Eine erfrischende Kühle ging vom dem sanften Plätschern des Brunnens aus, ein Hauch von feinen Wassertropfen benässten den Handrücken von Marcus, was ihm- in den warmen Strahlen der Sonne sitzend- nur noch mehr Kühlung und Erfrischung verschaffte. Doch seine Kehle dürstete bereits nach einem ebenso belebenden Naß, doch scheinbar wollten die Sklaven ihr trautes zweisames Gespräch nicht stören und keiner erbot sich an, mit Wein näher zu kommen, vielleicht war das auch der Grund für Marcus Streben zu den Nachspeisen gewesen. Nun, da die schlimme Prüfung- sagt sie ja oder nein, benehmt er sich richtig oder tritt er gar wieder mal in ein Fettnäpfchen- vorbei war, konnte er den Nachmittag doch mehr genießen, zumal er solche Stunden der Muse selten in den letzten Jahren erlebt hatte, seitdem er der legio beigetreten war, wo doch fast sein ganzes Leben sich um den täglichen Dienst dreht. Und hier im diesem Garten voller exotischer Tiere mit den warmen Sonnenstrahlen auf dem Gesicht konnte sich Marcus gar schon vorgaukeln abermals fern von Italia zu sein, auf Reisen durch fremde und exotische Orte von Syria bis hin zu Mauretania, das alles ohne die Finger in anstrengender Arbeit krümmen zu müssen, sondern sich einfach dem Leben und dem Vergnügen hinzugeben. Wäre nicht das Drängen seiner Mutter gewesen, Marcus würde wohl immer noch dieses mehr lustvolle- bezogen zum Leben und dem Genießen- gefüllte Leben frönen. Ein wenig verwundert ob Epicharis Frage zuckte Marcus Augenbraue ein wenig.
„Vielleicht liegt die Verschwiegenheit Deines Vaters auch schlicht in dem Grund, daß es nicht immer viel zu erzählen gibt? Das Leben eines Soldaten ist von den täglichen Übungen, dem Schanzen- und Wachdiensten geprägt, daneben hin und wieder mal ein kleineres Manöver oder dann der Geburtstag des Kaisers.“
Eine laue Windböe wehte einige gelbe Blütenblätter heran, die auf der Wasseroberfläche nieder fielen und wie kleine goldene Segelboote auf dem blauen glitzernden See zu treiben schienen. Nur einen Herzschlag sah Marcus aus sie hinab, erinnerte sich an die Dhaue am Nil mit ihren großen, bunten Segeln, die über den breiten Fluss hinüberzuschweben schienen, jedoch stets in der Gefahr schwebten, von einem stärkeren Wind zum Kentern gebracht zu werden.
„Die neuen Regelungen sind mehr die alten Gesetze. Vor einigen Jahrzehnten und noch Generationen war es schon so üblich, daß Männer wie ich, oder auch aus den edlen gentes der Plebejer, nicht mehr als einfache Soldaten gedient haben. Und was die Familien angeht…“
Marcus lächelte breit, einige seiner Soldaten hatten wahre Rasselbanden und Horden von Kindern, manch einer sogar mehrere Frauen, um die er sich zu kümmern hatte und gar mehr Familie als sich Marcus je erhoffen, wünschen oder gar wünschen wollte.
„….viele Soldaten haben trotzdem ihre Familie, die sie sogar zu neuen Stützpunkten begleiten und somit genauso Grund zur Sorge sind, nur ist die Ehe bei ihnen nicht offiziell, wenn auch auf eine ähnliche Weise geführt.“
Marcus verstummte kurz und dachte nach: Vielleicht würde Epicharis das als einen Wink mit dem pilum –wie Marcus es abermals fälschlicherweise sagen würde- verstehen und nicht nur als eine harmlose Anmerkung. Wie jetzt einen eleganten Schwenk auf ein anderes Thema machen? Ah, die Frage, die Epicharis ihm gestellt hatte. Schnell griff Marcus diese auf, zwar würde sie nur die halbe Wahrheit von seinen tatsächlichen Empfindungen verraten: Schlicht, er hatte keine Lust auf Politik und große Reden schwingen, was er sowieso nur mit der Hilfe seines Sklaven schaffen könnte, und als centurio hatte er mittlerweile genug Freiheiten, um den Rahmen für seine natürliche Faulheit so weit dehnen zu können, daß es doch recht bequem geworden war in der legio.
„Nun, tatsächlich. Der Posten des centurio ist durchaus zufriedenstellend, aber leider nicht mehr für meine Lebenssituation passend. Aber, ob ich…“
Marcus zögerte nur einen Augenblick, er wollte eigentlich Epicharis nicht mit all diesen Überlegungen langweilen, aber da sie ihn gerade vorher noch gebeten hatte ihr frei und offen von allem, was ihn bezüglich der legio- er interpretierte das jetzt mal recht frei- betraf, zu berichten, tat er das auch.
„Also, ob ich es bis zur nächsten Wahl schaffe, aus der legio auszutreten und auch noch mich zur Wahl zu stellen, vermag ich jetzt noch nicht zu sagen. Es könnte durchaus sein, daß es sich noch um eine weitere Amtszeit verlängern könnte, zumal es zur Zeit einige Gerüchte in der legio gibt, die von einem größeren Einsatz sprechen. Dann kann es durchaus sein, daß mich der legatus auch nicht vorher aus dem Dienst entlassen würde.“
Marcus zuckte etwas ratlos die Schulter, eigentlich wollte er gar nicht mehr so lange die Zeit vertun, aber er wollte auch nicht als Feigling gelten, der, wenn die legio gebraucht wurde und Gefahr am Horizont erschien, den Dienst schnell quittierte und somit alle Vorurteile gegen Männer seines Standes auch noch bestätigte. Und so war er doch froh, ein Thema, was doch weniger verzwickt erschien und sehr viel belebender war, verfolgen zu können: Spiele und somit auch wieder die Lust am Leben. Somit verschwand der Hauch von Düsternis um seine Seele, was er vorher gar nicht bemerkt hatte, und seine Augen strahlten abermals gut gelaunt auf.
„Cantrix, Cantarix? Nein, den Mann kenne ich bedauerlicherweise nicht. Aber solche Einkäufe habe ich, so wie ich mich erinnere, noch nie selber getätigt, höchstens in meinen Kindestagen.“
Einen Moment dachte Marcus nach, Glückspiele lagen ihm eigentlich mehr, denn da mußte man nicht allzu viel überlegen und konnte mehr auf Fortuna vertrauen. Aber trotzdem- selbst wenn er fast ständig verlor, zumindest gegen Hannibal- hatte er doch immer noch eine große Freude auch an den komplexeren Spielen, doch er hegte den Verdacht, auch Epicharis würde ihn wohl ebenso spielend schlagen, wie sein Sklave, oder gar Leontia oder Gracchus es wohl könnten, womöglich wäre sogar schon sein Sohn mittlerweile dazu in der Lage. Marcus erhob sich, beobachtete wie Epicharis Finger in das kühle Nass tauchten und fügte an:
„Ich gebe zu, quinquenove gefällt mir am Meisten von diesen Spielen, aber die anderen Spiele haben auch alle ihren ganz eigenen Reiz, besonders tabula. Senet…Senet…hm, ja, das kann durchaus sein. Der Name sagt mir zwar nichts, aber ich habe durchaus mit einem guten Freund- ihm gehört übrigens der Garten hier- schon öfters in Alexandria einige der ägyptischen Brettspiele gespielt. Spielst Du das besonders gerne oder möchtest Du es erlernen?“
Marcus wartete noch einen Moment, lächelte als sich Epicharis von den wilden Tieren verabschiedete und wandte sich dann um, ging mit ihr- ohne die Sklaven weiter zu beachten- durch das orientalisch anmutende Steintor hindurch und in Richtung des Platzes zurück. Und als ob die Sklaven das schon erwartet hatten, standen bereits die süßen Speisen auf den Tischen, in Honig getauchte Früchte, kandierte Rosenblätter, in süßen Wein geschwenkte Birnenhälften und gebratene Apfelscheiben, dazu Datteln und in cremigen Schaum geschlagene getrocknete Feigen, dazu aber auch herben Käse und hell gebackenes Brot, ebenso ein leichter Sommerwein des letzten Jahres, aus den kampanischen Landen. Erneut nahm Marcus erst nach Epicharis wieder Platz und lehnte sich in die Kissen zurück. Manchen Männern sagte man nach, daß sie Süßspeisen nicht sonderlich schätzten, bei Marcus war das jedoch nicht so, eigentlich vermochte er allen kulinarischen Genüßen- von den Germanischen abgesehen- etwas abzugewinnen. Mit einem der Rosenblätter in der Hand, fügte Marcus in Anbetracht ihres letzten Gespräches noch an:
„Ein keltisches Spiel? Und auch noch komplex? Das würde man diesen Barbaren gar nicht zutrauen, dabei leben sie in doch so bescheidenen Verhältnissen.“