Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Marcus wollte sich schon abwenden, nachdem er das mit Lucullus vernommen, andeutungsweise genickt hatte und Avitus wieder dessen centurioräumlichkeiten zustrebte. Sein Blick fiel schon auf die elende tunica, die noch genäht werden sollte. Wie viele Sesterzen es ihn wohl kosten würde, einen anderen Soldaten dafür zu bestechen? Doch Avitus’ Worte ließen ihn verharren, Marcus hörte ihm zu und nickte nochmalig. Ach ja, der freie Tag, den man in Mantua verbringen durfte. Marcus lächelte leicht, wußte er doch durchaus, wo er ihn verbringen wollte. Aber ansonsten gab es auch nicht viele Möglichkeiten in Mantua seinen Spaß zu haben an solchen Tagen. Was für ein elendes Kaff, dachte er sich insgeheim.


    „Jawohl, centurio!“


    Die tunica war vergessen, als Avitus entschwunden war, rief Marcus die Zenturie zusammen und trieb sie an, die Ausrüstung durchzugehen und die Unterkunft zu säubern. Einige der Männer delegierte er ab für das Türschlossproblem, schon wenige Minuten hallte ein dumpfes Klopfen durch die Mannschaftsunterkunft, das Klappern von Töpfen, Rüstungen wurden verstaut und die Besen hervorgekramt. Manche der Soldaten summten leise als die Unterkunft sauber gefegt wurde und danach noch gewischt wurde, Betten wurden ausgerichtet und nach einiger Zeit sah es in der Unterkunft genauso ordentlich wie immer aus, wenngleich noch ein wenig sauberer als sonst und wieder mit einem intakten Türschloss.

    Gierig aß Marcus weiter von seinem letzten Nachschlag, wobei er darauf achtete, nicht mit schlechten Tischmanieren aufzufallen. Das war schließlich auch etwas, worauf seine Mutter- hach, wie sehr er sie doch wieder vermißte- geachtet hatte. Marcus ließ ein Stück Fleisch sinken und sah in die goldene Flamme einer der Honigkerzen. Was wohl seine Mutter im selben Augenblick tat? Feierte sie mit ihren Freunden in Baiae? Vielleicht hatte wieder diese unverschämte Nachbar und sündhaft reiche Eques sie eingeladen- zwischen Marcus Augenbrauen erschien eine finstere Falte. Wie immer, wenn es um die zahlreichen Avancen ging, die seine Mutter von der Männerwelt erhielt, wurde Marcus mißmutig. Grimmig stopfte er sich noch ein letztes Wachtelfleischstück in den Mund und hob mechanisch den Becher.


    „Ja, auf die Liebe…!“


    Es war nicht so, daß Marcus es seiner Mutter mißgönnte glücklich und zufrieden zu sein, aber gefälligst ohne einen fremden Mann, der sie sowieso nicht verdient hatte. Mit einem Kopfschütteln verscheuchte Marcus die für ihn unerklärlichen Gefühlswallungen, die er nicht genau mit einem Wort zusammenfassen konnte, wenngleich es schlichtweg Eifersucht war. Mit einem Zug leerte er erneut den Becher und spürte schon wie der Wein ihn in immer intensivere Gefühlschwankungen und –empfindungen trug. Grübelnd kratzte er sich an seinem Kinn und wog den Kopf hin und her, antwortete dann schließlich genauso leise auf Hannibals Frage.


    „Natürlich, ich habe schließlich nur ein paar Tage Urlaub und die will ich noch ein wenig im aufregenden Rom nutzen. Vielleicht gehen wir noch auf die Tiberinsel? Ich habe gehört, es soll dort ein gar außergewöhnliches Lupanar liegen, mit zahlreichen exotischen Attraktionen.“


    Aus dem Augenwinkeln sah Marcus den kleinen Streitwagen, ein amüsiertes Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus und dann fiel es ihm siedendheiß ein, er hatte ja seinen Kindern noch gar nicht die Geschenke gegeben, aber der Korb war leer. Leise tauschte er mit Hannibal wieder einige Worte aus und atmete erleichtert auf, als er erfuhr, daß sowohl sein Töchterlein als auch sein Sohn schon ihr Geschenk erhalten hatten. Das erste Mal nahm Marcus die junge Sklavin bei seinem Sohn richtig wahr. Ob das gut ging? In ein paar Jahren konnte das böse ins Auge gehen, es war nicht ohne Grund, daß Marcus einen Leibsklaven hatte und keine Leibsklavin. Doch Marcus zuckte mit der Schulter.


    „Damit wirst Du sicherlich in einem Affentempo durch die Villa sausen können, Lucius. Aber nicht im Garten…!“


    Ob ein paar Vasen zu Bruch gingen, eine Tür demoliert wurde bei dem Toben seines Sohnes, all das machte Marcus nicht sonderlich viel aus. Schließlich mußte sein Sohn doch auch seinen Spaß haben dürfen. Mit dem Fleischgang fertig, ließ sich Marcus dann doch noch von den Süßspeisen reichen und roch an einer Honiggetränkten und nussigen Dattel. Nach der Nachspeise würde er mit Hannibal losziehen und noch ein wenig die Nacht durchmachen. Von seiner Süßspeise den Blick erhebend, sah Marcus in die Runde.


    „Mag vielleicht noch jemand mit in die Stadt kommen? Kinder und Lesesüchtige natürlich ausgenommen!“


    Daß er die Frauen auch damit ausschließen wollte, getraute sich Marcus- in Hinblick auf die empfindsame Gefühlswelt der Frauen- nicht laut auszusprechen. Er warf der lesenden Leontia einen mild lächelnden Blick zu und sah von Milo, über Furianus zu Gracchus und grinste breit, war Marcus doch durchaus gespannt, ob sein belesener Vetter sich anschloß.

    „Aha, Cohortes…ja ja, da wandern in letzter Zeit immer mehr Soldaten zu der legio prima. Ist da was im Argen oder woran liegt das eigentlich? Ist der praefectus urbi so ein schlimmer Schleifer?“


    Titus Crassus lachte dröhnend, um den Nicht-Ernst seiner Worte zu betonen. Appius rollte mit den Augen und verschränkte seine Arme vor seiner mageren Schreiberlingsbrust. Angestrengt starrte Appius auf den Boden und versuchte den optio der Ausrüstungskammer tunlichst zu ignorieren. Titus wandte sich derweil um und rief laut nach einem der anderen milites in der Ausrüstungskammer.


    „Decius, komm mal mit ein paar centuriosachen vor. Und vergiss den vitis nicht, und nicht den Ollen vom Alten, der hat ausgedient. Sondern einen von den nagelneuen centuriostäben!“


    Titus wischte sich noch mal schnell seine fettigen Hände an dem weggelegten Linnentuch sauber und wartete bis der angesprochene Soldat mit einem ganzen Packen von Ausrüstung herankam. Einladend deutete Titus darauf.


    “Such Dir aus, was Du brauchst, Octavius. Ich notiere es mir schon und Du kennst Dich schließlich aus mit dem, was Du brauchst.“

    Wie hatte man den praefectus nicht auf dem Appelplatz hören können? Nachdem Marcus den Platz da verlassen hatte, war das Sausen in seinem Ohr von der Stimme Plautius einige Stunden lang nicht mehr weggegangen. So eine donnernde Stimme hatte er selten erlebt. Doch all das musste nicht laut ausgesprochen werden, so nickte Marcus nur. Nur mit Mühe unterdrückte Marcus ein Seufzen, Material prüfen war mit Sicherheit nicht gerade die Arbeit, die ihn bei der legio in Freudenjauchzen ausbrechen ließ, geschweige denn, wozu er Lust hatte. Aber wie immer ging es nicht darum, was man wollte und was nicht. Wie sagte es Gracchus so schön? Früher oder später musst Du Dich Deiner Pflicht stellen, Marcus. Selbst wenn sein Vetter das in einem völlig anderen Zusammenhang gemeint hatte.


    „Ausrüstung…Türschloss, jawohl, centurio.“


    Erst beim Husten fiel Marcus die nicht wirklich berauschende Form seines centurio auf. Marcus musterte ihn, nicht so sonderlich besorgt, schließlich war Avitus noch jung und steckte eine Erkältung mit Sicherheit schnell weg. Zu der Frage mit den probati zuckte Marcus mit der Schulter.

    „Es läuft wie immer, centurio. Sonderlich Großes kann ich Dir nicht berichten. Iunius Lucullus braucht noch ein wenig, die Anderen machen ganz gute Fortschritte.“

    Ordnung braucht Planung und Voraussicht. Appius nickte zufrieden darüber, daß ihm die Unterlagen gebracht werden sollten. Daß der praefectus das persönlich machen wollte wunderte ihn durchaus. War da etwas im Busch? Hatte es vielleicht noch mit der Veruntreuung zu tun? Sollte er vielleicht befördert werden? Appius wußte es nicht, aber er ahnte schon, daß er die Acta heute nicht wirklich aufmerksam lesen würde. Zackig und akkurat salutierte er nochmalig.


    "Sehr wohl, praefectus."


    Erst dann trat er ab und nickte Sura zu.


    "Der praefectus erwartet Dich, ich warte draußen, um Dich danach zur Ausrüstungskammer zu führen, Octavius!"


    Mit strengem Gesichtsausdruck verließ Appius das officium. Er hatte kein Bedürfnis auf ein Pläuschlein mit dem scriba dort.

    Ratlos hatte Marcus auf Nadel und Faden heruntergeschaut und einem klaffenden Loch an seiner tunica. Titus Crassus von der Ausrüstungskammer wollte ihm tatsächlich keine neue tunica geben, meinte er solle das nähen. Er und nähen? Wie einen Hammer zu schwingen hatte er natürlich noch nie eine Nadel zum Nähen benutzt. Wo kam der Faden hin? Wie machte man das? Völlig überfordert besah er sich die Sachen, die ihm Titus dafür gegeben hatte. Er seufzte auf und überlegt, ob er nicht einen Mitsoldaten dazu anhalten konnte. Oder er bezahlte jemanden aus dem Kastell dafür. Aber das mit dem Nähen würde er mit Sicherheit nicht erledigt bekommen. Der laute Ruf ließ Marcus aufschrecken, schnell stand er von seiner Pritsche auf und legte die nutzlose tunica zur Seite. Brav trat Marcus vor, wenngleich noch nicht in voller Soldatenmontur, und salutierte vor seinem centurio.


    "centurio?"

    Wie ein König thronte Titus Crassus auf einem Schemel in der Ausrüstungskammer und mit einem zufriedenen Gesicht sah er sich in seinem kleinen Reich um. Seitdem ihm ein pilum die Kniescheibe vor Jahren zertrümmert hatte, konnte er seinen Dienst nicht mehr auf dem Exzerzierplatz verrichten, aber immerhin hatte er nicht seinen Abschied nehmen müssen. Leider jedoch auch die Hoffnung aufgeben müssen, jemals centurio zu werden. Doch inzwischen war er recht zufrieden mit seinem kleinen Aufgabenfeld, es war nicht zu stressig, er hatte es immer gut warm und die neuen Gesichter der legio kamen zwangsläufig bei ihm vorbei. Doch Titus sollte nicht ahnen, dass ihm der Tag heute gründlich versaut werden sollte. Denn ein alter Feind, ein Rivale und eine Nervensäge für ihn nahte mit einem zukünftigen centurio im Schlepptau.


    Appius marschierte mit reserviertem Gesichtsausdruck den Gang entlang und aus der principia hinaus. Die Rüstkammer lag in einem der Nebengebäude, immerhin ein kleiner Triumph für ihn. ER war in dem Hauptgebäude, Titus Crassus nur in einem anderen und völlig unbedeutenden. Doch ein Lächeln der Genugtuung könnte sich Appius nicht, nicht vor den Augen eines Neulings oder Mitsoldaten. Vor der Tür angekommen klopfte Appius an der Tür und trat hinein, drei Schritte, so machte er das schließlich immer. Er musterte den dicken Titus Crassus, der gerade sein zweites Frühstück einnehmen wollte und ein verächtliches ‚Ich hab es doch gewußt, der Kerl ist faul’- Ausdruck huschte über sein Gesicht. Salutieren tat er natürlich freilich nicht.


    optio, ein neuer centurio gilt es auszustatten. Das ist centurio Octavius Sura.“


    Genervt sah Titus Crassus von seinem Frühstück auf und zu Appius. Da konnte einem wirklich der Appetit vergehen, wenn schon so früh der steifeste und unerträglichste Unteroffizier der legio hereintrat. Titus stand auf und legte das Leinentuch, was er sich über seine tunica gelegt hatte zur Seite. Appius bedachte Titus nicht mehr, wandte sich gleich an Sura, andeutungsweise salutierte Titus.


    „Salve, centurio. Willkommen in der legio. Ich bin optio Nasidius Crassus. Also gut, hast Du schon was mitgebracht oder brauchst Du von grundauf eine Ausstattung?“

    Krieg und Kampf waren häßlich und bargen nichts Gutes? Das war Marcus fremd. Natürlich war es nicht immer schön, meistens eher nicht, und es brachten auch die grauenhaftesten Dinge zum Vorschein, doch tat dies genauso die Liebe, die Ehe und alles, was rund um das Theater dieser Gefühle spielte. Schließlich brachte nicht nur die Liebe Schönes hervor, sondern auch der Krieg vermochte Gutes zu wecken- Tapferkeit, Loyalität, Freundschaft...aber Marcus wagte nicht, darauf etwas zu erwidern, war er schließlich in der Philosophie gänzlich inkompetent. Kopfschüttelnd sah Marcus in seinen Becher Wein- oh, er war ja schon wieder leer- und seufzte unhörbar. Was sollte er nur auf solche eloquenten Reden erwidern? Da ihm das Wort „kongruent“ völlig fremd erschien, konnte er den Sinn hinter dem Satz natürlich nicht verstehen. Marcus warf seinem Sklaven einen düsteren Blick zu, war sich sicher, daß jener damit und mit ihm spielte. Aber es lag einfach genauso in der Natur von Hannibal, wie es bei Gracchus und der klugen Leontia der Fall war. Heimlich schielte Marcus zu den Anderen rüber, die schienen ganz offensichtlich auch nicht mehr der Diskussion folgen zu können. Etwas Erleichterung machte sich in Marcus breit und er ließ sich abermals etwas von dem Wein eingießen und einen vollen Teller reichen. Die Liebe kann nur dem Schönen gelten? Eine häßliche Frau könnte Marcus wahrlich nicht lieben können. Da war also was wahres an jener Aussage des Philosophen. Wen hatte Hannibal noch mal gemeint, Plotin, Sokrates oder Platon? Er warf sie alle über einen Haufen und vergaß immer wieder, was jene Philosophen noch mal geschrieben oder nicht geschrieben hatten.


    Gerade wollte sich Marcus einige passende Worte für Hannibals Erwiderung überlegen, ebenso zu Leontias Zitat aus Platons Werk, doch seine Gedanken arbeiteten zu langsam, Gracchus sprach zu schnell und Marcus verlor den Anschluss daran. Außerdem wollte er kaum Leontia sagen, daß sie als junges und unschuldiges Mädchen von der wahren Natur der Liebe, so wie Marcus sie sah, etwas verstand. Schließlich glaubte er, und hoffte natürlich, daß sie dererlei Erfahrungen noch nicht gemacht hatte. Aber wirr von den ganzen klugen Worten um ihn herum, biß Marcus nur in ein Stück Fleisch und kaute langsam die fein gewürzte Speise, schluckte runter und dachte schon über das seltsame Wort „deplorabel“ nach. Gracchus benutzte es dermaßen häufig, daß Marcus es schon kannte. Vielleicht sollte er morgen mal Hannibal darüber befragen. Bei Gracchus letzten Worten lachte Marcus auf und verschluckte sich fast am Wein, hustete kurz und schüttelte grinsend den Kopf.


    „Manius, du pflegst mitunter zu übertreiben. Außerdem hast Du Caius vergessen, der konnte beiweilen gut mitbechern und hatte dabei immer noch einen munteren Witz auf den Lippen. Hmm...ein paar Jahre...? An so was merkt man erst, wie schnell die Zeit vergeht, wahrlich!“


    Marcus grinste breit und schüttelte noch mal den Kopf. Doch, es war schon eine Weile her. Nur war er damals schon weit über der zweiten Dekade und die beiden anderen Flavier strebten gerade mal dieser Altergrenze entgegen, wenn er sich recht erinnerte. Aber Marcus wollte es sich nicht noch nehmen lassen, noch etwas geistreiches von sich zu geben. Und da sich solcherart immer mit kleinen Versen eignete, kramte er in seinem Geist nach einem Gedicht. Poetische Texte konnte er sich einfach deutlich besser merken als alles andere, vielleicht lag es daran, daß es fast wie Musik anmutete.


    „Mag sein, daß ich der Liebe nur meine Lebensweisheit hinzusteuern kann, wenngleich mich jene auch täuschen kann. Doch abschließend einige muntere Worte, die ich, glaub ich, mal in Baiae an einer Wand geschmiert gesehen habe. Heil sei den Liebenden gegönnt! Tod dem, der keine Liebe kennt! Zweifacher Tod wünsch’ dem ich still, der Liebe gar verbieten will!“


    Lächelnd hob Marcus den Becher und verkniff sich noch den anderen Spruch, der direkt darunter stand. Wer immer liebt, nur rasch herein: Ich schlag’ der Venus die Rippen ein, mit derbem Knüttel und zugleich, Hau’ ich die Lend’ ihr windelweich...und so weiter und sofort. Aber er wollte weder die jungen Frauen am Tisch kränken, noch seinem Sohn ein allzu schlechtes Vorbild sein. Auf Sciurus Worte trank Marcus hurtig den Becher leer.


    „Was nicht erhofft, begibt sich oft. Der Mensch, der denkt, Fortuna lenkt. Drum schenk uns ein Falerner Wein! Manius, mich dünkt, Dein Sklave will uns verhungern lassen. Räumt gar schon den Tisch von dem schmackhaften Essen leer!“


    Ehe der Hauptgang verschwand, ließ sich Marcus schnell noch mal einen vollen Teller reichen. Das ging doch nicht an, wie schnell die Gänge hier wechselten. Da konnte man nicht mal in Ruhe seinen dritten Nachschlag nehmen. Sich den Becher wieder füllend lassend, widmete sich Marcus abermals in Ruhe seinem Essen.

    Marcus wandte sich seinem Optiokollegen zu als dieser das Wort ergriff, um eine Einteilung vorzunehmen. Nägel ins Holz schlagen? Ja, da war Marcus nicht sicher, ob er das konnte. Er hatte es einfach noch nie in seinem Leben getan, noch nicht mal zum Spaß als kleiner Junge. Damals hatte er sich in Baiae auch mit spannenderen Dingen beschäftig, die nachgespielten Gladiatorenkämpfe mit Stöcken und Fassdeckeln zum Beispiel. Da hätte er einen Hammer nicht als lockendes Spielzeug angesehen. Und ein Seil knoten? Ja, das würde er sicherlich hinbekommen. Aber da schon die Hälfte flach fiel, wollte er sich zu der handwerklich unbegabten Gruppe hinüber stellen. Sicherheitshalber lauschte er noch dem anderen Aufzählungen. Also auf Leitern traute er sich bestimmt. Ein Turm hatte er noch nie gebaut, darum folgte er dann doch der Gruppe derjenigen, die weder Nägel reinhauen, noch Seile zusammenknoten konnte.


    Dort blieb er stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und sah erwartungsvoll zu Plautius und Priscus, insbesondere zu Priscus. Auf die Verteilung der Aufgaben war er durchaus gespannt. Dabei überlegte Marcus jedoch selber, wie man den Turm noch weiter sinnvoll aufbauen konnte. Aber er war nun mal weder ein Architekt, noch ein handwerklich begabter Soldat. Obwohl er es einfach noch nie ausprobiert hatte. Wer weiß, welche unpatrizischen Talente in ihm verborgen lagen? Marcus grinste ein wenig und dachte darüber nach, welch entsetzten Gesichtsausdruck seine Mutter über die Art der Tätigkeiten, die er in der Legio vollführen sollte, offenbaren würde. Aber er zweifelte nicht im Mindesten daran, daß seine Mutter das bereits wußte.

    Dumm und dümmer mit der Technik...da ich eine neue Internetverbinung bekomme, hapert es im Moment ein wenig bei meiner Internetmöglichkeit, mein Rechner ist einfach zu alt um gleich angeschlossen werden zu können, darum werd ich in nächster Zeit recht sporadisch bis gar nicht online sein können.

    Resigniert seufzend stützte Marcus seine Ellbogen auf dem Tisch ab und lehnte sein Kinn auf seine ineinander verschränkten Hände. Ganz schön kratzig fühlte sich das an seiner Hand an, obwohl er sich doch gerade vorhin hatte rasieren lassen. Den Impuls noch mal zu seufzen unterdrückend musterte Marcus seinen Vetter. Der Anflug von Fröhlichkeit und Lachen war wieder schnell im Angesicht des Dilemmas und der Tragödie um den Fluch verflogen. Doch bei Gracchus Irritation über den Ausdruck des Kauzes lächelte Marcus schief und zuckte mit der Schulter. Was sollte er Gracchus in dieser Hinsicht schon sagen außer der Wahrheit? Aber das war schließlich nichts, wofür sich Gracchus schämen musste, schließlich stand es einem Priester und somit Diener der Götter gut zu Gesicht ein hochgebildeter Geist und brillanter Redner zu sein. Marcus beneidete Gracchus immer wieder um dessen poetische Eloquenz. Kopfschüttelnd hob Marcus sein Kinn an.


    “Aber Vetter, wie kommst Du denn darauf, daß ich Dich verhöhne? Nichts läge mir ferner. Aber gönn’ mir doch das kleine Bonmot und trage es mir nicht nach.“


    Jetzt lächelte Marcus doch wieder etwas gelöster. Er fand immer noch, daß ihm dieser kleine Scherz doch gut gelungen war. Ob er über Lucilla mit Gracchus sprechen wollte? Marcus stützte sich wieder mit seinem Kinn auf seine Hände ab. Abwesend musterte er die hölzerne Platte, sah jedoch nicht das Muster, war für einige Herzschläge völlig woanders, versuchte mit seinen Gedanken bis nach Germania zu reichen. Ob sie wohl noch dort war? Oder vielleicht plante sie bereits ihre Hochzeit mit diesem alten Senatorenkrüppel. Jetzt seufzte Marcus jedoch doch noch einmal.


    „Frau? Ich hab niemanden bestimmten gemeint...!“


    Die Antwort kam mehr oder minder halbherzig über seine Lippen, er sah trübe auf den Tisch. Warum ihn Amors Pfeile dieses Mal so hart getroffen hatten? Warum jene Liebeswunde nicht zu heilen vermochte, das konnte Marcus sich nicht erklären. Meist war er schon einige Wochen nach einer Begegnung schnell über eine Frau hinweg, hatte oftmals sogar schon wieder ihren Namen vergessen. Aber aus einem unerfindlichen Grund dachte er immer wieder an jene Frau zurück, der er doch nur kurz auf dem Weinfest begegnet war. Er konnte sich nicht mal mehr an das Fest erinnern, geschweige wo es war, aber an den goldenen Regen auf Lucillas dunklen Haaren, ihr Funkeln in den Augen, das hatte sich tief in sein Herz eingebrannt. Mit einem entschlossenen Kopfschütteln vertrieb er all das und zuckte mit der Schulter. Frauen! Warum sie den Geist eines Mannes immer so einfangen konnten? Es war schon übel mit ihnen und trotzdem konnte man nicht ohne sie...sein Blick fiel auf Gracchus. Oder doch? Das war jedoch nichts für Marcus, das wußte er eindeutig. Castor und Pollux hatten ihm das eindeutig vorgeführt.


    „Der Sklave gehört Caius. Na ja, eigentlich hatte ich ihm den Sklaven von Germania aus geschenkt. Ich bin mir selber unschlüssig, was zu tun gilt. Ich hatte mir überlegt, das Caius entscheiden zu lassen, aber er hat sich ja wieder verdünnisiert. Typisch!“


    Marcus grummelte leise und rollte mit den Augen. Er hatte ja nicht im Mindesten eine Ahnung davon, was vorgefallen war und warum Aquilius Rom verlassen hatte. Wahrscheinlich, so vermutete Marcus, hatte er Ärger mit einem geprellten Ehemann, vielleicht auch ein mächtiger Senator. Wo er wieder bei Lucilla anlangte...herrje, weg mit dem Gedanken. Marcus fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht, wie um jenen Gedanken weg zuwischen.


    „Ich muss in den nächsten Tagen wieder nach Mantua. Magst Du Dich darum kümmern? Wegen dem Fluch? Ich lasse auch Hannibal hier, der weiß auch, was zu tun wäre und kann Entscheidungen an meinerstatt treffen. Vielleicht sogar besser als ich!“


    Marcus grinste schwach. Die Diskussion gestern Abend, bei der Marcus früh nicht mehr so ganz folgen konnte, hatte ihm wieder vor Augen geführt, wie viel gebildeter und klüger sein eigener Leibsklave doch war. Dem war so, die Götter hatten ihn trotzdem zu einem Sklaven gemacht und Marcus zu dem Herren. Anscheinend bezweckten sie wohl damit etwas. Aber Marcus machte sich in solcherlei Dingen nie viel Gedanken. Wobei er bei einem Thema war, was ihm schon eine Weile Kopfzerbrechen bereitete.


    „Manius, da gibt es etwas, was ich Dich noch fragen wollte. Ein Rat sozusagen. Eigentlich würde ich meine Mutter fragen, aber...na ja, vielleicht kommt da eine Antwort, die mir nicht gefällt, die ich aber nicht ausschlagen kann. Also frage ich Dich lieber. Ein Rat ist bei Dir schließlich nur ein Rat und keine Anordnung.“


    Marcus lehnte sich zurück und sah gen Decke und wieder auf die Tischplatte, schließlich zu Gracchus. Wenn jemand über das aktuelle Geschehen auf dem Laufenden war, dann wohl Gracchus. Also sollte Marcus wirklich ihn fragen. Außerdem konnte er bei der Ankündigung keinen Rückzieher mehr machen.


    „Weißt Du, ich hab das Gefühl, die Tage beim Militär für mich in dieser Art wie ich dort diene, ja die sind vorbei. Du hast doch sicherlich von den Änderungen gehört und auch so das Drumherum. Also, ehrlich gesagt, durchschau ich das nicht ganz. Aber mir ist nicht ganz klar, was mein Platz im Militär sein soll. Früher gab es schließlich nur die eine Form im Militär zu dienen, Patrizier hin oder her. Aber jetzt? Ich meine, ich habe das Gefühl, mein Dienst ist jetzt sogar noch absurder als damals. Aber ich hege die Hoffnung bald centurio zu werden. Außerdem...nun ja, ich habe keine Ahnung, was ich machen sollte sonst. Als Priester tauge ich nichts und in der Politik...nun ja, ich kann vielleicht die Worte richtig sprechen, aber Reden halten...ach ich weiß einfach nicht. Was meinst Du, Manius, was sollte ich tun?“


    Ratlos und etwas verzagt sah Marcus zu Gracchus. Der Stuhl ächzte leise als sich Marcus gegen den Rückenteil lehnte und anfing mit den Fransen des Stuhlkissens zu spielen.

    Von dem kleinen Überfall auf den praefectus hatte Marcus nicht gemerkt, war er doch einige Herzschläge zu spät mit seiner Pinselgruppe bei Plautius angelangt. Doch nun fiel Marcus auf, daß der praefectus nicht ganz gerade zu stehen schien. Stöhnte er? Aber anscheinend hatte er Marcus Worte nicht gehört, da mußte was faul sein. Schnell ging Marcus auf seinen Vorgesetzten zu und sah ihn besorgt an. Herrje, der hatte aber einen ordentlich abbekommen. Marcus gehörige Portion Wut, die er eben in sich getragen hatte, war mit einem Mal verflogen.


    praefectus, alles in Ordnung?“


    Die Rauchfahne, die wohl in die Nase des praefectus gestiegen war, bemerkte Marcus nicht. Mit gerunzelter Stirn sah Marcus Plautius an und winkte die Soldaten, samt Pinselmänner hinter sich, zu ihm. Na, da hatte Plautius wohl selber allen Grund seine eigene Übung zu verdammen. Aber Marcus gehörte nicht zu den Männern, die gerne der Häme frönten.


    „Helft dem praefectus!“


    Wieder ein erschrockenes Wiehern. Einer der Soldaten, es war noch ein blutjunger probatus, sah zu dem Stall hinüber. Kleine gelbe Flammen tanzten über das Stroh. Wie kleine Feuergeister sprangen die Flammen von einem trockenen Ballen zum Nächsten, munter und fröhlich fraßen die gelben Zungen durch das trockene Gras, in wenigen Herzschlägen loderte eine kleine Feuersbrunst hoch. Der probatus riss die Augen auf und hob seine Hand.


    „Da...da...da......“


    Marcus wandte sich um, wollte gerade dem praefectus aufhelfen und sah den probatus ungnädig an. Was für ein Chaos, was für eine Nachtwache. Dabei hatte alles doch erst so unschuldig angefangen. Ein nettes Gespräch mit den probati, ein kleiner Rundgang durch das Lager und sogar ein Nachtmahl hatte Marcus einnehmen können. Aber seitdem die Fackeln ausgegangen waren, ging alles schief. Was für ein Desaster und das alles wegen einer Übung.


    „Was, bei Mars...?“


    Die blasse und erschrockene Miene des probatus ließ ihn stutzen und in einer Abfuhr einhalten. Langsam folgte Marcus mit dem Blick der Hand des probatus. Die anderen Soldaten waren schneller und der erste Ruf wurde laut. Immer panischer drangen die Stimmen der Pferde aus dem Stall, der starke Rauch im Stall schreckte sie auf, ließ sie gegen die hölzernen Boxen auskeilen.


    “Feuer!“

    Appius warf dem scriba einen indignierten Blick zu. Scherzbolde während des Dienstes konnte er genauso ausstehen wie Schlamperei und Chaos. Und scheinbar hatte er so einen Possenreißer vor sich, der meinte mit einem heiteren Sprüchlein sie amüsieren zu müssen. Appius eisigkalte Miene zeigte jedoch gleich, daß dies bei ihm nicht der Fall war. Seine Lippen waren ein gerader Strich, seine Augen starrten ungerührt auf den scriba herunter.


    „Das wage ich zu bezweifeln, miles!“


    Kühl sah er weiter auf ihn hinab und schüttelte andeutungsweise den Kopf. Die Jugend war auch nicht mehr das, was sie früher einmal war. Selbst vernünftiges Latein konnten die scribae heute nicht mehr sprechen. Schnöde geht die Welt zu Grunde. Appius deutete Sura ihm zu folgen und marschierte auf die Tür zu, tatsächlich, sie war nur angelehnt, und er klopfte trotzdem. Erst danach trat er in das officium des praefectus, ging genau drei Schritte- so machte er das immer- und salutierte.


    „Ave praefectus, ich bringe Dir Octavius Sura, centurio der cohortes urbanae. Legatus Decimus hat eine Versetzung selbigen centurio zur legio prima angeordnet, Herr!“

    „...Ist das das Manöver 'Pinsel in der Nacht' auf Anordnung vom Praefectus Castrorum. Wir sind Gruppe Gelb und gehören zur ersten Cohorte.“ Diese Worte, gesprochen von dem unbekannten Soldaten, echoten bei Marcus. Er starrte ihn an und mußte ganz langsam begreifen. praefectus castrorum? Das Ganze ging auf die Ideensammlung von Matinius Plautius zurück? Daß die Soldaten oder die Eindringlinge- ob sie tatsächlich Soldaten waren, würde sich noch herausstellen- immer noch scherzten, daran glaubte Marcus nicht. Wer wäre auch so grotesk dumm, wenn er gefangen wäre, solche Behauptungen aufzustellen? Tief aus seiner Kehle löste sich ein verärgertes Grollen und Fluchen, wenngleich auch recht leise.


    hara suis! merda!“


    Vielleicht ein wenig unwürdig für einen Patrizier und nicht gerade von gravitas oder severitas sprechend, aber es war ihm in dem Moment egal. Nach einigen Herzschlägen schloß Marcus wieder seinen Mund und sah verwirrt an sich herunter, da waren in der Tat an manchen Stellen seiner Rüstung gelbe Flecken. Mit einer Hand strich er über einen dicken gelben Fleck an seinem Rücken und besah sich die Farbe.


    „Ich bin jetzt also tot? Aha...wie schlecht, daß ich noch stehe. Aber gut, ab geht es, milites. Statten wir doch der principia mal einen kleinen Besuch ab. Gibt es noch mehr von euch Witzbo...ähm...Übungseinheiten?“


    Mit zusammengepressten Lippen deutete er den –gefangenen- Soldaten voranzugehen. Den Sklaven, verwirrt und völlig verängstig wegen dem Vorgefallenen, ließen die Männer einfach zurück. Er interessierte sie auch nicht sonderlich. So ging es aus dem Haus des tribunus heraus und auf die erste große Lagergasse zu. Ein leises Wiehern ertönte in der Nähe, Marcus blieb kurz stehen. Ob sich da jemand am Stall zu schaffen machte? Doch da fiel sein Blick auf eine bekannte Gestalt in der Nähe des Stalls und fast von der Dunkelheit verborgen.


    „Salve, praefectus!“


    Marcus zog einen der Gelben Pinsel Gruppe heran und deutete auf ihn.


    “Ich glaube, wir haben da einen deiner Pinselmänner erwischt...!“


    Marcus Miene war düster und finster- ein Ausdruck, den man selten bei ihm sah- aber er war ganz schön sauer und somit auch nicht in der Lage gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

    Etwas enttäuscht zuckte Marcus mit der Schulter. Aus der Antwort leitete Marcus mit großer Sicherheit ab, Gracchus schrieb heimlich Gedichte. Vielleicht sammelte er sie in einer kleinen Kiste, die er stets unter sein Bett schob und vor jeden neugierigen Augen verborgen hielt. Marcus grinste in sich hinein und hatte schon den ersten Becher Falerner geleert. Seine Augenbrauen wanderten Zoll für Zoll nach oben als er die Worte seines Sprößlings vernahm. Dadurch unterbrach er sogar sein doch recht gieriges Essen, schluckte den Brocken Hammelfleisch herunter.


    “Im Garten, Lucius, wirst Du mit Sicherheit keine Ziegenrennen veranstalten. Die Rosenbüsche von Deinem Onkel Felix sind ihm viel zu wichtig, als daß ihr da mitten hindurch brettern dürft. Also, verleg das Rennen in den Innenhof, junger Mann.“


    Marcus sah ihn eindringlich an. Diese Marotte mit den Rosensträuchern verstand Marcus nicht, aber manche pflegten mit Inbrunst ihren Fischteich, andere liebten das dornige Gewächs. Jedem das sein. Seufzend nahm er den nächsten Bissen und schlang ihn herunter. Vater sein konnte schon ganz schön anstrengend sein. Die angehende Diskussion über Gefühle, Wein und Liebe waren mit viel zu vielen komplizierten Redewendungen und Ausdrücken gespickt. Marcus verstand nicht wirklich, was Gracchus damit ausdrücken wollte und worauf sein Sklave Hannibal hinaus wollte auch nicht wirklich. So aß Marcus grübelnd weiter. Aber eigentlich wollte er nicht als intellektueller Blindgänger bekannt sein. Mit einer Hand griff er nach dem kleinen Spickzettel, den ihn Hannibal noch heute Morgen geschrieben hatte. Ein Fettfleck blieb an ihm haften als er mit seiner Essenshand ihn auffaltete.


    Wer einmal gefreiet und wieder freiet, der Tor sucht, Kaum dem Schiffbruch entflohn, jetzo den Tod sich im Meer? Nein, das ging nicht. Der Papagei! Aus dem geflochtenen Käfig entfloh ein menschlich beredeter Sittich zum Wald, mit dem Glanz bunten Gefieders geschmückt. Wie er nun immer sich emsig geübt in des Kaisers Begrüßung, blieb er auch jetzt im Gebirg’ immer des Namens gedenk? Warum hatte er nicht vor Leontias Geschenk auf den Zettel geschaut. Herrje, das wäre wirklich was Geistreiches gewesen. Marcus seufzte leise und spickelte weiter. Liebe...Liebe, es mußte doch etwas über Liebe geben auf diesem vermaledeiten Blatt. Ah, da war was zu Liebe. Herrje, sein Fettfleck prangte jetzt ausgerechnet über den ersten Zeilen der Aussage und Marcus hatte seine liebe Not zu erkennen, was Hannibal mit seiner winzigen und sorgfältigen Handschrift dort verfaßt hatte. Marcus ließ den Zettel sinken und sah auf. Er würde wohl in dem Moment improvisieren müßen.


    „Ich glaube, die Liebe ist eher wie ein Kampf. Es geht doch letztendlich darum, daß die Begehrte vom Manne erobert werden soll. Es geht darum, die Frau ins Bett zu holen und dort..ähm ja, dort gewißen Neigungen zu frönen. Die Liebe scheint mir eher so zu sein, wie die Euphorie im Kampf. Manchmal besteht sie noch danach, meist jedoch nicht. Hat man erst mal das Lager geteilt, kann dieses Gefühl ganz schnell schwinden. Vielleicht ist es dann nicht wirklich Liebe, das mag sein. Aber ich glaube, dann gibt es keine wahre Liebe oder wie man das nennen mag. Denn ich kenne niemanden, der sein ganzes Leben lang eine Gespielin alleine nur geliebt hat. Nein, wirklich nicht. Irgendwann flaut das Gefühl einfach ab. Es sei denn, es hat nichts mit dem...ähm...ja ihr wißt schon womit...zu tun. Sondern einfach das Gefühl der aufrechten Ergebenheit, der Loyalität und somit einer Liebe, die auf etwas ganz anderem beruht. Zum Beispiel werde ich meine Mutter immer lieben, doch ist das etwas ganz anderes.“


    Oder?, dachte Marcus grübelnd. Seine Unterbrecher hatte er wenigstens immer noch gerade rechtzeitig ausgesprochen. Über die Lust und das Verlangen wollte er nicht vor seiner Tochter und auch nicht vor seinem Sohn- wobei es ihn da weniger störte- sprechen und schon gar nicht an einem Saturnaliaabend. Aber die lange Rede hatte ihn wieder hungrig gemacht und er ließ sich mittlerweile den dritten gefüllten Teller reichen.

    Schweigend verfolgte Marcus das Gespräch zwischen Plautius und Priscus. Daß sie den Turm dann auch noch nach dem Aufbauen praktisch nutzen sollten, daß war ihm neu, aber leuchtete ihm durchaus ein. Wozu einem Turm bauen, wenn er am Ende nur rumstehen sollte? So konnte man zwei Frösche mit einer Klappe schlagen, dachte Marcus. Oder waren es Fliegen? Marcus schüttelte den Kopf und folgte immer wieder mit seinem Blick den diversen Handbewegungen und Handlungen der beiden altgedienten Soldaten. Wie der Rest des Troßes folgte Marcus Priscus zu dem Haufen von Holz und Metall und sah zu der besagten Werkzeugkiste. Es sah wohl wirklich wie eine Werkzeugkiste aus, aber Marcus hatte solcherlei immer nur aus weiter Ferne gesehen, niemals selber irgendetwas Handwerkliches durchgeführt. Hatte er jemals einen Nagel ins Holz geschlagen? Nicht wirklich. Seufzend sah er das Durcheinander und schloß die Augen. Jetzt galt es sich an einen Moment vor vielen, vielen Jahren zurück zu erinnern.


    Es war im Garten in Baiae, in der Villa seiner Mutter und seinem Heim. Er war damals ein junger Mann, hatte kaum Bartwuchs am Kinn und war schrecklich gelangweilt. Warum noch mal? Ah ja, der griechische Hauslehrer nervte ihn mit seinen alltäglichen Lektionen. Und er hatte doch auch über die phänomenale Kriegsführung, die er natürlich allesamt seinem eigenen Volk zuschrieb, gesprochen. Doch Marcus konnte sich kaum noch an das Gesagte erinnern, verschwamm es doch mit den vielen anderen Stunden, wo er ebenso kaum aufgepasst hatte. Schildkröte, irgendwas zum Graben fiel ihm da ein. Wurde nicht die Schildkröte für die Gräben genutzt? Aber an mehr erinnerte er sich nicht, öffnete schließlich wieder die Augen, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte grübelnd auf ihre Baumaterialien. Nun hieß es wohl anpacken! Marcus seufzte noch mal Schicksalsergeben und sah sich suchend um. Da, das war doch ein großer, massiver und langer Holzbalken! Ohne zu zögern- na ja, er zögerte durchaus ein wenig- ging er auf diesen zu und zog ihn schließlich mit einigem Kraftaufwand unter einigen Brettern hervor und rollte ihn zur Seite. Leise fluchend sah er auf seine Hand herunter, ein Holzsplitter hatte sich in seinen Handballen gebohrt. Doch was solls. Was muß, das muß! Er zog den Splitter raus, dann sah er sich weiter suchend um und fand schon den Nächsten, selbiges Verfahren und er rollte diesen zur Seite, bis er alle vier Holzbalken zusammen hatte. Sie waren nicht alle wirklich gleich lang, schien ihm aber lang genug.


    „So, vier Balken haben wir schon mal. Sollen wir uns nun aufteilen? Wer für die Achse und Räder und wer für die Plattformen?“

    Verstehend tuend nickte Marcus. Er verstand es jedoch nicht wirklich. Aber wenn der centurio es meinte, dann hatte es mit Sicherheit seine Berechtigung. So grübelte er, ob er nicht noch etwas anbringen wollte. Doch da war etwas gewesen! Er hatte es sich unbedingt merken wollen. Doch was war es? Eine angestrengte Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen, doch es fiel ihm nicht wirklich ein. Also stand er auf.


    „Nein, das war es erstmal. Vale, centurio!“


    Zum Abschied salutierte Marcus und verließ die Unterkunft. Erst in weiter Entfernung fiel ihm wieder ein, was er noch ansprechen wollte, doch der Hunger trieb ihn eher weiter zu seinem Essensplatz und seinem Napf mit Körnerbrei.

    Einige Herzschläge stand Appius nachdenklich mitten im Raum, in seinen Händen hielt er die Schrifttafeln und sah auf den frisch geputzten Boden hinab, der jeden Mittag und jeden Abend von den Legionären gewischt wurde. Darauf und auf viele andere pingelige Kleinigkeiten legte Appius großen Wert. Aber seine Gedanken beschäftigten sich nicht mit dem Boden, sondern mit der Reihenfolge der Angelegenheiten. Er hatte so etwas nicht oft gemacht, so ein Schreiben wie neulich das erste Mal verfasst, und somit war das alles noch keine Routine für den Stubenhocker in der Legion wie er es war. Wenn sie zur Ausrüstungskammer gingen, würde der Octavier eine Ausrüstung seinem Rang entsprechend brauchen. Aber Appius wußte noch gar nicht, welchen Rang der praefectus dem Neuen denn geben wollte. Sehr wahrscheinlich wieder centurio, aber man konnte nie ganz sicher sein. Und seine Vorbehalte gegenüber dem praefectus waren ein klein wenig geschwunden, nachdem dieser Appius so ins Vertrauen gezogen hatte. Also der praefectus zuerst. Appius sah auf und nickte abermals knapp.


    “Wir werden zuerst den praefectus aufsuchen. Folge mir bitte.“


    Einen warnenden Blick warf Appius seinen Untergebenen zu. Wehe, da vergriff sich wieder jemand an seiner Acta. Diese duckten sich unter dem Blick schnell und taten so als ob sie ganz intensiv mit ihren Schriften beschäftigt waren. Nach einem weiteren prüfenden Blick und wie die Acta auf seinem Tisch lag, öffnete Appius die Tür und schritt hinaus in Richtung des anderen officium.

    Es war kein allzu langer Weg bis in das officium des praefectus. Zügigen Schrittes, schweigend und mit hocherhobener Nasenspitze marschierte Appius dem centurio der cohortes voran. Hier im hinteren Teil des Verwaltungstraktes lagen die schöneren Arbeitsräume, die hellsten Plätze und es war eh alles besser hier. Manchmal stieg Neid in Appius auf, der schon seit vielen, vielen Jahren sein Dienst mit äußerster Gewißenhaftigkeit und Pflichtbewußtsein versah, und trotzdem hatte er immer wieder mit ansehen müssen, wie jünger Männer und weniger lang dienende Soldaten an ihm mit dem Rang und Arbeitsraum vorbeizogen, direkt in die schöneren Teile der principia. Ein düsterer Schatten huschte über sein Gesicht, für den Bruchteil eines Herzschlages. Dann trat er zu dem officium und klopfte kräftig, trat hinein und auf den scriba des praefectus zu.


    “Salve! Das ist centurio Octavius Sura, er wurde jüngst vom legatus zu der prima versetzt. Ich bin hier, damit der Mann einer Centurie und einem passenden Rang zugeteilt wird und natürlich die passenden Formalitäten geklärt werden könne. Hat der praefectus im Moment Zeit?“

    Gerade war die neue Acta heraus gekommen und Appius saß mit den Blättern auf dem Schreibtisch und öffnete die Schnüre von der jungfräulichen Zeitung als die Tür aufging. Einige Blicke hoben sich, die Legionärsscribae sahen Sura kurz neugierig an, senkten jedoch gleich wieder den Kopf zu ihren Schreibarbeiten. Appius sah auf die Schnürung der Acta herunter und legte sie vorsichtig zur Seite und auf eine Wachstabula, damit die papyri nicht verschmutzten. Knapp nickte er dem Mann von der cohortes zu.


    „Salve, Octavius. Ich bin optio Carteius, der Dir den Brief zugesandt hat. Wunderbar, mal ein Mann, der Fristen einzuhalten weiß. Das wirft natürlich schon ein gutes Licht auf Deinen Anfang hier. Gut, es sind einige Formalitäten zu erledigen im Vornherein. Zum einen mußt Du den Legionseid hier nochmalig schwören, zum Anderen wirst Du eine neue Ausrüstung brauchen. optio Nasidius Crassus ist in der Ausrüstungskammer dafür verantwortlich. Um Deine Unterkunft kümmern wir uns jedoch erst, wenn wir mit Dir beim praefectus castrorum waren. Er muß Dich schließlich zuerst einer Centurie zuteilen und auch Deinen neuen Rang bestätigen, beziehungsweise dies nach Rom übermitteln. Erst dann wird Dir eine feste Unterkunft zugeteilt. Aber ich bin zuversichtlich, daß das noch heute geschehen kann.“


    Appius stand auf und griff nach einer tabula und einem Griffel. Er kam wohl nicht umhin, selber mit dem neuen Offizier zur Ausrüstungskammer zu schreiten. Und wie war das nochmal mit dem Rang und der kaiserlichen Bestätigung? Die neuen Richtlinien waren gerade erst bei Appius eingetroffen, wären sie nicht vom Kaiser höchstpersönlich abgesegnet worden, hätte Appius wohl innerlich geflucht und die Änderungen gehaßt, wie er immer alles Neue und Ungewöhnliche nicht ausstehen konnte.


    „Noch irgendwelche Fragen zum Ablauf, Octavius?“