Es war Marcus als ob er den feinen Geruch nach gebratenem Fleisch in seiner Nase erhaschen konnte, doch noch sah er nichts von dem vorzüglichen Wohlgeruch. Auch Marcus ließ beiläufig seinen Blick durch den Raum schweifen, es verwunderte ihn nicht sonderlich, daß er kaum einen Mann im Raum zuordnen konnte, geschweige denn irgendwelche begleitenden Ehefrauen davon. Das schienen keine Römer zu sein, die die Dekadenz und den Luxus des gehobenen Badeortes Baiae zu schätzen wusste, denn dann würde Marcus- sofern jene Männer bedeutend war- sie auch kennen. Seine Mutter pflegte stets wichtige Persönlichkeiten zu einem Gastmahl zu laden. Manche der Gäste waren in Baiae Marcus angenehm, gar unterhaltsam, gewesen, andere- leider die Meisten- ödeten ihn oftmals nur an. Gebildet? Marcus warf Epicharis einen flüchtigen Blick zu. Schade, dachte er sich insgeheim. Nicht, daß Marcus gewitzte und kluge Frauen nicht zu schätzen wusste, doch wahrhaft gebildete Frauen, die nicht zu seiner Familie gehörten, vermochten es durchaus ihn einzuschüchtern. Er hatte stets bei ihnen das Gefühl gleich ziehen zu müssen- natürlich ohne Erfolg. Vielleicht hätte er sich in seiner Jugend doch mehr Mühe geben sollen, doch es gab so vieles im Leben, was sich sehr viel mehr lohnte.
„Unverdünnt…oho, Du fängst, wie ich sehe, schon mit dem ungezügelten Teil des Festes an. Ob das in diesem Kreise die anderen Anwesenden nicht schockieren wird? Aber mir dünkt, Du scheinst mir ein wahrer Hedemo…Hego…ach, egal, ein wahrer Lebemann zu sein.“
Zwar ärgerte sich Marcus einen Bruchteil, daß ihm das Wort Hedonist- er hatte es doch gerade bei den Saturnalia von seinem Sklaven gelernt-nicht einfiel, um es passend in ein Gespräch einzustreuen. Aber trotzdem lachte er ungezwungen, inzwischen besserer Laune, und wohlklingend. Immer noch lächelnd hob er den Becher.
„Auf die Frauen, ein Segen der Götter. Wir brauchen Sie, wie der Verdurstende das Wasser. Und trotzdem vermögen sie uns in die schlimmsten Qualen zu versetzen und sind gar manches Mal mehr ein Fluch. Doch wer wollte ohne sie leben?“
Um einem knurrenden Magen vorzubeugen, widmete sich Marcus erneut dem Essen, ließ sich einen vollen Teller mit der Vorspeise reichen und beäugte die Sesamgewürzten Köstlichkeiten. Der Seitenblick von Corvinus entging ihm damit völlig, wenngleich er ihm noch zuhörte. Als die Sprache auf das gymnasion kam, hob er den Blick von den Speisen und zuckte lächelnd mit der Schulter.
„Nun, ein gymnasion mag schön und nett sein, aber in der legio habe ich, bei den Göttern, jeden Tag mehr als genug Kämpfen und Leibesübungen. Aber das mit dem Amphitheater klingt mir doch sehr viel versprechend. Was ist denn schon eine Stadt ohne ordentliche Gladiatorenwettkämpfe. Sehr schön!“
Marcus lächelte, erinnerte er sich doch in jenem Augenblick an die Verwunderung der schönen Lucilla als er ihr von der Ödniss in Mantua berichtete. Das Lächeln wich einem ernsteren Gesichtsausdruck. Marcus presste die Lippen aufeinander und ließ den Teller sinken. Herrje, warum dachte er bloß immer noch an sie? Ein Abend, ein einziger Abend und sie war davon entschwunden wie ein schöner Traum. Es war langsam mal an der Zeit, sie zu vergessen. Schnell aß Marcus weiter, etwas Gutes zu verspeisen half ihm oft über die Widrigkeiten des Lebens hinweg.
„In der Tat, früher habe ich mit Leidenschaft gejagt. Gleichwohl bin ich in letzter Zeit nicht oft dazu gekommen, aber wenn sich die Gelegenheit bietet, würde ich das gerne wieder tun. Aber Eber wird es doch sicherlich hier geben. Die Eberjagd ist sehr aufregend.“
Marcus Augen fingen begeistert an zu glänzen, neben Gladiatorenkämpfe, Musik und Frauen war die Jagd ein Lieblingsthema von ihm. Darüber konnte man sich schließlich auch Stunde um Stunde austauschen. Marcus stellte den Teller zur Seite, um bei seinen nächsten Worten bedeutend gestikulieren zu können.
„Der Wald, die Stille, nur der Speer in der Hand. Der Eber nähert sich mit der schweren Wucht seines Körper, doch man sieht ihn nicht. Plötzlich bricht er durch das Untergeholz, einem Ungeheuer gleichend. Und das ist der Moment, wo alles um einen Mann bedeutungslos wird. So klare Momente im Geist, so ein intensives Lebensgefühl verspürt man nur in den wenigen Minuten des Kampfes mit dem Tier. Oh, und ein Eber ist wahrlich ein harter Brocken, kann einem Mann mit seinen Hauern leicht den Bauch aufspießen. Hah, aber wenn man den dann erlegt hat. Was für ein Hochgefühl, durchaus vergleichbar, wenn man eine Frau geritt…Du weißt sicherlich schon, was ich meine. Also, hast Du nicht Lust auf eine Solchige? Ähm, eine Jagd natürlich...“