Der nächste Morgen, nachdem Germanicus Sollianus von der Legio Prima aufgenommen wurde und als Probatus galt, kam schnell. Morgens früh, die Sonne blinzelte noch nicht mal hinter dem Horizont hervor, wurde er von zwei Optios aus dem Bett geworfen, wie der Rest der Probati und ohne Frühstück erst mal einige Runden um das Kastell gescheucht. Erst dann bekamen sie einen kargen Brei, etwas verdünnten Essigwein und dann den Exerzierplatz zu sehen. Dort wartete schon einer der beiden Optio, der sie morgens geweckt hatte. In seinen Händen hielt er einen Optiostab. Seine Augen waren auf das Dämmern am Himmel gerichtet und er schien die Probati erst nicht zu beachten. Erst nach einer Weile wandte er sich um.
„Probati! In aciem venite! Salutate!“
Der Optio, gut erkennbar an eben jenem Optiostab, ging vor den Männern auf und ab. Sein Gesicht war für einen Moment einfach nur grimmig und ernst, doch dann löste sich dieser Eindruck auf, als es kurz um seinen Mundwinkel zuckte und seine Augen doch nicht ganz so streng schauten. Er hatte eher etwas Gutmütiges an sich. Wenn er auch durch und durch seine Autorität ausstrahlte.
„Viele von Euch stehen heute das erste Mal hier auf dem Exerzierplatz der Legio Prima. Deswegen vorneweg, mein Name ist Optio Flavius Aristides. Ihr sprecht mich entweder mit Optio oder Optio Flavius an. Aber nie, und das will ich von keinem hören, mit meinem Cognomen. Verstanden?“
Marcus sah jeden Einzelnen an. Vielleicht würde eines Tages einer der Probati das doch dürfen, aber bestimmt nicht im Dienst oder gar jetzt schon. Da war Marcus, wie wohl alle in seiner Familie, sehr empfindlich. Nur Plautius und der Legat hatten da eine Sonderstellung bei ihm. Wieder ging er auf und ab.
„Alle laufen jetzt einige Runden, danach setzt ihr die Übungen von gestern fort. Die Neuen halten sich an die älteren Probati hier. Ausführen!“
Sofort sah er zu einem der Probati, der ihm heute Morgen von einem Mitsoldaten gezeigt wurde.
„Probatus Germanicus, Du bleibst hier!“
Marcus stellte sich vor ihn, hielt seinen Optiostab hinter dem Rücken und sah ihn fest und prüfend an. Ein Cohortes Urbanae also! Marcus hielt nicht viel von den kleinen Einheiten, waren sie in seinen Augen keine richtigen Legionäre, eben kleine Soldaten. Aber er wußte auch, daß Artorius Avitus auch von der CU kam. Und der war eindeutig ein guter Legionär. Zumindest hielt ihn Marcus für einen. Da sollte man nicht den Soldaten vor dem Abend verdammen, dachte er sich. So nickte er Sollianus zu.
“Germanicus, mir wurde von den Problemen mit Deinem Übertritt berichtet. Ich werde Dich in den nächsten Tagen prüfen und sehen, was Dein Ausbildungsstand bist und ob wir Dich gleich weiter nach oben und zum Miles befördern können. Sollte das der Fall sein, dann heißt es nicht, daß Deine Ausbildung zu Ende ist. Die Cohortes Urbanae ist ganz, ganz anders als die Legion. Die Arbeit auch! Und somit müssen wir eventuelle Lücken dort noch schließen!“
Natürlich hatte Marcus keine blasse Ahnung von der Arbeit der CU, aber er nahm mal an, daß sie dort sozusagen den Weichspülgang an Ausbildung hinter sich gebracht hatten. Davon und von weiteren Vorurteilen (;)) seinerseits ließ sich Marcus jedoch äußerlich nichts anmerken.
„Berichte mir, was Deine Ausbildung im Einzelnen umfaßt hat!“