffnet, Sonnenstrahlen verirrten sich von draußen hinein und wärmten seinen nackten Rücken. Die Vögel zwitscherten munter in den Ästen des Orangenbaumes, der seine Zweige bis zum Fenster hinab hängen ließ und deren Blätter leuchtend grün im Licht der Sonne glänzten. Ein mildes Lüftchen strich durch das Fenster als die Tür geöffnet wurde. Über Marcus stand ein Sklave, dessen dicker Bauch über den Gürtel seiner tunica hing und der mit seinen rot angelaufenen, breiten Händen kräftig den Rücken von Marcus massierte. Am Kopfende und zu seiner Hand saß eine junge Sklavin, zierlich und dunkelhäutig, die ausführlich Marcus Hand massierte. Ein hoffnungsvolles Schimmern trat in Marcus braune Augen als sich die Tür öffnete, es könnte einer der Sklaven sein, den er hinter seinem Junge her geschickt hatte, doch ein Seufzen löste sich von ihm als er erkannte, daß dem nicht so war. Doch seinen Vetter zu sehen, freute Marcus durchaus. So trat ein breites Lächeln auf sein von den Sorgen marginal zerfurchtem Gesicht, was die sorgenvolle Miene entschwinden ließ.


    „Manius! Natürlich, komm doch herein!“


    Marcus hob die Hand und deutete auf die Kline, die ihm gegenüber stand. Blaue Kissen luden zum Verweilen und Ausruhen ein. Marcus stöhnte leise auf, gerade als der Masseur seine Finger in einen Knoten an seiner Schulter drückte. Der Schmerz raste durch seine Schulter und bis in seine Fußspitzen hinein. Mit einer unwirschen Geste winkte Marcus dem Massagesklaven von ihm abzulassen und richtete sich auf, zog dabei das Leinentuch, was sein Gesäß bedeckt hatte um seine Hüften und setzte gerade hin, wobei er der Sklavin seine Hand entzog. Stumm blieb die junge Frau zu seinen Füßen sitzen, während der andere Sklave einen Schritt zurück machte.


    „Möchtest Du Wein, Manius?“


    , fragte Marcus und deutete schon der Sklavin an, den Wein ein zu gießen. Marcus ließ sich gleichwohl einen Becher reichen, trank einen Schluck und seufzte melancholisch.


    „Ach, Manius, ich sag' Dir, schaff Dir niemals Kinder an und zudem, wenn Du mal wieder in die Verlegenheit kommst, feiere keine Verlobungen. Was für ein Desaster gestern Abend...“


    Mit einer Hand rieb sich Marcus am Nacken, der noch vom duftenden Öl der Massage feucht war und schüttelte frustriert den Kopf.


    „Und wie steht es bei Dir, Manius? Ist Deine Ehe von Glück beschert?“

    Zitat

    Original von Claudia Epicharis
    ... Epicharis verwunderten die Worte ihres Verlobten doch schon etwas, immerhin schlug er vor, nicht nur das Essen, sondern gleich die gesamte Festivität zumindest kurzzeitig zu verlassen. Andererseits hatte ihr Vater ihr nie das Castellum gezeigt, und ihre Neugier und nicht zuletzt die Aussicht auf die vielleicht letzten vertrauten Minuten mit Aristides, bevor dieser vielleicht für Jahre verschwand, gaben den Ausschlag für ihr Bejahen. Nur noch kurz sah sie ihn an, als suchte sie seine Absichten zu ergründen, dann schlug sie die Lider nieder und entgegnete: "Das wäre sicherlich interessant." Sie legte ihre Rechte auf seinen linken Unterarm und wartete darauf, dass er sie führen würde.


    Erleichterung kam in Marcus hoch, denn so würde ihm zwar all das gute Essen entgehen, einige der Fleischgerichte sahen zum Vergehen gut aus, aber Marcus war die Situation einfach viel zu unangenehm, um überhaupt einen Bissen herunter zu bekommen- wobei es ihm bestimmt doch gut gelungen wäre, schließlich war Marcus in solchen Dingen selten in Verlegenheit gekommen. Mit einem Blick auf die Gäste überlegte Marcus einen Herzschlag lang, ob es unverschämt und ungezogen wirkte, schon jetzt zu gehen, aber die Gespräche schienen angeregt genug, das Drängen ebenso, so wagte er es und wandte sich mit Epicharis um. An den Soldaten des praetorium vorbeigetreten und schon hatten sie das prunkvolle Haus des legatus hinter sich gelassen, ebenso die Feierlichkeiten. Und mit wenigen Schritten waren sie schon in einer der vielen Lagergassen des castellum

    An manchen Stellen war der Boden des Lagers durch den Regen aufgeweicht und schlammig, viele Füße, die schon seit dem Morgen eilends über die Wege eilten, hatten den Boden noch etwas mehr aufgeweicht. Dennoch konnte man diesen schlammigen Wegen ausweichen und noch auf trockenem Gefilde laufen. Marcus spürte zart die Hand von Epicharis auf seinem Arm während er sie an der principia entlang führte und sie auf das eine oder andere Gebäude hin wies, mal die Thermen am Rande, die den Thermen der Stadt kaum nachstanden, den sonstigen Gebäuden, die um das Herz des Lagers angeordnet waren und schließlich all die vielen Unterkünfte der Soldaten und centuriones, die wie eine Schicht nach der Anderen, in ihrer Art einer Artischocke oder einer Zwiebel ähnelnd, sich um das Haus der legatus drängten. Jedem Feind würde es schwer fallen an all den Männern vorbei zu kommen, um cor et caput legionis zu erreichen. Als sie an einigen Stallungen vorbei kamen, die der Reiterei der Legion vorbehalten war, meinte Marcus beiläufig.


    “Sicherlich hat Dir schon Dein Vater mal das castellum gezeigt? Warst Du schon einmal auf dem vallum? Von dort oben kann man ganz besonders gut das Lager sehen und auch die Landschaft von Mantua.“


    Wenn seine Tochter oder sein Sohn so nahe des Kastell gewohnt hätte, wären die beiden Kinder mit Sicherheit öfters bei ihm im Lager gewesen und er hätte es sich auch nicht nehmen lassen, sie mal durch das Lager der prima hindurch zu führen. Marcus Schritte strebten dem intervallum entgegen, wo das Gras saftig und grün stand, nur niedergetrampelt auf den üblichen Wegen der Wachmannschaften und Soldaten der ersten Legion. Zahlreiche Pfützen und Schlammlöcher sammelten sich in den grünen Teil des intervallum. Da Marcus die junge Frau auf die Mauerabschnitte führen wollte, zögerte er einen Herzschlag lang. Ein Blick auf ihre Schühchen geworfen, die sicherlich das Wasser nicht so gut abweisen konnten, wie seine Soldatenstiefel. Kurzerhand fasste Marcus einen Entschluss.


    „Du verzeihst…?“


    , war die einzige Ankündigung. Da im Moment niemand in Sicht war, erdreistete sich Marcus und hob Epicharis hoch und trug sie auf seinen Armen über den morastigen Teil des intervallum. Zierlich und wie ein Fliegengewicht mutete ihm Epicharis an, seine Lippen wölbten sich zu einem unmerklichen Schmunzeln und sachte, ja schon sanft, da sie ihm sehr zerbrechlich vorkam- wie viele Frauen es doch auch waren- ließ er sie auf der trockenen Seite wieder auf den Boden herunter. Noch den angenehmen Duft ihres Körpers in seiner Nase spürend, deutete Marcus auf die steinerne Treppe, die auf die Mauer hinauf führte und auf den breiten Lagerwall. Festen Schrittes führte Marcus Epicharis hinauf und auf den Wehrgang. Ein laues Windchen wehte über die steinerne Brüstung, zupfte ein wenig an Marcus Soldatentunica. Marcus nickte einem Soldaten knapp zu, der an ihnen vorbei ging und Epicharis dreist angaffte, aber schnell den Blick abwandte, als er den Strafenden von Marcus Gewahr wurde. Marcus wandte sich zu dem Inneren und deutete auf das Lager.


    „Das castellum der ersten Legion. Sollen wir noch zu einem Wehrturm hinauf steigen oder wird Dir vielleicht in hoher Höhe mulmig?“

    In Ägypten hatte Marcus oftmals gute Tanzdarbietungen erlebt, Frauen, die ihre Körper wie Schlangen zu biegen vermochten, Männer, die aus den Tiefen des Südens kamen und wie schwarze Raubtiere zu den Klängen der Musik sich bewegten. Vermutlich schenkte auch deswegen Marcus den Tänzern, die zwar gut waren, aber nicht derartige exotische Künste offenbarten, wenig Beachtung. Erst als die Klänge der Musikanten wieder ertönten, entspannte sich Marcus noch ein wenig mehr. Musik drang sogleich bis zu seiner Seele vor und vermochte leicht seine Stimmungen zu beeinflußen. Da die Musik erneut fröhlich zwischen den Säulen entlang schwebte, wurde Marcus sogar gegenüber dem ihm verhaßten Germania gnädiger. Immerhin hatte das Land seine reizende Nortruna hervorgebracht, die zwar genauso tückisch wie die meisten Germanen war, aber neben diesem Hauch von Verschlagenheit ihren ganz eigenen interessanten Reiz besaß, den er germanischen Frauen niemals zugetraut hätte. So neigte Marcus bestätigend den Kopf.


    „Da kann ich zustimmen. Mogontiacum könnte auch eine Stadt sein, die in jeder anderen römischen Provinz steht. Mit all den Errungenschaften und Annehmlichkeiten, die unsere Vorfahren dort hin getragen haben und die wir weiter ausbauen…oder mehr die Baumeister und deren Sklaven. Aber schon einige Schritte von den Städten weg und man scheint wieder tief in das fremdartige Germania einzutauchen und auf die Wespennester der widerborstigen Germanen zu treffen…“


    Zumindest Marcus war das so bei der Hispana so ergangen. Aber der Schwenk auf die factioangelegenheiten vermochten seine Gedanken schnell zu erfreulichen Dingen zu bringen und nicht in alten Reminiszenzen schwelgen lassen. Marcus lächelte und zuckte bedauernd mit der Schulter.


    „Sicherlich hätte ich Interesse. Wagenrennen ist ein großartiges Vergnügen und die aurata eine gute factio. Aber die nächsten Jahre werde ich mich leider nicht damit beschäftigen können. Ich werde in wenigen Wochen mit der prima nach Parthia in den Krieg ziehen. Somit werde ich weder Rom, noch einen Streitwagen einer factio in nächster Zeit zu Gesicht bekommen.“


    Marcus war durchaus auf Parthia und den fernen Osten gespannt, dennoch war es für ihn nicht leicht, seine Heimat wieder so lange zu verlassen. Er spülte den bitteren Beigeschmack dieser Empfindung mit etwas Wein hinab. Denn er konnte dem Krieg auch einige gute Seiten abgewinnen, es ging schließlich immerhin auf den richtigen Teil der Weltscheibe oder Kugel. Marcus war sich da nie ganz so sicher, welche Gelehrten da Recht hatten. Außerdem war Marcus durchaus bereit, seinen Anteil zur Verteidigung des Imperiums zu leisten. Marcus lachte leise als ihm etwas einfiel.


    „Früher als Kind, zu lang ist es nun schon her, wollte ich unbedingt ein Soldat, ein Gladiator oder ein auriga werden. Ich muss zugeben, daß die Spannung des letzten Berufes immer noch einen Reiz auf mich ausübt…“


    …wenn es auch völlig abwegig wäre, daß Marcus jemals dem nachgehen würde, es sei denn in privaten und höchst diskreten Rahmen. Man sagte zwar solche Spielereien gerne seinem Stande nach, dennoch wollte er nicht unbedingt seine Familie mit derartigen Dingen in Verruf bringen. Sie hatten schließlich genug schwarze Schafe in der Familie.


    „Nun, einen von den drei Wünschen habe ich nun durchaus erreicht.“


    Marcus schmunzelte immer noch, dachte darüber nach, wie er damals im Garten seiner Mutter mit Hannibal Gladiator und Barbar oder Soldat und Barbar gespielt hatte- wobei Hannibal immer wieder die Rolle des besiegten Hannibals einnehmen mußte.


    „Fahren in der aurata auch peregrini oder nur Sklaven?“

    Zitat

    Original von Maximus Decimus Meridius
    "In der Tat bin ich erst vor kurzem aus Germanien hier eingetroffen. Zum Glück haben sich die wichtigsten Dinge in Rom nicht großartig verändert. So befinden sich Senat, Kaiserpalast und Forum immer noch an der selben Stelle und auch unsere Casa hat noch niemand verrückt. Ansonsten ist hier ja überall ein einziges Bauen und Abreißen..."
    ......[/simoff]


    Die letzten Trommelschläge ertönten, die Tänzer entschwanden wieder so rasch, wie sie sich aus der Dunkelheit der Säulen heraus geschält hatten. Marcus bemerkte beides nicht, denn zum einen beschäftigte er sich mit den Speisen, die von den Sklaven aufgetragen wurden und zum anderen um die Gespräche an dem Tisch. Marcus nickte und grinste andeutungsweise als er die Worte von Meridius vernahm. Im Grunde hatte er Recht, wenn auch Rom Marcus nicht die Heimat war wie Baiae und er, gerade bis auf die großen Bauten, wenig von der Stadt gut kannte. Bis auf das, was ein Römer doch wissen musste und wollte, und gerade weil er ein Römer war. Und Roma war nun mal das schlagende und pulsierende Herz des Imperiums, der Ort, der alle Menschen, die das Leben der urbs vorzogen oder einfach nach oben strebten, anzog. Selbst die Provinzen mochten einen Römer nicht derart zu binden wie Rom es selber tat. Marcus, der zwar nun auch bald wieder wegreisen müsste, wußte, daß er genauso sich nach seinem Dienst wieder nach Rom begeben würde und sich in der Stadt niederlassen...und heiraten würde. Aber das würde nun wohl noch einige Jahre dauern. Marcus Blick streifte Epicharis bei dem Gedanken. Marcus biß in einen Wachtelschenkel, genoss den Geschmack des würzigen Fleisches in seinem Mund ehe er wieder das Gespräch fortsetzte.


    „Dann bist Du sicherlich froh, Germania hinter Dir gelassen zu haben. Oder, Senator?“


    Marcus konnte es sich auch gar nicht anders vorstellen. Germania, ein Landstrich worüber er lang und breit mit tiefer Abneigung sprechen konnte, was ihm mehr wie ein Gefängnis, denn ein wirtliches oder anziehendes Land vorkam. Selbst Parthia konnte nicht derart abschreckend wie Germania für Marcus sein.


    „Also, ich war froh, als ich wieder nach Italia gekommen bin. Germania mag mich nicht und ich dieses Land auch nicht sonderlich.“


    Einige Narben hatte Marcus auch von dem Land als Erinnerung zurück behalten, es waren nicht viele, aber durchaus mit unangenehmen Erinnerungen verbunden.


    „Sag, kann es sein, daß Du der Factioleiter der Aurata bist?“


    Marcus meinte sich daran zu erinnern. Gladiatorenspiele und auch Wagenrennen lagen ihm doch sehr und dafür hatte er auch meist ein besseres Gedächtnis. In anderen Belangen, was Namen anging und das Vermögen sich an derartige Details zu entsinnen, wäre Marcus wohl überfragt.


    „Wie steht es denn mit den Aurata zur Zeit? Leider komme ich in der letzten Zeit kaum noch dazu, mir Wagenrennen anzusehen...“

    Mit einem zufriedenem Seufzen ließ sich Marcus auch auf einen Schemel herunter sinken, griff selber eine Schüssel und ließ sich von einem Soldaten etwas von dem Fleisch auftun. Im Selbstbetrügen war Marcus noch sehr viel begabter als im Belügen anderer, wo er doch meist jämmerlich versagte, meistens zumindest, wenn auch heute wohl nicht. Aber Marcus nickte auf Priscus Worte hin. Ja, der Mars schien wohl zufrieden zu sein, denn es hatte Marcus kein Schlag getroffen, noch war er in ein gladius gefallen nach der Vorstellung. Marcus nahm einige Bissen von dem warmen Ochsenfleisch und vergrub seine Zähne tief in die würzigen Fasern, denn das war noch seine kleine Genugtuung, daß das Vieh tot war und seine Unverschämtheit nun bezahlt hatte. Zudem brachte es Marcus auch zu einem weiteren guten Mahl. Marcus schluckte das Fleisch herunter, wischte sich einige Bratentropfen vom Kinn und lächelte breit.


    „Ah, miles, das wird sicherlich nicht Deine letzte Opferhandlung sein. Spätestens wenn Du mal heiraten wirst und die Zeremonien mit Deiner Familie dann vollführst, wirst Du selber in den Genuß kommen, das Opfer anzuleiten.“


    Marcus wußte nicht, ob Cunctator mal heiraten wollte, dachte sich jedoch, daß es wohl unausweichlich war- wie bei ihm selber. Nachdenklich betrachtete Marcus auch Priscus. Ob dieser auch heiraten wollte, wenn sein Dienst zu Ende war? Ob er womöglich ein Liebchen in Mantua hatte, die auf das Ende der zwanzig Jahre wartete? Marcus wollte nicht derart indiskret fragen, widmete sich lieber dem Essen und dem Bier. Schmausend und gut trinkend konnte das Opfer somit zu einem Ende gebracht werden.

    In dem Dilemma gefangen, zwischen seiner Verlobten und der Frau, die er gar schon als seine Traumfrau idealisiert hatte- womöglich würde diese dem gar nicht mehr gerecht werden können- zu stehen, hatte Marcus die ganze Zeremonie und die Gespräche nur mit halben Ohr verfolgt. Als er die lauten Stimmen seiner Soldaten am Ende vernahm, war er ihnen zutiefst dankbar. Denn so offenbarte sich ihm eine Möglichkeit, dem Ganzen für einen Augenblick zu entkommen. Doch weit gefehlt, denn schon wurden die ersten Glückwünsche ausgetauscht und Marcus konnte nicht mehr der kleinen Runde entfliehen. So ergriff er schnell einen Becher Wein, der von einem Sklaven an ihm vorbei getragen wurde, und trank ihn in wenigen Zügen leer. Die Gefahr, daß er sich wie der andere Gast so schnell betrank bestand wiederum nicht. Es würde schon einige Becher benötigen, bis Marcus sich auch nur beschwipst fühlte. Marcus nickte Plautius zu, als dieser mit seiner Frau herankam. Am Rande bemerkte Marcus: Irgendwie hatte man bei Verlobten und Ehefrauen das Gefühl ihr Gefolge zu sein und nicht umgekehrt. Wie Frauen das wohl machten? Aber auch Plautius schien erst von seiner Zukünftigen hinter her gezogen zu werden und Marcus fühlte sich justament auch als ein Anhang von Epicharis. Noch ein Becher Wein und das Ganze war doch wieder erträglicher, zumal er schon die ersten Speisen herannahen sah. Marcus ließ sich nicht lange bitten und aß einige Happen, meinte schließlich nachdem schon einige Gespräche geführt wurden.


    Praefectus, meinen Glückwunsch zu der Eheschließung.“


    Beileid hätte auch gepasst, aber bei dem glücklichen Gesichtsausdruck des Bräutigams wäre das selbst als Scherz nicht gut angekommen. Marcus lächelte und beglückwünschte Plautius tatsächlich. Der hatte auch Fortunas Segen gut erwischt, wenn Plautius froh war, zu heiraten. Marcus wollte noch einige Worte an die Braut richten- so das übliche Schöne Braut- Geschwafel, als ihm einfiel: Wie hieß die noch mal? Ein Herzschlag verging, ein sehr langer, dann fiel ihm zumindest ein, die war doch mit dem primus pilus verwandt. Erleichtert atmete Marcus auf.


    „Auch Dir meinen Glückwunsch, Artoria. Der preafectus kann sich glücklich schätzen, eine derart schöne Frau ehelichen zu dürfen.“


    Eigentlich fand Marcus die Frau ein bisschen zu mager und ein bisschen zu blass, sie sah sogar schon kränklich aus, wobei auch sicherlich die Schminke täuschte. Das mit der Bläße war jedoch eine lange schon anhaltende Mode, was viele Römerinnen als sehr schick empfanden. Marcus konnte das gar nicht verstehen.


    „Mögen die Götter eure Verbindung schützen.“


    Marcus nickte den Beiden wohlgefällig zu, dann wandte er sich an Epicharis, denn das Brautpaar wurde scheinbar schon von anderen wieder in Beschlag genommen. Außerdem hatte Marcus keine Lust mehr, weitere Phrasen an solche wenden zu müssen, die er sowieso nicht kannte und die ihm abgrundtief unehrlich vor kamen. Wenn auch Marcus seinem Vorgesetzten jedes Glück der Welt wünschte und das durchaus ehrlich war.


    „Sag, Epicharis, magst Du vielleicht ein paar Schritte mit mir spazieren gehen? Ich könnte Dir noch das castellum zeigen.“


    Immerhin würden die Soldaten am nächsten Tag aufbrechen, da lag es doch Nahe, daß er die kostbare Zeit noch nutzen wollte. Zudem müsste er nicht mehr in jener unangenehmen Situation mit Lucilla und Epicharis verharren.

    Allerlei verblüffte, verwunderte und auch etwas verschreckte Mienenspiele waren bei Marcus zu erkennen als er das Gekreische und das Wimmern, die Laute wahren religiösen Eifers und der göttlichen Offenbarung vernahm- dahingehend war Marcus nun mal genauso leicht zu beeindrucken. Doch nach einer Weile wurde das Unbehagen in ihm doch etwas geringer, so dass er sogar fast erleichtert war, als die Priesterin zurück kehrte und die Worte der Götter mit sich trug. Aufmerksam lauschte Marcus den Worten, eine Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen, denn schon nach den ersten beiden Zeilen war Marcus heillos verwirrt und konnte nicht mehr recht dem Sinn und dem Inhalt folgen. Wobei der erste Spruch Marcus noch gänzlich aufging, denn er hätte ihn sicherlich ähnlich formuliert. Das mit den Steinen, Würmern und Vögeln war Marcus dann schon wieder zu ominös. Eigentlich kam es ihm sogar ein wenig absurd vor, doch er verbot sich solche Gedanken. Sicherlich waren das hohe Weisheiten, die nur ein großer Philosoph oder ein Gelehrter zu entziffern vermochte und nicht einer wie er, Marcus. Am Ende der Weissagung war Marcus genauso schlau wie vorher und sah ratlos zu Epicharis, womöglich hatte sie es verstanden. Doch die junge Frau sah genauso ratlos- oder unzufrieden bis verblüfft?- wie Marcus zu der Priesterin. Marcus spähte auf die tabula, überließ sie lieber Epicharis, denn die Blöße, sie im Tempel leise flüsternd wieder geben zu müssen, in seiner üblich stockenden Leseweise, das wollte er wahrlich nicht. Auch wenn er irgendwie schon gerne wissen wollte, ob er sich nicht einfach verhört hatte. Mit einem marginalen Lächeln wandte sich Marcus noch an die Priesterin.


    „Wir danken dem Orakel und werden den Rat und die Weissagung der Götter stets gut bedenken. Vale.“


    Marcus hatte nicht den blaßesten Schimmer, was er daran berücksichtigen sollte und was überhaupt der Rat war, aber dafür gab es genug Priester in der Familie. Marcus lächelte Epicharis zu und wandte sich dann um, verließ mit einigen Schritten auch den Tempel. Am Fuße des Tempels und neben den Treppen blieb Marcus wieder stehen und atmete die frische Luft Roms- wie üblich stinkend und etwas morastig- ein. Aber es war alles besser als das betäubende Weihrauchgemisch im Inneren des Tempels.


    „Nun, Epicharis, ich muß zugeben, die Worten haben mir auf Anhieb nicht ihren Sinn verraten. Außer...“


    Marcus verstummte. Das mit dem Tartaros klang nicht gerade sehr optimistisch und Marcus wußte nicht recht, was er davon denn halten sollte.

    Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides
    ...denn leider werde ich mich für einige Tage wohl abmelden müssen und zwar komplett. Leider zwingen mich äußere Faktoren dazu, ich hoffe, das bald geklärt zu haben. Schöne Pfingstferien noch.


    Schelen Blicks sprach der Major, [size=5]Scheiße[/size] ist das ganze Chor... (mehr meine Umstände zur Zeit...;) )


    Wenn nicht ein glücklicher Umstand und Wendung passiert, muss ich mich für die nächsten zwei bis drei Wochen auf sporadisch bis weiterhin fast gänzlich abwesend melden.