Resigniert seufzend stützte Marcus seine Ellbogen auf dem Tisch ab und lehnte sein Kinn auf seine ineinander verschränkten Hände. Ganz schön kratzig fühlte sich das an seiner Hand an, obwohl er sich doch gerade vorhin hatte rasieren lassen. Den Impuls noch mal zu seufzen unterdrückend musterte Marcus seinen Vetter. Der Anflug von Fröhlichkeit und Lachen war wieder schnell im Angesicht des Dilemmas und der Tragödie um den Fluch verflogen. Doch bei Gracchus Irritation über den Ausdruck des Kauzes lächelte Marcus schief und zuckte mit der Schulter. Was sollte er Gracchus in dieser Hinsicht schon sagen außer der Wahrheit? Aber das war schließlich nichts, wofür sich Gracchus schämen musste, schließlich stand es einem Priester und somit Diener der Götter gut zu Gesicht ein hochgebildeter Geist und brillanter Redner zu sein. Marcus beneidete Gracchus immer wieder um dessen poetische Eloquenz. Kopfschüttelnd hob Marcus sein Kinn an.
“Aber Vetter, wie kommst Du denn darauf, daß ich Dich verhöhne? Nichts läge mir ferner. Aber gönn’ mir doch das kleine Bonmot und trage es mir nicht nach.“
Jetzt lächelte Marcus doch wieder etwas gelöster. Er fand immer noch, daß ihm dieser kleine Scherz doch gut gelungen war. Ob er über Lucilla mit Gracchus sprechen wollte? Marcus stützte sich wieder mit seinem Kinn auf seine Hände ab. Abwesend musterte er die hölzerne Platte, sah jedoch nicht das Muster, war für einige Herzschläge völlig woanders, versuchte mit seinen Gedanken bis nach Germania zu reichen. Ob sie wohl noch dort war? Oder vielleicht plante sie bereits ihre Hochzeit mit diesem alten Senatorenkrüppel. Jetzt seufzte Marcus jedoch doch noch einmal.
„Frau? Ich hab niemanden bestimmten gemeint...!“
Die Antwort kam mehr oder minder halbherzig über seine Lippen, er sah trübe auf den Tisch. Warum ihn Amors Pfeile dieses Mal so hart getroffen hatten? Warum jene Liebeswunde nicht zu heilen vermochte, das konnte Marcus sich nicht erklären. Meist war er schon einige Wochen nach einer Begegnung schnell über eine Frau hinweg, hatte oftmals sogar schon wieder ihren Namen vergessen. Aber aus einem unerfindlichen Grund dachte er immer wieder an jene Frau zurück, der er doch nur kurz auf dem Weinfest begegnet war. Er konnte sich nicht mal mehr an das Fest erinnern, geschweige wo es war, aber an den goldenen Regen auf Lucillas dunklen Haaren, ihr Funkeln in den Augen, das hatte sich tief in sein Herz eingebrannt. Mit einem entschlossenen Kopfschütteln vertrieb er all das und zuckte mit der Schulter. Frauen! Warum sie den Geist eines Mannes immer so einfangen konnten? Es war schon übel mit ihnen und trotzdem konnte man nicht ohne sie...sein Blick fiel auf Gracchus. Oder doch? Das war jedoch nichts für Marcus, das wußte er eindeutig. Castor und Pollux hatten ihm das eindeutig vorgeführt.
„Der Sklave gehört Caius. Na ja, eigentlich hatte ich ihm den Sklaven von Germania aus geschenkt. Ich bin mir selber unschlüssig, was zu tun gilt. Ich hatte mir überlegt, das Caius entscheiden zu lassen, aber er hat sich ja wieder verdünnisiert. Typisch!“
Marcus grummelte leise und rollte mit den Augen. Er hatte ja nicht im Mindesten eine Ahnung davon, was vorgefallen war und warum Aquilius Rom verlassen hatte. Wahrscheinlich, so vermutete Marcus, hatte er Ärger mit einem geprellten Ehemann, vielleicht auch ein mächtiger Senator. Wo er wieder bei Lucilla anlangte...herrje, weg mit dem Gedanken. Marcus fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht, wie um jenen Gedanken weg zuwischen.
„Ich muss in den nächsten Tagen wieder nach Mantua. Magst Du Dich darum kümmern? Wegen dem Fluch? Ich lasse auch Hannibal hier, der weiß auch, was zu tun wäre und kann Entscheidungen an meinerstatt treffen. Vielleicht sogar besser als ich!“
Marcus grinste schwach. Die Diskussion gestern Abend, bei der Marcus früh nicht mehr so ganz folgen konnte, hatte ihm wieder vor Augen geführt, wie viel gebildeter und klüger sein eigener Leibsklave doch war. Dem war so, die Götter hatten ihn trotzdem zu einem Sklaven gemacht und Marcus zu dem Herren. Anscheinend bezweckten sie wohl damit etwas. Aber Marcus machte sich in solcherlei Dingen nie viel Gedanken. Wobei er bei einem Thema war, was ihm schon eine Weile Kopfzerbrechen bereitete.
„Manius, da gibt es etwas, was ich Dich noch fragen wollte. Ein Rat sozusagen. Eigentlich würde ich meine Mutter fragen, aber...na ja, vielleicht kommt da eine Antwort, die mir nicht gefällt, die ich aber nicht ausschlagen kann. Also frage ich Dich lieber. Ein Rat ist bei Dir schließlich nur ein Rat und keine Anordnung.“
Marcus lehnte sich zurück und sah gen Decke und wieder auf die Tischplatte, schließlich zu Gracchus. Wenn jemand über das aktuelle Geschehen auf dem Laufenden war, dann wohl Gracchus. Also sollte Marcus wirklich ihn fragen. Außerdem konnte er bei der Ankündigung keinen Rückzieher mehr machen.
„Weißt Du, ich hab das Gefühl, die Tage beim Militär für mich in dieser Art wie ich dort diene, ja die sind vorbei. Du hast doch sicherlich von den Änderungen gehört und auch so das Drumherum. Also, ehrlich gesagt, durchschau ich das nicht ganz. Aber mir ist nicht ganz klar, was mein Platz im Militär sein soll. Früher gab es schließlich nur die eine Form im Militär zu dienen, Patrizier hin oder her. Aber jetzt? Ich meine, ich habe das Gefühl, mein Dienst ist jetzt sogar noch absurder als damals. Aber ich hege die Hoffnung bald centurio zu werden. Außerdem...nun ja, ich habe keine Ahnung, was ich machen sollte sonst. Als Priester tauge ich nichts und in der Politik...nun ja, ich kann vielleicht die Worte richtig sprechen, aber Reden halten...ach ich weiß einfach nicht. Was meinst Du, Manius, was sollte ich tun?“
Ratlos und etwas verzagt sah Marcus zu Gracchus. Der Stuhl ächzte leise als sich Marcus gegen den Rückenteil lehnte und anfing mit den Fransen des Stuhlkissens zu spielen.