Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    In sich zusammen gesackt und vollkommen erschöpft starrte Marcus auf das geöffnete Fenster und einige Soldaten, die gerade vorbei marschierten. Er hatte ganz trockene Lippen von dem ganzen Diktieren und ergriff einen Tonbecher, den er mit Wein füllte.


    Meinst Du, ich kann das so schreiben? Wirkt das nicht zu jammernd und lächerlich?“
    - „Hmm…weiß nicht, centurio, aber ich glaube, Frauen stehen auf so was. Wobei es schon ein wenig…sagen wir gefühlsduselig ist, wenn ich mich so ausdrücken darf? Aber nicht in lächerlicher Weise, centurio…nein, so mein ich das nicht…ähm, ja.“


    Marcus nickte und sah noch mal skeptisch zu seinem Schreiber. Der dürre Bursche schien ihm nicht der rechte Mann für solche Ratschläge zu sein. Dieser schien sich daran jedoch nicht zu stören und tippte mit seinem stilus nachdenklich auf den tabularand.


    “Aber, centurio, warum schreibst Du so was? Willst Du Dein Liebchen nicht halten? So einen flotten Feger zu Hause zu haben ist doch nicht schlecht…“


    Einen Moment sah Marcus den Mann sprachlos an, dann lehnte er sich zurück und stierte zur Decke und der Holzmaserung, die sich dort abzeichnete. Nach einigen Herzschlägen hatte sich Marcus soweit beruhigt, daß er wieder normal mit seinem Schreiber, der all seine private Korrespondenz mittlerweile kannte, zu reden vermochte.


    “Sie ist nicht mein Liebchen, sondern meine Verlobte oder Fast Verlobte, nein meine Verlobte. Ich kenne sie noch nicht mal sehr gut. Aber sie scheint mir eine herausragende Frau zu sein, nicht so langweilig wie die meisten Römerinnen und gar Patrizerinnen…aber gut, dann schreib die üblichen Abschiedsfloskeln mit Götter und so weiter und gib es mir dann nach der Reinschrift für meine Signaturen und den Siegelabdruck.. abite.“


    Dann ergriff Marcus den Tonbecher und trank den Inhalt in einem Zug leer. Erst eine Stunde später hatte er den Brief an Epicharis vor sich und drückte seinen flavischen Ring darauf.

    Es war ganz offensichtlich für alle, die Marcus Flavius Aristides gut kannten, er hatte die Briefe nicht selber geschrieben, sicherlich diktiert, aber es war eine gänzlich andere Handschrift und mit einer sehr viel besseren Orthographie versehen. Ein Bote brachte die Briefe in den frühen Morgenstunden an einem sonnigen Frühlingstag.



    An Flavia Arrecina
    Villa Flavia
    Roma



    Cinilla, mein Sonnenschein,


    weder war es mir in den letzten Wochen vergönnt etwas von Dir und Deinem Befinden zu erfahren, noch Dich zu sehen. Mein Goldstück, mein Ein und Alles, wie geht es Dir? Ich hoffe sehr, das Bemühen von Gracchus- sofern er schon es vollzogen hat- den Fluch um Deine Erinnerung zu brechen gelungen ist. Dich hat doch das Ganze nicht zu sehr erschreckt, mein Sonnenschein. Doch meine kleine Cinilla, fürchte Dich nicht, denn Dein Onkel hat die guten Geister und Götter auf seiner Seite und wenn jemand den Fluch brechen kann, dann wird nur Gracchus dazu in der Lage sein. Mein Golstück, gräme Dich nicht in der villa Flavia, denn jeder aus der Familie wird Dir stets zur Seite stehen, selbst wenn Du ihnen noch nicht von Deiner Erinnerung vertrauen schenken kannst. Aber sie sind Deine Familie, Cinilla.


    Zu gerne hätte ich Dich besucht, mein Ein und Alles, aber an den Grenzen im Osten zu den Parthern sind schlimme Dinge vorgefallen, die den Kaiser zwingen in den Krieg zu ziehen. Und mit ihm wird die Legion, in der ich diene, ebenfalls nach Armenia und womöglich sogar Parthia ziehen. Somit werde ich wohl schon innerhalb der nächsten Wochen Italia verlassen müssen. Doch meine kleine Cinilla, Du wirst nicht alleine sein. Deine Onkel, deine Cousins und Tanten, aber auch Deine Großmutter und Dein Bruder werden stets für Dich sorgen können. Und meine liebe Cinilla, wenn Du Dich vielleicht immer noch nicht daran zu entsinnen vermagst: Du bist und bleibst meine Tochter, mein Ein und Alles, mein größter Schatz, der mir von den Göttern anvertraut wurde.


    Vielleicht- Dein Onkel Gracchus will in nächster Zeit nach Mantua kommen- werden wir uns doch noch vor unserem Abmarsch sehen können, so Du es auch wünschst und die Reise mit Deinem Onkel zusammen auf Dich nehmen möchtest. Mein Goldschatz, ich würde mich sehr freuen, Dich zu sehen. Wenn es Dir jedoch nicht gut genug geht, dann verstehe ich das und dann sollst Du Dich lieber weiter in der villa Flavia auskurieren. Vielleicht kann Dir Deine Tante, Leontia, in dieser Zeit gute Gesellschaft leisten, ist sie doch auch nur wenige Jahre älter als Du und ein liebes Mädchen.


    Mögen die Götter über Dich wachen, meine Tochter.
    Dein Vater



    An Lucius Flavius Serenus
    Villa Flavia
    Roma


    Lucius, mein Sohn,


    Hannibal hat mir berichtet, daß Dein Lernen und Streben nach Wissen doch Fortschritte macht und Du Dich in der villa Flavia doch recht respektabel benimmst. Doch außerdem ist mir zu Ohren gedrungen, daß Du Dich im höchsten Maße ungebührlich gegenüber einem möglichen griechischen Hauslehrer benommen hast. Lucius, das geht nicht. Ein Patrizier hat sich stets vorbildlich und überlegen zu benehmen, selbst wenn es dem peregrinipack gegenüber ist. Doch noch wichtiger ist in dieser Hinsicht: Mach es Deinem Onkel Gracchus nicht zu schwer und tu ihm beim nächsten Hauslehrer den Gefallen, ein wenig mit mehr Benimm aufzutreten. Du weißt doch, wie schwer es sich Gracchus stets zu Herzen nimmt, wenn solche Schwierigkeiten auftauchen.


    Nun, Lucius, mein Junge, leider wird es mir auch in nächster Zeit nicht vergönnt sein, nach Rom zurück zukehren und somit die legio zu verlassen, denn, wie Du vielleicht schon vernommen hast, droht uns Krieg und die legio prima, der ich angehöre, wird bald in den Osten ziehen. Und gerade in dieser Situation, mein Sohn, muß ich viel von Dir verlangen. Zeige, daß Du doch schon reif und verständig genug bist, um in der villa Flavia Deiner Schwester zur Seite zu stehen und ein Wenig auf sie zu achten. Eigentlich wollte ich noch nach Rom kommen und euch besuchen. Doch unser oberster Kommandeur, der Legat der Legion, hat uns allen den Ausgang verboten. Wir haben sozusagen Hausarrest bis wir abmarschieren. Aber vielleicht kannst Du noch mit Deinem Onkel Gracchus vor unserem Abmarsch nach Mantua kommen, mein Junge.


    Von Hannibal habe ich ebenso vernommen, daß Du mit Deinem Geld, was Du von mir und Deiner Großmutter erhältst, nicht mehr auskommst? Nun, ich habe ihm gesagt, daß Du in Zukunft etwas mehr bekommst, Rom ist zwar nicht so teuer wie Baiae, aber Du dafür doch größer und die Wagenrennen und sonstigen Unterhaltungen vielfältiger. Auch habe ich gehört, hast Du wohl einen Teil des Geldes in einen speziellen Weihrauch gesteckt. Warst Du wirklich bei dem Orakel von Rom? Vielleicht, Lucius, verrätst Du mir auch, aus welchem Grund Du die Seherin aufgesucht hast?


    Sei nett zu Deiner Schwester, höre auf Hannibal und Deinem Onkel Gracchus, Lucius. Und lass die Rosen von Deinem Onkel Felix in Ruhe.


    Auf daß die Götter auf Dich Acht geben mögen, mein Sohn. Ich bin sehr stolz auf Dich und sicher, daß aus Dir ein großmütiger und ehrenhafter Flavier wird.
    Dein Vater



    An Manius Flavius Gracchus
    Villa Flavia
    Roma



    Mars zum Gruße, mein von den Göttern auserwählte Vetter in Rom.


    Wahrlich sind die kursierenden Gerüchte nun mehr als nur das besorgte Geschwätz alternder Männer oder neugieriger Frauen geworden. Die acta offenbart es jedem Römer, wie werden Krieg führen müssen. Auch ist heute der Befehl unseres legatus ergangen, der über uns alle Soldaten, vom einfachen miles bis hin zum Offizier, jeglichen Ausgang aus dem castellum verboten hat. Jeden Tag ist nun ein Marschbefehl, das Eintreffen unseres legatus von der Besprechung mit dem Kaiser in Rom und somit unserer Abzug aus Italia möglich. Womöglich schiffen wir bereits nächste Woche über Ravenna oder gar Misenum nach Kleinasien aus. Aber dennoch, obwohl es meinen Plänen für die Zukunft zuwider läuft, wollte ich doch meine Verlobung mit Claudia Epicharis feiern und auch den Weg, den Du mir vorgeschlagen hast in die Politik wählen, bin ich nicht allzu sehr unglücklich über diese Entwicklung. Denn so wird es mir vergönnt sein an der Seite des Kaisers mit in den Kampf gegen eine Bedrohung im Osten, die Parther, ziehen zu dürfen. Welch größerer Ehre darf sich ein Römer, ein Flavier und Soldat wünschen, wenn er dem Kaiser direkt auf das Schlachtfeld folgen darf?


    Nun, das mag vielleicht alles sehr geschwollen und heroisch oder gar pathetisch anmuten, aber, Manius, das ist durchaus mein voller Ernst und ich verspüre tatsächlich dieses Gefühl der Freude in mir, selbst wenn es mich auf ein schlimmes Ende zuführen kann, werde ich schließlich als centurio mitten bei meinen Männern sein, so es zu den Schlachten kommt. Dennoch glaube ich fest daran, daß Mars auf unserer Seite sein wird. Jedoch muss ich Dich, Manius, um etwas bitten. Wenn ich nicht mehr bin und doch im Kampf sterben sollte, so weiß ich sicherlich, daß meine Mutter immer für meine Kinder da sein und sich um sie sorgen wird. Doch ich glaube auch, daß mein Sohn einen Mann braucht, der ein Vorbild für ihn sein kann, der ihn dazu anleitet, später selber ein ehrenvolles Leben und das eines aufrechten Römers zu führen, insbesondere das eines Flaviers. Und ich kann mir niemanden besser als Dich für diese Rolle vorstellen. Ich weiß, es ist eine große Bitte, die ich Dir aufbürde. Nur weiß ich meinen Sohn bei niemandem in besseren Händen als bei Dir, Manius.


    Dennoch hoffe ich darauf, daß es nicht dazu kommen wird und ich im schlimmsten Fall mit einigen Wunden und Verbänden in die villa Flavia zurückkehre, in einigen Monaten oder womöglich in einigen Jahren. Doch auch wenn ich nicht frei von der Sorge bin, eines Tages nicht mehr für meine Kinder da sein zu können, möchte ich dich ebenso bitten, es ihnen nicht zu sagen. Lass sie die Tage leicht und fröhlich erleben und offenbare ihnen bitte nicht die Gefahren, die der Krieg mit sich bringt. Ich würde mich übrigens sehr freuen, Dich und vielleicht auch noch meine Kinder zu sehen, bevor wir Italia mit der legio verlassen.


    Aber jetzt zu Deinem Anliegen: Was soll das, bei allen guten Göttern, bitte bedeuten, daß Minervina nach Hispania aufgebrochen ist? Ja, ist das Mädchen denn völlig übergeschnappt in diesen Zeiten in das Land, wo noch die Verräter hausen, zu reisen. Aber es ist natürlich selbstverständlich, daß Hannibal Deinen Sklaven begleiten wird, um sich dem anzunehmen. Schließlich ist Minervina meine liebe Base und sie mir genauso teuer und wertvoll. Wie könnte ich da zulassen, daß sie in Gefahr schwebt? Also, Hannibal wird Deinen Weisungen gehorchen und ebenfalls, so schnell Du es wünschst, nach Hispania aufbrechen.


    Im Übrigen habe ich das vielleicht ein wenig flappsig am Anfang verkündet, bin ich mir doch nicht sicher, ob Du über die Kunde schon Bescheid weißt. Ich werde, wenn ich den Dienst der Legion aufgebe, heiraten. Meine Mutter hat mich dazu gedrängt und mir auch schon die junge Frau ausgesucht, die vor einiger Zeit dem zugestimmt hat. Es handelt sich dabei auch um eine Claudia- Claudia Epicharis. Ich möchte Dich darum bitten, es noch nicht meinen Kindern zu erzählen. Ich möchte ihnen das lieber persönlich mitteilen.


    Den Segen der Götter werde ich Dir wohl nicht wünschen müssen, Manius, bist Du doch einer ihrer Priester. Dennoch schicke ich Dir meine verbunden und aufrechten Grüße nach Rom und hoffe, Dich bald in Mantua zu sehen.
    Dein Vetter
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    Grüblerischer Miene, schwer vor sich hinseufzend saß Marcus in seiner Unterkunft und starrte auf den sonnigen Tag hinaus. Während noch in der Unterkunft die Soldaten, nicht ahnend, was auf sie zukam, ihre Sachen für das Manöver packten, drehte Marcus besorgt den Stab aus Zitrusholz in seinen Händen und dachte über seine Zukunft nach. Krieg, Krieg. Einerseits war er sicherlich genauso begierig wie viele Römer, Ruhm und Glorie auf dem Schlachtfeld zu ernten, dennoch war er sich darüber im Klaren, daß er all seine Familienmitglieder auf lange Zeit nicht sehen würde, seine Kinder, seine Basen und Vettern, seine Neffen und natürlich ganz besonders seine Mutter. Und dann war da noch Epicharis. Verliebt hatte er sich nicht in sie, kannten sie sich doch erst seit kurzer Zeit, wenn sie auch schon verlobt waren. Dennoch schien Epicharis eine reizende junge Frau zu sein und wahrscheinlich nicht sehr glücklich darüber, daß doch der Krieg über ihn und die Soldaten herein brach und alles, ihre Verlobung und ganz besonders die Hochzeit, auf unbestimmte Zeit verzögerte. Marcus schloß die Augen und dachte nach, doch seine Gedanken gingen immer im Kreis herum. Syria, Armenia, Parthia. Die ersten beiden Reiche hatte Marcus schon auf seiner langen Reise gesehen, doch Parthia war ihm genauso fremd wie es für die meisten Soldaten im Lager war. Und vielleicht kehrte er nie wieder aus dem Krieg zurück.


    „Naevius!“


    Die Tür ging auf und der Soldat, der sein Schreiber seit Neuestem war, trat herein.


    „Da bist Du ja! Hast Du den Brief an meinen Vetter schon abgeschickt?
    - „Nein, centurio!“
    „Gut, denn wir müssen ihn abändern. Außerdem muss ich noch einige andere Briefe schreiben…setz Dich…“
    - „Wieviele, centurio?“
    „Hmm…an meine Tochter, an meinen Sohn, an Epicharis, an meinen Sklaven, an meine Mutter und an meinen Vetter, das macht also sieben.“
    „Sechs, centurio!“
    „Wie auch immer, hol die tabulae…“


    Und so begann das Schreiben von Neuem…

    Tius lehnte sich auf die Kante seines Schildes und rieb sich seine Hände. Daß sie überhaupt hier Wache halten mussten war mehr der Form halber als aus einer wirklichen Not. Aber wenn sie für den Ernstfall übten, gehörte das auch dazu. Mißtrauisch starrte Tius auf das Katzenvieh, was an ihnen vorbei huschte. Er hätte nicht übel Lust gehabt, sein pilum zu ergreifen und es- er war ein recht passabler Speerwerfer, hatte sogar schon bei Wettkämpfen in seiner Heimat teilgenommen- auf das Tier zu schleudern. Er hätte ja so tun können, als ob er darin ein wildes Tier auf dem Wald gesehen hätte. Wer würde es ihm da verübeln? Doch der Impuls zuckte nur kurz durch seine Hand und er seufzte schwer. Der Patrizierschnösel- in seinen Augen war der tribunus immer noch nichts anderes und der Luchs untermalte diesen Eindruck bei ihm- würde es ihm sicherlich verübeln und Tius hoffte immer noch darauf, eines Tages mal optio zu werden. Und da sein centurio ebenso ein Schnösel war, wie Tius außerdem befand, würde daraus dann nichts werden.


    „So sieht’s aus. Aber mehr Krieg gegen Parthia. Syria gehört uns ja schon. Aber was bei Mars mächtigem Hintern, Du kennst die Parther nicht?“


    Tius sah Sparsus mit gespieltem Erstaunen an, denn eigentlich war auch Tius noch nicht in Syria stationiert gewesen und kannte das Volk nur vom Hörensagen.


    “Das sind ganz gemeine Typen. Grausam und wild. Angeblich essen sie Kinder zum Frühstück und halten sich ihre Frauen zu Dutzend in einem geheimen Ort, den nur sie betreten dürfen. Hah, stell Dir vor, zehn Eheweiber oder noch mehr, nur für Dein Vergnügen.“


    Tius lachte dröhnend und sah sich schnell zu den anderen Soldaten um.


    Auch nach hinten zog sich die Befehlsreihe weiter und mit einem gleichen Befehl: „Consistite!“ ließ Marcus ebenfalls seine Männer anhalten. Auch er selber blieb mit einem leisen Seufzen stehen, zog ein Tuch unter seiner Rüstung hervor und wischte sich seine krebsrote Stirn ab. In jenem Augenblick beschloss Marcus, daß er in Zukunft vielleicht doch wieder mehr üben und sich an die mahnenden Worte des Lagermedicus halten, etwas weniger zu Essen, sollte. Doch im Moment grummelte sein Magen und wollte sich mit so einem Beschluss nicht abfinden.


    Milites, sarcinas deponite!“


    Die meisten Soldaten wirkten auch erleichtert, wengistens für einen kurzen Moment der Rast ihr Marschgepäck auf den Boden abstellen zu können und so einige Pfund weniger auf dem Rücken zu tragen. Marcus sah sich einen Augenblick suchend um und winkte die nächsten Soldaten an sich heran.


    Miles Ivinius, miles Iulius, nehmt euch zehn Männer und bewacht die östliche Flanke der centuria. Miles Cafo, dasselbe mit der Westlichen.“


    Marcus warf noch mal Iulius Sparsus einen prüfenden Blick zu, ob dieser- trotz seiner kurzen Grundausbildung- auch mitkam. Aber dem jungen Mann würde keine andere Wahl bleiben, war dieser Marsch doch der erste Auftakt nur, würden sie doch bald in die brütenden Hitze der Ostens marschieren müssen, die die Italische mild wie einen germanischen Frühling erscheinen lassen würde. Mehr üben! , das beschloss Marcus und drehte sich dann jedoch gleich zu seinem Stellvertreter zu, Tallius Priscus.


    Optio?“


    Ruhig wartete Marcus bis dieser herankam und dann trat Marcus auch einen Schritt auf ihn zu.


    “Alles in Ordnung bei den Männern?“


    Derweil marschierte der dickliche Ivinius, der Soldat, der Sparsus schon auf dem vallum herum geführt hatte, an der Reihe von Soldaten vorbei und wählte einige Männer aus, die mit Wache halten sollten. Am Rande bauten sich die Männer auf und spähten über die grüne Landschaft hinweg, halb auf die Speere und die Schilde gestützt. Ivinius, oder auch von den meisten Soldaten seines Ranges Tius genannt, kratzte sich an seinem juckenden Bart.


    „Na, Sparsus, schon von gehört, was uns bevorsteht?“

    Mit einer gewissen Zufriedenheit und auch Freude bemerkte Marcus doch, daß Epicharis wohl etwas für Süßspeisen übrig hatte und dem Genuß solcherlei Köstlichkeiten etwas abgewinnen konnte. Der sich leerende Teller war Beweis genug für Marcus. Und da er Frauen, die auch einen gesunden Appetit hatten, noch mehr mochte als die dürren Stecken, die dem Leben keine Freude abgewinnen konnten, stimmte ihn das noch mehr froh. Einige Schwalben flogen im tiefen Flug über dem Aventin entlang, der hier doch seine schönen Seiten und nicht die ärmlichen Insulae offenbarte. Mit ihrem eleganten Flug erjagten sich die Schwalben kleine Fliegen aus der Luft und erhoben sich in einer gekonnten Schraube wieder in die Höhe. Auch Marcus war froh darüber nicht weiter über die Belange der legio und mögliches Unheil zu sprechen, denn selbst wenn er es sich nicht eingestehen würde, es besorgte ihn selber durchaus. Mit Erstaunen lauschte Marcus ihren Worten und nickte beeindruckt. Denn zum einen klang es sehr philosophisch, was Epicharis dort sagte, und zum anderen war er schlicht von der Tatsache beeindruckt, daß sie sich schon zwei Mal einer Voraussagung eines Orakels gestellt hatte und glaubte, auch die Worte deuten zu können- wie auch immer sie das mit dem Verstehen, Nicht-Verstehen und doch Wissen auch gemeint hatte. Denn wirklich hatte Marcus ihre Aussage nicht verstanden, wenn er sich davon nichts anzumerken gedachte. Dies war nicht das erste Mal, daß es ihm so ging, und Philosophie- so war Marcus fest überzeugt- war nur Philosophie, wenn ein Normalsterblicher- sprich er- sie nicht begriff. Marcus stützte sich auf seinem Ellbogen ab und nippte am Wein, dachte dabei nach, ob er etwas ähnlich Schlaues erwidern konnte. Aber das war nun mal die leidige Angelegenheit, wenn man über zu wenig Bildung verfügte, oder eher sich nicht wirklich an die Weisheiten der mal erlernten Texte entsann. So gab er das Unterfangen- ein Gedicht wäre schließlich nichts passendes gewesen- wieder auf und nickte zustimmend.


    „Gut, dann zur neunten Stunde vor dem Orakel der Sibylle.“


    Mit einer Hand deutete Marcus einem Sklaven ihm nachzuschenken und nickte wehmütig lächelnd. Ja, Africa war für ihn ein Traum gewesen- abgesehen von den Widrigkeiten des Reisens, das zweimalige Überfallenwerden, die Insekten, die Krankheit seines Sohnes, das Jammern der Kinder, wenn es mal wieder zu heiß war, die kleinen Leiden, die man immer in der Fremde hatte und ähnliches. Aber je länger die Reise nach Africa her war, desto mehr verklärte Marcus diese und hielt das Land nur noch für ein Hort aller Schönheit und die Vorboten der elysischen Felder. So hätte er wohl den ganzen Abend schwärmen können- wenngleich er sich wohl über die betörenden, dunkelhäutigen Frauen weniger ausgelassen hätte-, aber er wollte Epicharis nicht allzu sehr langweilen, es ihr lieber selber eines Tages zeigen und den Reiz dieser Länder selber offenbaren. Warum Marcus ein Faible für Africa hatte, hinterfragte er nie, lag es doch schlicht in der Familie. Immerhin waren einige Flavier für ihre Liebe zu diesen exotischen Reichen bekannt, hatte sogar einer der Kaiser, Vespasian, aus seiner Familie dem Kontinent doch die Kaiserswürde zu verdanken oder Domitian indirekt sogar sein Leben.


    “Aber natürlich können wir auch das Museion besichtigen. Es ist mit Sicherheit einen Besuch wert.“


    Wenn auch Marcus wenig Lust dazu hatte, so würde er doch Epicharis den kleinen Gefallen tun. Interessiert eine Schriftrolle anzuschauen, dabei kein Wort zu lesen und die Gedanken mit den angenehmen Dingen des Lebens zu füllen- also Tagträume zu pflegen- das konnte Marcus durchaus ganz gut. Außerdem hatten manche Schriftrollen auch recht ulkige Bilder und die Griechen des Museion waren doch häufig sehr amüsante Zeitgenossen, über die man sich herrlich lustig machen- selbst wenn diese es nicht beabsichtigten. Mit dem Abendrot färbte sich auch das Purpur der Klinen, wandelte sich in ein tiefes Rot- wie in den roten Lebensodem getaucht oder ein Feld von Mohn, was sich sanft im Wind wiegte, schien die Farbe zu leuchten. Doch dann schlug die Verwirrung bei Marcus zu als Epicharis die Sklavin erwähnte, folgte mit dem Blick zu Dhara und konnte sich nicht im mindesten einen Reim darauf machen, was Epicharis meinte. Welcher Brief? Genau genommen hatte Marcus schon seit Wochen kein Schriftstück auf seinem Schreibtisch angeschaut, geschweige denn gelesen. Der riesige Berg darauf war ihm ein Grauen gewesen und so hatte er entschlossen alles gepackt und in eine Kiste geworfen. Ob da der Brief von Epicharis dabei gewesen war? Schon bohrte sich der Pfeil von schlechtem Gewissen, getaucht mit dem Gift von Verlegenheit in Marcus. Hinter Epicharis Rücken bemerkte Marcus ein energisches Kopfnicken von seinem Sklaven, sah einige Herzschläge verwundert drein, ehe er ebenso mit dem Kopf nickte.


    “Aber natürlich. Nun, es freut mich, wenn Dir die Sklavin Freude bereitet.“


    …was auch immer ich damit zu tun habe!, kam Marcus der Gedanke. Aber das würde er später noch mit Hannibal klären müssen. Scheinbar hatte der vergessen, ihn auf etwas hinzuweisen. Obwohl voll und doch etwas träge durch das Mal, erhob sich Marcus und deutete eine Verbeugung im schwindenden Abendlicht am.


    “ Und mir war es eine große Freude und Ehre Deine reizende Gesellschaft an dem heutigen Nachmittag genießen zu dürfen!“


    Natürlich verstand es sich von selbst, daß Marcus Epicharis mit bis zur Sänfte führte und sie erst dort, bewacht von unzähligen Sklaven, verabschiedete. Eifrige Hände- die der Sklaven- entzündeten am Weg bis zur Sänfte bereits kleine Öllampen, die mit filigranen roten und blauen ägyptischen Glas überdeckt waren und ihr buntes Licht auf die hellen Kiessteine warfen. Im Dämmerlicht zwitscherten einige Vögel, besonders die Amseln, aber auch so manch ein exotischer Vogel, der sich von Epicharis zu verabschieden schien. Die verschnörkelten Tore schwangen von den beiden Patriziern auf und Marcus wandte sich vor der Sänfte Epicharis zu. Das letzte Licht im Abendrot beschien die eine Hälfte seines Gesichtes, während die Andere völlig von der heranziehenden Dunkelheit bedeckt wurde. Sanft ergriff Marcus Epicharis Hand und sah sie einige Herzschläge mit einem längeren und intensiveren Blick an.


    „Selig wie ein himmlischer Gott erscheint mir, wär’s erlaubt, noch über den Göttern selig, wer, vor dir hinsitzend, dich immer, immer schauet und anhört.“


    Wie einen Schatz in seiner Hand beschirmend hob Marcus Epicharis Hand, drehte sie herum und küsste behutsam sie am Handballen und gleich darauf zart an ihren Fingerspitzen, dann verbeugte er sich und lächelte. Fackeln flammten um sie herum auf als die bereit stehenden Leibwächter diese entzündeten und sich für den Rückweg durch die Strassen Roms bereit machten. Obwohl nicht erlaubt, so trugen doch alle diese Männer Waffen unter ihren Überwürfen, um Epicharis unbeschadet durch die Stadt in die villa zu bringen. Und keiner der Sklaven zweifelte daran, daß ihr letzter Tag wäre, wenn ihnen dies nicht gelang.


    „Ich freue mich sehr darauf, Epicharis, Dich bald wieder zusehen und wünsche Dir eine angenehme Nacht.“


    Abermals deutete Marcus eine Verbeugung zum Abschied an, einer der Sklaven warf sich abermals vor der Sänfte auf den Boden, um Epicharis das Einsteigen leicht und komfortabel zu machen.

    Etwas von einem dreisten Ton oder den sonstigen Flüstereien der beiden Soldaten bekam Marcus nicht mit. Denn er hatte sich tatsächlich Cunctators Anweisung zu Herzen genommen und taxierte den Stier mit einem grimmigen Blick. Dummerweise war der Ochse jedoch eher mit dem Mampfen köstlicher Küchenkräuter beschäftigt, eigentlich für den Tisch von den Tiberiern bestimmt, und einem dezenten Ausweichen des Seils. Mal schwenkte er mit den Hörnern nach rechts oder nach links. Es war wahrlich nicht einfach das Vieh an diesen zu packen, doch dann wandte das Tier Priscus den Kopf zu und starrte ihn schmatzend an, einige Halme ragten noch aus seinem Maul. Als das Seil sich um seinen Hals schloss machte das Tier einen Schritt auf Priscus zu und schleckte ihm mit seiner rauhen, von Kräutern bedeckten, Zunge über den Unterarm. Marcus atmete erleichtert auf, so konnte das Opfer also doch noch stattfinden.


    “Sehr gut, Tallius, Claudius. Dann führen wir ihn mal zurück. Mir scheint, Tallius, der Ochse scheint Dich zu mögen…“


    Und tatsächlich, von Priscus ließ sich der Ochse plötzlich lammfromm in den Stall zurückführen. Und somit konnten sich die Männer um das Vorbereiten des Opfers kümmern - Marcus war nicht von seinem Vorhaben abzuwenden und kam mit guten Omen, die er gesehen hatte- wie weiße Tauben, einen rötlichen Falken, der einen Hasen angeblich geschlagen hat und ähnlichem. Als der Ochse endlich mal wie ein anständiges Opfertier aussah, wandte sich Marcus an Priscus und Cunctator.


    Optio Tallius, rufe doch gleich die Männer für das Opfer zusammen. Es findet am Marsschrein statt in der principia. Und die, die Flöten spielen können, solllen ihre Instrumente mitbringen. Wer von euch möchte den Part des cultrarius und wer den des popa übernehmen?“

    Sonnig und klar bot sich der Morgen an jenem Tage als Marcus früh zum campus marschierte und dabei seinen centurio stab immer wieder rhythmisch auf seine Rüstung klacken ließ. Schweigsam und selbst nachdenklichen Blickes ging Marcus unter dem Torbogen und auf den großen Übungsplatz der Soldaten. Wochen und Monate bei jedem Wind und Wetter hatte Marcus hier draußen verbracht, hatte selbst geschwitzt, selber gelitten, aber mehr noch die Soldaten unter seinem Kommando herum gescheucht. Auch einen Turm hatte er hier mit einigen anderen Soldaten, aber auch höheren Offizieren erbaut. Der Turm stand, so viel er wußte, sogar noch in einer der Scheunen, wenn er nicht schon anders weiter verarbeitet wurde. Fertiges Holz war schließlich immer zu gebrauchen in einer legio. Doch mehr nachdenklich war Marcus wegen dem Befehl. Mobilmachung! Also waren es alles doch keine Gerüchte gewesen, kein Damoklesschwert, was nur aus den Phantastereien der Soldaten entstammte, sondern tatsächlich drohender Krieg. Sogar die Acta hatte Marcus heute mal gelesen und dort stand es klar geschrieben: Sie würden in den Krieg ziehen. Später würde er noch einige Briefe schreiben, doch jetzt ging es erst mal darum, den Befehl von dem legatus umzusetzen.


    Marcus blieb vor der Reihe der probati stehen, betrachtete sie sinnend. Eigentlich glaubte er nicht, daß sie schon so weit waren. Viel mehr hätten sie noch viele Grundlagen weiter üben und immer wieder trainieren müssen, um wirklich im Kampf diszipliniert bestehen zu können. So verzogen sich seine Mundwinkel etwas unzufrieden nach unten, doch Befehl war Befehl, Krieg nun mal eine dringlichere Angelegenheit als das Schicksal einzelner Soldaten, die noch viel zu lernen hatten.


    Miles, eure Grundausbildung ist vorbei.“


    Marcus verschränkte die Arme hinter dem Rücken und sah die Männer aufmerksam an.


    „Mir ist klar, daß der eine oder andere von euch aufatmen wird. Doch, Soldaten, ihr solltet nicht froh darüber sein. Denn ich verhehle euch nicht, daß ihr eigentlich noch nicht bereit seid als vollwertige Soldaten zu dienen. Noch viel hättet ihr in den nächsten Wochen lernen können hier auf dem campus. Doch vielleicht habt ihr es schon gehört…?“


    Marcus Augenbrauen zogen sich zusammen.


    „Es wird nicht lange dauern, bis die legio prima den Marschbefehl erhält. Wir werden in den Osten und mit dem Kaiser in den Krieg ziehen.“


    Eine kleine Pause, Marcus dachte nach, was er den Männern alles sagen sollte, doch es war nicht sonderlich viel, dennoch sehr wichtig.


    „Darum werdet ihr euch in den nächsten Wochen doppelt anstrengen müssen. Zum einen werdet ihr von nun an als vollwertige Soldaten dienen, aber ihr müsst trotzdem noch weiter lernen. Haltet die Augen offen, nehmt euch die älteren Soldaten als Vorbild und lasst nicht in eurer Aufmerksamkeit nach. Denn alles, was ihr noch bis zu unserer Ankunft lernen könnt, wird euch im Kampf gegen unsere Feinde helfen zu überleben und am Sieg des Kaisers beizutragen.“


    Mahnend sah Marcus die Soldaten an, hoffte, daß sie wenigstens im Ansatz ahnten, was er damit ausdrücken wollte, und es sich zu Herzen nahm. Denn wenn er auch wußte, daß wohl nicht alle dieser jungen Männer den kommenden Krieg überleben würden, hoffte er dennoch, daß es die Meisten taten.


    „Soldaten, mit dem heutigen Tage seid ihr milites der legio prima. Dient dem Kaiser und unserem legatus gut. Wir sehen uns dann wieder beim Manöver. Abite!“


    Marcus wandte sich um und strebte ernster Miene wieder vom campus herunter.

    Eine Fliege schwirrte direkt vor Marcus Nase. Gedanken verloren sah Marcus aus dem offenen Fenster seiner Unterkunft und hob träge die Hand, um die Fliege zu verscheuchen. Es gelang nicht. Doch er war zu faul, um ein Stück papyrus zu ergreifen und danach zu schlagen. Denn neben ihm standen noch die Reste eines gar fürstlichen kleinen Mahls, was er nach einem langen Tag mit den Soldaten im Training- die Soldaten übten, Marcus guckte zu- zu sich genommen hatte. Und so war er pappsatt und gut gefüllt als ein Soldat mit einer Schriftrolle herein trat. Ungnädig sah Marcus zu dem Schreibersoldaten, den er eingestellt hatte für ihn die lästige Verwaltung zu erledigen.


    „Was ist los?“
    - „Ein Brief, centurio!“
    „Ah…na, dann ließ mal vor…“
    - „Gruß und Heil, Hüter der römischen Weltordnung und Vetter in der Ferne….“
    „Ah, mein Vetter Gracchus…ja, lies schon weiter…“


    Und so tat sein Schreiber. Aufmerksam verfolgte Marcus das Geschrieben, griff nach den Knochen der gebratenen Ente, die er bereits von all ihrem köstlichen Fleisch befreit hatte und knabberte noch die letzten Reste ab. Das mit dem Hüter der römischen Weltordnung kam Marcus von mal zu mal komischer vor. In ihm keimte langsam der Verdacht, Gracchus machte sich über ihn lustig. Auf höchst subtile Weise, aber dennoch schien das langsam ein Faktum zu werden.


    „Aha, und steht da nichts zu Arrecina und sonst so?“
    - „Nein, centurio. Deine Tochter wird nicht erwähnt.“
    „Hm…nun gut. Dann hol Dir mal eine tabula, ich werde Dir am Besten gleich mal einen Brief diktieren. Ach, übrigens. War da mal ein Brief von Epicharis, wegen einer Sklavin?“
    - „Nicht, daß ich wüsste, centurio. Nicht seitdem ich den Schriftverkehr erledige…“


    Marcus spähte zu einer Kiste rüber, wo er vor Wochen mal einige Briefe und Anfragen einfach rein geschmissen hatte und völlig vergessen. Mit schlechtem Gewissen auf dem Gesicht geschrieben deutete Marcus auf die Kiste.


    “Kümmer Dich doch mal um die Sachen da drin. Und zeig mir den Brief.“


    Marcus ergriff ihn und ein Blick auf die Unterschrift genügte. Gracchus machte sich in der Tat über ihn lustig, denn jetzt imitierte er gar schon sein M. Mit offenen Mund starrte Marcus auf das dort prankende Manius und zögerte, ehe er schließlich anfing den Brief zu diktieren.

    Die Sonne strahlte warm, wenn nicht sogar schon heiß, auf die Kolonnen von Männern, die sich wie ein riesiger Lindwurm über die Strassen wälzten. Tausende Paare von Füßen erklangen fast im Gleichschritt, Rüstungen blinkten noch weit in der Ferne und ließen zwei Schäfer auf ihrer Weide aufschauen. Die beiden Männer, mit ihren Weidenflöten in den Händen, sahen interessiert auf den Zug der legio prima, die das Blöcken ihrer frisch geschorenen Schafe übertönten, und hatten eine lange Weile etwas zu schauen, ehe die letzten Karren, Maulesel und Pferde an ihnen vorbei marschiert waren. Und mitten unter diesem endlos scheinenden Zug marschierte auch centurio Flavius Aristides, der- im Gegensatz zu seinen Soldaten- nicht sehr viel an Marschgepäck bei sich trug. Einer der Soldaten führte das Packtier hinten am Ende seiner centuria, mit dem Notwendigsten von Marcus, bis auf Waffen und Rüstung. Selbst der soldatische paenula, den er noch am Morgen um die Schulter hängen hatte, lag jetzt zwischen seinem Gepäck auf dem Rücken des Tieres. Und trotzdem machte auch Marcus die Hitze des Tages z u schaffen. Eine angestrengte Röte war in seinem Gesicht zu erkennen und er atmete bei jedem Schritt heftig- heftiger als sogar viele seiner Soldaten, war doch Marcus in den letzten Monaten immer spärlicher mit den eigenen Übungen geworden und durch das viele gute Essen hatte er wieder beträchtlich an Gewicht zu genommen.


    In der zweiten Reihe der Veranstaltung, also direkt hinter der ersten centuria der zweiten cohors hatte Marcus zwar eine bessere Sicht als die Männer der dritten oder vierten cohors, dennoch brauchte Marcus eine Weile bis er eine gewisse Unruhe vorne ausmachte. Gerade wollte er schon einen Melder heranwinken als schon einer von vorne heran kam und ihm die Nachricht vom primus pilus überbrachte. Außerdem vergrößerte sich der Abstand zu den Männern vor ihm und der Vorsprung der Ersten wuchs. Dennoch marschierte Marcus nicht sehr viel langsamer, denn ein Zögern würde sich in der ganzen Reihe bis zum letzten Mann auswirken und alles zum Stocken bringen. Doch er behielt die erste centuria im Auge, um zur Not noch das Tempo Stück für Stück zu drosseln und den Männer noch mehr Zeit zu geben.

    Eindeutig zufriedener war Marcus schon nach diesem zweiten, richtigen Versuch der Soldaten. Doch er entließ sie an jenem Tage noch nicht gleich. Nein, noch einige Male wurden die pila durch die Luft geschleudert. Immer und immer wieder, denn tatsächlich hielt Marcus das Werfen der Wurfspeere als einer der wichtigsten Kampffertigkeiten für einen Soldaten. Schon in der ersten Phase einer Schlacht konnten damit die römischen Legionen verheerende Verluste unter den Feinden damit anrichten und wahre Breschen in ihrem Sturm verursachen. Doch nach einigen weiteren Mal, kam endlich auch für diesen Tag die Erlösung.


    Consistite! Das reicht für heute. Räumt den Platz auf, verstaut die Waffen in den Kisten und dann ab in die Thermen für heute. Iulius, ich überlass Dir mal den Haufen dort. Age!“


    Und schon wandte sich Marcus um und verschwand für jenen Tag vom Platz.

    Im Grunde war Marcus durchaus verständnisvoll für die Bemühungen der Soldaten vor sich. Denn er erinnerte sich noch allzu bewusst an seine eigenen Versuche am Anfang, war es doch oftmals mit einem völligen Chaos, dazu noch den Ärger mit seinen Mitsoldaten, verbunden gewesen. Doch auch dieses Mal ließ sich Marcus davon nichts anmerken, sah nur mit ernster Miene- die man leicht als Hochmütig bei ihm, wenn man ihn nicht kannte, einschätzen konnte- den jungen Männern zu und schüttelte schließlich sogar den Kopf.


    „Noch mal von vorne, achtet darauf nicht zu schnell oder zu langsam beim Laufen zu werden…“


    Unermüdlich ließ Marcus die probati die Trockenübungen wiederholen, immer und immer wieder, bis er einigermaßen zufrieden schien. Erst dann kam das erste Mal der Befehl, der wieder zum eigentlichen- scheinbaren- Sinn dieser Übungen führte.


    In aciem dirigite, ordo primus progedere! Tollite pila! Mittite!

    Man könnte meinen ein bösartiges Funkeln in den Augen des Stieres auszumachen. Dumpf stampfte er mit den Hufen auf dem sandigen Weg auf, wirbelte etwas Staub auf und warf seine Hörner wild durch die Luft, die gleich jeden davon abschrecken sollten, ihm zu nahe zu kommen. Der verzweifelte Soldat hatte tatsächlich nicht an ein Seil gedacht und stand genauso hilflos da. Die Worte von schlechtem Omen, düsteren Wolken vernahm Marcus jedoch nicht. Er marschierte stramm hinter dem Ochsen her, war jedoch nicht so geistesgegenwärtig, sich zu überlegen, wie er denn den Stier bei den Hörnern packen konnte. Dennoch konnte er dem Rindvieh erst mal den Weg abschneiden, so dass dieser zwischen dem Stall und optio und centurio stand. Schon als das Seil näher kam, schien der Ochse die Gefahr zu wittern. Denn gerade als Cunctator mit dem Seil zurück kehrte, Priscus die Worte ihm zurufen konnte, wandte sich der Ochse um, senkte seinen bulligen Kopf und stürmte auf Cunctator los, brach jedoch im letzten Moment vor ihm zur Seite aus und trampelte wieder muhend durch eine Gasse hindurch.


    „Hinter her!“


    , rief Marcus und rannte schon durch die schmale Lagergasse, wenngleich das Vieh auch ein wenig schneller als er war. Erst einige Minuten später, hochroten Kopfes und schwer schnaufend konnte Marcus das Tier erkennen, welches vergnügt in einem kleinen grünen Vorgarten stand und die zarten Frühlingsblumen mampfte, sich dabei nicht stören ließ, selbst wenn es die Casa des tribunus laticlavius war. Marcus blieb noch einige Schritte entfernt stehen, griff sich verzweifelt an die Stirn als einige prachtvolle Blumen im Maul des Ochsen verschwanden und hoffte inständig, daß keiner der Bewohner etwas davon mitbekommen würden.


    „Claudius, Tallius, nehmt das Seil und geht von der Seite ran, ich halte ihn am Gatter in Schacht…Aber leise, bitte! Age!“


    Gesagt, getan, Marcus schlich sich langsam an das offene Gatter heran und blieb dort stehen. Der Ochse hob mit malmenden Kiefern misstrauisch den Kopf und beäugte die drei Männer.

    Schon hatte die Sonne ihren Zenit erreicht und überschritten, dennoch und gerade zu jenem Augenblick fielen die goldenen Sonnenstrahlen Sols noch viel wärmer auf die Männer des campus herunter, gewährten ihnen keinen Gnade in ihrem Marschieren. Marcus starrte stumm auf die probati und betrachtete aufmerksam die Linie einen Schritt von seinen Fußspitzen entfernt. Dieses Mal war ihr marschieren doch sehr viel akkurater, wenn es noch weit davon entfernt war, was Marcus zufrieden stellte. Er seufzte unhörbar und beschloss, noch einige Marschformationen nach dem pilawerfen einzubinden.


    „Gut, dann ergreift jetzt jeder ein pilum und dann möchte ich, daß ihr es mit dem scutum in eure Hände nehmt, links das Schild, rechts den Wurfspeer, Anlauf nehmt und so tut, als ob ihr das pilum werfen wollt. Aber behaltet es in der Hand, achtet, mehr darauf, Eure Schilde gerade zu halten und in Formation zu bleiben. Age!“

    Ein sehr krakelig verfaßter Brief, den man mit viel Phantasie und Begabung für die kryptische Schriftart von Marcus entziffern könnte, erreichte eines Tages die Villa Flavia in Rom.


    An
    Caius Flavius Aquilius
    Vila Flavius Felix
    Roma



    Mars zum Gruse, Veter,


    was für eine Überaschung von dir zu hören- oder ich schreihbe wol besser: lesen. Aus dem Grunde habe ich auch persönlich zur Feder gegriffen, um Dir zu antworten. Oder wol eher weil Hannibal mich im Moment nicht von diesen lästigen Schreibarbeiten entlasten kann. Aber wenn Du mich gesehn hättest, als ich Deinen Brief gelesen habe, hättest Du meine Bestürzung ausmachen können. Denn es mus warlich ein schlimmer Fluch sein, der nicht nur meine gelibte und liebreizende Tochter, Arrecina, so hart getroffen hat, sondern auch noch den einzigen Flavier in der Familie, den ich nicht schon mit einigen Bechern unter den Tisch trinken kann und der es doch sonst auch weiss zu leben. Denn auch meine süße, kleine Cinilla wurde von dem Fluche des Germanen getroffen. Leider ist mir noch nicht bekannt, ob es unserem Genie der Familie, Manius, gelungen ist, den Fluch zu brechen. Aber wenn er bei Dir noch vorherscht, lässt es mich schlimes ahnen.


    Doch nicht minder bestürzt es mich, das auch Du wol so vieles vergessen hast. Die Zeit in Achaia? Alles aus Rom? Welch grauenhafte Vorstellung, Caius, denn was ist ein Mann ohne seine Erinerungen und seine Vergangenheit? Eine leere Hülle- ohne sich den Sinn seiner Taten bewusst zu sein, wenn er denn handelt und spricht. Nein, nein, keine Sorge, ich werde nicht noch zum Filosofen, das überlasse ich lieber Dir oder Manius. Doch auch Du solltest Deine Hofnung in die Künste unseres Veters Manius legen, steht er doch am nächsten zu der unfassbaren Welt, das Reich der Götter, Geister und Verwünschungen. Und sicher vermag er Dir zu helfen. Ich kann es wol nur, indem ich Dir versuche, Deine Erinerungen einzu aufzufrischen.


    Rudgar ist ein Germane, der mir übelst in seiner Heimat mitgespielt hatte als ich dort noch als Soldat stationiert war. Als ich den germanischen Aufständischen endkommen konnte, habe ich ihn mitgenommen und Dir nach Rom geschickt- nur die Wesen der Unterwelt wissen wohl, was mich damals geritten hatte, das zu tun- und nach einigen Wochen hat er sich meine- gerade aus Baiae angekommene- Tochter genommen und sie in die Berge nördlich von Rom entfürt. Du und ich sind dann hinter her und auf der Reise haben wir uns aus den Augen verloren. Aber bei Iupiter, Caius, hätte ich gewust, daß Dir so schlimes wieder fahren ist, hätte ich mich auch aufgemacht Dich zu suchen. Nur hörte ich, das Du wol nach Griechenland gegangen warst. Bestimmt einer, der Dir übles wollte und Dir schaden, der das Gerücht gesträut hat. Hast Du vielleicht gar einen Mann in Roma schon zum Gehörnten gemacht, daß Dir jemand derart übel mitspieleln will?


    Auf jeden Fall habe ich meine Tochter einige Zeit hier in Mantua bei mir in Obhuht behalten. In all der Zeit konnte sie sich an weder mich, noch sonst jemanden aus der Familie erinnern. Ich sahge Dir, es war eine schreckliche Zeit, die mir mein Herz fast zerrissen hätte als ich meinen kleinen Sonnenschein derart traurig und verzweifelt gesehen habe. Doch zu den Saturnalia habe ich sie, aber auch den kleinen Germanen, wieder in die Vila gebracht, wo Dein Sklave noch den Carcer behausen wird, stehen doch noch die Entscheidungen für seine Bestrafungen aus.


    Und da komme ich nun zu etwas, worüber ich mir schon oft den Kopf breche zerbreche. Ich mus mich aufrichtig bei Dir entschuldigen, das ich Dir diesen rebelischen Sklaven ausgehalst habe, hätte ich mir in Germania doch durchaus denken könen, das es nicht allzu einfach werden würde, dennoch hofte ich, das er in der Vila Flavia lernen würde, was es heißt, einen Patrizier anzugreifen und sich gegen das römische Imperium aufzulehnen. Ja, Demut wollte ich ihm einbläuen, habe ich ihm doch damals, bei meinem Entkommen aus dem Lager der Germanen das Versprechen gegeben, sein Leben zu schonen, woran ich mich, handelt es sich schließlich um mein Wort, wohl oder übel halten mus. Da komme ich nun zu dem, was ich Dir anbieten will. Überantworte mir den Sklaven zurück, ich werde Dich für Deine Mühen und Deinen Ärger entlohnen und auch in Deiner Schuld stehen, sag mir nur, was Dir genehm wäre und Du für all das Schlimme haben willst. Und dann kümmere ich mich persönlich um diesen scheinbar unbeugsamen Mann, werde dafür sorgen, das er es nicht noch einmal wagen wird, Hand an einen Römer oder eine Römerin, gar einen Flavier anzulegen.


    Ich hoffe, Manius wird auch Dir helfen können. Er ist wahrlich ein großer Mann und stets bereit, für die Familie einzustehen. Ich denke, Du wirst Dich auf ihn verlassen können.


    Möge Mars weiterhin auf seinen Priester achten.
    [Blockierte Grafik: http://img64.imageshack.us/img64/9927/marcusunterschriftlq7.jpg]

    Marcus wußte, Frauen hatten, was das Übersinnliche anging, größeren Mut als Männer. Seine Mutter erzählte ihm einst- er war noch ein kleiner Bengel damals gewesen-, daß eine Frau der Welt der Geister näher stand, sie mit dem Reich der Toten verbunden waren, wenn sie auch das Leben selbst gebaren. Marcus hatte das als Jungen tief beeindruckt und so die Macht der Frauen in dieser Hinsicht nie unterschätzen lassen. So erstaunte es ihn wenig, daß die schöne Patrizierin beherzt vor ihm voran ging- nachdem er auf ihre ersten beiden Fragen genickt hatte. Ihm war die Stimme aus unerfindlichen Gründen weggeblieben, oder vielleicht lag es an diesem Ort hier?- und sie die Dunkelheit des Orakels zu verschlucken schien. Wenn Männer auch auf dem Feld der Ehre den Ruhm eines großen Kampfes und einer Schlacht bestreiten konnten, stets- für Marcus war das auch noch mehr theoretisch- danach suchten, das Imperium noch größer zu machen, so waren auch sie gegenüber den Geistern und dem Schicksal nur von den Göttern geführte Figuren. Ein Schaudern jagte über Marcus Rücken und er folgte mit einem Zögern- was einige Herzschläge währte- in den dunklen Raum hinein, bemühte sich dabei eine gefasste Miene zu bewahren. Wild tanzten die Schatten der Säulen auf den von dem Ruß der Kohlebecken geschwärzten Wänden, ließen groteske Bilder und zuckende Wesen aus den Tiefen der Unterwelt erscheinen. Das ist nicht das Orakel von Baiae, Marcus!, schelte sich Marcus und trat neben Epicharis, bemühte sich den Hauch von Optimismus und Zuversicht zu verstrahlen.


    „Nein, ich war nie bei der Sibylle von Baiae. Es war mir stets zu…nun, schauderlich.“


    Einige Male hatte Marcus vor dem Eingang zu der Grotte gestanden, einige seiner Freunde hatten ihren ganzen Mut zusammengekratzt, hatten sich der Mutprobe gestellt. Und nur er und Nero hatten sich damals nicht hineingetraut, was zur wochenlangen Häme ihrer kleinen „Bande“ geführt hatte- weswegen Marcus und Nero noch bessere Freunde wurden als gemeinsame Leidensgenossen dieser Hänseleien. Die Gerüche und die verbrannten Kräuter in der düsteren Halle, deren Kühle auch von dem warmen Sonnenschein nicht berührt wurde, ließen Marcus schwindeln. Und schon stand im nächsten Moment- als er sich noch über die Weissagung über Stier und Löffel zu wundern begann- eine junge Frau vor ihm. Marcus hielt dem Atem an, widerstand der Versuchung einen hastigen Schritt zurück zu machen, in der Hoffnung, die Larvin würde vor ihm gar wieder verschwinden, doch dann sprach sie gar noch. Einige Herzschläge später war Marcus fast überzeugt davon, die Frau, mehr das Mädchen- so knabenhaft erschien sie Marcus- war doch aus weltlichem Fleisch und Blut. So nahm er den Beutel, dem ihm Hannibal aus dem Hintergrund reichte und gab den ledernen, dunkelblauen Beutel an die junge Frau weiter.


    “Salve, wir möchten das Orakel um eine Weissagung bitten, sofern die Götter ihr einen Blick in unsere Zukunft gewähren möchten und das Orakel heute bereit wäre, unsere Frage entgegen zu nehmen!“


    Marcus war sich allzu deutliche bewusst, daß er der Sibylle damit zwei Gelegenheiten gab, sein Ansinnen abzulehnen. Daß er das tat, lag gewiss nicht daran, was vor ihm lag und daß eine Hochzeit anstand, sondern daß er einfach Angst hatte einen Ausblick auf seine Zukunft zu erhalten.

    Überrascht musterte Titus Crassus den Neuankömmling, verschränkte die Arme vor seinem doch voluminösen Oberkörper und verzog das Gesicht einen Herzschlag missmutig, ehe sein übliches Grinsen wieder auf sein Gesicht zurückkehrte.


    „Ferox, bei Mars Allerwertesten, was machst Du denn noch in der legio? Deine Zwanzig sind doch schon vorbei, was ist denn aus deinem Kräutergarten und Deinen Enkeln geworden?“


    Ferox, der fahrig auf seine Wachstafel schaute- seine Hände waren etwas zittrig- sah auf und lächelte dünn, etwas deprimiert. Er zuckte mit der Schulter. Mit einer Hand kratzte er sich am Kinn, wo feine weiße Barthaare schon gesprossen waren, es war schon zwei Tage her gewesen, daß er sich das letzte Mal rasiert hatte.


    „Ich Idiot habe noch einige Jahre dran gehängt, Helia will ein größeres Häuschen und dann steht noch die Mitgift für meine drei Töchter an. Oh, warum sind das bloß nicht alles Söhne geworden? Dabei habe ich stets an das Opfer gedacht.“


    Nun wandte er sich auch an Serenus, war nicht im Mindesten dadurch gestört, daß er dessen Namen nicht richtig hervor gebracht hatte. Stattdessen reichte er ihm die Wachstafel weiter.


    „Melde Dich bei centurio Artorius Avitus. Erste centuria, erste cohors.”


    Mit einem verknitterten Gesichtsausdruck nickte er noch mal Titus zu und marschierte wieder auf dem Raum. Titus sah ihm noch mal hinter her, runzelte etwas die Stirn und widmete anschließend seine Aufmerksamkeit dem probatus .


    „Dann viel Erfolg, probatus. Der Nächste…“


    Schon wandte sich Titus an einen Soldaten hinter Serenus.

    „Hmh, nun, das macht nichts. Ich hab es auch erst zwei Mal gemacht und war nur einige Male dabei. Und als Kind habe öfters bei Opferungen geholfen, aber das ist auch schon länger her. Wartet mal kurz…“


    Einen Augenblick entsann sich Marcus an die Zeit in Baiae zurück, als er noch ein kleiner Junge war und öfters dem Cousin seiner Mutter aushelfen musste. Ziemlich schludrig ist dieser oft an das Opferwerk heran gegangen, hatte die litatio immerzu für gelungen erklärt, als Junge hatte Marcus das nicht hinterfragt, aber als er mal älter wurde, schien ihm das immer öfters als sehr seltsam zu sein. Doch ehe er noch mehr in alte Reminiszenzen verfiel, drehte sich Marcus um und verschwand noch mal in seiner Unterkunft und kam mit einigen Beuteln wieder, welche er zum Teil Priscus, aber auch an Cunctator weiter reichte.


    „Das sind die Sachen zum Herausschmücken, außerdem die wichtigsten Opfergegenstände. Schauen wir uns doch mal das Vieh an, was so unverschämt ist…“


    und es wagt mir die Zunge rauszustrecken!, fügte Marcus noch in Gedanken an. Doch schon stapfte er los und in Richtung Stall. Im Geiste ging Marcus schon den Ablauf des Tages durch, hoffte, daß nichts Unvorhersehbares dazwischen treten würde wie: ein plötzlicher Notfall oder was sonst den höheren Offizieren einfallen würde. Gerade als er auf die Gasse, der zum nächsten Stall führte, trat, war abermals ein lautes „Muuuuh!“ zu hören. Die Holztore zum Stall wurden aufgestoßen und ein rotbrauner Ochse stürmte aus dem Inneren. Die eine Hälfte seines Haarkammes war bereits gestutzt, die Andere hing ihm noch bis über die Augen. Wie ein Rennochse stürmte das Rindvieh den Männern entgegen, in einiger Entfernung einen verzweifelten Soldaten hinter sich. Verblüfft starrte Marcus auf den Ochsen und machte gerade noch im letzten Moment einen Satz zur Seite als der Ochse ihn fast umgerannt hätte, mit den nicht gerade unbedeutenden Hörnern versuchend ihn aufzuspießen. Wuchtig schlug Marcus mit der Schulter gegen die nächste Holzbaracke, die beiden Säcklein, die er trug, fielen laut klirrend auf den Boden. Schon war der Stier noch einige Schritte weiter.


    „Halt, haltet ihn auf!“


    , rief Marcus und stieß sich vom Holz neben sich ab, um ebenfalls den Ochsen zu verfolgen, der nur einen Herzschlag stehen blieb, bedrohlich seine Hörner schwang und schon weiter traben wollte.

    Düsteren Gesichtsausdruck marschierte Marcus die Strassen Roms entlang auf den Weg zum Orakel, an seiner Seite seinen Sklaven bei sich habend. Düster war Marcus von der Stimmung her, da es zu einem Ort ging, der ihm mehr oder minder – wohl mehr eher- Furcht einjagte. Denn einen Blick auf die eigene Zukunft zu erhalten war nicht immer sonderlich gut. Und um diese Stimmung zu vertreiben war er, trotz des heißen Tages und unbequemer Kleidung, zu Fuß aufgebrochen, anstelle einer der Sänften der villa zu wählen. Die dunkelblaue paenula, die er statt der toga angezogen hatte, ließ ihn jedoch schnell schwitzen. Aber sie war immerhin ein adäquater Ersatz für die toga gewesen. Immer wieder seufzte er leise unter der Hitze, ließ sich von Hannibal ein kleines Tuch reichen, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Sein Gesicht färbte sich durch die Sonnenstrahlen und den Marsch schnell mit einer kräftigen Röte und er schnaufte trotz des Trainings in der legio.


    „Vielleicht verstehen wir die Worte der Sibylle auch nicht. Womöglich wird sie auch nichts sehen können.“


    Mutmaßte Marcus bereits als er auf die Strasse kam, die direkt zum Orakel führte. Wenn es etwas Gutes bedeutete, was das Orakel sagen konnte, würde Marcus sich sicherlich freuen. Aber es konnte auch was Böses bedeuten und dann…ja, was dann? Man wußte doch, das Schicksal war nicht abänderbar, sondern von den Göttern vorher bestimmt. War es vielleicht gar falsch, so derart in die Karten von den Göttern sehen zu wollen? Marcus schob alles beiseite in Gedanken als er die mysteriös anmutende Stätte der Seherin ausmachte und eine claudische Sänfte davor. Mit einem tiefen Einatmen durch die Nase vertrieb Marcus alles schlecht Gelaunte an sich und fand zu seinem doch normalerweise freundlichen Gesichtsausdruck zurück. Nach einigen Herzschlägen der Pause nahm die Hitzeröte in seinem Gesicht auch wieder etwas ab. So strebte er auf die Sänfte zu und neigte höflich und freundlich den Kopf zum Gruße.


    „Salve, Epicharis, einen wunderschönen Tag wünsche ich Dir. Ich hoffe, ich habe Dich nicht lange warten lassen?“


    Das war nun mal der Nachteil, wenn man zu Fuß durch Rom lief. Die Stadt war dreckig und voll, wenn man nicht mit schmutzigen Füßen, stinkenden paenularand auftauchen wollte und keine cohors von Sklaven mit sich nahm, dauerte es nun mal länger. Und die Entscheidung- toga oder keine toga- war nicht sehr einfach gewesen, was ebenfalls Zeit in Anspruch genommen hatte.