Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Titus Crassus nickte zufrieden, die legio füllte sich immer mehr und alles mit jungen und motivierten Römern, was wollte man mehr? Er kratzte sich einen Augenblick am dicklichen Gesicht, welches ein doch ausgeprägtes Doppelkinn aufwies und drehte sich um. Seine Bassstimme dröhnte laut durch den Raum, als er nach hinten rief:


    „Lucius, hol mal die Sachen für einen probatus.“


    Dann drehte er sich zu Serenus um und nahm ihm die tabula ab und musterte diese und kräuselte zufrieden den dicken Zinken in seinem Gesicht.


    “Gut, dann haben wir ja alles, probatus!“


    Und schon kam ein dürrer und hagerer junger Mann heran, der noch besonders magerer im Vergleich mit dem dicken optio wirkte. Schwer beladen wankte er bis zum Tisch und ließ polternd die Sachen herunter fallen. Einige Teile fielen dabei auch leider auf den Boden, wie der cingulum militare und die crista für den Helm. Ächzend bückte sich Titus Crassus und hob die Sachen wieder auf. Zuerst schob er ihm die Kleidung rüber.


    „Also, hier sind deine beiden tunicae, dann noch der Umhang und alles was Du an Kleidung sonst brauchst, von den Wollsocken bis zur Unterbekleidung. Dann dazu der Rüstschutz und Deine Rüstung, und danach hier die Waffen, gladius, cutum, pugio und pila. Der Helm und das Marschgepäck haben wir hier!“


    Innerhalb weniger Herzschläge schwoll das Gepäck auf einen doch enormen Berg an Ausrüstung an. Titus Crassus verschränkte die Arme und grinste breit und mit dem gutmütigen Ausdruck in seinen Augen, den er stets an den Tag legte.


    „Na, meinst Du, Du kannst alles tragen?“


    In dem Moment stolperte ein klein gewachsener Mann mit graumelierten Haaren herein. In seiner Hand trug er eine Wachstafel und sah sich suchend um. Seine Schritte lenkte er unsicher zu dem Tisch, eine doch penetrante Weinfahne kam von ihm entgegen.


    „Salve, ich suche einen Iunier, Iunier Serandus, Saturnus oder so. War der schon hier?“




    Mit verschränkten Armen vor der Brust blieb Marcus stehen und betrachtete den Horizont, der sich in zahlreichen Wolkenschlieren präsentierte, ab und an warf er den probati, die fleißig die Liegestützen absolvierte einen prüfenden Blick zu. Ein dünnes Lächeln huschte über sein Gesicht als er an seine Grundausbildung zurück dachte, und er dankte jeden Tag den Göttern, daß sie schon lange vorbei war. Erst als alle wieder versammelt war, ließ sich Marcus aus diesem Gedankengang heraus reißen und wandte sich abermals ernst den probati zu.


    „Gut, das ist erledigt. Versuchen wir das Ganze noch mal von vorne. Fünfzehn Schritt zurück, Aufstellung nehmen….so und nun wieder nach vorne mit den Schilden in straffer Haltung, kein Schlackern. Age!“


    Marcus trat erneut einen Schritt zurück, spielte mit seiner vitis hinter dem Rücken und betrachtete die Bemühungen der Soldaten vor sich. Übung machte den Meister und selbst beim Marschieren war das nicht anders.

    Sanft brachen die Sonnenstrahlen durch die Nadeln der Pinie am Rande des kleinen Plateaus und warfen ihre goldenen Strahlen in einem Fächerkranz auf die rotgoldene Kline von Epicharis. Mittlerweile stand die Sonne hinter der Baumreihe und schien nicht mehr mit voller Sonnenkraft auf die beiden Speisenden hinab, dennoch war es noch milde genug, um auch noch die letzten Stunden der Sonne, die sich schon mehr dem Horizont näherte, dort genießen zu können. Sinnend betrachtete Marcus abermals die bezaubernde Gestalt von Epicharis, den warmen Schein auf ihren dunklen Haaren. Dieses satte Glänzen ihrer Haarpracht gefiel Marcus durchaus und er genoss den Anblick während er mehr achtlos eine in Honig kandierte Frucht, es war wohl eine Feige, vernaschte.


    Außerdem kam ihm der Gedanke, daß Frauen doch so viele gute Eigenschaften besaßen, die vielen Männern- ihm zumindest- ziemlich abgingen: Besonnenheit und ein sanftes Temperament waren Frauen doch mehr zu Eigen. Obgleich sich Marcus, wenn er nur etwas länger darüber nachgedacht hätte, wohl schnell korrigiert hätte, schließlich war er durchaus sehr unberechenbaren und launischen Frauen schon begegnet, doch alle wurden überstrahlt von dem Vorbild seiner Mutter. Marcus Mundwinkel hoben sich und der Keim guter Hoffnung tauchte in ihm auf. Vielleicht würde er bei Epicharis- so wie sie ihm bis jetzt erschien- nicht mit fliegenden Vasen- etruskisch, attisch und sonstig unbezahlbare Blumenbehältnissen- rechnen müssen, die ihn- nicht nur bildlich- hart treffen sollten.


    „Es sind bis jetzt mehr Gerüchte, die sich jedoch immer mehr häufen. Einige sprechen davon, daß vielleicht die legio in eine andere Stadt von Italia verlegt werden könnten, andere davon, daß wir vielleicht nach Germania geschickt werden. Aber in letzter Zeit mehrt es sich, daß die Führung der legio immer mehr den Ernstfall probt, noch sehr viel mehr als in den Jahren zuvor. Größere Manöver stehen an und somit bleibt die Gerüchteküche nicht still, und Soldaten klatschen fast mehr als so manch ein Marktweib.“


    Marcus war immer wieder sehr amüsiert über das Verhalten der Soldaten in dieser Hinsicht, dennoch nicht sonderlich erstaunt. Wer wollte nicht über seine eigene Zukunft Bescheid wissen? Und wenn man nichts Genaues wußte, blieben nur die Spekulationen. Etwas achtlos schob Marcus den Teller mit Süßspeisen weg und ließ sich etwas herberen Wein als den Süßen des letzten Jahres einschenken.


    „Nun, in erster Linie ist die legio prima die Legion des Kaisers und nicht eine Legion, die das Heimatland verteidigen soll als Hauptaufgabe. Wenn der Kaiser in den Krieg zieht, dann nimmt er diese Legion mit sich. Wobei Italia dann nicht unwehrhaft wäre, schließlich gibt es noch die cohortes der Praetoriener, der urbanae und vigiles. Aber ich kann mir schwerlich vorstellen, daß wir nach Germania in den Krieg ziehen könnten. Vielleicht die Dacer, die doch immer wieder gerne aufbegehren in den letzten Jahren. Doch womöglich benehmen sich die Soldaten auch nur wie glucksende Hennen und es steht gar nichts Großes, außer das nächste Frühjahrsmanöver an.“


    Marcus wirkte auch recht entspannt und nicht im Mindesten besorgt. Wann war es her gewesen, daß die prima ausgerückt war? Schon einige Jahre. Und wahrscheinlich würde es wieder Jahre dauern, bis sie Mantua verließen. Mit einem: „Aber gerne doch!“ erwiderte Marcus die Aussage auf besagten Gallier- oder war er doch Germane gewesen, oder mehr Britannier?- Marcus biss sich einen Herzschlag auf die Unterlippe und dachte kurz darüber nach, nun er würde es noch eruieren können bei der Erfüllung ihres Angebotes. Aber womöglich hatte der Nordmann auch ein Spiel, was Marcus nicht zu sehr überfordern würde- wenngleich es ihm bei Spielen doch weniger schwer fiel, als mit sonst den intellektuellen Höhen, die von ihm eigentlich erwartet wurde. Irgendwo in seinem Geist speicherte er ab: Senetspiel besorgen. Er glaubte auch, daß es eigentlich kein Problem sein dürfte, er müsste nur einigen Bekannten in Alexandria einen Brief schicken, welcher natürlich aus der Feder seines Sklaven stammte.


    „Eine Herausforderung, ja in der Tat. Bei den vielen Möglichkeiten eine Schlacht auf dem Spielbrett zu schlagen, mit all den Raffinessen und Tricks verwundert es mich, daß sich nicht schon Gelehrte diesem Bereich angenommen haben. Es hat schon eine eigene Philosophie- das Spielen.“


    Zumindest hatte Marcus noch nie von einem Spielephilosophen gehört, wenngleich er es nicht ausschließen konnte, denn er konnte einen Sophisten kaum von einem Stoiker oder gar einem Platoniker unterscheiden. Einen Augenblick verfolgte Marcus das glückselige Los des Rosenblattes, was für einen Herzschlag von Epicharis Lippen umschmiegt wurde, doch die Frage riß ihn aus der Betrachtung heraus. Orakel? Als er ein Kind war, war er ab und an zu dem Orakel in der Nähe seiner Heimatstadt gegangen, aber schon damals hatte ihn die zwar anziehenden, aber dennoch Furcht erregenden Geschichten stets davon abgehalten. Er wollte doch nicht als einer dieser von dem Orakel betrogenen Männer enden. Wie der, der seinen eigenen Vater tötete und seine Mutter ehelichte. Nur kam er leider nicht auf den Namen. Aber so wollte er wahrlich nicht in sein eigenes schlechtes Schicksal laufen. Nein, er doch nicht. So zögerte er einige Herzschläge lang, wie konnte er sich wohl daraus winden? Wohl weniger, so fügte er sich Schicksal ergeben, in der Vorstellung schon eine Ahnung von selbigen zu erhalten.


    „Aber natürlich. Sind die Prophezeiungen der Sibylle nicht jedoch meist ziemlich unverständlich?“


    Während sich Epicharis zu dem Panorama der urbs aeternae umwandte, konnte Marcus ungeniert- höchstens von den zahlreichen Sklaven bemerkt- die junge Patrizierin vor sich beobachten, betrachtete die Konturen ihres Halses, den sanften Schwung an der Stelle, wo er zu ihren wohlgeformten- so weit er das beurteilen konnte- Schultern überging, das sich sanft abzeichnende Schlüsselbein, was in der kleinen Grube unterhalb des Halses endete. Sein Blick schweifte etwas tiefer, betrachtete ihren schlanken und doch wohl gerundeten Wuchs und…er guckte schnell in seinen Wein als sie sich wieder ihm zuwandte, sah dann jedoch- mit dem Ausdruck des „Ertappt worden“ sein in den Augen- auf. Schnell leerte er den Becher, überlegt kurz, ob er noch etwas Süßes zu sich nehmen wollte, war aber mehr als pappsatt.


    „Africa ist ein wundervolles Land. Und ich würde es Dir gerne zeigen. Unermesslich von der Größe, es scheint niemals enden zu wollen. Außerdem wild, mysteriös und voller uralter Legenden und Geheimnisse. Es kann sein, daß man durch die Wüste reist und plötzlich schält sich aus dem Wüstensand eine viele tausend Jahre alter Tempel hervor, den man als erster Römer betreten darf. Und die Nächte sind dort wundervoll, ein Sternenhimmel, der klar und vollkommen rein ist, mit abertausenden Sternen gespickt, die alle schöner Leuchten als jeder Juwel es vermag. Und trotz dieser urtümlichen Landschaften finden sich dort auch wundervolle Städte. Alexandria…in der Tat.“


    Marcus nickte und grübelte nach: War er schon mal in dem Museion gewesen? Er meinte, aber ihn hatten mehr die Statuen der Musen interessiert als die große Bibliothek. Und hatte ihn nicht sein Freund damals noch unbedingt in dieses andere Heiligtum schleppen wollen. Auch so ein komisch griechisches Gebäude. Marcus sah auch recht unschlüssig aus und nickte schließlich als es ihm wieder einfiel.


    „Doch, ich glaube dort gewesen zu sein. Ja, doch, Nero, der Freund von mir dort, hatte mir aus dem Museion eine griechische Harmonielehre erwerben wollen. Es gibt wirklich dort unzählige Regale mit Schriften.“


    Sonderlich begeistert darüber wirkte Marcus nicht, aber mit Schriften konnte er immer noch nicht sonderlich viel anfangen. Ehe sie ihn noch über den Inhalt der papyri ausfragen konnte- da hätte Marcus wahrlich passen müssen- wechselte er darum schnell das Thema.


    „Wie wäre es, wenn wir das Orakel übermorgen aufsuchen?“

    Etwas bedauernd nahm Marcus die Kunde von den germanischen Frauen hin. Denn wenn sich die Germaninnen als neue Amazonen heraus gestellt hätten, wären sie doch bei Weitem interessanter für Marcus. Aber Marcus gehörte auch zu den Männern, die einer temperamentvollen Frau sehr viel mehr abgewinnen konnten als einem kleinen schüchternen Blümchen. So schnalzte er leise mit der Zunge und ließ die rostrote tunica über sich hinab gleiten und nahm auf einer marmornen Bank Platz, um sich die calcei um die Knöchel zu schnüren. Viel zu gefangen von dem Bad, die Entspannung nach viel Wein am Vorabend, hatte er den Funken eines möglichen Verrates nicht entdeckt, hätte es wohl jedoch auch nicht, wenn er klaren Sinnes gewesen, war es doch nicht immer allzu gut mit seinen empathischen Fähigkeiten bestellt, oder eher viel mehr zu treuselig. Daß sie ihm noch mal ihr Wort bekräftigt hatte, nahm Marcus mit einem marginalen Kopfnicken hin und so erhob er sich nun.


    „Vielleicht ein Fehler von euren Männern, wahrscheinlich würdet ihr schon alleine mit der Tatsache, daß ihr mit ins Felde zieht die römischen Streitkräfte derart verunsichern, daß ihr uns schlagen würdet.“


    Der Gedanke, einigen Frauen im Kampf gegenüber zu stehen, amüsierte Marcus durchaus und er lachte volltönend. Wie er reagieren würde, konnte er auch nicht sagen, aber er wäre mit Sicherheit unschlüssig, ob er einer Frau etwas tun könnte. Aber dann war der Gedanke von kämpfenden Frauen doch zu abwegig und Marcus zuckte gelassen mit der Schulter, deutete dabei auf den Ausgang.


    „Komm, zieh Dich an, Venustas, dann nehme ich Dich mit ins Kastell.“


    Marcus wandte sich ab und sah sich suchend nach Hannibal um. War er vielleicht klamm heimlich aus den Thermen entschwunden? Eine steile Falte erschien zwischen Marcus Augenbraun und seine Lippen verkniffen sich einige Herzschläge zu einer schmalen Linie. Sein Atem stob durch seine Nase und er wandte den Blick um zu Nortruna, wartete bis sie ebenfalls wieder ihre trockene Sklaventunica an ihren wohl gerundeten Leib angezogen hatte, Marcus Gesicht glättete sich abermals und er schritt voran und hinaus in die fahlgelbe Sonne, die wie einen weichen Umhang ihre Strahlen auf die Häuser der kleinen Stadt Mantua legten.

    Schweigend musterte Marcus die Männer vor sich und trat einen Schritt nach vorne, und stieß das untere Ende seiner vitis in den sandigen Boden. Während er an den probati entlang ging, zog er eine ziemlich gerade Linie und blieb am Ende der Reihe stehen, drehte sich um und betrachtete die Reihe. Seine Augenbrauen wölbten sich hoch.


    „Das nennt ihr eine Linie? Hätte ich geahnt, daß ihr noch nicht mal Laufen könnt, ohne in einen Haufen von Chaos zu zerfallen, hätte ich wohl euch erst mal nur Wochen lang marschieren lassen.“


    Grimmigen Ausdruckes marschierte Marcus an der Linie vorbei und tippte immer mal wieder mit dem oberen Ende seines Stabes aus Zitronenholzes gegen die gepanzerte Brust, besonders bei jenen Männer, die besonders weit von der Linie entfernt standen, die er gezogen hatte. Auch Sparsus gehörte zu denen, die von Marcus derart angestoßen wurden.


    „Du, du…[]…und Du, vier Runden um den Platz, aber flott. Der Rest von Euch geht runter und absolviert solange, wie die Anderen für die Runden brauchen ihre Liegestütze. Und wehe einer glaubt hier eine Rastpause einlegen zu dürfen. Age!“

    Allzu lang war die Schlange in der Rüstkammer nicht, doch sehr viel länger als sonst. Denn Titus Crassus, optio der Ausrüstungskammer, war einige Wochen krank gewesen, und so hatten einige Männer noch auf Ersatzausrüstung, neue Teile harren müssen, bis der optio wieder da war. Und da es der zweite Tag nach seinem Zurückkommen war, hatte sich immer noch- wie schon am Tag zuvor- eine kleine Schlange von Legionären vor der Tür gebildet. Als dann Serenus endlich dran kam, wandte sich ein nicht unerheblich dicker Mann mit kugelrundem Gesicht und roten Pausbacken, fröhlich blitzenden Augen an den jungen Mann. Titus Crassus stützte sich mit seinen breiten Pranken auf dem Tisch ab, der mitten in der Kammer stand und hob fragend und mit einem wohlwollenden Lächeln die Augenbrauen.


    „Salve, keine Soldatentunica, keine Soldatenstiefel? Ich nehme mal an, Du bist ein Frischling? Ich bin Titus Crassuns, Du kannst mich optio nennen. Also, wer bist Du, hast Du schon das Rekrutierungsbüro überstanden und auch das valetudinarium?“


    Mit verschränkten Armen, seinen centuriostab hatte Marcus mittlerweile mal abgelegt, betrachtete sich der centurio die Bemühungen des kleinen Haufen vor sich. Immer und immer wieder, ließ er sie dasselbe üben. Marcus seufzte und in ihm keimte der Gedanke auf, daß er selber einen kleinen, aber nicht unbedeutenden Fehler gemacht hatte, er hätte sie erst mal Stunden und Tage lang Marschformationen und Schildreihen üben lassen. Doch was noch nicht war, konnte noch werden.


    Consistite*!“


    Marcus ergriff im vorbeigehen von einem der hölzernen Kisten seinen Stab und trat vor die probati, sah sie streng und durchdringend an. Die Übungen, beschloß er in dem Moment, würden heute länger gehen und vielleicht würde er sie dieses Mal auf die Nachtwache schicken.


    Pila dorsum**!“


    Kopfschüttelnd ging Marcus auf und ab, wartete bis die Männer bereit waren.


    „Fangen wir von vorne an. Ihr stellt euch alle in einer Linie auf, 15 Schritte von mir entfernt. Und dann lauft ihr, alle mit den Schilden an die linke Flanke haltend, auf mich zu und stoppt einen Schritt vor mir. Wer weiter läuft, wird zur Strafe vier Runden laufen müssen. In aciem venite! Age***!“





    *Halt!
    ** Wurfspeere ab!
    *** Los!

    „Nananana, nicht vorwitzig werden, junger Mann. Das kann ich ganz und gar nicht leiden!“


    Appius kühler Blick schien den Decimer zu durchdringen, doch dann senkte Appius diesen und schrieb einige Notizen nieder, nahm eine weitere tabula und vervollständigte diese, die er dann auch an den damit frisch gebackenen probatus aushändigte, falls dieser nicht durch die Prüfung des medicus fiel.


    „Also gut, dann werden wir mal sehen, wo der praefectus Dich hinstecken, ich meine damit welche centuria. Doch zuerst nimmst Du die tabula hier und machst Dich auf den Weg in das valetudinarium, wo Du Dich der Untersuchung einer der medici unterziehen musst. Solltest Du als tauglich befunden werden, dann gehst Du mit der abgezeichneten tabula weiter zur Ausrüstungskammer, wenn Du bis dahin von mir, wegen Deiner neuen centuria, noch nichts gehört hast, meldest Du Dich noch mal in diesem officium. Meinst Du, Du findest den Weg alleine?“


    Appius faltete die Hände und sah den Decimer fragend an.


    Der centurio sah noch nicht mal hin, wo die pila überhaupt hinflogen, denn das war ihm bei dieser Übung erst mal nicht wichtig. Relevant waren mehr die Bewegungen, die die Soldaten ausführten und damit war Marcus nicht sonderlich zufrieden, nun, so konnte man das eigentlich nicht sagen. Schließlich war es das erste Mal, daß die Männer das übten und darum war Marcus doch optimistisch, daß der Haufen vor ihm das noch lernen konnte. Doch nichts von diesem Glauben war in Marcus Gesicht abzulesen, viel mehr sah er düster auf die probati als ob er Hopfen und Malz als verloren sah.


    „Nein, so nicht!“


    Die Pfeife fiel wieder auf seine Rüstung hinab und Marcus trat einige Schritte näher heran. Kopfschüttelnd musterte er die Männer.


    „Ihr müsst auch bei den Salven immer bei einander bleiben, die Formation- das Alpha und Omega im Kampf- einhalten, keine Lücken in der Reihe entstehen lassen. Wenn ihr werft, dann schlackert nicht mit den Schilden herum, womit ihr euren Nachbarmann gefährden könnt. Euer linker Arm darf sich gar nicht viel bewegen, nur eure Beine, eure rechte Schulter und der rechte Arm. Das Schild bleibt, während des Laufens und Werfens, genau an der gleichen Stelle. Dann nehmt ihr beim Laufen den direkten Weg und keine Schlangenlinien. Also, das Ganze noch mal von vorne.“


    Abermals trat Marcus einige Schritte zurück, um nicht von einem verirrten scutum oder gar einem seitlich davonfliegenden pilum getroffen zu werden.


    In aciem dirigite, ordo primus progedere! Tollite pila! Mittite!”

    Gerade noch fuhr sich Marcus mit einer Hand nachdenklich über das Kinn. Claudius Cunctator? Zustimmend nickte er, denn da dieser aus der gens Claudia stammte, glaubte Marcus auch, daß dieser sich bestimmt besser mit größeren Opferhandlungen auskannte als ein Mann, der stets bisher nur Kaninchen oder Hühner geopfert hatte. Doch ehe sich sein Gedanke in Worte ausdrücken konnte, der Weg von seinem Geist zu seiner Zunge war manchmal doch unendlich lang, kam der Soldat wie gerufen. Marcus Mundwinkel verzogen sich zu einem kaum merklichen Lächeln, er nickte langsam.


    „Aber natürlich! Dann, Claudius, kannst Du uns zur Hand gehen.“


    Zufrieden verstummte Marcus und biß sich versonnen auf die Unterlippe- eine unterbewußte Geste, die, neben dem Nacken reiben, er stets in höchster Konzentration durchführte- und dachte einen Augenblick darüber nach, was zu tun war. Was religiöse Dinge anging, war Marcus nicht so ahnungslos und vergesslich wie bei philosophischen oder anderen scholastischen Angelegenheiten. So hatte er doch recht zügig im Kopf, was zu tun war.


    „Gut, dann werden wir uns zuerst um das Opfertier kümmern. optio, miles? Habt ihr schon einmal ein größeres Opfer mit durchgeführt?”


    Das würde das Ganze natürlich einfacher machen, fand Marcus, aber er befand es auch nicht als sonderlich schlimm, sollte es nicht der Fall sein, denn dann würde er einfach einige Erklärungen anfügen, sofern er sich an sie entsann, aber bei Opferungen und Kulthandlungen war seine Mutter immer stets erpicht darauf gewesen, daß Marcus sie kannte und beherrschte.

    Nur im allerletzten Moment konnte es sich Marcus verkneifen leise durch seine Zähne zu pfeifen, denn er wäre damals bei der Grundausbildung nicht auf diese Möglichkeit gekommen, hatte sogar länger gebraucht, um zu verstehen, was sein Ausbilder- der heutige primus pilus- wohl damit gemeint haben könnte. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln umspielte Marcus Lippen, so lange kam ihm die eigene Grundausbildung doch nicht her und nun stand er doch schon hier und unterrichtete seinerseits die angehenden Soldaten im pilum werfen. Zustimmend nickte Marcus, stützte sich wieder auf seinem Stab ab.


    „So ist es. Da es ein zu großes Touwahbou geben würde, wenn alle Glieder einer centuria ihre pila werfen würde, wird es nur die erste Reihe, in seltenen Fällen auch die zweite Reihe tun. Für den Anfang werden wir es erst mal mit der ersten Reihe alleine üben, das ist schon genug Herausforderung für euch.“


    Marcus grinste kurz, unterdrückte das jedoch und setzte wieder seine Ausbildermiene- streng und autoritär- auf. Am Anfang wollte er erst mal die einfache Salve mit den probati einstudieren, und danach auch die andere Möglichkeit.


    „Doch ganz so einfach mache ich euch wiederum nicht. Bisher habt ihr das Werfen eines pilum völlig frei üben können, doch nun gilt es eure scuta hinzu zunehmen. Denn auf dem Felde werdet ihr euren Schild auch nicht einfach zur Seite legen und sollte der Feind heran sein, ihn mit einem freundlichen Lächeln zum Warten animieren, während ihr euer Schild wieder hochhebt. Nein, eine Hand für das Schild, das andere für das pilum. Sind alle pila geworfen, dann könnt ihr euer gladius ergreifen und in den Nahkampf übergehen, sollte es euer centurio so befehlen oder wenn ihr angegriffen werdet. scuta sursum*!“


    Mit seiner vitis deutete Marcus auf die etwas entfernt liegenden Schilde.


    „Und dann wieder zurück in die alte Position, in aciem dirigite, in tertius ordines**! So, es wird immer die erste Reihe werfen, dafür wird sie gleich drei Schritte nach vorne treten und die erste Salve schleudern, danach reicht die zweite Reihe ihre pila weiter, während die erste Reihe abermals zum Wurf ausholt, reicht die dritte Reihe an die zweite ihre Wurfspeere. Somit steht danach der dritten Salve nichts im Wege. Auf mein Pfeifen wird geschleudert.“


    Marcus ließ den [/i]probati[/i] einige Zeit, um das Gesagte zu verdauen, während er nach seiner kleinen Trillerpfeife griff, die er meist mehr unnütz mit sich herum trug. Aber sie war nicht nur beim Kampf mit dem Schwert praktisch, sondern auch hier.


    Ordo primus, progedere***!“


    Kam schon der erste Befehl, der Zweite folgte sogleich.


    Tollite pila! Mittite!“


    Fast sofort pfiff Marcus auch mit der kleinen Pfeife, wartete ab und beobachtete mit Argus Augen, ob die probati jetzt auch das geordnet hinbekamen- er wäre darüber durchaus überrascht- oder es drunter und drüber ging.




    *Schilde auf!
    ** In drei Reihen!
    *** Erste Reihe, vortreten!

    Prüfend musterte Appius den jungen Mann vor sich als er die Antworten vernahm. Mit seinen wässrig blauen Augen starrte er ihn kalt an, durchdringend als ob er mit seinen Augen alleine prüfen wollte, ob ihn der Mann anlog. Doch Appius konnte nicht in das Innerste eines Menschen sehen, darum nickte er nach einem unangenehmen Augenblick schließlich und machte einen kleinen Hacken hinter den Angaben. Außerdem notierte er sich die anderen Angaben und fragte schließlich beiläufig.


    „Bist Du Dir auch bewusst, was der Eintritt in die legio bedeutet?“


    Appius sah auf und starrte Sicca abermals mit seiner frostigen Art an, legte den Griffel zur Seite und faltete die knochigen Hände, die nur Schreibarbeit, aber keine Übung mit dem den Waffen kannten.


    „Zwanzig Jahre Dienst, harte Arbeit, lange Wachdienste, die völlige Unterordnung unter Deinem befehlshabenen centurio, Krieg und Tod erwarten Dich in der legio. Erst nach Ablauf der zwanzig Jahre, der Tod oder eine unehrenhafte Entlassung können Dich aus der legio befördern. Bist Du Dir sicher, daß Du trotzdem eintreten willst?“



    Semsterzeit= Stresszeit. Das heißt, daß mein Tag mehr oder minder von der Uni geprägt ist und ich deswegen nicht mehr jeden Tag zum Antworten komme. Wahrscheinlich auch nicht alle zwei Tage und in manchen Threads auch noch sporadischer.

    Mit großer Erleichterung beobachtete Appius das Verschwinden des Ungetüms aus seinem officium, der Alptraum einer jeden Frau, aber auch wohl der meisten scribae, Feind der papyri zudem. Langsam ließ er seine Füße abermals auf den Boden herunter gleiten und sah mit deutlich weniger Kälte- ja, sie war fast gänzlich aus seiner Haltung entschwunden- zu dem Iunier. Eindeutig einen großen Pluspunkt hatte sich Serenus bei dem verkniffenen optio des Rekrutierungsbüro geholt. Dann schlug jedoch auch eine gewisse Verlegenheit bei dem nicht gerade jungen Mann hervor und er räusperte sich leise, griff zögerlich nach einer tabula und meinte schließlich nach einen Moment des Schweigens von seiner Seite aus:


    „Ja, fahren wir fort. Nun, probatus [die Anrede war nicht ohne bedacht gewählt, hieß es doch von Seiten von Appius, daß er ihn schon für tauglich hielt], ich wäre Dir durchaus verbunden, wenn Du nichts davon, also das mit dem Ungeziefer, weitererzählen würdest…!“


    Appius räusperte sich, sah dabei an Serenus vorbei. Charakterstärke gehörte nicht zu den Vorteilen von Appius, so sah er Serenus in dem Augenblick auch nicht in die Augen, was er meist vermied. Aber seine panische Angst vor Ratten wollte er doch nicht in der Außenwelt wissen, es war schließlich nicht ohne Grund, daß er sich vor Jahren eine Katze angeschafft hatte, die ihm mittlerweile zu einem treuen- dem einzigen- Freund geworden war. Appius beugte sich zur tabula herunter und kritzelte einiges darauf, dann reichte er diese an Serenus weiter.


    „Damit bist Du von meiner Seite in der legio aufgenommen worden. Zuerst wirst Du noch ins valetudinarium müssen, dort steht eine Untersuchung seitens unserer medici an, doch das wird wohl nur der Form halber sein. Danach gehst Du in die Ausrüstungskammer und holst Deine neuen Sachen, immer schön die tabula hier mitnehmen. Welcher centuria Du zugeteilt wirst, werde ich Dir noch per miles mitteilen lassen, wahrscheinlich erreicht Dich dieser, wenn Du in der Ausrüstungskammer bist. Viel Erfolg.“


    So viel Herzlichkeit hatte Appius wohl selten in seiner Dienstzeit gezeigt. Er nickte Serenus noch mal zu und griff schon nach der nächsten tabula.



    Eine erfrischende Kühle ging vom dem sanften Plätschern des Brunnens aus, ein Hauch von feinen Wassertropfen benässten den Handrücken von Marcus, was ihm- in den warmen Strahlen der Sonne sitzend- nur noch mehr Kühlung und Erfrischung verschaffte. Doch seine Kehle dürstete bereits nach einem ebenso belebenden Naß, doch scheinbar wollten die Sklaven ihr trautes zweisames Gespräch nicht stören und keiner erbot sich an, mit Wein näher zu kommen, vielleicht war das auch der Grund für Marcus Streben zu den Nachspeisen gewesen. Nun, da die schlimme Prüfung- sagt sie ja oder nein, benehmt er sich richtig oder tritt er gar wieder mal in ein Fettnäpfchen- vorbei war, konnte er den Nachmittag doch mehr genießen, zumal er solche Stunden der Muse selten in den letzten Jahren erlebt hatte, seitdem er der legio beigetreten war, wo doch fast sein ganzes Leben sich um den täglichen Dienst dreht. Und hier im diesem Garten voller exotischer Tiere mit den warmen Sonnenstrahlen auf dem Gesicht konnte sich Marcus gar schon vorgaukeln abermals fern von Italia zu sein, auf Reisen durch fremde und exotische Orte von Syria bis hin zu Mauretania, das alles ohne die Finger in anstrengender Arbeit krümmen zu müssen, sondern sich einfach dem Leben und dem Vergnügen hinzugeben. Wäre nicht das Drängen seiner Mutter gewesen, Marcus würde wohl immer noch dieses mehr lustvolle- bezogen zum Leben und dem Genießen- gefüllte Leben frönen. Ein wenig verwundert ob Epicharis Frage zuckte Marcus Augenbraue ein wenig.


    „Vielleicht liegt die Verschwiegenheit Deines Vaters auch schlicht in dem Grund, daß es nicht immer viel zu erzählen gibt? Das Leben eines Soldaten ist von den täglichen Übungen, dem Schanzen- und Wachdiensten geprägt, daneben hin und wieder mal ein kleineres Manöver oder dann der Geburtstag des Kaisers.“


    Eine laue Windböe wehte einige gelbe Blütenblätter heran, die auf der Wasseroberfläche nieder fielen und wie kleine goldene Segelboote auf dem blauen glitzernden See zu treiben schienen. Nur einen Herzschlag sah Marcus aus sie hinab, erinnerte sich an die Dhaue am Nil mit ihren großen, bunten Segeln, die über den breiten Fluss hinüberzuschweben schienen, jedoch stets in der Gefahr schwebten, von einem stärkeren Wind zum Kentern gebracht zu werden.


    „Die neuen Regelungen sind mehr die alten Gesetze. Vor einigen Jahrzehnten und noch Generationen war es schon so üblich, daß Männer wie ich, oder auch aus den edlen gentes der Plebejer, nicht mehr als einfache Soldaten gedient haben. Und was die Familien angeht…“


    Marcus lächelte breit, einige seiner Soldaten hatten wahre Rasselbanden und Horden von Kindern, manch einer sogar mehrere Frauen, um die er sich zu kümmern hatte und gar mehr Familie als sich Marcus je erhoffen, wünschen oder gar wünschen wollte.


    „….viele Soldaten haben trotzdem ihre Familie, die sie sogar zu neuen Stützpunkten begleiten und somit genauso Grund zur Sorge sind, nur ist die Ehe bei ihnen nicht offiziell, wenn auch auf eine ähnliche Weise geführt.“


    Marcus verstummte kurz und dachte nach: Vielleicht würde Epicharis das als einen Wink mit dem pilum –wie Marcus es abermals fälschlicherweise sagen würde- verstehen und nicht nur als eine harmlose Anmerkung. Wie jetzt einen eleganten Schwenk auf ein anderes Thema machen? Ah, die Frage, die Epicharis ihm gestellt hatte. Schnell griff Marcus diese auf, zwar würde sie nur die halbe Wahrheit von seinen tatsächlichen Empfindungen verraten: Schlicht, er hatte keine Lust auf Politik und große Reden schwingen, was er sowieso nur mit der Hilfe seines Sklaven schaffen könnte, und als centurio hatte er mittlerweile genug Freiheiten, um den Rahmen für seine natürliche Faulheit so weit dehnen zu können, daß es doch recht bequem geworden war in der legio.


    „Nun, tatsächlich. Der Posten des centurio ist durchaus zufriedenstellend, aber leider nicht mehr für meine Lebenssituation passend. Aber, ob ich…“


    Marcus zögerte nur einen Augenblick, er wollte eigentlich Epicharis nicht mit all diesen Überlegungen langweilen, aber da sie ihn gerade vorher noch gebeten hatte ihr frei und offen von allem, was ihn bezüglich der legio- er interpretierte das jetzt mal recht frei- betraf, zu berichten, tat er das auch.


    „Also, ob ich es bis zur nächsten Wahl schaffe, aus der legio auszutreten und auch noch mich zur Wahl zu stellen, vermag ich jetzt noch nicht zu sagen. Es könnte durchaus sein, daß es sich noch um eine weitere Amtszeit verlängern könnte, zumal es zur Zeit einige Gerüchte in der legio gibt, die von einem größeren Einsatz sprechen. Dann kann es durchaus sein, daß mich der legatus auch nicht vorher aus dem Dienst entlassen würde.“


    Marcus zuckte etwas ratlos die Schulter, eigentlich wollte er gar nicht mehr so lange die Zeit vertun, aber er wollte auch nicht als Feigling gelten, der, wenn die legio gebraucht wurde und Gefahr am Horizont erschien, den Dienst schnell quittierte und somit alle Vorurteile gegen Männer seines Standes auch noch bestätigte. Und so war er doch froh, ein Thema, was doch weniger verzwickt erschien und sehr viel belebender war, verfolgen zu können: Spiele und somit auch wieder die Lust am Leben. Somit verschwand der Hauch von Düsternis um seine Seele, was er vorher gar nicht bemerkt hatte, und seine Augen strahlten abermals gut gelaunt auf.


    „Cantrix, Cantarix? Nein, den Mann kenne ich bedauerlicherweise nicht. Aber solche Einkäufe habe ich, so wie ich mich erinnere, noch nie selber getätigt, höchstens in meinen Kindestagen.“


    Einen Moment dachte Marcus nach, Glückspiele lagen ihm eigentlich mehr, denn da mußte man nicht allzu viel überlegen und konnte mehr auf Fortuna vertrauen. Aber trotzdem- selbst wenn er fast ständig verlor, zumindest gegen Hannibal- hatte er doch immer noch eine große Freude auch an den komplexeren Spielen, doch er hegte den Verdacht, auch Epicharis würde ihn wohl ebenso spielend schlagen, wie sein Sklave, oder gar Leontia oder Gracchus es wohl könnten, womöglich wäre sogar schon sein Sohn mittlerweile dazu in der Lage. Marcus erhob sich, beobachtete wie Epicharis Finger in das kühle Nass tauchten und fügte an:


    „Ich gebe zu, quinquenove gefällt mir am Meisten von diesen Spielen, aber die anderen Spiele haben auch alle ihren ganz eigenen Reiz, besonders tabula. Senet…Senet…hm, ja, das kann durchaus sein. Der Name sagt mir zwar nichts, aber ich habe durchaus mit einem guten Freund- ihm gehört übrigens der Garten hier- schon öfters in Alexandria einige der ägyptischen Brettspiele gespielt. Spielst Du das besonders gerne oder möchtest Du es erlernen?“


    Marcus wartete noch einen Moment, lächelte als sich Epicharis von den wilden Tieren verabschiedete und wandte sich dann um, ging mit ihr- ohne die Sklaven weiter zu beachten- durch das orientalisch anmutende Steintor hindurch und in Richtung des Platzes zurück. Und als ob die Sklaven das schon erwartet hatten, standen bereits die süßen Speisen auf den Tischen, in Honig getauchte Früchte, kandierte Rosenblätter, in süßen Wein geschwenkte Birnenhälften und gebratene Apfelscheiben, dazu Datteln und in cremigen Schaum geschlagene getrocknete Feigen, dazu aber auch herben Käse und hell gebackenes Brot, ebenso ein leichter Sommerwein des letzten Jahres, aus den kampanischen Landen. Erneut nahm Marcus erst nach Epicharis wieder Platz und lehnte sich in die Kissen zurück. Manchen Männern sagte man nach, daß sie Süßspeisen nicht sonderlich schätzten, bei Marcus war das jedoch nicht so, eigentlich vermochte er allen kulinarischen Genüßen- von den Germanischen abgesehen- etwas abzugewinnen. Mit einem der Rosenblätter in der Hand, fügte Marcus in Anbetracht ihres letzten Gespräches noch an:


    „Ein keltisches Spiel? Und auch noch komplex? Das würde man diesen Barbaren gar nicht zutrauen, dabei leben sie in doch so bescheidenen Verhältnissen.“

    Zufrieden nickte Marcus als er die Antwort des probatus vernahm, zwar fand er das mit dem senatorischen tribunus etwas zu vereinfacht, was die Beweggründe anging, doch die Feinheiten römischer Politik wollte Marcus nun doch wiederum nicht während einer Grundausbildung ansprechen, zumal er, um ganz sicher zu gehen, auch noch mal zuerst seinen Sklaven konsultieren müsste in dieser Hinsicht. Marcus schritt immer noch auf und ab, sog die frische Morgenluft tief in seine Nase ein.


    “Gut, die Anderen sollten sich das auch merken. Und nicht vergessen, der Dienstweg für euch ist immer: Zuerst der optio, dann der centurio. Aber natürlich solltet ihr es euch nicht erlauben, einem tribunus oder gar dem praefectus nicht zu gehorchen, sollte er einen Befehl an euch geben. Glaubt ihr, dass es vielleicht ein Irrtum sein könnte oder ein Befehl aus einer Ahnungslosigkeit, bei manch einem senatorischen tribunus kann man sich diesbezüglich nicht immer sicher sein, könnt ihr euch zur Not an euren centurio wenden. Aber dennoch, ihr dürft niemals einem vorgesetzten Offizier den Befehl verweigern, niemals! Denn Disziplin und Kampfstärke der legio beruhen auf dieser Hierarchie. Hinterfragt ihr alles, dann wird die legio untergehen und somit auch die Barbaren sich unserer ermächtigen. Verstanden?“


    Auch Marcus hielt im Allgemeinen nicht viel von den Fähigkeiten eines senatorischen tribunus, schließlich hatten jene, im Gegensatz zu den ritterlichen Tribunen keine militärische Erfahrung, wenn man von Einzelpersonen, wie Vitamalacus, mal absah. Marcus Mundwinkel umspielte ein marginales Lächeln als er sich seinen Vetter als tribunus vorstellte, fest davon überzeugt, daß Gracchus zwar ein würdiges Bild abgeben würde, aber wohl kaum viel Ahnung mitbringen würde.


    “Gut, dann widmen wir uns wieder den praktischen Dingen! Heute wenden wir uns das erste Mal einem formierten Kämpfen zu. Und zwar das Werfen der pila aus einer Schlachtreihe heraus. Zuerst, stellt euch in drei Reihen zu je 6 Männer auf!“


    Noch während Marcus wartete, ob die Männer auch dem Befehl nachkommen konnten, sprach er schon weiter.


    „Jeder, auch die zweite und dritte Reihe behalten ihren Speer in der Hand. Wie wir schon erlebt haben, braucht ein Speerwerfer eine Bewegungsfreiheit von 6 bis 9 Schritt hinter sich oder vor sich, um das pilum auch ordentlich und mit guter Reichweite schleudern zu können. Würden alle drei Reihen gleichzeitig ihre pila werfen, würde die Reihen jeweils mindestens so weit voneinander getrennt sein, dadurch bedingt, daß sie alle Anlauf nehmen müssten. Außerdem wäre es für die hinteren Reihen schwerer gezielter das pilum werfen zu können, dazu könnten sie in Kollision mit den vorderen Reihen kommen. Deswegen werfen die Männer der centuria ihre pila niemals alle gleichzeitig. Dafür haben sich unsere Vorfahren schon eine ausgefeilte Methode ausgedacht, in kürzester Zeit sämtliche pila der Männer zu schleudern, ohne dass alle Reihen es simultan tun. Hat jemand vielleicht schon eine Idee, wie das passieren könnte?“

    Sorgfältig notierte Appius: gladius, Schwimmen, Schreiben und Lesen. Alles akkurat, sauber und sorgfältig untereinander. In jenem Augenblick als er seinen Kopf anhob, um mit der ständig gleichen Prozedur im Rekrutierungsbüro weiter zu verfahren, war ein leises Trippeln an der Wand zu hören. Irritiert zuckte das Augenlid von Appius, das Trippeln verstummte. Verwundert wölbten sich noch die Augenbrauen in die Höhe.


    „Gut, dann haben wir alle wichtigen Angaben. Doch noch vorweg: Dir ist klar, dass Du Dich mit dem heutigen Tag auf zwanzig Jahre Dienst in der legio verpflichtest? Dein Leben und Dein Körper werden zur Gänze dem Kaiser und Deinem Befehlshaber gehören, Du hast den Befehlen Deines centurio, deines tribunus, praefectus und legatus blind zu folgen, auch wenn es Dich in den Tod führen kann. Dienst Du gut, dann wird am Ende Dich Land oder Geld erwarten nach zwanzig Jahren, versäumst Du Deine Pflicht, dann hast Du mit körperlichen Strafen sogar bis hin zum Tod zu rechnen, je nach schwere Deines Vergehens. Willst Du immer noch in die legio eintreten?“


    Abermals ertönte das Trippeln und dann entdeckte Appius den Übeltäter dieser ominösen Geräusche. Eine Ratte huschte an der Wand entlang, hob das kleine Näschen mit den winzigen Haaren und spähte zu den beiden, für sie riesigen, Männern. Appius riss die Augen auf und ächzte leise. Unfähig sich zu rühren starrte der optio auf das kleine Wesen hinab.


    „Ahrg!“


    Suchend sah sich Appius nach einer Waffe um, sah jedoch nur seine Griffel. Hilfe suchend sah Appius zu Serenus.


    „Weg, weg damit!“


    Brachte jedoch Appius einzig alleine hervor, zog seine Beine, einer Frau durchaus nicht unähnlich an, und taxierte misstrauisch die braune Ratte, die sich einem Tisch eines seiner scribae näherte.





    Noch dachte Appius über die Bezeichnung weitschichtig in Bezug auf die Verwandschaft nach, während er sorgsam alle Angaben, des Decimers notierte und sich dann zurück lehnte. Immerhin, mal einer der ihm ehrlicher erschien als der Rest, der nie krank war und auch sonst nie schuldig gemacht hatten. Und Appius war sich stets sicher, die anderen Männer logen ihn dreist an. Doch was sollte man da schon tun? Aber die Angabe des Decimers überraschte ihn durchaus und er sah ihn grübelnd an, denn über den Hintergrund der Decimer war Appius sehr wohl informiert, war sie doch einer der einflussreichsten Familien im Imperium.


    “So, dann stammst Du also nicht aus Hispania, wie die Meisten der Decimer? Nun ja.“


    Er beugte sich hinunter und machte ein kleines Zeichen neben Roma, dann hob er abermals den Blick und musterte Sicca mit kalten, wässrigblauen Augen.


    „Keine Stimmen? Aber schon mal das Bedürfnis gehabt, wahllos zu morden? Oder den Hang ständig fremde Sachen einzustecken? Schon einen Beruf gelernt? Welche Fähigkeiten hast Du? Schon mal mit gladius und pilum gekämpft? Sica oder pugio? Reiten, Lesen, Schwimmen? Griechisch oder sonstiges, was uns nützlich sein kann? Handwerkliche Fähigkeiten?“


    Wie ein Wasserfall rauschten die Fragen aus Appius Mund, alle sehr klar und deutlich formuliert.



    Mühsam zerrten die beiden Soldaten das störrische Rindvieh hinter her und blieben abrupt stehen als sie Plautius um die Ecke biegen sahen. Automatisch- Soldatenleben war nun mal Soldatenleben und da hatte man vor dem höchsten Vorgesetzten in der Legion nach dem legatus natürlich prompt zu salutieren- ließen die beiden Männer den Strick des Ochsen los und schlugen sich mit der Faust zum Gruße gegen die linke Brust. Der Fixere der Beiden reagierte auch noch prompt auf Plautius Worte.


    praefectus! Jawohl, praefectus. Das werden wir tun. Doch mit Verlaub, wenn ich das anmerken darf, Herr, das Tier wird den heutigen Tag nicht mehr erleben. Es ist als Opfertier bestimmt…“


    „Du, das Opfer rennt weg…!“


    - tönte es von dem anderen Soldaten. Beide Soldaten wandten sich um als der Ochse schon, mit einem glücklichen Muhen, zwischen der Gasse zweier centuriae verschwand. Schnell salutierten die Männer noch mal und rannten schimpfend hinter dem Ochsen her. Noch viele Schritte entfernt tönte das laute Muhen, gefolgt von einem: „Halte das Biest auf…!“ durch das Lager.


    Derweil wieder in der Mannschaftsunterkunft:
    Marcus nickte und wandte sich zu dem Drüben und somit optio Tallius Priscus zu. Als er der kleinen Auseinandersetzung gewahr wurde, wartete Marcus noch einen Augenblick länger, damit dem optio Zeit gegeben wurde, das zu schlichten, beziehungsweise den Schuldigen zu ermitteln. Erst dann schritt er auf Priscus zu. Bei ihm angekommen, nickte Marcus andeutungsweise.


    optio Tallius! Wie es scheint, ist unser Opfertier angekommen. Somit steht dem Opfer an Mars nichts mehr im Wege. Wir werden es heute am frühen Nachmittag ansetzen, damit das Fleisch noch für den Abend fertig ist. Was meinst Du, welcher der Männer kann uns am Besten zur Hand gehen für die Opfervorbereitungen?“

    So und in ähnlicher Weise vergingen auch die darauf folgenden Tage, unermüdlich musste ein pilum nach dem anderen geworfen werden. Jeder Tag schien wie die Vorigen zu sein. So war es auch am Vortag dieses Morgen gewesen, der schon in der Frühe von einem strahlenden Tag kündete als die ersten Sonnenstrahlen sich erhoben und die Soldaten wieder auf den campus getrieben wurden oder strebten. Heute mal wieder gut gelaunt- es war immer eine kleine Lotterie, ob der centurio wieder seine Morgenmuffellaune oder sein Schön-Wetter Gemüt hatte- strebte Marcus zu den probati und rief schon im Laufen:


    In aciem venite! State! Guten Morgen, probati.“


    Prüfend musterte Marcus die Männer und das erste Mal hatte Marcus ein Erlebnis, was ihn regelrecht schockierte. Er befand, daß die probati doch allesamt zu jung aussahen, um überhaupt Soldat zu werden. Was ihn daran schockierte? So etwas dachten nur Männer, die selber in die Jahre gekommen waren. Doch ehe die ersten Gedanken dazu aufkeimen konnten, die ihn ins Grübeln hätten stürzen können, wandte er sich lieber der Ausbildung zu.


    „Vor einigen Tagen habt ihr noch einige Fragen mitbekommen. Wer kann sie mir beantworten?“


    Marcus Augenbrauen hoben sich fragend und er ging mit einem federnden Schritt an der Linie von probati entlang, bemerkte das ein oder andere verstohlene Gähnen und wartete auf die Antwort, sollte sie denn kommen.