Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Auch diesen Kandidaten würde Appius freilich zu ihrem legioeigenen medicus schicken. Natürlich hielt Appius von dem medicus nicht sonderlich viel, wie von vielen seiner Mitsoldaten hatte er nur eine mittelprächtige Meinung. Selbst wenn sich seine Unzufriedenheit über seine Tätigkeit in der legio- Appius hielt sich immer noch für Höherem berufen- weiter anstaute, von Tag zu Tag das innere Drama in ihm wuchs, so ließ auch heute er sich nichts, rein gar nichts, davon anmerken. Auch in jenem Moment tat er, wie schon seit beinahe zwei Dekaden, seine Arbeit.


    Gut, ein gesunder Römer also. Eine Freude für die römische legio!“


    , sprach er monoton und recht freudlos. Seine Augenbraue erhob sich und er sah kühl zu Cicero.


    „Und das mit den lupae ist löblich. Denk besser daran, nicht mit dieser widerlichen Sitte hier in der legio anzufangen, nur weil es ein lupanar- von dem alle im Kastell reden- in Mantua gibt. Das führt zu nichts Gutem. Dann fahren wir mal fort. Was sind Deine Fähigkeiten? Lesen, Schreiben, Sprachen? Handwerk oder Waffenkünste? Kannst Du Reiten oder Schwimmen?“

    Keine Krankheiten? Appius musterte ihn prüfend, konnte das nicht so ganz glauben, aber wenn der Rekrut das behauptete, würde er das so notieren. Denn seitdem sie wieder den medicus im Lazarett hatten, würde es auch wieder eine Musterung im Anschluss an die Formalitäten geben. Der würde schon erkennen, ob der Flavier log oder die Wahrheit sagte. Das war nicht Appius Aufgabe und damit war das Thema für ihn erledigt. Er notierte es sich alles und sah dann wieder auf.


    “Gut, welche Fähigkeiten bringst Du für die legio mit? Lesen, Schreiben und wie steht es mit der Geometrie? Welche Sprachen sprichst Du?“


    Eigentlich brauchte Appius nicht auf seine tabula herunter zu sehen, er kannte Schritt für Schritt, Frage für Frage auswendig, doch es gab ihm immer ein Gefühl der Sicherheit. So tat er dies mit seinen Augen und saß dabei kerzengerade auf seinem Stuhl als ob er einen Besenstil verschluckt hätte.


    „Handwerkliche Fähigkeiten? Kannst Du Reiten, Schwimmen und wie sieht es mit Deinen Waffenkünsten aus?“



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    Sorgsam notierte sich Appius die Worte des Iuliers. Der Ablauf war schon seit Jahren, schon gar mehreren Jahrzehnten, in diesem officium gleich. Und gerade das war beruhigend für Appius. Denn alles, was neu war, vermochte ihn aus dem Konzept zu bringen. Er betrachtete sich einen Moment den Namen der gens. Die Iulier waren doch eine berühmte Familie im Gegensatz zu seiner eigenen gens. Und er ahnte schon, dass jener Iulier schneller in der legio Karriere machen würde als er- Appius. Seine Lippen pressten sich zu zwei schmalen Linien zusammen und er hob den Kopf an.


    „Gut, Deine Eltern haben wir dann schon mal. Und wie steht es mit den Krankheiten, Iulius? Schon welche gehabt? Wenn ja, welche? Und siehst Du manchmal seltsame Dinge, glaubst Stimmen zu hören oder hast sonstige Wahnanfälle? Schon mal mit einer lupa eingelassen?“


    Ungerührt ob all dieser doch sehr persönlichen Fragen, sah der optio den jungen Mann vor sich an und erwartete mit gezücktem Griffel die Antworten auf sein Nachfragen.

    Beherrschung war immer Appius höchste Maxime. Wer sich beherrscht, der weiß seine Umgebung zu kontrollieren. Und kontrollierte man die Umgebung, so herrschte Ordnung. Und das Fehlen von Unordnung war das höchste „Glück“ für den optio des Rekrutierungsbüros. Und er haßte jeden abrundtief, der Chaos in sein Leben brachte oder bringen wollte. Und so fiel sein Haß ebenfalls- nebst auf einigen und vielen anderen in der legio- auch auf Marcus Flavius Aristides. Mit kühler Miene nahm Appius wieder Platz und zückte eine tabula cerata, einen Griffel dazu und fing an den Namen des Flaviers darauf zu notieren. Marcus derweil nickte Vindex noch mal beruhigend zu und zog einen Schemel heran, um während der ganzen Prozedur nicht stehen zu müssen. Appius sah von der tabula auf und hob seine linke Augenbraue marginal nach oben.


    “Gut, den Namen haben wir. Dann gehen wir mal weiter. Wo wurdest Du geboren? Wer sind Deine Eltern? Stand, Krankheiten und Geistesgestörtheiten?“


    Dass Appius die drei letzten Begriffe mit den Flaviern assoziierte, er hielt insgeheim alle Patrizier für eine Ausgeburt von Wahnsinn, würde er natürlich niemals laut sagen. Er dachte sich nur seinen Teil, wie so oft, und schluckte vieles in sich hinein.

    Schnurstracks durch das Lager führte Marcus den Besucher aus Mantua, ging mit ihm die große Lagerstrasse entlang und zur principia, wo der legatus, praefectus und einige andere Offiziere arbeiteten. Mit schnellen Schritten erreichte er das officium des Lagerpräfekten und betrat mit dem Annaer das Vorzimmer, wo sie auf die erste Hürde trafen. Der scriba des praefectus. Marcus nickte ihm zu, salutieren würde er nur vor seinem primuspilus, vor dem praefectus, vor den Tribunen und dem legatus freilich, aber nicht vor einem scriba, selbst wenn es der des praefectus war.


    „Hier ist der scriba Annaeus aus Mantua. Er bittet darum, den praefectus in einer Angelegenheit zu sprechen, die die legio betrifft. Er würde gerne für die Eröffnung des Amphitheaters zum Schutze der Besucher Bogenschützen ausleihen. Hat der praefectus im Augenblick Zeit?“

    Marcus nickte verstehend. Ja, die Eltern, deren Wünsche konnte man wohl kaum ignorieren. Denn war es doch auch Marcus’ Mutter, die ihn zur legio geschickt hatte. Nur um den Weg zu einer noch größeren Karriere zu ebnen. Wenngleich Marcus sich tief im Inneren bewusst war, dass es doch sehr viel fähigere und strahlendere Flavier und Verwandte von ihm gab, so würde er sich ihrem Wunsch nicht sträuben und diesen Weg zu gehen versuchen.


    „Dann auf ins Dein erstes Gefecht, Lucius!“


    Mit einer Hand klopfte Marcus an der Tür zu Appius officium und öffnete sie gleich, trat in das Reich des ihm sehr, sehr unsympathischen optio.


    Optio Carteius, dieser Mann hier möchte sich der legio anschließen.“


    Appius, der sofort die Stimme des centurio wieder erkannte, sah von seinen Schreibarbeiten auf und sein Gesicht wurde weiß vor Wut. Jedes Mal, wenn er Marcus sah, packte ihn das kalte Grausen. Dieser Mann- sprich Marcus Flavius Aristides- hatte ihm sein ganzes System in seinen Dienstzeiten kaputt gemacht, völlig chaotisch die Rekruten aufgenommen- als Marcus noch optio dort war- und die Ablage völligst ignoriert. Außerdem- und das war wohl der größte Frevel- hatte Marcus die neueste Actaausgabe immer als Krümmelschutz für sein morgendliches Mahl benutzt. Und die Acta war für Appius heilig. Das einzige Vergnügen in seinem Leben. Mit bebender Nasenflügel- das war schon fast ein Wutausbruch bei Appius- erhob sich der optio, salutierte nicht vor Marcus, sondern wandte sich kalt blickend an den anderen Flavier.


    “So, will er das? Wie ist Dein Name?“

    „Mhm!“


    Das war erst Mal das erste ’Wort’, was Marcus von sich gab. Er musterte den scriba einen Moment schweigend und nickte schließlich langsam. Es war schließlich auch nicht Marcus’ Natur lange und ernsthaft nachtragend zu sein. Es gab nur wenig, was ihn dauerhaft und unverzeihlich beleidigen konnte. Wenn jemand schlecht über seine Mutter sprach oder seiner Familie etwas antat.


    „Nun gut, wahrscheinlich ist die Kommunikation etwas unglücklich verlaufen. Wir sind nun mal Soldaten und keine Politiker. Wenn Du eine Anfrage nach Soldaten stellen möchtest, dann wirst Du bei unserem praefectus genau richtig sein. Nur sollte Dir klar sein, daß der praefectus ein viel beschäftigter Mann ist, er sorgt schließlich für den reibungslosen Ablauf von den Belangen für sechstausend Mann. Aber wenn Du Dich ein bißchen gedulden kannst, werde ich Dich gerne zu seinem officium führen. Wenn Du in Zeitnot bist, dann solltest Du vielleicht einen Termin bei ihm vereinbaren. Wie ist es Dir genehm?“


    Der frostige Unterton war verschwunden und Marcus sprach wieder in einem normalen Tonfall, wartete dabei ruhig auf die Entscheidung des Annaers.

    Zitat

    Original von Kaeso Annaeus Modestus
    "Nun was ist jetzt ? Sagst du mir endlich mit welchem Soldaten ich sprechen muss ?"
    sagte Kaeso und während er den Mann anschaute musste er immer wieder an das Sprichwort Non scabe sed lava denken.


    Die Soldaten im Rücken der ersten miles tauschten eindeutige Blicke aus. Einer der Männer drehte auf dem Absatz um und entschwand hinter dem Tor, während die anderen Soldaten den forschen Bittsteller doch mit nicht erfreuter Miene musterten. Keiner von ihnen schien sonderlich Lust zu verspüren sich länger mit dem Zivilisten aufhalten zu müssen. Nach einigen Herzschlägen, es waren bestimmt mehrere Hundert, wurde das Tor geöffnet. Der Bote kam nach draußen geeilt, im Schlepptau hatte er einen Offizier der legio prima, der schlecht gelaunt auf die anderen Soldaten zuging. Solche Wortfetzen wie: ’…stört…Essen…wer…Mantua…fordert??? Von uns? Herrje, so eine Unverfrorenheit!’, drangen von jenem Offizier bis zu Modestus. Der dunkelhaarige Mann, in einer lorica segmentata und einer rostroten Militärtunica gekleidet, helmlos, da er gerade beim Essen gestört worden war, und mit düsterer Miene sah zu dem Mann aus Mantua. Hoch aufgerichtet schritt Marcus auf Modestus zu, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und blieb mit kühler, wenn nicht eisiger, Miene vor dem Mann stehen. Die Augenbraue wölbte sich in die Höhe, derer Art es wohl nur ein Patrizier vermochte und was den Flaviern eigen zu sein schien. Selten ließ Marcus seine Abkunft derart heraushängen, war er doch mehr mit einer gutmütigen Seele gesegnet worden. Doch das war nun schon das zweite Mal, daß aus Mantua eine solche Dreistigkeit kam.


    „Salve, ich bin centurio Flavius Aristides. Mir sagt, Du wünscht den Verantwortlichen in der legio für den Bau des Amphitheaters zu sprechen? Nun, civis, unsere Aufgabe ist beendet mit dem Amphitheater. Alle weiteren Belange obliegen einzig und alleine der Stadt Mantua, die, wie ich anmerken darf, sowohl der legio und auch dem Kaiser äußerst dankbar sein sollte, daß wir das Amphitheater für sie fertig gestellt haben.“


    Die Augenbraue wanderte nach unten, es änderte sich jedoch nichts an dem frostigen Unterton in Marcus Stimme.


    “Mir wurde angetragen, daß Du scheinbar hier Forderungen stellst. Guter Mann, wir sind eine legio und nicht das Personallager der Stadt Mantua. Daß die Stadt die Ehre und das Privileg hat, die legio prima, die Legion des Kaisers höchstpersönlich, in ihrer Nähe- Schutz und Ansehen genießend- zu haben, sollte die Bewohner mit Stolz und Ehrfurcht erfüllen. Denn wir Soldaten garantieren für ihren Frieden und Wohlstand. Wenn Du also etwas von uns Dienern und loyalsten Soldaten des Kaisers wünschst, dann solltest Du auch wie ein Mann mit dem entsprechend Respekt auftreten und keine Forderungen stellen. Dem magistratus Didius ist das ebenso nicht gelungen. Doch solltest Du Dir vielleicht Dienen duumvir als Vorbild nehmen, er lässt es nicht an Höflichkeit mangeln- im Gegenteil- wenn er zum Castell kommt, obgleich er sogar ein duumvir ist. So, ich denke das ist geklärt. Dann zu Deinem Anliegen. Du möchtest Soldaten für die Eröffnung erbitten oder geht es darum, zu erfragen, wie man am Besten die Sicherheitsmaßnahmen plant?“

    Beiläufig nickte Marcus einem Soldaten aus seiner Zenturie zu, der an ihnen vorbeilief und strebte weiter der principia entgegen. Ihre Schritte lenkten sie an einer fabrica vorbei, ein groß gewachsener Soldat war dort beschäftigt am Amboss einige Rüstungen wieder in ihre richtige Form zu bringen. Das Hämmern hallte durch die Luft, übertönte die meisten gesprochenen Worte, auch das, was Marcus erst erwiderte. Nicht eher als sie einige Schritte von dem Soldat entfernt waren, war Marcus zu verstehen. Er räusperte sich leise, drehte spielerisch seinen vitis an der Seite.


    „Himmel und Götter, was für ein Lärm. Also, was ich eben meinte. Dann ist Dir bestimmt Manius Flavius Gracchus ein Begriff. Er hat auch lange Zeit auf Kreta gelebt, einige Jahre, so viel ich weiß. Ich habe gehört, die Kreter sind ein ganz übles Volk, alles Lügner und Betrüger. Stimmt das?“


    Antiochia? Marcus klackte mit dem vitis gegen seine lorica segmentata und dachte nach. War er nicht sogar durch diese Stadt gekommen? Griechenland? Nein, ah, Syria. Es fiel ihm wieder ein, war keine kleine Stadt gewesen und recht amüsant. Forschen Schrittes marschierte Marcus schließlich in die principia.


    „Lass Dich nicht von dem Soldaten aus dem Rekrutierungsbüro einschüchtern, das ist ein ganz übler Kerl. Mit dem bin ich ständig aneinander geraten, als ich noch dort- den Göttern sei Dank nur kurzzeitig- stationiert war.“


    Marcus zuckte resigniert mit der Schulter. Familie ging Marcus immer vor, selbst bei der legio machte er keine Ausnahme, denn wenn man sich nicht auf die Familie verlassen konnte, worauf dann noch im Leben. Er kannte jenen Mann nicht, aber er war ein Flavier. Darum gehörte er wohl eindeutig- für Marcus im Moment jedenfalls- zur Familie. Die Tür mit dem officium kam immer näher und Marcus blieb davor stehen, musterte den Flavier an seiner Seite mit einem doch- für Marcus natürlichen- gutmütigen Gesichtsausdruck.


    „Ich hoffe, Du hast Dir den Eintritt in die legio gut überlegt. Ich meine, der Weg in der legio ist für einen Patrizier nicht immer leicht und außerdem mit den neuen Bestimmungen hat sich vieles geändert. Dein Vater ist wohl kein Senator, oder? Hat er Dich zur legio geschickt?“

    Sim-Off:

    Gleich vorab, einige Hinweise, was die Spielregeln hier im Imperium Romanum betreffen. In Deinen Beiträgen solltest Du nicht die Reaktionen der anderen Spieler mitbeschreiben, das geht nicht. Was Flavius Aristides macht bestimme ich als sein Spieler, was Flavius Vindex macht/bzw. welche Gesichtsausdrücke er zieht, etc., bestimmst Du. Jeder spielt seine Figur und seine NPCs (das heißt, Du solltest auch nicht die fremden NPCs anderer Spieler übernehmen). So "einfach" ist das hier. Da Du meine Figur als einen echten Römer bezeichnet hast, nehm ich Dir den kleinen Anfangsfehler auch nicht übel, keine Sorge.



    Tatsächlich hoben sich Marcus Mundwinkel ein wenig als sich der Flavier vorstellte. Einen Verwandten in der legio zu haben freute Marcus durchaus, wenngleich er den Mann noch nicht einordnen konnte. Flavius Maximus Medius? Marcus grübelte und grübelte und einige Falten bildeten sich auf seiner Stirn. Den Namen konnte er auch nicht so recht einordnen. Aus dem Osten? Hatten sie gar einen Familienzweig dort, der ihm nicht bekannt sein sollte? Herrje, vielleicht hätte er den Familienunterricht nicht auch so oft schwänzen sollen. Marcus nickte langsam und musterte den Flavier prüfend. Konnte es vielleicht sein, dass es ein Sohn eines libertus war, dessen Name er freilich nicht kennen konnte? Und der als ehemaliger Sklave der Flavier auch den Namen trug. Das verwarf Marcus gleich wieder, sehr, sehr selten wurden Sklaven bei den Flaviern freigelassen. Auf jeden Fall fast nie in Baiae bei seiner Mutter. Ratlos nickte Marcus auf den Namen und drehte hinter seinem Rücken sein neues Lieblingsspielzeug, seinen vitis- den centuriostab.


    „Aus dem Osten. Ehrlich gesagt, sagt mir Dein Vater nicht sonderlich viel. Aber ihr habt doch nichts mit der hispanischen Flavierlinie zu tun, oder?“


    Kurz regte sich Misstrauen, die hispanischen Flavier hatten stets Schande über die Flavier gebracht, mal von Aquilius abgesehen. Marcus Augenbraue, eine wohl flavische Familienangewohnheit, wölbte sich derer Art in die Höhe, wie es wohl lange Übung oder die richtige Vererbung bedurfte.


    „Aber gut, ich will Dich nicht lange hier stehen lassen. Komm, gehen wir mal Richtung Rekrutierungsbüro, da müssen alle durch, egal ob Patrizier oder nicht. Leider. Unterwegs kannst Du mir ein wenig von dem mir, völlig unbekannten, Familienzweig berichten.“


    Marcus winkte Vindex ihm zu folgen, wandte sich um und betrat das Lager der legio prima durch das große und schwere Tor, daß die jungen Männer, die sich zum Dienst meldeten, zu verschlucken schien.

    Gleich hinter dem Tor, und auf dem Weg zum Rekrutierungsbüro in der principia, wandte sich Marcus an den ihm fremden Flavier. Selten in seinem Leben war Marcus so sehr verwirrt einen wirklich unbekannten Flavier vor seinen Augen zu wissen. Eigentlich war es jedoch nicht allzu lange her, daß er eine ähnliche Erfahrung gemacht hatte. Flavius Furianus, der Sohn seines Bruders, schien ihm auch aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Aber dieses Wissen beruhigte Marcus durchaus, denn Furianus schien ein durchaus passabler Flavier zu sein, ein angenehmer Zeitgenosse und kein Mann, der Schande über die Flavier brachte. Immer wieder tippte Marcus mit seinem vitis, von eben jenem Furianus erhalten, an seine metallene Rüstung während er auf der Legionsstrasse entlang schritt und mit offensichtlicher Neugier den Neuen musterte.


    „Du stammst aus dem Osten? Wo genau, wenn ich fragen darf? Gibt es dort auch einen Familienzweig von uns?“

    Zitat

    Original von Lucius Flavius Vindex
    ....
    "Salve, Lucius Flavius Vindex, meldet sich zu Dienst bei den Adlern"
    etwas mürrisch schaute der Soldat mich an.


    Wachwechsel, gerade in jenem Chaos stieß der junge Flavier auf die Soldaten, die noch mit der Meldung des letzten Dienstes beschäftigt waren. Einige der Soldaten waren in der Wachstube und hielte gerade ihre Rede vor dem wachhabenden centurio. Nur drei Männer standen am Tor und musterten den Neuankömmling mit dem notwendigen Misstrauen- sonst nahm man ihnen schließlich nicht mehr ab, dass sie Soldaten waren, hielten sie gar für ein Urlaubslager. Einer der älteren Männer trat nach vorne, räusperte sich vernehmlich. Seine Nase kräuselte sich unwirsch, noch nicht mal richtig beim Wachdienst und schon tauchte die erste Störung auf.


    “Salve, Mitglied der großartigen legio prima willst Du werden? Moment, wie war Dein Name, Flavius? Wart’ mal kurz. Hey, Titus, lauf rein und sag dem centurio Bescheid.“


    Einer der milites nickte und verschwand hinter dem Tor. Der älteste Soldat musterte den Flavier mit Mißmut im Gesicht und wartete schweigend mit ihm. Nach einiger Zeit kam der miles Titus mit einem anderen Mann im Schlepptau zurück, der aufgerichtet und mit lorica segmentata gerüstet auf den Neuankömmling zuschritt, hinter seinem Rücken trug er den vitis- den ihm sein Neffe zu den Saturnalia geschenkt hatte- eines centurio. Mit einem prüfenden Blick blieb er vor Vindex stehen.


    “Salve, mein Name ist centurio Flavius Aristides. Man sagte mir, daß sich ein Flavius Vindex hier gemeldet hätte, um der legio beizutreten? Bist Du das? Wie kommt es, dass mir Dein Name nicht geläufig ist?“


    Immer noch betrachtete Marcus jenen Mann vor sich, konnte dessen Name jedoch in keinem Stammbaum in der Familie einordnen, noch hatte er einen solchen Flavier jemals in seinem Leben getroffen- nicht im nüchternen Zustand oder so, daß es ihm im Gedächtnis geblieben war.

    Einige Herzschläge mußte sich der Anwärter im officium gedulden, wenngleich Appius ihn bemerkt haben mußte, so ließ er sich nichts anmerken, sondern gab noch leise einem der Soldaten einige Anweisungen, erst dann wandte er sich um und Iulius Cicero zu. Mit einer Hand fuhr er sich über sein akkurat rasiertes Kinn und musterte Cicero aufmerksam.


    „Hervorragend, es geht doch. Also gut, ich bin optio Carteius Cirenthius. Ein Iulier also, wir haben auch einen bei der Reiterei. Aber gut, dann gehen wir mal das korrekte Prozedere durch. Mitkommen.“


    Appius Carteius Cirenthius ging bis zu einem offenen Fenster und einem Schreibtisch, nahm dort Platz, bot jedoch Cicero keinen Stuhl an und ergriff einer der Wachstafeln, die in Reih und Glied nebeneinander gelegt waren. Schweigend suchte er sich einer der vielen Griffel heraus. Sie sahen zwar alle vollkommen gleich aus, aber er schien an diesem Tag wählerisch zu sein.


    „Gut, also der Name war Marcus Iulius Cicero. Wie pikant.“


    Mehr zu dem Namen würde Appius nicht von sich geben, das war schon die äußerste Grenze an Humor, die man bei dem Mann erwarten konnte. Er notierte sich den Namen und sah dann auf.


    “Eltern, Geburtsort, Alter, bisherige Krankheiten, Schwachsinn?“


    Wie schon erwähnt, Appius war humorlos, so sah er Cicero mit stockernster Miene an und wartete auf die Antworten.

    Geschäftiges Treiben herrschte im Rekrutierungsbüro, die Akten der probati wurden, zwecks einer Frühjahrsmusterung- wer hatte den Winter überlebt und wer nicht- sortiert. Bei manchen der Soldaten rief das Stöhnen hervor, nicht jedoch bei Appius, dem optio des Rekrutierungsbüros und kleinem tyrannischen Herrscher in den kleinen Arbeitsräumen hier in der legio. Eisiger Miene ob der Schlampigkeit seiner Untergebenen- Soldaten schlampten seiner Meinung nach immer- ging er von Tisch zu Tisch und überprüfte die akribische Arbeit, die geheime Verschlüsselungen der Akten- alles auf Appius Mist gewachsen- durchzugehen, keine einfache Arbeit und Appius ließ nur die Besten der Besten seiner Leute dafür antreten. Als die Tür geöffnet wurde, hob er nur marginal die Augenbrauen, vermutete einen seiner Soldaten darunter.


    „Sind die Akten der ersten cohortes endlich da? Immer diese…“


    Doch zu weiteren Worten kam er nicht, der Zivilist sprach und stellte sich vor. Verblüfft hob Appius den Blick und sah den Neuen mit eisiger Miene an. Langsam, und fast in Zeitlupe, wanderte Appius Augenbraue nach oben und er richtete sich zur Gänze auf.


    „Immerhin grüssen kann der junge Mann, da ist wohl doch nicht Hopfen und Malz verloren. Aber vom Anklopfen hat er wohl noch nie gehört? Oder? Sofort raus treten, anklopfen und dann wieder eintreten. Verstanden? Tsts, was für Sitten. Jaja, schon Sokrates wußte um den Niedergang der Jugend, es bestätigt sich mal wieder.“


    Appius wandte sich wieder um, einer der Soldaten im Rücken, ein recht junger Mann, sah von seiner Arbeit auf, nickte Cicero gutmütig und aufmunternd zu und wandte sich wieder seinen Schriften zu ehe der eiserne und pingelige Appius derer Geste bemerkte.

    Die Sonne schien, gerade erst hatte miles Lucius zu Mittag gespeist, der Weizenbrei lag ihm noch wohlig im Magen und sonst schien der Tag auch nichts Aufregendes oder Katastrophales zu bergen. So stand der miles, seine Mitsoldaten oben auf dem Turm der Wehranlage und zu seinem Rücken wissend, am Eingang, gegen die Wehrmauer gelehnt und liess sich die Sonne ins Gesicht scheinen, musterte darüber die Wiese, die langsam wieder zu spriessen anfing, einige muntere Vögel in der Nähe und anschließend den sich nähernden Mann. Er richtete sich langsam auf, griff nach seinem pilum und sah den Mann erwartungsvoll an.


    „Ah, salve, ein Neuer also. Die Strasse weiter entlang und dann auf die principia zu, kannst es gar nicht verfehlen. Dort lieg das Rekrutierungsbüro. Und kein Abweichen vom Weg, verstanden? Könnte gefährlich werden.“


    Lucius grinste breit und rief nach oben.


    “Öffnet das Tor, es ist ein neuer Rekrut!“


    Langsam schwang sich das Tor auf, ebnete dem Iulianer den Weg in die legio prima, in die Höhle des Löwen oder seiner neuen glorreichen Zukunft?


    "Viel Erfolg!"


    wünschte ihm noch Lucius.

    Für Marcus gab es einige feststehende Grundsätze, was Frauen anbelangte. Unter anderem: Frauen sind launische Geschöpfe, dabei doch die reizendsten Wesen der Welt, dennoch hatten sie seltsame Angewohnheiten. Wenn sie etwas meinten, so behaupteten sie das Gegenteil von ihren Wünschen und Verlangen. So kam es Marcus in diesem Momente vor, meinte er doch eine feine Gänsehaut ob der Kälte auf Epicharis Haut erkennen zu können. Doch in einem musste Marcus ihr Recht geben, die frische Luft tat gut und belüftete sogar ein wenig den Raum unter seiner unbequemen toga. Wie sehr er doch seinen Vetter Gracchus beneidete, der die toga mit einer Selbstverständlichkeit trug als ob er damit geboren wurde. Scheinbar nachdenklich- eigentlich dachte Marcus in jenen Herzschlägen gar nicht, sondern betrachtete nur still den tiefschwarzen Garten, der sich vor seinen Füßen ausbreitete- neigte er den Kopf ein wenig zur Seite, spürte dann jedoch den Blick von der jungen Frau an seiner Seite auf sich ruhen. Sein Kopf wandte sich ein wenig zu ihr, doch in jenem Moment sah sie schon wieder weg. Vielleicht hatte er sich aber auch nur getäuscht. Mit der üblichen wachsenden Verlegenheit, wenn man als Unbeteiligter vom Tod eins nahen Verwandten des Gesprächspartners erfuhr, vernahm Marcus von dem Dahinscheiden ihrer Tante, grübelte schon über eine passende Antwort.


    „Das tut mir Leid…“


    Die übliche Frage: Standest Du ihr sehr nahe?, lag ihm bereits auf der Zunge. Doch er war froh, daß er sie nicht mehr aussprechen konnte. Daß Epicharis von sich aus die Materie von solchen bedrückenden- wenngleich sie ihm nicht nahe gingen- Nachrichten wechselte und sich wieder harmloseren Gesprächsstofff widmete. Marcus atmete tief ein und schüttelte andeutungsweise den Kopf.


    „Nein, nicht direkt. Wir dienen zwar in der gleichen legio, doch sind wir unterschiedlichen cohortes, also unterschiedlichen Einheiten, zugeteilt. Um genau zu sein, habe ich doch eher weniger mit Deinem Vater zu tun, seit Monaten das erste Mal erneut auf der Schulung in der legio mit der Thematik der Belagerungstürme…aber ich will Dich nicht damit langweilen…“


    Mit etwas, was Marcus selber ein Graus war, Theorie und Schulungen lagen ihm überhaupt nicht. Nicht umsonst hatte er schon seit seiner Kindheit versucht jegliche Unterrichtsbemühungen durch griechische Lehrer zu umgehen. Auch wollte er nicht gleich damit herausrücken, dass die Anfänge mit Epicharis Vater nicht gerade goldig und glorreich waren, es mehr zu Missverständnissen und Reibereien kam. Doch letztlich hatten sich die Wogen in der Führungsebene- zu der sich Marcus freilich nicht dazu zählte- wieder geglättet, wie es ihm schien. Marcus lächelte ein wenig und sah in Richtung des triclinum. Wehe, sie räumten das ganze gute Essen schon ab, während er sich hier unterhielt! Mit einem wehmütigen Lächeln- ob dieser Gefahr- wandte er sich an Epicharis und schnitt ein gänzlich anderes Sujet an.


    „Wenn ich vielleicht eine eher persönlichere Frage stellen dürfte? Wie ist es für eine Tochter, wenn sein Vater in der legio dient? Ich meine, nun…ich frage das nicht ganz ohne Hintergedanken. Ich habe ebenfalls eine Tochter und ich habe das Gefühl, sie scheint darunter zu leiden. Ich meine…verzeih, aber wie war es für Dich?“


    Seine Augenbrauen wölbten sich ein wenig nach oben, fragend und mit der Hoffnung eine erträgliche Antwort zu erhalten. Um das Befinden seines Sohnes machte sich Marcus weitaus weniger Gedanken, er war ein Junge und mußte nun mal lernen, daß das Leben nicht nur aus Annehmlichkeiten und Leichtigkeit bestand, daß Widrigkeiten einen Jungen nur noch mehr formen würde- so weit die Theorie, Marcus hatte bis ins hohe Alter nur die genussvollen Seiten des Lebens erfahren. Wenn er die Erfahrung, keinen Vater zu haben, genauso teilte, vielleicht noch viel schmerzhafter, da seiner schon vor seiner Geburt verstorben war. Aber um seine sensible Tochter sorgte sich Marcus sehr viel mehr, besonders natürlich in jenen Tagen.

    „Hat er das? Ja, dann. Wunderbar, dann wird es wohl auch mit dem Holz klappen. Wir machen dann mal weiter hier oben, ja? Wenn ihr da unten fertig seid, meldet euch, machen wir dann auch!“


    Bruseus drehte sich um, sah in viele fragende Gesichter und hob beide Arme.


    “Weiter geht’s. Hopp, hopp, milites!“


    Und hopp ging es weiter in der Arbeit. Ob neue Nägel, rostige Nägel, krumme, schiefe und gerade, alle wurden mehr oder minder erfolgreich in das Holz geschlagen, welche in einem ausgeklügelten Muster das Gehäuse des Turmes weiter ausbauten. Nach einer Weile des Arbeitens fühlte sich Marcus langsam wie in einem Ameisenhaufen, zumindest kam es ihm schon fast vor, so emsig wuselten die Soldaten in einem scheinbaren Chaos im Turm herum und doch erwuchs dabei immer mehr von dem Ameisenhaufen, oder eher der Belagerungsturm. Wie ein Ganzes eines Kollektives kam sich Marcus vor und grinste bei diesen absurden Gedanken, reichte stumm einige Bretter weiter und arbeitete mit seinen Mitsoldaten. Die nächste Ebene wurde erbaut, vorne die Lederreste dran geschlagen, so dass es ein Flickenteppich ergab und an der Seite mit einigen Holzbalken nochmalig gestützt. Als die letzte Plattform errichtet worden war, sorgten noch einige Soldaten für eine Ballustrade an der Seite, damit man auch oben noch stehen konnte. Bruseus, hochzufrieden mit dem Voranschreiten, beugte sich wieder nach unten.


    „Wir sind so weit fertig, optio. Fehlt nur noch die Rampe. Ich würde eine Seilwinde vorschlagen. Und schick…ach, Moment, ich komme runter…“


    Schon machte sich Bruseus an den Abstieg, der Turm erzitterte leicht unter seinem Gewicht und mit einem Grunzen kam er unten an, trat auf Priscus zu.


    „Puh, was für ein Abstieg. Also, schicke am Besten Deine Jungs da rauf, um das zu machen. Ihr könnt uns ablösen und dem Turm das i Tüpfelchen verpassen. Dann müssten wir fertig sein. Einverstanden?“




    An einem anderen Tag, zu einer anderen Stunde wäre in Marcus jäher Zorn aufgestiegen. Sehr wahrscheinlich hätte er diesem nachgegeben und sich auf Rutger gestürzt, um diesen Ausdruck zu verleihen. Doch zu diesem Moment erreichte er in seinem Inneren eine Gelassenheit, um die ihn so manch ein Stoiker beneiden würde. Es lag jedoch nur an den unmäßigen Kopfschmerzen und seiner Trägheit des Schlafmangels wegen. Immer mehr wurde ihm egal, was der Germane von sich gab. Immer weniger interessierte es ihn, ob er dachte, daß er- Marcus- an dem Tod- so sollte sie überhaupt verstorben sein- der römischen Germanin- oder was auch immer sie war- Schuld sei. Das würde er ganz alleine mit sich selber klären müssen, herausfinden, ob die Schuld auf seiner Seele lastete oder nicht. Langsam ging Marcus einige Schritte weiter und blieb neben der Statue einer zierlichen Marmorfrau stehen, dort wo sie an einige Büsche angrenzte blätterte die Farbe an ihrem Gewand ab und fiel in kleinen Flocken auf das vergilbte Gras hinab. Ihr Gesicht sah starr an Marcus vorbei, leblos und mit einem kalten Lächeln. Marcus seufzte unhörbar, fragte sich, ob er nicht einfach weggehen sollte. Warum noch länger sich mit diesem Mann auseinander setzen? Er ist jung, Du bist es nicht…Verblüfft sah sich Marcus um, hatte gerade jemand zu ihm gesprochen? Marcus verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und wandte sich wieder dem Germanen zu, auf dessen wütende Rede und seine Beleidigungen er mit eisigem Schweigen reagiert hatte.


    „In der Tat, sie war eine Römerin. Ist Dir nie der lederne Anhänger um ihren Schwanenhals aufgefallen? Ich denke, Du weißt durchaus was eine bulla ist. Sie war eine Römerin, entstammt einem Römer wie mir. Kann es nicht für Dich dann eine Befriedigung sein, wenn sie tot ist. Anscheinend verdienen in Deinen Augen alle Römer den Tod oder das Verderben, was Du über meine unschuldige Tochter gebracht hast. Und doch, obwohl Du meine Tochter bedroht hast und sie entführt hast, lebst Du noch. Wurde sich nicht um Deine Wunden gekümmert? Stehst Du nicht sogar hier im Garten, obwohl Du eher in den Carcer gehören würdest?“


    Das bringt nichts…er wird stets unbeugsam sein, rebellisch und gefährlich. Marcus stutzte, irgendwie hatte er das Gefühl, jemand würde hinter ihm stehen und mit ihm sprechen. Der Wein…Marcus schüttelte andeutungsweise den Kopf und hatte das dringende Bedürfnis alles mit noch mehr Wein herunter zu spülen. Kühl betrachtete er Rutger. Vielleicht würde dieser beim Exorzismus versterben, hatte nicht Gracchus so etwas angedeutet? Oder Marcus hatte es in seine Worte hineininterpretiert. Er wußte es selber nicht, das Gespräch mit seinem Vetter war nur recht undeutlich noch in seiner Erinnerung, wenngleich es nur wenige Stunden her war. Warum wollten die Götter ihn- Marcus Flavius Aristides- nur derart prüfen, daß sie die Wege von Rutger und ihm haben kreuzen lassen? Vielleicht sollte er einen Auspizen aufsuchen und das in Erfahrung bringen oder das Orakel der Sibylle- wenngleich er natürlich wußte, daß man danach noch weniger schlau war als zuvor. Hätte Rutger nicht seine Tochter entführt, Marcus wäre versucht ihn freizulassen und in seine Heimat zurück zu schicken. Doch es war einfach zu viel passiert.


    „Nun gut, Rutger, Du scheinst mir immer auf alles so eine klare Antwort zu wissen. Weißt natürlich was gut und was falsch ist, wer die Schuldigen und wer die Unschuldigen sind. Dann möchte ich Dir eine ganz einfache Frage stellen. Was würdest Du an meiner Stelle mit so einem Mann wie Dir machen, nachdem was alles in den letzten Wochen vorgefallen ist?“

    Auf eine gewisse Weise amüsierte Marcus der Starrsinn dieser Germanin. Bei Rutger empfand er das rebellische Verhalten als sehr ärgerlich, wenn nicht sogar in so einem Maß, dass es ihn in Weißglut versetzen konnte. Aber die Frau vor ihn hatte in seinen Augen etwas Drolliges an sich, wenn sie ihm mit ihren Widerworten kam. Ihr Mund verzog sich zu einem scheinbar schmollenden Ausdruck, ihre Lippen wölbten sich niedlich hervor. Nochmalig ließ Marcus den Blick an Nortruna hoch und hinab wandern, bemerkte die feinen Wasserperlen auf ihrer so hell schimmernden Haut, die weichen Wölbungen, die sich unter dem Linnen abzeichneten, ihre kräuselnden Haare. Und doch weckte es wenig Begehren in Marcus, sie war einfach nicht die Art von Frau, auf die er sofort geflogen wäre, wenngleich sie auch schön war. Aber immerhin, eine solche Frau in seiner Gefolgschaft war mit Sicherheit von Vorteil, schmeichelte den Augen all jener, mit denen er in Zukunft politisch oder gesellschaftlich zu tun haben würde. Wenn sie auch ihre garstige Wortwahl verlieren würde, dann wäre sie eine ideale Leibsklavin. Träge wischte sich Marcus die feinen Wasserperlen von der Stirn.


    „Leibsklavin, nun, das ist eine Sklavin, die nur ihrem Herren dienen muss, keine Arbeit im Haushalt zu bewältigen hat und nur die Befehle ihres Herren befolgen muss. Nur das Wohl ihres Herren ist ihre Obliegenheit. Es ist vergleichbar mit der Arbeit einer cubicularia…das wirst Du wohl auch nicht kennen, oder? Eine solche Sklavin sollte schon erahnen können, was ihr Herr wünscht oder bedarf. Ist er durstig, bringt sie ihm den Wein, ist er hungrig, veranlasst sie, daß Speisen heran gebracht werden. Und solche Dinge eben. Manche Herren nutzen ihre Sklavinnen auch für das leibliche Vergnügen im Bett. Aber in dieser Hinsicht musst Du Dir bei mir keine Sorgen machen, das wird eher nicht passieren.“


    Marcus schloss die Augen, sich nicht bewußt, wie man seine Worte noch deuten könnte. Im Grunde meinte er damit, wenn er schon mit einer Sklavin ins Bett stieg, dann war es eine schöne dunkelhäutige Unfreie aus Africa und keine Germanin, deren Volk ihm in der Tat auch äußerst suspekt erschien. Aber es war in der Tat Zeit sich eine neue Leibsklavin zu erwählen, Hannibal bewies schon im selbigen Moment, dass er seine Bedürfnisse- es dürstete ihn immer dringender nach Wein- nicht erfüllen konnte.


    „Bis jetzt war Hannibal mein Leibsklave. Er hat seine Aufgabe früher stets gut zu erfüllen gewusst, in den letzten Monaten jedoch nicht. Er hat mich enttäuscht und deswegen werde ich meine Konsequenzen daraus ziehen. Aber dann brauche ich natürlich eine neue Leibsklavin. Meine Leibsklavin sollte jedoch gewisse Anforderungen mit sich bringen. Mir gelüstet es nicht danach, ständig Diskussionen auszufechten, wenn ich eine Anweisung gebe. Auch nicht, ständig Deinen Widerwillen vorgeführt zu bekommen. Gehorchst Du mir und dienst mir gut, dann werde ich Dich mit den Annehmlichkeiten einer Leibsklavin belohnen. Und die können mannigfaltig sein und äußerst gefällig.“