Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Appius, der korrekte Miles des Rekrutierungsbüros, ahnte nicht im Mindesten von den Gedanken oder der Stimmung des baldigen Probatus. Denn empathisch war Appius in keiner Weise. Das, wovon er am Meisten verstand, waren Verordnungen, Erlasse und Befehle. Feste Regeln waren das Wichtigste für diesen Mann. Und so war er selber in etwas mißmutiger Stimmung, schließlich wurde hier höchst unkonventionell gehandelt. Zumindest kam es ihm so vor. Aber der neue Präfekt, so hatte es sich herumgesprochen, war wohl ein Quell von Überraschungen. So kritzelte er alles nieder und sah mit hochgezogener Augenbraue, die er jeden Tag zu einem glatten Bogen zurecht strich, Sollianus an.


    „Keine Krankheiten! Jaja, noch nie mit einer Lupa ins Bett gestiegen?“


    Appius grinste nicht dabei oder zeigte sonst eine Anwandlung von Humor bei dieser Frage. Aber vielleicht war sein Humor zu feinsinnig? Oder er hatte einfach keinen? Er schrieb sich auch die fehlenden Krankheiten nieder, sorgfältig und jeden Strich betont setzend. Dann legte er die Schriften zur Seite und alles in eine manierlichen Reihe. Er sah auf und deutete auf die Tür.


    Ausrüstungskammer. Anklopfen und eintreten. Titus Crassus müßte dort Dienst haben. Dann meldest Du Dich bei der Unterkunft der zweiten Centurie der ersten Kohorte. Deine Ausbildung fängt morgen früh an. Einer der Soldaten soll Dich zum Fahneneid schicken.“


    Schon wandte er sich wieder dem Actaartikel zu. Da war doch noch etwas? So ist es, wenn die Routine unterbrochen wird. Wird man ja ganz konfus.


    „Willkommen in der Legio Prima, Probatus. Möge Mars Dir wohlgesonnen sein! Wegtreten!“


    So, der Actaartikel. Zwar las er den Artikel schon zum zweiten Mal, aber er konnte von den fein formulierten Worten nicht genug bekommen.

    All den Dreckhaufen und heruntergekommenen Gassen ausweichend und schließlich über die großen Prachtstraßen in das Herzstück Roms kommend, blieb Marcus am Fuße des Palatin einen Moment stehen. Marcus hatte in seinem Schlepptau einen anderen Soldaten, der auch mit Ehrfurcht den Hügel über dem Forum Romanum betrachtete. Beide trugen unauffällige Mäntel über den loricae segmentatae, um nicht allzu offensichtlich als Soldat erkannt zu werden. Ihre genagelten caligulae und das Aufblitzen des Metalls unter den Umhang verriet es trotzdem. Beide trugen jedoch keine Waffen an ihrer Seite. Die gladii wurden auf dem Campus Martius zurück gelassen. So trat Marcus auf einen der Wachen zu und salutierte. Dienst war Dienst.


    „Optio Flavius Aristides. Ich komme im Namen von Legatus Decimus Livianus, dem Legaten der Legio Prima. Ich möchte bitte zum Magister Domus Augusti vorgelassen werden.“

    Und wieder lag Rom vor seinen Füßen. Was für ein Anblick, was für eine Freude. Marcus lächelte gut gelaunt, ein kleiner Ausflug in die Stadt, während der Legat mit dem Conventus beschäftigt war, schien bei diesem Romaufenthalt mit drin zu sein. Die ganze Reise, es waren ja schon einige Tage, hatte sich Marcus durchaus gefragt, ob Lucilla mit dem Legaten nach Italia zurückgekommen war. Doch er konnte das wohl schwerlich seinen Legaten fragen. So sinnierte er nur die Tage immer wieder über die schöne, die aufregende und bezaubernde Lucilla nach. Er beschäftigte sich die Stunden des Reitens damit, ihr allerlei lobpreisende Adjektive zu verleihen. Nur sein mangelnder Wortschatz machte ihm irgendwann ein Strich durch die Rechnung und beendete sein Gedankenspiel. Auf dem Campus Martius angekommen ließ Marcus dort seinen Blick schweifen und stieg von seinem Roß herunter. Die Zeiten, wo das nur ein Erdhügel war, waren schon lange vorbei und die monumentalen Bauten durchaus eine Pracht, vom Marcellustheater in der Ferne bis zum Marstempel. Herrje, da war doch noch eine alte Schuld, die er abtragen musste. Marcus kratzte sich am Nacken und sah grübelnd zum Marstempel als er die Worte des Legaten vernahm. Er nickte knapp. Bei Venus Hüften, jedes Mal wenn der Legat mit ihm sprach, fiel ihm die liebreizende Lucilla ein.


    “Natürlich, Legat. Ich werde Dein Kommen sofort melden!“


    Marcus salutierte zackig, wie immer Faust an die Brust geschlagen und den Arm ausgestreckt. Dann wandte er sich zum Gehen um. Von seinem Sattel griff er einen schlichten Umhang, in Soldatenmantel zu erscheinen war immer noch nicht die feine römische Manier. Auch sein Gladius reichte er an einen anderen Soldaten weiter, ebenso die Zügel seines Pferdes. Durch Rom zu reiten war unsinnig, abgesehen davon, daß man es nicht durfte. Mit einem dezenten Winken nahm er einen der Soldaten mit und warf sich schnell seinen Umhang über seine lorica segmentata. So marschierte er an den Agrippa Thermen und an der Saepta vorbei und verließ das Viertel, den Circus Flaminius.

    Unerhört, was für eine Unglaublichkeit! Appius sah Sollianus vor sich nur sprachlos an. Was für eine Schlamperei so mit den Dienstwegen umzugehen. Was für eine Frechheit, die sich da der PU erlaubt hatte. Alles musste doch seinen völlig korrekten Gang gehen. Wenn einer versetzt werden sollte, dann mussten Versetzungspapiere ausgestellt werden. Wenn einer entlassen werden sollte, dann die Entlassungspapiere. Was für ein Durcheinander. Seine Meinung über die CU, zugegeben sie war nie sonderlich hoch, sank noch mehr in den Keller. Appius Blick ging zu dem Actaartikel neben sich. Ob er mal einen saftigen Leserbrief über diese Schlampigkeit verfassen sollte? Doch im nächsten Moment schloß er das schon wieder aus. Denn dazu war er doch zu feige und wollte um keinen Preis der Welt auffallen oder von einem Prätorianer befragt werden. So seufzte er nur schicksalsergeben und sah den Mann vor sich mißmutig an. Jedoch nicht mißmutig wegen ihm, sondern weil er sich einfach unschlüssig war, was er tun sollte. Ah, den Präfekt befragen!


    „Moment, ich muss da weiter oben kurz nachfragen. Warte doch hier. Da...da ist ein Platz frei!“


    Der Miles deutete auf einen Hocker vor seinem tisch. Appius stand ächzend auf. Irgendwie rostete er schon hier immer mehr ein. Vielleicht drei Runden morgen? Entsetzt strich er sich über die Stirn. Jetzt fing er schon an, sich selber zu überraschen. Was für ein Tag! Er stapfte nach draußen. So blieb er einige Zeit verschwunden, erst eine halbe hora später tauchte er wieder auf. Kopfschüttelnd kam er herein und ließ sich auf den Stuhl nieder. Mit einer Hand griff er nach den nötigen Papyri, um die Daten aufzunehmen und die Meldung an den Präfekten zu verfassen. Alles mußte seine Ordnung haben.


    „Ich habe unseren Präfekten diesbezüglich konsultiert. Du wirst hier erst mal als Probatus aufgenommen. Wir müssen uns natürlich erkundigen, was die Gründe Deiner Entlassung war und prüfen, wie weit Dein Ausbildungsstand ist. Wenn alles korrekt ist, dann wird das nur einige Tage gehen und Du bist sehr schnell wieder Miles oder was der Präfekt, Dein Ausbilder oder Centurio auch immer beschließen mögen.“


    Der Griffel wurde hochgehoben, die Wachstafel hervorgezogen und auf die Papyri gelegt.


    „Also, Name haben wir schon. Dann wollen wir uns doch den weiteren Daten widmen. Wer waren Deine Eltern, wo kommst Du her und welche Krankheiten hattest Du schon in Deinem Leben. Du warst Miles? Seh ich das richtig?“

    Dies war sein Reich! Das von Miles Appius Cirenthius. Seitdem der faule Optio aus dem Rekrutierungsbüro weg war, hatte er wieder die Stube für sich alleine. Ordnung und akribische Genauigkeit war wieder zurückgekehrt und sein durchstrukturierter Tag. Morgens früh aufstehen, zwei Runden mit den Probati mitlaufen und dann ein Portion kalten Weizenbrei und Wein zu sich genommen. Danach wurde der Platz im Rekrutierungsbüro eingenommen und erst mal genüßlich ein Actaartikel gelesen. Appius haßte nämlich eigentlich den regulären Dienst in der Legion. Aber in der Verwaltung fühlte er sich wohl. Hier kam nichts unvorhergesehenes, alles hatte seinen normalen Dienstablauf und keine Überraschungen sollten ihn erwarten. Keine? Heute was es wohl anders. Gerade las er gespannt den Reiseartikel der Decima aus der Acta. In Germanien war er zwar noch nie gewesen, aber es packte ihn trotzdem. Als Sollianus das Büro betrat hob er den Blick. Ja, ein Neuer so früh am Morgen? Er nickte ihm zu und legte das Papyrus, was er auf dem Abort immer absammelte, zur Seite.


    „Salve, Germanicus! Versetzt..aha!“


    Er griff nach den Papyri und sah schnell darüber hinweg. Und da war es- die Überraschung. Versetzt und gleichzeitig entlassen, im Rekrutierungsbüro und trotzdem schon Soldat gewesen. Appius Augenbrauen wanderten hoch und er sah verblüfft zu Sollianus.


    “Das hier ist doch kein Versetzungsschreiben, sondern eine Entlassung. Was hat es denn bitte damit auf sich?“

    Betretenes Schweigen, einige Soldaten scharrten mit der Spitze ihrer Caligulas im Sand und versuchten nicht aufzufallen. Man konnte ja nie wissen, ob man nicht nach vorne gerufen wurde. Die Sonne fiel inzwischen schon schräg auf den Sarg, ein einfacher Holzsarg. Nicht sehr edel, aber auch nicht ärmlich wirkte dieser. Einem Optio und Soldaten angemessen. Marcus betrachtete die Soldaten, doch da keiner Anstalten machte, was zu sagen, ließ er nur seinen Blick schweifen. Den Tribun hatte er nicht ausfindig machen können. War schon seltsam, da triezt er ihn zu diesem Begräbnis, schien aber selber nicht daran teilzunehmen. Da Marcus jedoch von der Sonne auf der Erhöhung etwas geblendet war, konnte er nicht ausschließen, daß der Claudier irgendwo doch stand oder saß. Marcus nickte den anderen Soldaten zu. Genervt von der ganzen Zeremonie und dem Tragen wischte sich Marcus den Schweiß von der Stirn als er die Erhöhung nach unten herabstieg und wieder seinen Platz als Sargträger einnahm.


    Unio, duo, tres, elatus!“


    Wieder derselbe Befehl wie schon in der alten Lagerhalle. Die Soldaten, schon mit weit aus weniger Kraft als noch zwei Stunden zuvor, hoben leise ächzend den Sarg hoch. Einer der Soldaten wankte leicht und der Sarg schaukelte einmal bedrohlich nach hinten. Im Sarg polterte es leise, die Leiche war wohl verrutscht. Marcus sah über die Schulter den Soldaten an, der blass aussah und verlegen sich auf die Lippen biss. Marcus konnte ihm das nicht verübeln, es war mit der Paraderüstung nicht einfach so lange einen Sarg mit darin liegender Leiche zu schleppen. Es war schon seltsam, Marcus hatte das schon zwei Mal erlebt. Aber eine Leiche war plötzlich viel schwerer als ein lebender Mensch.


    Aequatis passibus! Ante!“


    Die Männer trugen den Sarg durch die Gasse zwischen den Soldaten und die Via Praetoria entlang. Die Tore wurden geöffnet, die Mimen folgten in ihren griechischen Heroendarstellungen und die Musiker spielte tragende und pathetisch traurige Musik. Vielleicht ein wenig zu pathetisch und zu professionell? Manchmal schlich sich zwar eine falsche Note hinein, aber insgesamt waren sie ganz passabel. So verließen sie das Lager um den Weg weiter draußen zu beschreiten. Einige hundert Schritt entfernt und von der Windrichtung wegführender Strecke war ein großer Holzscheiterhaufen aus Pinienhölzern aufgebaut worden. Ein Baum, der durchaus gut roch, aber nicht der teuerste war. Die Soldaten trugen den Sarg dorthin und hoben ihn dann gleichzeitig hoch, um ihn auf den Scheiterhaufen zu hieven. Das Holz knarrte leise als es mit dem Gewicht belastet wurde. Dann thronte der Sarg oben, als ob es wieder ein Paradebett wäre.


    Marcus hob die Hand, die Soldaten traten zurück und nahmen ein Stückchen entfernt Haltung ein. Und wieder kam das Bestattungsunternehmen seiner Verpflichtung nach. Denn hinter dem Scheiterhaufen waren einige ältere Frauen mit über den Kopf gezogenen Pallae und einem Schleier vor dem Gesicht. Sie tuschelten leise und machten sich schon bereit für ihren Auftritt.


    „Möge Pluto gerecht mit seinen Taten sein und ihm ein freudvolles Leben im Elysium gewähren. Zündet das Feuer an!“


    Einer der Soldtaten, der eine Fackel trug, trat an die aufgeschichteten Holzscheitel und die Reisigbündel, die um die dickeren Stücke lagen, heran. Die Fackel flackerte leicht im Wind als er sie nach vorne beugte. Der Himmel färbte sich schon leicht orange im Schein der langsam heruntersinkenden Sonne. Als die Flamme einen der Bündel berührte flammte dieser, durch das Öl, schlagartig auf. Die Flammen fraßen sich schnell durch die anderen Bündel und loderten hoch. Es dauerte noch nicht mal Minuten, daß der Sarg im Feuer eingehüllt war.


    Milites, salutate!“


    Marcus salutierte dem Optiomedicus noch mal zu und sah auf den Sarg, der nun auch Feuer fing. Weihrauchgeruch wurde vom Wind aufgewirbelt und stieg intensiv in die Nasen der Soldaten, die sich um die Feuerbestattung versammelt hatten. Die Klageweiber jammerten gekonnt und ausgelassen und eine Flöte begleitete sie tragend und voll des gespielten Wehleides. Die Sonne ging hinter den entfernt liegenden Bergen langsam und blutrot unter. Marcus sah sich das Ganze an und auch die Kulisse und es wurde ihm fast zu viel...an Pathos. Jetzt würde er gerne einen tiefen Schluck Wein trinken und diese lästige Pflicht los sein.

    Grübelnd kratzte sich Marcus am Kinn und fing an etwas von dem Brot zu zerkrümeln und in seinen unbeachteten Brei fallen zu lassen. Seine Gedanken gingen zu dem Vormittag zurück, wo er angefangen hat, den Aurelier auszubilden. Was ihn da gefuchst hatte konnte Marcus nun nicht mehr wieder geben. Aber vielleicht lag es daran, daß er das typische Gehabe an den Tag legte, wie schon der andere Aurelier in der Legion. Der, der zu einer anderen Einheit gewechselt war. Marcus kam in eine richtig untypische, nachdenkliche Stimmung. Hatte er Vorurteile gegenüber dem Aurelier? Weil ein Verwandter ihn ziemlich beleidigt hatte? Marcus kratzte sich weiter am Kinn. Eine Rasur wäre mal wieder nicht schlecht. Aber das mit dem „ein Aurelier muss immer besser werden“ hatte ihm gereicht. Marcus seufzte kurz.


    „Nun, manchmal braucht ein Probatus vielleicht nur einen Anschub, um den Fleiß in sich zu entdecken. Er meinte, er wäre schon in der Formalausbildung und den Waffenkünsten trainiert worden. Dolch, Gladius, Pilum? Hat er das alles gelernt?“


    Daß Marcus selber eher zu den Männern gehörte, die den einfachsten Weg suchten oder die Arbeit auf faulster Weise erledigte- schon sein Ausbildungsstil bekundete dies- kam ihm dabei natürlich nicht in den Sinn.

    Ein letzter Blick auf das Lagerfeuer geworfen? Gut, denn nun wollen wir mal schnell weitergehen. Männer- und Familiengespräche wurden geführt, etwas gegessen und schließlich abwechselnd geschlafen. Was gesprochen wurde? Vielleicht erfahren wir das noch eines Tages. Nun wenden wir uns doch lieber weiter der Verfolgung des Flüchtigen und der Entführten zu. Der nächste Morgen kam und Marcus war schnell wieder auf den Beinen und hatte sein Pferd gesattelt. Doch auch diese Ereignisse wollen wir nur kurz anreißen. Stunden um Stunden ritt Marcus mit seinem Vetter durch die Berge im Norden Roms. Doch die Spuren verliefen sich immer mehr. Marcus gab jedoch nicht auf. Noch eine Nacht kampierten sie in der Wildnis und Marcus Schweigen, aus der Besorgnis und der Angst um seine Tochter geboren, wurde immer länger. So brach der nächste Tag herein, der verging dann auch und der Nachmittag flog ihnen entgegen. Wir wenden uns dann wieder dem Moment zu als die ersten dunklen Wolken am Tag aufzogen.


    Schnell näherte sich die Wolkenfront den beiden Reitern. Marcus zügelte sein schwarzes Ross und runzelte besorgt die Stirn. Die Wolkenfront sah nicht gut aus und er meinte schon die ersten Blitze in der Ferne herunterdonnern zu sehen. Voller Angst um seine Tochter schloß Marcus seine Augen. Sein Pferd tänzelte nervös unter ihm auf dem steinigen Grund hin und her.


    “Oh Juppiter, sei meiner Tochter gnädig und verschone sie vor der Gewalt Deiner Macht! Ich werde Dir auch zum Dank mit einem blutigen Opfer dienen.“


    Die Worte kamen leise über seine Lippen und wurden von dem immer stärker aufkommenden Wind mitgerissen. Ob es Juppiter gehört hatte? Vielleicht trug der Wind die Worte zu dem höchsten Gott. Marcus öffnete in dem Moment die Augen als in der Ferne ein Blitz in einen Baum einschlug. Das Donnern ließ sogar Marcus schaudern, die Urgewalt des Gottes ließ ihn immer wieder vor Respekt erstarren. Doch dann riß er sich vom Anblick der Sturmfront los. Gerade wollte er sich umwenden, um einige Worte an Aquilius zu richten, als sein Pferd einen schnellen Satz nach vorne machte. Wiehernd bockte sein Pferd. Knurrend griff Marcus fester nach den Zügeln und versuchte seinen störrischen Hengst zu bändigen. Es gelang! Mit einem Kopfnicken deutete er Aquilius einen Pfad zu folgen, tiefer in die Berge hinein.

    Die Hufen klapperten laut auf dem steinigen Untergrund. Doch das Donnern des Unwetters und das Wogen der Bäume durch den zerrenden Wind übertönten das Klappern. Auch das Rasseln von Marcus Rüstung erschien nicht mehr so laut oder das immer wieder kehrende Wiehern seines Pferdes. Der Himmel wurde immer düsterer und die Sonne von den dunklen Wolken verschluckt, bis es schon Abend zu sein schien. Und dann trommelten die ersten Regentropfen herunter und wieder ein Blitz, der wie ein zackiger Speer des Juppiters vom Himmel herunter donnerte und einen Baum in der Nähe in zwei Hälften spaltete. Der Wind zerrte an Marcus Haaren und an seinem Umhang, der hinter ihm flatterte. Das Grollen des Donners, wie von einem Untier, wurde immer lauter.


    „Ich hoffe, die Beiden sind umgedreht...!“


    Marcus schrie das gegen den Wind und wandte sich um zu Aquilius. Verblüfft riss er an den Zügeln und sah sich suchend um. Der Wald um ihn herum rauschte zornig und die Bäume knarrten bedrohlich. Doch Aquilius war nicht mehr zu sehen.


    “Caius! Bei der Faust von Mars...wo bist Du? Caius!“


    Keiner antwortete ihm, außer ein Blitz und ein Donnern, der erst die Dunkelheit auseinander riß und dann den Wald mit einem ohrenbetäubenden Dröhnen erfüllte. Sein Begleiter und Mithelfer beim Suchen war verschwunden. Marcus ritt etwas zurück, doch er konnte ihn nicht mehr ausmachen. Und das Unwetter wurde immer schlimmer um ihn herum. Ein riesiger Baum knackste laut auf und rauschte. Dann wurde er von einer heftigen Windböe gepackt und entwurzelt. Der mächtige Stamm sauste herunter und direkt auf Marcus zu....




    Edit: Zeitangabe geändert...

    Marcus musterte kurz den Brei von Priscus. Das war ja auch keine Gerste. Herrje, warum hatte er als einziger Gerstenbrei? Marcus zuckte mit der Schulter und grüßte Priscus mit einem gutmütigen, freundlichen Lächeln und einem leichten Kopfnicken. Als Priscus ihn jedoch auf die Ausbildung ansprach wurde das Lächeln etwas weniger breit. Marcus stocherte in dem Brei herum und zuckte mit der Schulter.


    „Salve! Die Probati? Die Meisten sind ganz brauchbar. Ahala zum Beispiel macht sich ganz gut. Ich denke, daß der Caecilier bestimmt ein guter Soldat werden wird. Bei dem, wo ich noch am verzweifeln bin, ist der Aurelier. Aber ich kenne ihn noch nicht sonderlich gut. Das wird sich zeigen. Hauptsache er legt mal seinen patrizischen Hochmut, der hier völlig fehl am Platz ist, ab.“


    Noch ein Löffel wurde gegessen und Marcus gab es endgültig auf. Zwar hatte er Hunger, ausbilden war nicht gerade unanstrengend, aber der Brei war unerträglich. Er schob ihn zur Seite und stützte sich mit seinen Ellbogen auf dem Holztisch ab.


    „Du hast ihn doch mit den anderen Probati in seiner Gruppe ausgebildet, nicht wahr? Was hältst Du von ihm? Und worin hast Du diese Probati schon trainiert?“

    Marcus musterte den Probatus eine Weile lang stumm. Seinen Optiostab drehte er langsam hinter seinem Rücken im Kreis. Einziges Zeichen seiner -nennen wir es vielleicht: "Überraschung" war das Hochwandern seiner Augenbrauen. Sein Blick schweifte über die Probati und durchbohrte den ein oder anderen Soldaten, der eine Regung zeigte. Dann wandte er sich wieder an den Aurelier. Da die Probati zusammen ausgebildet worden waren, war dieser ein guter Maßstab für ihren Ausbildungsstand. Marcus trat einen Schritt näher an ihn heran. Fast mit gelangweilter und sehr leiser Stimme waren seine nächsten Worte an den Probatus gerichtet.


    „Du bist Probatus, Aurelius. Es ist mir völlig egal, ob Du glaubst, Du und Deine Familie seid etwas Besseres. Hier in der Legion bist Du auch nur ein Soldat wie jeder Plebejer, wie jeder armer Schlucker aus der dreckigen Gosse der Subura. Erst wenn Du Centurio oder Tribun bist kannst Du Dich wieder darauf besinnen. Bis dahin will ich nichts von „Wir Aurelier“ hören. Hast Du mich verstanden? Jeder Soldat hat die Pflicht immer besser zu werden und dem Imperator und dem römischen Volk mit seiner ganzen Kraft und darüber hinaus zu dienen. Egal aus welchem Stand er kommt!“


    Marcus trat einen Schritt zurück und zum ersten Mal in seiner Soldatenzeit konnte er Plautius erste Reaktion damals in Germania verstehen. Marcus Gesicht wurde jedoch gleich wieder gnädiger und er ließ wieder seinen Stab gegen die Rüstung klacken. Mit seinem Kinn deutete er auf einen Holzpfahl am Rand.


    „Wenn Du in der Waffenausbildung versiert bist, dann zeige mir das doch! Geh zum Pfahl und beweise, was Du in deiner bisherigen Ausbildung gelernt hast. Persequi! Ante!“

    Seine Wachsvenus auf der Tabula wuchs, doch dann redete der Präfekt schon wie ein Wasserfall weiter. Noch nicht mal bis zu den Brüsten kam Marcus, sondern er versuchte schnell das Ggesagte niederzuschreiben. Doch er kam einfach nicht mit. Vieles von dem bekam er auch nur halb mit, weil er versuchte alles zu behalten, genauso erfolglos. Bei der Erwähnung seiner Mutter hob er jedoch seinen Blick und sah Plautius verwirrt an. Seine Mutter, Agrippina, hatte sich an den Präfekten gewandt? Ausgeschlossen! Seine Mutter dachte viel zu sehr in Standesdingen zu streng als daß sie einen Plebejer da einbezogen hätte. Beruhigter, denn wenn seine Mutter darüber verärgert wäre, würde es ihn schon besorgen, kritzelte er die weitere Besprechung weiter. Natürlich hätte er schon längst mal wieder schreiben können, aber wie, wenn man keinen Schreibklaven hatte? So wie er hier einen gebrauchen könnte. Marcus Verzweiflung wuchs. Doch immerhin betrafen ihn die meisten Punkte nicht. Das mit den Pferden kritzelte er grob mit den Worten: „Pferdekauf eventuell nötig. Gestüt in Italia finden“ nieder. Dabei fiel ihm ein, daß seine Mutter hier in Mantua mal bei einer Aurelia ein Pferd erworben hatte. Aber Marcus hatte kein Grund das zu erwähnen.


    Wintervorräte! Theater...dazu hatte Marcus wenig zu sagen. Auch nicht zum Bau eines neuen Stalles oder zum Thema Handwerk. Marcus konnte keines und gedachte auch nicht, sich für so was freiwillig zu melden. Was würde da seine Verwandten denken? Nein, ausgeschlossen. Bei der letzten Frage und dem Manöver hob Marcus jedoch wieder seinen Blick von seinen miserablen Kritzeleien auf. Gedanken zum Manöver machen? Hm...da würde ihm vielleicht doch einiges einfallen, aber das würde er erst mit seinem Centurio besprechen wollen. Doch was anderes kam ihm in den Sinn.


    “Präfekt, wie sieht es eigentlich mit kleineren Patroullien in der Umgebung aus? Ich hörte, daß in letzter Zeit immer mal wieder kleinere Räuberbanden aufgetaucht sind! Sollen wir da etwas unternehmen?“


    Daß er die Gerüchte im Lupanar und der Taberna aufgeschnappt hatte, wollte er natürlich nicht laut verkünden. Aber gerade dort fand man immer wieder interessantes heraus.

    Es dauerte ein wenig bis sich Marcus an das helle Sonnenlicht gewöhnt hatte. Langsam, aber stetig schritten die Soldaten mit dem schweren Sarg auf den Schultern weiter. So kamen sie zu der ersten breiten Lagergasse. Zufrieden nahm Marcus die Anwesenheit der Reiterei zur Kenntnis und ihr prunkvolles Erscheinen und auch die Soldaten der zweiten Centurie mit den erhobenen Waffen. Somit waren doch mehr seiner Bitte nachgekommen als Marcus geglaubt hatte. Aus dem Lagerraum schritten drei großgewachsene Männer, die hölzerne Masken auf dem Gesicht trugen. Sie waren alle drei recht breitschultrig und trugen Lederrüstungen, die übertrieben ausgeprägte Muskelarbeiten im Leder aufwiesen, darüber Helme wie sie die Hopliten in Griechenland getragen hatten. So schritten sie mit dem Sarg, die Lagergasse entlang, an der Principa vorbei und auf den Exzerzierplatz zu. Dort umrundete Marcus mit den anderen Soldaten den Platz. Der Sarg wurde immer schwerer und der Schweiß floß über seine Rücken.


    Es war nicht das erste Mal, daß Marcus den Befehl des Tribuns verfluchte. Doch daran änderte jetzt nichts und sie kehrten wieder zu dem Platz vor der Principa zurück. Auf einer schnell improvisierten Erhöhung wurde der Sarg abgestellt. Marcus seufzte erleichtert auf als das schwere Ding von seiner Schulter herunter kam und er knetete sich seine steinharten Muskeln dort. Für einen Moment blieb er einfach nur ruhig stehen und sah auf die Männer, die dem Zug gefolgt war. Herrje, jetzt sollte Marcus wohl doch ein paar Worte sagen? Es ging wohl nichts daran vorbei. Zwar hatte er Dutzende von Soldaten befragt und jeder kannte den Medicus irgendwie, dann jedoch nicht so richtig. Beklommen kletterte Marcus auf die Anhöhe. Öffentliche Reden, die nicht von seinem Sklaven geschrieben worden waren, machten ihn immer sehr nervös. Rethorikausbildung hin oder her. Seine Hände wurden schnell schweißig und sein Rücken heiß und kalt gleichzeitig.


    Milites, commillitones, ich danke euch, daß ihr heute hierher gekommen seid und dem Medicus, Gaius Graecus, zu seiner letzten Ruhe geleitet. Ruhe? Nun vielleicht ist es doch zu bezweifeln, das Graecus sein elysisches Leben in Ruhe verbringen wird. So lebenslustig und munter wie er im Leben war, wird er das im Jenseits sicherlich mit einigen hübschen Mädchen fortsetzen...!“


    In dem Moment schoß Marcus der Gedanke durch den Kopf, daß der Mann Grieche war. Und man wußte doch, was Griechen lieber trieben. Das brachte Marcus etwas aus dem Konzept. Er biß sich kurz auf die Unterlippe und schwieg für einen Moment ehe ihm die nächsten Worte seiner äußerst mühsamen zusammengeklaubten Rede einfielen. Für eloquent hielt er sie nicht, aber das waren immerhin Soldaten vor ihm und keine Rostrazuhörer.


    „...Für viele war Graecus ein guter Kamerad und einige werden ihn sicherlich vermissen. Seine unnachahmliche Art die kranken Soldaten zu behandeln wird genauso fehlen werden. Doch sicherlich werden auch die Götter auf seine Verdienste mit wohlwollendem Blick sehen und ihm ein anständiges jenseitiges Leben geben. Er hat es sich hier mit seinem langjährigen Dienst verdient. Davon können einige Soldaten bezeugen, die heute noch unter uns weilen und sonst selber schon in Plutos Reich auf ihn warten würden.“


    Marcus stockte. Ein Soldat hatte ihm erzählt, daß der Medicus oft besoffen gewesen war und wer weiß, wie viele dem Medicus deswegen unter der Hand weggestorben waren. Was Marcus von ihm gehört hatte, ließ ihn nicht begeisterter sein. Aber das war ja nun vorbei und einem Toten sollte man nichts Schlechtes hinter her sagen. Was wollte er noch sagen? Hatte er alles Wichtige gesagt? Er hatte es vergessen. Etwas grübelnd wollte er sich schon am Nacken kratzen, Ausdruck seiner Ratlosigkeit, beherrschte sich jedoch im letzten Moment. Stattdessen sah er zu den Soldaten.


    “Ja, will sonst noch jemand was sagen?“

    Gerstenbrei, jeden Tag Gerstenbrei. Mißmutig starrte Marcus auf seinen Napf mit dem unappetitlichen braunen Etwas und seufzte schicksalsergeben. Aus unerfindlichem Grunde bekam er seit einigen Tagen die Rationen für diese Pampe vorgesetzt. Ob es mit der Nahrung knapp wurde? Im Herbst...? Da fiel man doch auf Dauer vom Fleisch. Marcus kam sich schon ganz mager vor und beschloß in dem Moment am Abend einen kleinen Ausflug in die Stadt zu machen, um noch etwas Ordentliches in den Magen und vielleicht auch unter sich zu bekommen. Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und er stützte sich auf seinem Ellbogen ab und sah über die Tischplatte hinweg zu den anderen Soldaten, die die zubereitete Ration doch eindeutig begeisterter löffelten. Seltsam, die aßen ja was ganz anderes? Marcus ließ seinen Löffel in dem Napf kreisen und stocherte lustlos darin herum. Zwischendrin spähte er in der Centurie herum, als er doch ein bekanntes Gesicht ausmachte.


    „Ah, Optio! Setz Dich doch hierher!“


    Er winkte mit dem Löffel zu Priscus und deutete auf dem freien Hocker ihm gegenüber.

    Seine Nackenhaare richteten sich auf. Irgendwas stimmte doch nicht! Marcus Instinkte waren weitaus besser als sein Geist. Ehe dieser- sein Verstand- sich erklären konnte warum, hatte Marcus sein Gladius ein Stückchen aus der Schwertscheide gezogen. Er nickte Ahala andeutungsweise zu und deutete ihm mit einer schweigenden Handgeste ihm zu folgen. Lucullus und zwei weiteren Soldaten, Garbus und Castus, bedeutete er jedoch zu warten. Langsam, den Fuß leise vor dem Anderen setzend, schlich Marcus in die Lagergasse hinein. Sein Atem ging gepresst und fast lautlos, während er sich bemühte mit seiner Rüstung keinen Laut von sich zu geben. Das war natürlich nicht allzu einfach. Die Dunkelheit der Lagergasse verschluckte ihn als er den Kreis des Fackelscheins verließ. Es erschien ihm unendlich langsam, wie er sich dort vorarbeitete. In Wirklichkeit waren es jedoch nur einige Herzschläge, die er brauchte um in die Lagergasse tiefer einzutauchen. Da stieß sein Fuß gegen etwas Hartes. In der Dunkelheit, an die sich seine Augen nur langsam gewöhnten, hatte er die Scuta nicht ausmachen können.


    Schnell sah er zu Ahala und deutete auf den Boden. Dann bückte sich Marcus und griff nach dem dort liegenden Gegenstand. Ein Schild? Bei Mars gnadenloser Ferse, was machte ein Schild hier? Ob ein Soldat überwältigt wurde? Ratlos sah sich Marcus um. Ob die Geräusche von dem gekommen waren. Doch seine Augen machten keine reglose Gestalt in der Gasse aus. Er blieb stehen und sah fragend zu Ahala, dessen Ausdruck er in der Dunkelheit natürlich nicht erkennen konnte. Marcus erstarrte und lauschte erneut. Doch nur das Knarren seiner Rüstung bei jedem Atemzug war zu vernehmen. Dann hörte er Stimmen. Sein Blick ging nach oben in Richtung des Daches. Da! Das war jemand und schien wohl in das Tribunenhaus eindringen zu wollen. Wer darin nächtigte, hatte Marcus keine Ahnung. Aber er winkte Ahala an sich heran und beugte sich vor.


    „Castus soll eine Handvoll Männer holen. Du, Garbus und Lucullus kommt durch den Vordereingang in das Haus. Lasst euch nicht auftrennen. Und Du hast das Sagen unter euch dreien. Los, lauf, Caecilius!“


    Marcus schaute ihm nicht mehr hinter her, sondern näherte sich der Mauer. Den Optiostab legte er neben eine Regenrinne, ließ sein Gladius in seine Schwerscheide zurücksacken und griff nach einem Vorsprung. Schnell zog er sich nach oben und kletterte dann doch etwas mühsam, aber erstaunlich behände für seine Größe, hoch. Am Dachsims spähte er vorsichtig auf das Dach. Als er dort niemanden mehr sah, zog er sich auf das Dach. Einen Herzschlag verschnaufte er, dann kroch er langsam über das Ziegeldach hinweg und die Öffnung zum Atrium zu. Gerade noch sah er Gestalten, die in den Gängen von dem Haus verschwand. Einen Atemzug wartete Marcus, dann ließ er sich ebenfalls von dem Dach hinuntergleiten und landete federnd, leider nicht völlig lautlos wegen seiner Rüstung, auf dem Boden. Da Marcus nicht nachdenken musste, darin hätte er sicherlich schon versagt, reagierte einfach sein Körper. Schnell duckte er sich an eine Säule und wartete nicht mal einen Moment ehe er den Gestalten folgte. Hätte er nachgedacht, wäre ihm vielleicht der Gedanke gekommen, wie unklug es sein könnte, alleine einigen Eindringlingen zu folgen...


    DAS LETZTE GELEIT FÜR EINEN KAMERADEN




    Jeder Soldat ist dazu angehalten, dem toten Medicus, Gaius Graecus, bei der Beisetzung und der Verbrennung seines toten Körpers die letzte Ehre zu erweisen. Kommt zahlreich und macht es unserem Kameraden einfach, die Hallen Plutos leichter zu finden und das Elysium für den letzten Frieden zu zu erlangen.


    Die Beerdigung fängt mit dem Leichenzug durch das Lager statt. Alle Soldaten sind angehalten sich zur surprema * auf dem Platz vor der Principa bis zum Exerzierplatz einzufinden.





    Sim-Off:

    *später Nachmittag


    Einige Stunden nachdem die Nachtwache am toten Körper des toten Medicus verbracht wurde, wurden die Tore zu dem Raum geöffnet. Einige Soldaten, in Paraderüstung, standen schon bereit. Sie waren ausdrücklich hier herbefohlen worden waren, um als Sargträger zu dienen. Auch Marcus war früh erschienen, nachdem er nur einige Stunden Schlaf gefunden hatte. Die Tortour des morgendlichen Rasierens hatte er schnell hinter sich gebracht und stand nun auch mit seiner Paraderüstung bereit. Den Helm mit dem Helmbusch trug er noch unter dem Arm. Einer der Pollinctores verließ das geöffnete Lagerhaus, Ort der Nachtwache, und nickte Marcus zu.


    „Es ist alles bereit, Herr. Die Musikanten sind eingetroffen und auch die Mimen für die Masken.“


    Marcus sah ihn etwas verwundert an und versuchte in das Innere des Hauses zu spähen, doch die Sonne stand ihm strahlend ins Gesicht und blendete ihn zu sehr.


    „Was für Mimen und Masken?“


    Der Angestellte des Bestattungsunternehmens verbeugte sich fast zu sehr unterwürfig und spähte mit gesenktem Kopf zu Marcus hoch.


    “Wir haben ein paar griechische Heroen genommen, Herr. Da kann man bei einem Griechischstämmigen gar nicht falsch liegen. Die leiten sich doch alle von Hector, Hercules oder Achilles ab.“


    Marcus kratzte sich mit der freien Hand am Nacken und sah noch mal ratlos in die Richtung, wo er den Sarg vermutete.


    „Tun sie das? Ja, dann!“


    Er winkte den Soldaten zu und diese folgten ihm in das Innere. Dabei setzte er sich den Helm auf und befestigte ihn mit dem ledernen Riemen. Sie gingen auf den hölzernen Sarg zu, der auf dem ehemaligen Paradebett stand. Der Deckel des Sarges war verschlossen und Marcus sehr froh darum. Daß er da einen Toten mit auf seiner Schulter trug, behagte dem doch recht abergläubischen Marcus überhaupt nicht. Er ging in die Knie und unter die Holzstangen, auf dem der Sarg ruhte. Die anderen Soldaten folgten seinem Beispiel.


    „Unio, duo, tres, elatus!“


    Die Soldaten richteten sich auf und der Sarg wurde in die Höhe gehoben.


    „Aequatis passibus! Ante!“


    Die Soldaten gingen auf das grelle Licht der Nachmittagssonne zu und traten aus der Lagerhalle heraus. Ihnen folgte der kleine Troß von Mimen und Musikanten. Marcus trat ins Sonnenlicht, blinzelte ein paar Mal und hoffte, daß die meisten Soldaten schon draußen zum Leichenzug angetreten waren.

    Und eine Überraschung erwartete die Probati dieser Ausbildungseinheit am nächsten Morgen. Der Morgen graute kühl und die Vögel waren schon sehr viel früher wach und am Rande des Exzerzierplatzes versammelt als die Probati gnadenlos aus ihren Betten geholt und zum Übungsplatz getrieben wurden. Auf dem Platz stand jedoch nicht der Optio vom Vortag, Flavius Aristides, sondern ein bärbeißiger alter Soldat. Sein Gesicht war vom Wetter und dem langen Dienst in der Legion gezeichnet. Eine gezackte Narbe, wohl nicht von einem Gladius, sondern von einer barbarischen Waffe, zierte seine rechte Wange und Stirnseite. Sie gab dem alten Mann ein grimmiges Äußeres und seine hellen, wasserfarbenen Augen sahen den Probati schmal verengt entgegen.


    in aciem venite! salutate, milites


    Der alte Mann ging vor den Probati auf und ab. Sein rechtes Bein setzte er immer vorsichtig auf und hinkte dadurch leicht. Trotzdem wirkte er immer noch gestählt und voll der Kampeskraft. Eher wie ein alter Tiger schien er so, wie er leicht bedrohlich die Probati musterte.


    „Ich bin Optio Mutius Balbus. Da euer vorherige Ausbilder zur Zeit in Rom ist, Urlaub, werde ich euch in den nächsten Wochen trainieren, bis er wieder zurück ist. Ich hörte, ihr wurdet schon in die Kunst des Gladius eingeführt. Ich möchte sehen, wie gut ihr schon seid. Zwei Freiwillige vortreten und zeigt, was ihr gestern gelernt habt. Los, wir haben nicht den ganzen Morgen Zeit!“

    Klack, klack! Langsam schlug Marcus mit seinem Optiostab gegen die lorica segmentata, die er trug. Langsam wandte er sich um und musterte den Aurelier lange und sehr ernst. Seine linke Augenbraue zuckte kurz. Mit dem letzten Aurelier, mit dem Marcus Kontakt hatte, konnte er keine guten Erfahrungen sammeln. Es sollte sich wohl zeigen, aus welchem Schlag dieser gemacht war, dachte sich Marcus.


    „Nun, Probatus, wie würdest Du den Stand Deiner Ausbildung und Deiner Kampffähigkeiten einschätzen?“


    Klack, klack! Marcus spielte weiter mit seinem Optiostab und sah zwischendrin zu den anderen Probati und ob sie ihre Haltung während seiner kleinen ‚Befragung’ beibehielten.

    Ständig im Dienst betrunken? Hach je, das war ja was! Wie sollte man da eine gescheite Lobeshymne auf den Verstorbenen schreiben? Irgendwie konnte er den Griechen jedoch verstehen. Marcus nickte und rutschte dabei auf dem Hocker hin und her. Die Wache hatte gerade erst angefangen und schon war ihm der Stuhl unbequem. Doch relativ zufrieden nahm Marcus hin, daß immer mehr der Soldaten auftauchten, kurz beim Toten stehen blieben oder auch sich an die Seite des Totenbettes setzten. Pling, pling, das Jammern ging wieder los, professionell und sehr wehleidig. Der Weihrauch vernebelte schnell den Raum und auch Marcus Sinne. Die Zeit verstrich und auch die Totenwache. Etwas später nickte Marcus sogar kurz mal ein. Als er aufwachte, sah er sich verstohlen um. Ob er wohl geschnarcht hatte? Er rieb sich den Nacken und hoffte, daß dem nicht so war. Einige Stunden später mußte auch Marcus für einige Zeit die Leichenwache verlassen. Erst spät in der Nacht kam er wieder zurück und harrte selber noch ein paar Stunden dort aus. Am nächsten Morgen war die Leichenwache vorbei. Das Begräbnis sollte an dem Tag durchgeführt werden.

    „Sehr gut, Probatus. Dann mitkommen. Wir suchen ebenfalls!“


    Marcus wandte sich an den Rest der Wachmannschaft am Tor und nickte ihnen zu.


    „Also, Stellung halten und besonders wachsam sein.“


    Die Männer nickten und nahmen die vorherigen Positionen von Marcus und den beiden Probati mit ein. Dabei spähten sie nach draußen, aber auch nach drinnen. Die Gefahr konnte ja auch nun von der anderen Seite kommen. Marcus nickte Ahala und Lucullus (SimOFF: Nehmen wir ihn mal mit) zu und marschierte von der Porta Praetoria in das Lagerinnere. Wo und nach wem sie suchen mussten, war Marcus völlig schleierhaft. Sehr mysteriös, was dort passierte. Das mußte wirklich ein Scherz der „Stadtjugend“ sein, vermutete Marcus. Oder Saboteure und ähnliches. Vielleicht auch noch was viel Übleres. Grübelnd schritt Marcus die Via entlang, die direkt an den Tribunenunterkünften vorbei ging. Immer mal wieder warf er einen Blick in die Seitengassen. Seine Hand lag dabei auch an dem Griff seines Gladius. Direkt bei den Tribunenhäusern angekommen blieb Marcus unvermittelt stehen. War da nicht etwas gewesen? Marcus blieb stehen und lauschte...