Verwundert ob der Haltung und der Fassade seines Vetters betrachtete Marcus den Flavier vor sich, wobei er immer mal wieder einen Schluck Wein zu sich nahm und seine Hand an den Nacken der jungen Sklavin legte, die ihm schon die letzte Nacht nach der Verlobung versüßt hatte und ebenso den jetzigen Moment. Hegte Marcus darüber irgendwelche Gewissensbisse? War es für ihn eine moralische Untat, daß er noch an seiner Verlobung sich wieder einer anderen Frau zugewandt hatte? Für Marcus war dem nicht so! Sklavinnen und lupae bedeuteten ihm nicht mehr als das Vergnügen eines guten Weines oder Mahles. Es diente einzig und alleine, seine Lust für einen kurzen Zeitraum zu stillen, ihn zufrieden zu stellen und danach vergaß er das Erlebnis sogar meist wieder, die Frau sowieso. Schließlich waren es nur Sklavinnen. Dennoch ließ er die Finger weiterhin genießerisch durch die dunklen Locken der Frau kreisen, die er gestern am Nachmittag in der Villa entdeckt hatte. Doch seine Gedanken kreisten nicht um die junge Frau zu seinen Füßen oder das, was sie Beide gestern Nacht getan hatten, mehr die Schuldbewußte und zerknitterte Miene seines Verwandten. Mit vollem Verständnis lauschte Marcus den ersten Worten von Gracchus. Ja, die Ehe war nun mal nicht einfach zu ertragen, besonders wenn sich Mann und Frau nicht gut ergänzten. Aber es verwunderte Marcus durchaus. Das Lächeln von Antonia noch am gestrigen Abend hatte ihn für Gracchus anderes hoffen lassen. Sie schien ja regelrecht euphorisch zu strahlen, schien ihm wie eine glückliche Ehefrau an der Seite ihres geliebten Gatten zu sein. Sie dünkte ihm eindeutig verliebt zu sein. Oder womöglich war das der Grund für Gracchus leidende Miene? War ihm das zuviel an Gefühlen von seinem Eheweibe, derer er nicht so viel empfinden konnte, bevorzugte er doch lieber den Leib eines Knaben? Verwirrt kratzte sich Marcus am Nacken und lehnte sich zurück auf die Liege. Seinen Vetter und dessen verworrenes [Liebes-]Leben zu verstehen war Marcus manchmal einfach zu hoch, genauso wie die blumig- verschnörkelte Sprache, derer sich Marcus nicht bedienen, noch sie sonderlich gut verstehen konnte.
„Tja, Manius, die Ehe ist nun mal eine Last für uns Patrizier. In dieser Hinsicht dürfen wir wohl die Plebejer erneut beneiden, die sich ihre Verbindung selbst aussuchen dürfen. Aber Manius, tröste Dich doch damit, daß Deine Frau eine tiefe Verehrung und Zuneigung zu Dir verspürt. Das sieht doch jedermann sofort.“
Marcus meinte das zumindest erkannt zu haben. Aber um zu seiner Vermutung auch eine Antwort zu erhalten, nutzte er dies, in dem er es in das einfache Gewand seiner direkten Frage legte.
„Oder liegt darin das Problem?“
Schwer seufzend leerte Marcus seinen Becher und reichte ihn an die Sklavin weiter, die ihn prompt füllte und Marcus zurückgab. Mit einem demütig gesenkten Blick schmiegte die Sklavin ihre Wange an Marcus Knie, er legte abermals seine Hand auf ihren Nacken und setzte das Kraulen von ihr fort, als ob er sich mit einer Hauskatze beschäftigen würde. Seine Gedanken kreisten jedoch um Arrecina, seinen Sonnenschein, und um seinen Sohn. Ebenso bemühte er sich Gracchus zu folgen. Die ersten Sätze hatten noch Sinn und Zusammenhang, waren Marcus einleuchtend, aber schon bei indispensabel verlor Marcus den Faden, vernahm nur noch die Wörter indisputablen und diskulpiere und war völlig ratlos, was sein Vetter damit meinen könnte. Er meinte sich nicht daran entsinnen zu können, solche Worte jemals gehört zu haben. Waren sie griechischer Natur oder stammten sie gar aus einem fremdländischen Land, dessen Vokabular sich Gracchus in seinem Sprachtalent zu eigen gemacht hatte? Marcus sah ihn mit leicht geöffneten Lippen an, war völlig überfordert und bemerkte erst nach einigen Herzschlägen, dass Gracchus wieder zu einer vernünftigen Wortwahl zurückgekehrt war.
„Ähm…..öhm…was?“
, setzte Marcus erst an, dachte dann einige Herzschläge über die Worte nach, die ihm doch verständlich waren. Marcus holte tief Luft und schüttelte schließlich den Kopf.
“Bei Mars und Venus, Manius, was redest Du bloß? Mal abgesehen von den Wörtern, die mir wieder mal völlig unbekannt sind und die Du wohl so gerne benutzt, um mich in meiner Unwissenheit aufzuziehen. Nein, im Ernst. Manius, ich bin Dir Deiner Hilfe, die Du mir in den letzten Monaten, nein Jahren stets so aufopferungsvoll und ohne eine Gegenleistung zu verlangen gewährt hast sehr, sehr dankbar. Du hast alles getan, was in Deiner Macht stand, mehr als ich jemals verlangen konnte und wollte. Wenn es nicht Dir gelang, dann hätte es auch kein anderer vermocht. Und zudem weiß ich doch, daß ein Fluch nichts Leichtes ist, wahrscheinlich nicht zu brechen. Womöglich habe ich Dich mit meiner Bitte sogar noch in Gefahr gebracht, ich verstehe doch von all dem so wenig. Wenn, dann ist es an mir, mich zu entschuldigen, Manius. Zudem habe ich Dir niemals die Erziehung meines Sohnes überantwortet. Daß er bei Dir die Belange der Priesterwürde und des cultus erlernt ist bei Weitem genug. Ihn zu einem guten Patrizier, zu einem ehrenhaften jungen Mann zu machen, war niemals Deine Aufgabe, Manius. Das ist meine, bin ICH doch sein Vater. Und in dieser Hinsicht habe ICH versagt. Nicht Du, mein Vetter, wahrlich nicht Du.“
Marcus seufzte schwer, löste die Hand aus den Locken der Sklavin, die ihm im Moment lästig wurde. Mit seinem Kinn schickte er sie in den Nachbarraum, wo auch sein Bett stand. Ebenso winkte er den Massagesklaven zu entschwinden. Marcus beugte sich nach vorne und sah Gracchus ernst an.
„Es ehrt Dich sehr, daß Du ein derartig starkes Pflichtgefühl meiner Familie gegenüber offenbarst, aber das mußt Du nicht und das verlangt niemand von Dir. Ich danke Dir dennoch sehr, Manius. Ich stehe tief in Deiner Schuld und sollte ich je soviel für Dich tun können, dann brauchst Du es mir nur zu sagen.“
In einem Zug leerte Marcus den Becher, stellte ihn zur Seite und griff nach seiner tunica, die neben der Liege lag. Da er alle Sklaven rausgeworfen hatte, krempelte er das Gewand selber um und zog sie sich über den Kopf. Unter dem Stoff drangen einige gedämpfte Worte hervor.
“Weißt Du, Manius, mit Kindern ist das oftmals gar nicht so einfach. Daß mein Sohn mich derartig bloß stellt, hätte ich mir auch niemals gedacht. Sicherlich, ich habe mich wohl selber etwas ungeschickt angestellt, es stand einfach alles Kopf bevor die Feier begann und ich wollte eigentlich noch mit ihm und Arrecina darüber reden…aber ein wenig Familienloyalität kann man von dem eigenen Sohn doch erwarten oder ist das zuviel verlangt?“
Marcus Kopf tauchte unter der tunica hervor und er sah fragend zu seinem Vetter.