Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Es war der erste Satz, der die Worte des Aureliers zu bestätigen schien, wenn Marcus auch etwas Mühe hatte ihre leisen gesprochenen Worte gänzlich zu verstehen. Ich suchte einen Moment der Besinnung. Ein solcher Ausspruch hätte von einem der gebildeten Flavier kommen können, die die Ruhe für dem Lauschen ihrer eigenen Gedanken suchten. Marcus hatte selten das Bedürfnis alleine zu sein, im Gegenteil. Zuviel Nachdenken, dieser Meinung war er schon länger, tat einem Mann nicht allzu gut. Grübeln war der Keim des Unglücks und Marcus grübelte nur sehr selten. Seine Augenbrauen zuckten leicht bei dieser schnellen Überlegung und er spähte in den dunklen Garten, konnte jedoch nichts erblicken, was die Aufmerksamkeit von Epicharis zu fesseln schien. Mit den Händen hinter dem Rücken dachte Marcus einige Herzschläge über jenes Rätsel nach, wie die Gespräche einen Raum zum flirren bringen konnte. Es musste wohl jedoch eine weitere Ausdrucksweise von einer gebildeten Frau sein, derer Gedankengänge Marcus schwerlich und wohl nie verfolgen konnte. So ließ er es schnell wieder. Absentia? Was sie wohl damit sagen wollte? Marcus hatte nicht die geringste Ahnung, versuchte jedoch sich nicht anmerken zu lassen. Vielleicht war das auch eine Krankheit. Marcus musterte sie schnell, bis auf ihre Blässe, sah sie nicht sonderlich krank aus. Und die Blässe kam sicherlich vom vielen Stuben hocken, was alle gebildeten Menschen gemein zu haben schienen.


    „Eigentlich wollte ich nur ein paar Schritte mich bewegen ehe es richtig zum Fleischgang geht.“


    Bewußt eine Lüge wollte Marcus nicht aussprechen, es war mehr eine Ausflucht. Schließlich hatte er zwar keine Probleme seine wahren Gründe für den kleinen Abstecher im hinteren Teil der Villa einem Mann zu offenbaren, aber bei Frauen hatte er durchaus Hemmungen. Das war alles nichts für die empfindsamen Frauenohren bestimmt. Seine anfängliche schlechte Laune war auch mittlerweile dahin, die Aussicht auf eine feudale Jagd in einigen Tagen beflügelte ihn sogar. Als er zu ihr sah, blinzelte er einen Herzschlag verblüfft. Warum sah sie ihn so seltsam an? Ahnte sie etwas von seinem kleinen, doch recht harmlosen, Schwindel? Hoffentlich nicht. Aber es war wohl an der Zeit wieder etwas von sich zu geben. Und nun? Marcus hatte keinen blassen Schimmer, was er mit der jungen Frau bereden wollte. Der Druck, kluge und hochtrabende Worte von sich geben zu müssen, hemmte ihn derart, daß ihm keine passenden Worte auf die Zunge kamen. Schweigend blieb er einige Zeit stehen ehe er sich einen Ruck gab.


    „Nun, mir erschienen die Worte Deines Vaters eingangs doch noch zu mysteriös. Ich meine diejenigen, die den Grund der Feier verraten sollten. Ist heute ein besonderer Familientag oder bist Du gerade aus der Fremde nach Mantua zurückgekehrt, was Dein Vater gerne feiern möchte?“


    Die toga lag schwer auf seinen Schultern, er hatte das Kleidungsstück schon immer gehasst. Unpraktisch, unbequem und lästig war die toga, wenngleich er auch wußte, dass sie ihm eine würdevollere Erscheinung verlieh. Und trotz der kühlen Brise schien sie ihm viel zu warm zu sein. Doch Epicharis, so wie sie die palla um ihre Schultern gezogen hielt, schien es zu kalt zu sein. Schön war sie wirklich, aber Marcus merkte schnell, sie war ihm zu blass, nicht der Typus von Frau, die ihn betören konnte. Aber in diesen Bereich fielen sehr viele Frauen, Marcus hatte durchaus ein eingeschränktes Beuteschema.


    „Dir ist kalt, kann das sein? Gehen wir doch vielleicht lieber wieder hinein oder geht es Dir immer noch nicht gut?“

    Zu spät hatte Marcus auf die Vorwarnung reagiert. Der Turm fing an unter ihm zu schwanken, wie das Deck eines Schiffes, fast wäre ihm der Balken aus der Hand gerutscht als er hastig nach einem Halt suchte um nicht von der ersten Ebene herunter zu purzeln. Nur dummerweise fand seine Hand keine Strebe und als der Turm sich polternd bewegte, wäre Marcus fast über einen der Querbalken gefallen. Doch Fortuna meinte es gut mit ihm und einer der Soldaten hielt ihn geistesgegenwärtig am Tunicazipfel fest. Mit Herzrasen wurde Marcus wieder zurück auf die Ebene gezogen, ihm machte das breite und belustigte Grinsen des Mitsoldaten wenig aus, denn der Aufprall wäre wirklich schmerzhaft geworden, wenn nicht sogar tödlich. Was für ein Tag, dabei hatte es doch nur mit einer trockenen Theorie begonnen. Ein alter Sklave hatte mal Marcus erzählt, dass im Angesicht des Todes das Leben in rasanter Geschwindigkeit vor den Augen hinweg zog. Marcus hatte nichts gesehen, es war wohl noch nicht der Zeitpunkt für seinen Abtritt gewesen.


    Ungeachtet von Marcus kleinem Schreck, hämmerten und pochten die Soldaten fleißig um ihn herum weiter. Die nächste Ebene wurde angebaut im Stil der Unteren und wie man ein Fachwerkgebälk errichten würde. Manche Soldaten schlugen schon fleißig an einigen Stellen auf der Vorderseite Lederreste an, damit der Turm besser vor Feuer geschützt war. Immer mehr Holz wurde die Treppe hinauf gereicht und in dem Turm verarbeitet, schnell wurde klar, dass so ein Turm enorm viel Material verbrauchte. Bruseus spähte nach oben und nickte zufrieden, beugte sich über das Geländer und suchte mit den Augen einen der hohen Offiziere, die beim Bau mit von der Partie waren. Doch er erspähte nur den anderen tatkräftigen Planer.


    „Priscus, optio, sag mal, wie viele Ebenen wollten wir bauen? Drei oder Vier. Ich glaube, daß bei vier Ebenen das Holz ein wenig knapp werden könnte, vielleicht schickst Du noch ein paar Männer los, um Nachschub zu holen. Ah, baut ihr schon die Rampe? Sieht gut aus. Was wollte ich noch…ah ja, drei oder vier? Hat der Tribun was dazu gesagt?“




    "Das will ich auch meinen, sonst gibs heute kein Abendessen für die Kindsköpfe da oben! Aber noch siehts ja gut aus..."


    Bruseus blieb noch kurz neben Priscus stehen, lief dann gleich zu einigen der Grünschnäbel, um sie vor dem fatalen Fehler zu bewahren, das Leiterloch zu zu nageln. Während man stetig die Bretter nach oben reichte, monoton die Arbeit verrichtete, kam man in der Tat gut zum Nachdenken. Etwas, was Marcus doch stets zu vermeiden wußte. Doch hier fingen an seine Gedanken zu kreisen. Was sollte nur aus ihm werden? In der Zeit als er noch in die legio eingetreten war, gab es für Männer seines Standes kaum eine Alternative, die Militärzeit zu absolvieren. Und seine Mutter hing schließlich an der Tradition, daß ein Römer auch im Militär gewesen sein muss, um erst ein wahrer Römer zu sein. Ein Brett stieß schmerzhaft gegen seine Wade.


    “Reich mal weiter, Freundchen!“


    Seufzend nickte Marcus und ergriff das nächste Brett, das laut polternd nach oben gereicht wurde und mit kräftigen Hammerschlägen an den Querbalken angenagelt wurde. Auch besagte Balken für die Leiterlöcher wurden angebracht. Was würde denn ein Turm auch bringen, wenn man nicht in ihm hochklettern konnte? Innen wurden die Leitern noch mal gesichert, damit sie auch im Gefecht nicht herausbrachen und viele Soldatenfüße von ihnen getragen wurden. Erst als die nächste Ebene fertig, Priscus bereits hochgeklettert war, folgte Marcus auch hinauf und spähte auf den Exzerzierplatz hinunter, allzu hoch war es noch nicht, aber die nächste Ebene sollte schließlich folgen. Daß Marcus schwindelfrei war, wußte er schon seitdem er den Pharos in Alexandria besichtigt hatte. Der Turm wackelte und erzitterte leicht als auch centurio Bruseos hinaufgeklettert kam, jedoch auf halber Strecke schlapp zu machen schien. Doch verbissen quälte sich der Mann mit seinem doch anständigem Gewicht die Leiter nach oben, während Marcus schon einen Ständer ergriff und mit ihm an die Ecke des Turmes lief. Den senkrechten Balken halten- das konnte Marcus mittlerweile.


    „Senkrecht, Bursche, also gen Himmel…ja, fein gemacht!“


    Mühsam verkniff sich Marcus eine zotige Antwort auf die Anrede ‚Bursche’ und richtete den Ständer wieder senkrechter auf. Und abermals begann das kleine Spiel von Vorne, die Streben wurden angeschlagen, das Rahmenholz zusammengehämmert, sprich, das Skelett für die nächste Ebene errichtet. Obwohl sie, mittlerweile immer besser aufeinander eingespielt und mit immer weniger Pannen und Unfällen arbeitend, recht zügig vorankamen, zog die Arbeit sich doch immer mehr in die Länge, der Tag schien mit großen Schritten ihnen davon eilen zu wollen.




    Und so war es, Marcus hatte sich von der Kline hoch gequält- früher und vor seiner Zeit der legio und noch mit einigen Kilo mehr auf den Rippen als an jenem Abend wäre ihm das wahrlich sehr viel schwerer gefallen. Der Abtritt war mehr oder minder schnell gefunden und nach recht kurzer Zeit schritt Marcus durch die Gänge der villa Claudia wieder in Richtung des triclinum zurück. Neugierig besah sich Marcus das luxeriöse Innendekor der villa, den Stil der Claudier erforschend, und vor dem Bildnis eines Ahnen dieser patrizischen Gens blieb er einige Herzschläge lang stehen. Seine Mutter pflegte stets zu betonen, daß die Claudier die gefährliche Tendenz des Wahnsinns in ihrem Blut hatten und der Dekadenz. Letzteres war für Marcus weniger ein Manko, sondern eher ein sympathischer Zug, Marcus liebte den Prunk und den Luxus, den viele als Niedergang römischer Tradition erachteten. Mit einem Schulterzucken wandte sich Marcus von der Büste ab, ging weiter und stockte als er einen Gang links und zur anderen Seite ausmachen konnte. Von irgendwo drang doch das Stimmenmeer her, doch genau wo, wußte Marcus nicht mehr. Er nahm wahllos einen Gang und schritt in der jungen und kühlen Nacht an einigen Türen vorbei.


    Ein kühler Wind streifte seine Wangen und Säulen tauchten den Gang in ein Spiel zwischen Licht und Schatten. Marcus betrachtete die dunklen Konturen der Gartensträucher, konnte vom Innengarten doch wenig erahnen. Wie der Nordstern leuchtete am Ende des Ganges die Lichter des triclinum auf, die Stimmen der Gäste waren nun deutlicher zu vernehmen als er einer weiteren Gestalt im peristylium gewahr wurde. So still und stumm wie die Frau- Marcus erkannte sie im Moment nicht- dort stand, schien sie nicht gestört werden zu wollen. Darum wollte Marcus schon an ihr vorbeigehen und sich wieder der doch angenehmen Unterhaltung mit den beiden anderen Patriziern widmen. Doch gerade da wandte sich die Frau um, Marcus erkannte in ihr die Tochter des Gastgebers. Es wäre jetzt auch unhöflich gewesen, stumm und wortlos an ihr vorbei zu gehen. Marcus verschränkte die Hände hinter seinem Rücken, setzte die Miene auf, die man von ihm als ‚höflichen Patrizier’ erwartete und neigte vornehm-zurückhaltend den Kopf.


    „Du suchst die Stille der Abgeschiedenheit?“


    Marcus trat an ihre Seite und sah in die Dunkelheit, was nur durch das vage Sternenlicht unterbrochen wurde. Und er fühlte sich bereits im Zugzwang etwas Gebildetes von sich zu geben. Wie sehr er das Gefühl doch haßte, denn dann rieselte ihm ein unangenehme Gefühl über seinen Rücken. Doch er bemühte sich das nicht anmerken zu lassen, hielt sich aufrecht und betrachtete Epicharis Profil.


    „Es ist nicht verwunderlich, daß Dein Vater stolz heute seine Tochter vorgestellt hat, wenn ich das anmerken darf. Fürwahr, auf eine so bildschöne Tochter kann man besonders stolz sein.“


    Das erinnerte ihn natürlich an Arrecina und ein düsterer Schatten glitt über seine Gesichtszüge und er sah schnell in den dunklen Garten. Er hatte immer noch nichts von Gracchus erfahren, wie der Exorzismus verlaufen ist und ob seine Tochter geheilt war. Die Sorge nagte ständig an ihm, wenn er sie im Alltag doch zu unterdrücken wußte. Mit einem andeutungsweisen Lächeln sah er wieder zu Epicharis.


    „Störe ich?“

    Ein wohliger Schauer ließ Marcus leise aufseufzen, an einem kalten Wintertag, derart von der angenehmer Wärme umschlossen zu werden, war wahrlich mehr als eine Wohltat, es war ein Hochgenuss. Marcus Wangen glänzten feucht, kleine Wasserperlen legten sich auf seine Haut und rannen langsam an ihm herunter, verfingen sich auf seinen dunklen Härchen an den Armen, seiner Brust und seiner nackten Waden. Verblüfft blinzelnd betrachtete Marcus seine Sklavin, als sie sich aus dem dichten Wasserdampf einer Venus gleichend herausschälte. Der Liebreiz und Zauber ihrer Bewegung entging Marcus nicht, seine braunen Augen hafteten sich auf ihre schmale, fast zerbrechliche und holdselige Gestalt. Nicht grob und knöchern zeigte sie sich, wie er so manch eine Germanin kennen gelernt hatte. Fast wäre er versucht gewesen, seine Hand nach ihren sich kess kräuselnden Haarlocken auszustrecken, um sich zu vergewissern, daß nicht Venus in einer ihrer vielen Gestalten vor ihm wie ein trügerischer Schein sich manifestieren wollte, herausgeschält aus dem feinen Wasserschwaden. Doch Nortrunas Worte zerstörten jäh den flüchtigen Zauber, Marcus schloss die Augen und der Anflug des Begehrens in ihm verflog wieder. Träge bewegte er sich im Wasserdampf und es dürstete ihm erneut nach dem erfrischenden Nass eines Falerner.


    „So? In Deine Heimat willst Du zurückkehren?“


    Was sie wollte, interessierte Marcus herzlich wenig. Ein sonderlich freundschaftliches Verhältnis oder menschliche Nähe suchte er zu Sklaven selten, wenn nicht sogar so gut wir gar nicht. Sie waren Sklaven für ihn, hatten vielleicht eine tragische Vorgeschichte, aber so war der Lauf der Welt für ihn. Heute fühlte sich Marcus recht phlegmatisch, bedingt durch den vielen Wein gestern Nacht. Wirklich aufregen über die Widerworte und die Unverschämtheit konnte sich Marcus in dieser Umgebung nicht. Zu anderer Zeit wäre er wohl sehr wütend geworden und hätte gleich versucht klar zu machen, daß er der Herr und sie die Sklavin war, sie demütig ihm zu gehorchen hatte. So öffnete er nur die Augen und sah sie an. Hätte er das Geschick und das Können eines Bildhauers, er würde vielleicht Nortruna als ein Modell wählen, vielleicht für eine Hyadin oder eine der Najaden.


    „Venustas, Schöne, stell Dich der Tatsache. Du gehörst mir, so ist Recht und Gesetz hier in Rom und im ganzen Imperium. Auch in Germania. Aber das heißt nicht, daß es schlimm oder unangenehm für Dich sein muß. Oh nein!“


    Als Gladiatorin würde sie sich gut machen. Vielleicht regte das Gespräch am gestrigen Abend über die Spiele auch Marcus Phantasie an, aber er wollte schon seit frühester Kindheit mal eine Amazone besitzen. Aber lieber eine Amazone, deren Treue und Loyalität er sich sicher sein konnte. Also würde er Nortruna bestimmt nicht zur Gladiatorenschule schicken, damit sie dort das Töten lernte und es vielleicht an ihm erproben wollte. Marcus lehnte sich mehr auf seinen rechten Arm und sah Nortruna direkt an.


    „Und als meine Sklavin wirst Du nicht schwer arbeiten müssen, schließlich wirst Du keine Feldsklavin sein oder musst die unerträglichen Arbeiten eines Pöbelsklaven erledigen. Nein, Du bist Sklavin bei einer der nobelsten Familien im Imperium. Somit hebst Du Dich von dem Rest der Sklavenschaft ab. Und als eine Leibsklavin von mir, wirst Du wirklich keine allzu großen Unannehmlichkeiten erdulden müssen. Und wenn Du Dich als wertvoll erweist- ich bin mir sicher, Venustas, Du kannst das- wirst Du vielleicht baldig die Stellung von Hannibal einnehmen. Er hat mich in letzter Zeit doch mehr als einmal enttäuscht.“


    Mit einem Lächeln und erwartungsvollen Blick sah Marcus Nortruna an. Seine Worte waren durchaus ernst gemeint. Seine Leibsklaven mussten nicht schwer arbeiten, was sie zu tun hatten, war nicht allzu schwierig und daß Hannibal mal wieder auf den Boden der Tatsachen heruntergezogen werden mußte- in letzter Zeit schien er immer mehr zu glauben, sein eigener Herr zu sein- meinte Marcus genauso.

    „Also, ich schätze mal, den Ort schlägst besser Du als Ortskundiger vor!“


    Wann er sich die Zeit dafür nehmen konnte, darüber grübelte Marcus schon seit dem ersten Wort, was zur Jagd gesprochen wurde. Als centurio hatte er mit Sicherheit mehr Zeit übrig verglichen mit seiner Lage als optio. Mehr Zeit vielleicht doch wiederum nicht, aber mehr Möglichkeit sich die Zeit selber einzuteilen, soweit es der reguläre Dienst für seine Zenturie erlaubte. Morgens ganz früh oder in den Abendstunden war der günstige Zeitpunkt, wie Marcus immer wieder feststellen konnte. Für die Hirschjagd am frühen Morgen noch mehr. Das war schon immer der Makel an der Jagd gewesen, es widersprach seinem tief greifenden Schlafbedürfnis, doch in der legio hatte er sich schon mehr an das frühe Aufstehen oder das zu wenige Schlafen gewöhnt.


    „Hmm…wie wäre es mit nächsten Saturnie Dies? Also in sechs…nein sieben Tagen?“


    Daß mit der germanischen Theatergruppe- Germanen betrieben die Kunst des Theaters? Marcus war gelinde gesagt sehr erstaunt- begeisterte Marcus jetzt nicht so sonderlich, er pflegte während der Aufführung gerne sanft in seine eigene Vorstellung zu entschlummern. Doch das mit der Gladiatorenschule schien ihm deutlich spannender zu sein. Allerhand hatte man schon von den Kämpfen gehört, die von ihnen ausgerichtet wurden. Hatten sie nicht auch bei den vorletzten Tierhatzen sich daran beteiligt? Und auch die Einweihung in Hispania von irgend so einem Provinzhafen soll spektakulär gewesen sein. Aber in Rom war diese Tierhatz die letzten Spiele gewesen, die Marcus genießen konnte. Das mit den Löwen und den wilden Schwarzen…Marcus grinste immer noch bei der Vorstellung und den erschrockenen Sklaven, die vor Krokodilen und Löwen fliehen wollten. Oder dem Mann über dem Feuer…zu schade, dass er die letzten Spiele verpasst hatte…zu schade überhaupt, daß er nicht seinen ganzen Tag mit solchen Annehmlichkeiten verbringen konnte. Und wo Marcus schon an die Spiele dachte, schien der Aedil wie der Nachhall des donnernden Applauses des Theater der Flavier heranzunahen und sich zu ihnen Beiden zu gesellen. Marcus hob den Blick von den köstlichen Speisen und sah zu Tiberius Durus, nickte ihm mit einem jovialen und gut gelaunten Lächeln zu.


    „Salve, Tiberius Durus. Moment…Du bist doch der Aedil, stimmt das?“


    Marcus warf einen Blick in Richtung von Hannibal- dorthin, wo er ihn da letzte Mal sah, bevor er sich zu den Klinen begeben hatte. Doch entdecken konnte er ihn nicht. Schulter zuckend sah er zu dem tiberischen Patrizier.


    „Ich habe von Deinen Spielen gehört, sie sollen wirklich fulminant gewesen sein. Besonders die Seeschlacht soll ein unvergleichlicher Genuß gewesen sein. Es war zu schade, daß ich nicht in Rom sein konnte. Ich hätte sie mir gerne angesehen. Aber da gibt es etwas, was ich schon immer wissen wollte.“


    Marcus beugte sich etwas vor und sah Durus halb verschwörerisch, halb grinsend an- in der Erwartung ein großes Geheimnis gelüftet zu bekommen. Die Frage lag ihm auf der Zunge, aber auch noch ein anderes Bedürfnis, doch die Neugier war einfach zu groß, er musste sie noch stellen.


    „Weiß man als Veranstalter schon im Vornherein, wer gewinnen wird? Wer an jenem Tag sterben und wer überleben darf?“


    Lächelnd und erneut in einem Zug leerte Marcus den Becher, seufzte vernehmlich und fügte an.


    „Wenngleich ich der Antwort und der großen Wahrheit wohl noch etwas ausharren muss, aber ein menschlicher Ruf ereilt mich. Wenn ihr mich kurz entschuldigen würdet?“

    Sollte er lachen oder wütend werden? Das war eine schwierige Frage, aber scheinbar wollten die Götter ihn in letzter Zeit mit seinen Sklaven besonders prüfen. Marcus blieb stehen, atmete tief ein und gedachte der Disziplinmaßnahmen, die seine Mutter stets zu ergreifen pflegte- die Peitsche. Marcus Augenbraue wanderte nach oben, er besah sich Notruna noch mal. Nein, gleich am Anfang mit der Peitsche zu kommen würde nur ihre schöne glatte Haut ruinieren. Außerdem hatte er im Moment wenig Lust darauf, vielleicht später, wenn sie weiter bockig blieb. Mit einem leisen Grummeln verließ Marcus das palaestra und trat in den mit grünblauen Mosaiken geschmückten Gang. Im nächsten Raum- er spähte prüfend hinein, es war ein warmer Dampfraum- saß keine Menschenseele, er war leer. Seine Lippen verzogen sich zu einem zufriedenen Lächeln, er nahm ein Linnentuch, was neben dem Eingang bereit lag und reichte es an Nortruna weiter.


    „Hier, zieh das anstatt Deiner tunica an. Du kannst sie natürlich auch anbehalten, aber in einer nassklammen tunica an einem Wintertag draußen laufen zu müssen ist nicht gerade angenehm.“


    Seine Füße hallten in dem mit Dampf gefüllten Raum, die Hitze umschloss ihn wohlig. Marcus schloß die Augen und seufzte leise genüßlich. Ob er sich später nochmalig massieren lassen sollte? Aber sehr wahrscheinlich würde er nicht genug Zeit dafür haben, der Dienst rief wieder und seine Männer- so hatte er das Gefühl- taten wenig aus eigenem Antrieb. Marcus setzte sich auf einer der marmorne Stufen und lehnte sich zurück, sah in Richtung von Nortruna, wenn auch der feine Wasserdunst ihm viel von der Sicht nahm. Zu schade, dass sie nicht dunkelhaarig und dunkelhäutig war. Dann hätte er sie im Lager behalten und nicht mehr weggelassen. Er lächelte schief und wischte sich die ersten Wassertropfen von der Stirn.


    „Also gut, Du heißt nicht Alekto. Du willst mir Deinen germanischen Namen nicht nennen. So kommen wir aber nicht weiter, meine Hübsche. Wie soll ich Dich denn dann nennen? Nicht, daß mir nicht genug Kosenamen für Dich einfallen würden, aber immer geht das nun auch wieder nicht, Venustas!“

    Sim-Off:

    Ah, ich verstehe. Danke. Ja, Du wirkst so kompetent beim Bau dieses Turmes ;)


    Grübelnd ging centurio Bruseus einmal um den Turm herum, betrachtete sich das bisher stehende Konstrukt und nickte zufrieden. Herrisch winkte er seinen Stellvertreter und optio- optio Corvus- heran und kratzte sich grübelnd am Kinn. Er überlegte eine Weile hin und her, wie man die nächsten Schritte jetzt am Besten angehen konnte.


    „Die Leitern müssen schon nach innen, schnapp Dir ein paar Männer der Gruppe primus und lass’ sie mit ein paar Männern der Gruppe tertius in den Turm hinein. Die von der tertius sollen vorklettern, die von der primus reichen ihnen Material an. Aber flott, hopp, hopp!“


    Bruseus klatschte sich in die Hände. Zufrieden nickend trat er an Priscus vorbei, stemmte die Hände in seine massigen Seite und nickte bedächtig.


    „Das wird doch, trotz der ganzen Frischlinge. Nicht wahr, Priscus? Was für ein Spaß!“


    Jetzt war es soweit, Marcus und einige Andere der Truppe primus wurden auf die Leitern hochgescheucht. Während die Leitern montiert wurden, reichte Marcus gewissenhaft, aber auch etwas gelangweilt und hungrig, die Bretter und Nägel nach oben, während oben fleißig gehämmert wurde. Diejenigen, die nicht auf die Leitern steigen konnten, fingen derweil an schon nach Lederresten zu suchen, um den Turm von Außen zu bespannen. Skeptisch beobachtete Marcus drei Soldaten, die ein Kreuz für die nächste Ebene mit dicken Balken schlugen, damit daran die nächsten Bretter genagelt werden konnten.




    Dem Vorbild des Aureliers folgte Marcus jedoch im Moment wohlweißlich nicht. Sicherlich hätte ihm unverwässerter Falerner sehr viel mehr gemundet, doch wußte er durchaus, daß er betrunken immer ungezügelter mit Wort und Tat wurde und seine Familie in eine schwere Blamage stürzen könnte. Das wollte er- so lange es ging- vermeiden, schließlich schien ihm das hier weniger wie ein ungezwungenes Treffen zu sein. An einer Ecke schnappte er Wortfetzen wie Patron und Conventus auf, an anderer Stelle schien über Gesetze und Politik diskutiert zu werden. Marcus war sehr froh, wohl den einzigen Patrizier und Gast im Raum gefunden zu haben, der nicht das Bedürfnis nach solchen Themen hatte. Marcus lächelte breit und leerte den verwässerten Falerner in einem Zug und ließ sich abermals Neuen einschenken. Marcus lachte leise und zuckte mit der Schulter.


    „Ob ich begnadet bin? Nun, das möchte ich lieber nicht sagen. Eher, daß ich ein passionierter Jäger bin. Wenngleich ich in den letzten Monaten, gar Jahren, kaum dazu gekommen bin. Ein Eber zu erjagen ist wahrlich eine Herausforderung. Aber die Königsdisziplin in der Jagd ist noch eine ganz andere…“


    Marcus grinste breit und beugte sich etwas vor.


    „…nämlich die Löwenjagd. Der Löwe ist wohl, neben dem Bären, einer der härtesten Gegner, den sich ein Jägersmann aussuchen kann. Besonders die Löwinnen. Kein Tier kann es mit den Weibchen dieser Gattung aufnehmen. Sie sind gewitzt, sie sind unberechenbar, stark und äußerst mutig. Aber das Jagen in Afrika oder Ägypten ist mit Sicherheit einer der größten Vergnügungen für einen Jäger. Aber wunderbar, dann sollten wir uns auf die Pirsch nach einem Eber machen. In einigen Tagen womöglich, wenn wir uns von dem Kater des heutigen Abend erholt haben?“


    Schon kam das Essen hinein, die Fleischgerichte. Marcus Augen leuchteten gut gelaunt auf, er lächelte der schwer schleppenden Sklavin freundlich zu, gedachte aber nicht im Entferntesten daran, selber einen Finger zu rühren. Stattdessen ließ er sich schnellstens einen Teller mit dem köstlichen Fleisch reichen, auch vom Wildschwein, und nahm einen Bissen davon. Wieder kommentierte er das leise mit einem: „Hmmm…!“ Während er kaute, sah sich Marcus suchend um. Keine Musikanten? Hatten die Claudier keine Haussklaven für so etwas. Etwas bedauernd zuckte er mit der Schulter.


    „Wann genau wird eigentlich die Einweihung des Amphitheaters sein?“

    In Marcus Kopf hämmerte es wie in einer Schmiede. Seufzend fuhr sich Marcus mit einer Hand über seinen Nacken und blinzelte müde. Irgendwie hatte er gestern abend doch mehr getrunken als ihm gut tat und heute morgen war er zu früh aus dem Bett geworfen worden- durch das Lärmen seiner Soldaten. Verblüfft sah Marcus zu Nortruna. Nicht ihr Name? Warum hatte Hannibal ihm dann diesen genannt? Schweigend lehnte sich Marcus wieder zurück und ließ Nortruna neben ihm stehen. Der Sandplatz war nun leer, der Wettanbieter zahlte die glücklichen Gewinner aus und sammelte noch die letzten Wettschulden ein. Doch Marcus beachtete das nicht, seine Lippen waren zusammen gepresst. Waren denn alle Germanen so widerspenstig und rebellisch? Marcus Wangenknochen mahlten langsam, die Kopfschmerzen ließen ihn auch nicht gnädiger werden.


    Gerade wollte er sich umwenden und mit scharfen Worten die Germanin noch mal auffordern, seinem Befehl nachzukommen. Doch sein Blick fiel auf ihren schlanken Knöchel. Marcus blinzelte- war er doch durchaus ein Ästhet, das lag nun auch mal in seiner Familie- und betrachtete sich genauer ihren Knöchel. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Seufzend stand Marcus auf, zog das Linnentuch um seine Hüfte herum fester und trat auf die oberste Stufe. Etwas überrascht sah er zu Nortruna herunter, die Frauen in Germania waren ihm stets wie Riesinnen vorgekommen. Viele von ihnen waren genauso groß wie er gewesen oder überragten ihn manchesmal sogar. Aber die Größe von Nortruna mißfiel Marcus nicht allzu sehr, große Frauen waren ihm schließlich etwas suspekt.


    „Komm wenigstens mit. Wie ist denn Dein Name? Hat Dir Dein Vorbesitzer den Namen Alekto gegeben? Und wer war das überhaupt? Oder kommst Du frisch aus Germania?“


    Das würde natürlich alles erklären, wenn sie erst vor kurzem gefangen genommen worden war. Schließlich hatte er dasselbe Problem mit Rutger, der auch immer noch glaubte, ein freier Mann zu sein. Marcus ging langsam auf den Ausgang zu, es fröstelte ihn langsam und er wollte sich wieder in wärmere Gefilde begeben.

    „Was soll’n wir nur tun? Er wird es doch bestimmt herausfinden!!“


    Einer der Soldaten starrte finster auf den optio, der sich nach seinem optiostab bückte und dann den Blick auf den miles wandern ließ. Der ältere Mann zuckte mit der Schulter, wandte sich scheinbar gleichgültig ab und schwieg. Einige andere der Soldaten dieser Zenturie kamen hinzu und sie setzten sich im Kreis. Einer davon, ein miles medicus, winkte mit einer Hand ab.


    „Nein, er wird schon nichts herausfinden. Schließlich war es ganz klar, woran der centurio gestorben ist. Er hat sich selbst erhängt. Tragisch, aber doch eindeutig.“


    Optio Titius dreht sich nun doch um, sein strenger Blick wanderte über die Soldaten. Langsam und düster schlug er immer wieder den optiostab in seine Hand. Seine Rüstung knarrte bei jedem Wort, daß er sprach, raunend und als ob er verbotene Worte aussprach. Trotzdem verstand ihn jeder im Raum, alle lauschten ihm aufmerksam.


    „Still, wir haben gesagt, daß wir nicht mehr darüber reden. Verstanden? Und auch nicht, was noch passiert ist und alles andere!! Sonst enden wir alle am Kreuz. Klar? Gut, dann räumt lieber mal eure Lager auf. Sehen wir uns den Neuen mal genauer an, vielleicht läßt er sich blenden. Und erinnert euch an den Schwur. Verstanden?“


    Die Soldaten wechselten miteinander Blicke und nickten schließlich. Leise und bedrückt fingen sie an die Mannschaftsunterkunft aufzuräumen. Säcke wurden verstaut, die Ausrüstung hervorgekramt und poliert, die Helme auf Hochglanz gebracht und der Unrat wurde beseitigt, danach fegten noch einige Soldaten die Unterkunft. Erst als alles bereit war, schnürrte der optio nochmal seine Rüstung, nickte den Männern zu und marschierte wieder zu dem Teil, wo der centurio seine Räumlichkeiten hatte.

    Marcus hatte nicht die geringste Ahnung, was Priscus mit einem Schieber meinte. Sah sich verwirrt um und zu den anderen Männern. Einige davon schienen genauso ratlos wie er zu sein, anderen wußten wohl ganz genau, was zu tun war. Oder sie taten nur so. Auch die anderen Fachausdrücke ließen Marcus mit einem Haufen Rätsel zurück. Gerade als centurio Bruseus an ihm vorbeikam, starrte Marcus grübelnd auf die ganze Konstruktion.


    „Na, Bursche, was rätselst Du so. Mußt nur den Ständer ordentlich halten…das da in Deiner Hand, der senkrecht stehende Balken…na ja, er sollte senkrecht stehen…ein bisschen mehr nach links. Gut so, Bursche….los, los, Jungs, jetzt macht mal hinne. Los und schlagt einen Querbalken am Abschluss der unteren Ebene und am Anfang der nächst Höheren. Brutus, schnabb Dir ein Brett von dort hinten und schlag es als schräge Verbindung, als Strebe quasi, zwischen die beiden Querbalken, wenn sie dran sind….aber flott, hopp…hopp!“


    Bruseus schlug kräftig in die Hände und dirigierte seine Truppe, er war inzwischen der Meinung, daß er das Kommando über diese Männer übernehmen musste, beim Bau weiter.


    „Nein, nein, das ist ein Keil, Junge. Der kommt zwischen die beiden Balken da, wunderbar. Geht doch. Siehste, so kommen wir auch weiter…“


    Während Marcus stumm den Balken in seiner Hand hielt, musterte er die Bemühungen einiger Männer neben sich, die den ominösen Schieber- wofür er am Ende gut war, konnte Marcus in keinster Weise erahnen- montierten und daran rumwerkelten. Marcus zuckte mit der Schulter und tat, wie ihm geheißen wurde.




    Sim-Off:

    Was meinst Du eigentlich genau mit dem Schieber. Mir ist das leider genausowenig klar ;)


    Grummelig sah Marcus an sich runter, nach dem Durchqueren eines brennenden Hauses sah man freilich nicht wie gelackt aus. Gleichgültig- als Avitus gerade nicht direkt zu ihm sah- zuckte Marcus mit der Schulter. Um Marcus Mundwinkel zuckte es andeutungsweise als er sich und die Pinseltruppe noch mal musterte. Bei Mars, was für eine Nachtwache! Daß die Reservertruppe schon längst beim Durchkämmen des Lagers war- sie zu wecken, war Marcus erste Reaktion gewesen- verschwieg er. Stattdessen nickt er nur.


    „Jawohl, centurio!“


    Und so wurde nun gehandelt. Intensiv wurde das Lager durchkämmt, die Wehrmauern wieder mit mehr Soldaten besetzt, bald schien die gesamte Legion auf den Beinen zu sein. Trupp für Trupp, Mann für Mann wurden die Pinseltruppen schließlich aus ihren Verstecken, den angesteuerten Zielen gezogen- manche von ihnen hatten mit ihrem Ziel Erfolg, einige wurden vorher schon abgefangen- und über das Ende des Manövers unterrichtet. Es war schon im Morgengrauen als der Befehl durchgeführt war. Zwischenzeitlich hatte Marcus seine Sachen wieder einsammeln können, sich den Ruß herunter gewaschen und war in der ersten blauen Stunde zu der Unterkunft von centurio Artorius Avitus marschiert, den Anführer der gelben Pinselgruppe im Schlepptau. Schließlich konnte der besser über das Pinselmanöver berichten. Beim centurio angekommen salutierte Marcus, wenn er auch todmüde schon war.


    centurio, das Lager ist wieder sicher. Die Manövertruppen sind aufgegriffen. Ich habe Dir einen mitgebracht, damit er Dir von den Befehlen des praefectus berichten kann.“


    Und so wurde vom nächtlichen Manöver berichtet, die Schäden und der mögliche Lernerfolg erörtert bis alles geklärt schien. Und so hatte auch jene Nacht ein Ende. Spätestens als der erste Hahnschrei erklang- der legiohahn hatte immer die Angewohnheit erst nach Sonnenaufgang sich aus dem Stroh zu quälen- war es auch den müdesten Soldaten der Nachtwache klar, auch dieser Dienst war endlich zu Ende gegangen. Viele Männer krochen hundemüde ins Bett und auch diese Nachtgeschichte findet somit ihr Ende.


    ----FINIS----




    „In meinem Namen…?“


    Verblüfft sah Marcus zu seinem Sklaven hoch. Bei allen Göttern, wie kam Hannibal dazu einfach so eine Sklavin in seinem Namen zu kaufen? Obwohl…! Hannibal benahm sich schon seit gestern so mysteriös, Marcus war sich mittlerweile sicher, seine Mutter steckte dahinter! Ehe Marcus eine Rüge an seinen Sklaven aussprechen konnte, war dieser schon verschwunden. Immerhin mit einem Grund, der auch Marcus genehm war. Trotzdem konnte sich Marcus nicht des Eindrucks erwehren, daß Hannibal in dem Moment floh. Marcus sah ihm nach und wandte sich dann zu Alekto- wie sie ihm vorgestellt worden war- um. Aufmerksamer wanderten seine Augen an ihr hoch und runter, dabei stützte er sich auf der Stufe hinter ihm ab und strich sich durch sein feuchtes Haar. Für eine Germanin war sie ausgesprochen hübsch und zierlich, nicht so ein grobes Weib- so wie Marcus die Meisten dort kennen gelernt hatte- aber trotzdem nicht gerade die Art von Frau, die Marcus präferieren würde.


    „So so, Alekto. Ist das nicht eine Harpyie oder…? Ach nein, eine Furie. Was für ein extravaganter Name.“


    In dem Moment warf der dicke Ringer mit einem lauten Klatschen seinen Kontrahenten auf den Boden, begrub ihn geschickt unter sich. Marcus wurde abgelenkt, betrachtete einen Herzschlag das Szenario und sah abermals zu Nortruna hoch. Nach Wein dürstend fuhr sich Marcus mit der Zunge über die Lippe- man könnte es durchaus auch missverstehen. Mit einer Hand klopfte er auf den Platz neben ihn und winkte Nortruna näher zu treten.


    „Komm setz Dich, Alekto! Aus Germania kommst Du also. Schönes Land…im Sommer zumindest. Dann erzähl mal, meine Hübsche, was kannst Du so? Bist Du vielleicht sogar des Lesens mächtig? Oder kannst Du musizieren? Singen?“

    Es war ein trüber Tag, doch ein Sonniger in Marcus Leben. Vor der Unterkunft seiner Zenturie angekommen blieb Marcus stehen. Sein Blick haftete sich auf einen älteren Soldaten, der ruhig und mit stoischem Gesichtsausdruck davor wartete. Knapp nickte Marcus ihm zu. Der Soldat salutierte lässig.


    Centurio, ich bin optio Titius.“


    Mit ernster, gar feierlicher Miene, ließ Marcus seinen Sack herunter sinken und musterte den optio. Gut zehn Jahre älter als er war der Mann bestimmt, die Barthaare sprossen bereits weiß und die Haare waren auch damit durchwirkt. Oder war es mehr die Resignation in dessen Augen, die Marcus sofort ins Auge stach oder die tiefen Falten, die sich bei dem optio hinein gegraben hatten? Marcus nickte knapp.


    „Salve, optio. Dann zeige mir doch am Besten mal alles, schick einen Soldaten mit meinen Sachen in die Unterkunft.“


    Der ältere Soldat nickte knapp und rief einen Soldaten nach draußen. Äußerlich gelassen, innerlich doch recht aufgeregt folgte Marcus seinem optio in das contubernium hinein. Viele Augenpaare richteten sich auf Marcus als er durch die Mannschaftsunterkunft schritt, ein paar der Soldaten standen auf, einige blieben auf ihren Lagern lümmelnd liegen und betrachteten ihren neuen Offizier mit Neugier, aber auch mit Mißtrauen. Marcus ließ das auf sich wirken, marschierte mit strengem und prüfenden Blick an den Männern vorbei zu den hintersten Räumlichkeiten, seine Räume. Titius stieß die Tür auf, trat hinein und deutete auf den ersten Raum.


    „Euer Arbeitsraum, centurio!“


    Marcus trat hinein, sah sich um und nickte. Seine Sachen standen schon in der Ecke neben dem weiteren Durchgang zu dem anderen Raum. Marcus wandte sich seinem optio zu.


    „Mach die Männer bereit für eine Inspektion, dann komme wieder. Wir haben noch einiges zu besprechen.“


    Titius Augen betrachteten Marcus düster, gar ein wenig feindselig. Abrupt, ohne zu salutieren, wandte er sich um und verschwand aus dem officium. Marcus sah ihm eher verwundert hinter her, seufzte leise und griff nach seinem Soldatensack, um sich sein Reich genauer anzuschauen.

    Es war eigentlich der duumvir, der Marcus auf die Idee gebracht hatte, mal wieder den Thermen einen Besuch abzustatten. Nach dem üblichen Übungen und dem Drill seiner Zenturie hatte sich Marcus für ein paar kostbare und wenige Stunden loseisen können, wie seine Männer- Marcus seufzte schwer als er an sie dachte- nahm er sich ein paar Stunden Ruhe, sie hatten wieder mal Nachtwache heute. So war er schnurstracks in die Thermen gegangen, ohne seinen Sklaven, der in letzter Zeit immer unzuverlässiger wurde, und hatte eine Annehmlichkeit nach der Anderen genossen. Die heißen Dampfräume, das warme Wasser, kurz das kalte Becken und schließlich eine ausgiebige Massage. Nun saß er wohlig, entspannt und recht guter Stimmung auf den Treppen vor dem sandigen Gymnasionplatz, beobachtete zwei Männer, Sklaven, die zum Vergnügen der Zuschauer miteinander rangen. Vielleicht hätte Marcus eine Wette abgeschlossen, ein Wettanbieter lief schon durch die Reihen, aber er war sich noch unschlüssig, wer gewinnen würde. Der Dicke oder der Drahtige?


    Ein Wein wäre fein, dachte Marcus, lehnte sich auf die Treppen zurück und schloß träge die Augen. Um seine Hüften hatte er nur ein weißes, linnenes Tuch geschlungen, an seinem Rücken tropften noch die warmen Wasserperlen des letzten Bades herunter und bildeten kleine Pfützen um ihn herum. Seine nassen Haare, sie waren recht kurz geschnitten, klebten ihm am Kopf und immer mal wieder bewegte er spielerisch seine Zehen, streckte seine Beine lang aus. dominus?, drang an sein Ohr. Marcus öffnete ein Auge, dann das Andere und blinzelte verblüfft zu Hannibal hinüber. Seit wann redete der ihn denn mit dominus an? Was war denn nun wieder los. Marcus rechnete mit dem Schlimmsten und sah sich suchend nach Soldaten oder Vigilen um, die Hannibal bei etwas sehr schlimmen erwischt hatten. Doch er erblickte nur eine blonde Frau, sah nur beiläufig an ihr hoch und runter.


    „Da bist Du ja endlich, Hannibal. Wo hast Du nun schon wieder gesteckt? Also, hast Du heute Abend wieder gesellschaftliche Verpflichtungen für mich oder können wir nun das besondere Haus besuchen? Wer ist die Frau?“

    Hustend und völlig rußverschmiert verließ Marcus mit einigen anderen Soldaten gerade in dem Moment die Scheune. Sie hatten einige der wild scheuenden Pferde herausgeholt und auf einen entfernten Platz festgebunden. Wo die Tiere dann hinkommen sollten, wußte Marcus nicht. Immer noch spürte er die Hitze des Feuers auf seiner Haut, hatte einige Verbrennungen an seiner Wange und seinen bloßen Armen, daneben war er völlig verschwitzt. Aber immerhin war das Feuer gebannt, die Aufregung wieder vorbei. Seine Augen, noch vom Zwiellicht und der gleißenden Helligkeit des Feuers benommen, spähten hinüber zu den dort stehenden Männern, meinte die Stimme von Avitus zu erkennen. Mißmutig wischte sich Marcus über die Stirn und trat auf den centurio hinzu. Ihm fehlte sein optiostab, sein gladius war auch irgendwo hin verschwunden und er sah aus wie der schwarze Mann der Nacht. Nicht sonderlich wie ein Soldat.


    Centurio, scheinbar hat es heute nach ein unangekündigtes Wachmanöver gegeben. Angeblich im Auftrag des praefectus Matinius Plautius. Vielleicht kann er es…oh, wo ist er denn?“


    Marcus sah sich suchend um, sah ihn jedoch nirgends. Verwirrt schüttelte Marcus den Kopf.


    „Eben war der praefectus noch hier. Wie dem auch sei, wir haben diesen kleinen Pinseltrupp in der Unterkunft eines tribunus gestellt. Sie berichteten, daß wohl noch andere solcher Truppen im Lager unterwegs wären.“





    Irgendwann war Marcus einfach nur dazu übergangen, centurio Bruseus anzureichen. Dieser hämmerte, fröhlich vor sich hinsummend, die Planken auf der ersten Plattform fest, zielsicher traf der Hammer die Nägelköpfe. Immer wieder scheuchte er die Männer seiner Truppe und andere Unteroffiziere herum, um ihre Aufgabe zügig und auch solide zu beenden- von kleineren Unfällen und Zusammenstößen abgesehen- ging es dann doch recht flott voran und das Ganze nahm Kontur an. Bei Priscus Worten sah Bruseus auf.


    “Na, habt ihr gehört, Burschen. Dann woll’n wir ma! Also, auf, auf, meine Alte wartet noch in der Stadt mit dem Essen, ich will heute Abend fertig sein. Aber flott, die Herren, wir sind hier nicht bei einem Plauderstündchen.“


    Genauso wie die meisten Soldaten ließ auch Marcus sich antreiben. Er packte mit einen der Balken- wie so manch ein anderer von Gruppe II und III, sah kurz interessiert zu Gruppe I und IV. Bei dem kräftigen: „Drei, zwei, eins und hoch damit!“ hievte Marcus ebenfalls die Balken nach oben. Sein Gesicht lief von der ganzen Schlepperei schon rot an, an seiner Schläfe pochte die Ader und er atmete tief ein. Doch dann konnten sie alles hochheben und der Rest seiner Gruppe fing mit der Montage an. Marcus hatte mittlerweile schon das Gefühl, Stunden dabei zu sein- dem war wahrscheinlich auch schon so. Unter seiner tunica lief der Schweiß, trotz des kalten Tages herunter, und seine Arme schmerzten nach einer langen Weile des Haltens. Trotzdem kamen nicht die erlösenden Worte zum Runterlassen. Marcus Blick schweifte zu Priscus und nickte anerkennend. Das war wirklich ein gewiefter Veteran, Respekt.

    Keiner ist glücklich der Sterblichen, keiner; kummerbelastet
    Ist das ganze Geschlecht, welches die Sonne bescheint!


    Kalt glühte die Asche des Hasses in seinem Innersten als er Rutger betrachtete. Das loderne Feuer, die heiße Wut, war schon vor Wochen dar niedergebrannt und hatte ihn innerlich erschöpft zurückgelassen. Marcus war kein Mann, der lange haßte, der solch eine tief empfundene Feindschaft frönte, seine Launen schwankten schnell, ebenso seine Zuneigungs- und Abneigungsgefühle. Doch in diesem Fall war es durchaus anders, denn der Germane hatte seinen kostbarsten Schatz bedroht- seine geliebte Tochter. Keinen Schritt wich Marcus zurück als Rutger wütend und mit der Frage auf den Lippen ihn gar anzuspringen drohte. Düster sah er zu Rutger, presste seine Lippen fest aufeinander. Marcus Wangenknochen mahlten aufeinander, an seiner Schläfe pochte die Ader des Zornes. Den Germanen in dem Garten seiner- Marcus- Familie in Ruhe lassen? Das war ja noch die Höhe der Frechheit. Doch die nächsten Worte trafen Marcus hart, schwerer als er gedacht hätte. Marcus Gesicht verlor an Farbe, er wurde etwas blasser und vergaß für einige Herzschläge zu atmen.


    Betroffen wandte sich Marcus von Rutger ab und sah zur Wintersonne hinauf. Das schlechte Gewissen nagte schon lange wegen dieser Angelegenheit an ihm. Sicherlich waren die Umstände widrig gewesen, Marcus durchaus gewillt, um sich zu verteidigen, auch Germanen zu töten. Warum auch nicht? Marcus war sicherlich kein Friedensbringer oder Verfechter freiheitlicher Gedanken für fremde Völker, nein, er glaubte fest daran, daß die römische Herrschaft eine natürliche Ordnung war- sie waren die Stärksten und Mächtigsten in dieser Zeit. Trotzdem- er mußte schließlich annehmen, daß Gytha in jener Nacht gestorben war- nagte der Tod an seinem Ehrgefühl und in seinem Inneren. Außerdem hatte er die junge Frau gemocht. Marcus ballte seine Hände zur Faust, starrte auf das grüne und verblichene Gras hinunter und holte tief Luft.


    „Wenn ihr mich nicht angegriffen hättet, Du und Deine Leute, dann wäre es niemals zu all dem damals gekommen und zu was heute passiert wäre auch nicht. Du, Du ganz alleine, Germane, hast den ersten Pfeil abgeschossen. Hast mich feige von Hinten angegriffen. Du spuckst hier große Töne, als ob Du ein Ehrenmann bist. Doch das bist Du nicht. Du handelst zu keiner Zeit honorig.“


    Rauh und mit unterdrückter Wut in der Stimme sprach er die Worte, drehte sich zu Rutger um und trat auf ihn zu.


    „Daß das Zelt anfing zu brennen wollte ich nicht, ich hätte doch nicht den Tod einer Frau mir herbeigewünscht. Im Gegenteil, niemals würde ich eine Frau in einen Krieg mit hinein ziehen. Das ist eine Sache von den Männern. Frauen haben schon genug darunter zu leiden. Oder was meinst Du, warum ich DICH zur Geisel genommen habe und nicht Gytha? Aber Du…Du…nimmst ein kleines Mädchen gefangen, verschleppst sie in einen Sturm hinein, überlässt sie schlimmsten Gefahren. Durch Dich ist sie wie ausgewechselt, entsinnt sich nicht mehr an ihre Wurzeln, ihre eigene Familie. Daß man Deinesgleichen als Barbaren erachtet, verwundert mich nach all dem nicht mehr. Arrecina ist noch ein Kind, gerade 14 Sommer alt, und Du bist ein skrupelloser Bastard. Du bist der Kaltherzige von uns Beiden.“


    Starr sah Marcus Rutger an, seine Fäuste entkrampften sich wieder und seine Augen wanderten zu dem Baum hinter Rutger.


    „Ich hätte Dich schon längst getötet, egal, was Aquilius davon halten würde, aber ich halte mich an mein Wort…“


    Marcus wandte sich um…er war dessen müde. Es war alles ein Fehler gewesen, schon vom Ausritt an. Dabei hatte er einfach nur das Land, das ihm fremde Germanien, etwas ergründen wollen. Wollte erfahren, warum die Germanen ihr Land so abgöttisch liebten. Da fiel ihm etwas ein, was er all die Zeit als kaum bedeutungsvoll erachtet hatte. Er drehte sich um und sah zu Rutger.


    "Du haßt uns Römer, uns alle, nicht wahr? Wußtest Du, daß Gytha eine Römerin war?"