Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Es war auch der erste Tag, daß Marcus mit dem Optiostab herum lief. Aber für die Ausbildung war er durchaus praktisch. Marcus verschränkte die Hände hinter dem Rücken und hielt in beiden Händen den Stab, dabei hörte er dem Centurio zu und nickte ein oder zwei Mal.


    „Verstanden, Centurio!“


    War Marcus unruhig wegen der neuen Aufgabe? Eigentlich weniger. So wollte er schon mit seiner Arbeit beginnen, wandte jedoch seinen Blick Avitus zu um seinen letzten Kommentar mit einem Nicken zu erwidern.


    “Vollkommen klar, Centurio!“


    Marcus unterdrückte ein Schmunzeln. Ernst sah er zu den Probati und ging an ihrer Reihe auf und ab. Prüfend musterte er die Männer und ihre Erscheinung. Das waren also eine der beiden Gruppen von jungen Probati, die er unterrichten sollte. Und wie er vorher in den Akten gelesen hatte, damit war Marcus in den letzten Wochen schließlich genug gequält worden, sollte wohl ein Aurelier unter ihnen sein. Wer das war, wußte Marcus jedoch nicht. Drum musterte er alle Soldaten gleichermaßen mit Argus Auge. So blieb er auch einen Moment vor Galerianus stehen, ging dann jedoch weiter um noch zwei weitere Probati in Augenschein zu nehmen. Dann blieb er stehen.


    „Probatus Aurelius? Progredi!“[Vortreten]

    Der Soldat nickte, salutierte noch mal vor dem Primus Pilus, dem ersten Centurio der Legion und wandte sich um. Zu dumm, daß das Würfelspielen so gefährlich geworden war am Eingang. Aber nach der letzten Wachkontrolle war den meisten Soldaten dort das Würfeln vergangen. So verließ der Wachsoldat, etwas griesgrämmig schauend, das Gebäude und ging zum Tor zurück.

    Zufrieden nickte Marcus und dachte noch mal scharf darüber nach, ob noch eine Formalität gemacht werden musste? Ausrüstung hatte er, Fahneneid auch, Lucullus wußte, wo er das Essen bekam, zur Ausbildung würde er schon noch gerufen werden. Ah, da war noch was ganz wichtiges.


    “Die Latrinen sind einige Schritte hinter der Unterkunft. Gleich durch die Tür und an den Unterkünften der 3. und 4. Kohorte vorbei. Sonst wünsche ich Dir Fortunas Segen bei Deiner Ausbildung und das Wohlwollen von Mars. Aber ich bin sicher, Du schaffst das schon. Nur nicht den Mut verlieren, Probatus. Zähne zusammen beißen und durch. Der Anfang ist der schwierigste Teil. Vale, Probatus!“


    Marcus nickte dem Probatus gutmütig lächelnd zu und wandte sich um. So verließ Marcus wieder die Unterkunft und überließ nun den Probatus sich selber.

    Titus Crassus nahm auf dem hohen Bündel mit Winterumhängen Platz und verschränkte vor seiner Brust die Arme. Auch Marcus setzte sich, in dem er sich auf einer der Holzkisten hoch zog. Beide musterten die Verstauung der Sachen durch Ahala genau. Immer mal wieder lachte Crassus gut gelaunt auf und nickte dem Optio zu.


    „Haha...so was kommt mir selten unter die Augen. Schon richtig routiniert der Probatus!“


    Zustimmend nickte Marcus und sah sich ab und an auch in der Ausrüstungskammer um. Die Sachen verschwanden in dem Leinensack, die Tragestange wurde weiter beladen. Marcus kratzte sich am Nacken und hob fragend die Augenbrauen als der Probatus wohl die Vorteile des Schildes für den Marsch nicht erkannte. Aber das war nur ein kleines Detail. Marcus fand durchaus, daß der Probatus für das erste Mal das ziemlich gut gemacht hatte. Auch schien er mit den einzelnen Gegenständen durchaus etwas anfangen zu können. Gerade wollte Marcus von der Kiste herunterrutschen als auch schon Crassus sich ächzend erhob. Er trat auf den Probatus zu und nahm Marcus die Arbeit damit ab.


    „Also gut, mein Junge. Das war schon sehr hervorragend. Gib es zu, Du hast schon heimlich geübt, nicht wahr? Haha...aber das mit dem Scutum ist etwas unpraktisch so. So hältst Du keinen Tag marschieren aus. Komm, gib mir mal die Sachen. Du nimmst das Schild an den Riemen und legst Dir je einen um die Schultern. So trägst du das schwere Teil gut auf dem Rücken. Dann nimmst du das Tragekreuz. Siehst Du, Du kannst die obere Querstange auf den Schildrand legen, da oben! Und schon hast Du das gesamte Gepäck auf dem Rücken. So kannst Du den ganzen Tag laufen.“


    Crassus hatte Ahala das Schild abgenommen und sich mit den zwei Trageriemen auf die Schulter geschnallt, dann nahm er die furca und legte sie auf die Kante des oberen Schildrandes. Fröhlich lächelnd, er hatte so ulkige Grübchen in seinen dicken Wangen, nickte er und legte alles vorsichtig wieder ab.


    „Und jetzt kommen wir mal zu Deiner Rüstung. So in die vier Einzelteile zerlegt kannst Du die lorcia segmentata niemals alleine anziehen. Schau genau zu. Du befestigst die Riemen zusammen, an den Seitenteilen und am Rücken und auch die ganzen Schnallen..mooommment...so...und...so. Jetzt ist es nur noch vorne offen. Jetzt kannst Du die Rüstung wie eine Weste überstreifen...so...und dann mit der Hand vorne zu machen. Stell Dir vor, Du würdest Dich jeden Tag in die Rüstung einkleiden müssen. Da hilft Dir doch keiner. Außerdem musst Du auch schnell im Notfall Deine Rüstung loswerden können. Nimm mal an, Du kämpfst direkt neben einem Fluß und fällst hinein. Das Gewicht würde Dich sofort unter Wasser ziehen und Du hättest, trotz Schwimmkünste...kannst Du Schwimmen?...nun ja, Du würdest absaufen wie eine Ratte. Aber so machst Du die Riemen auf und schon bist Du aus der Rüstung draußen. Alles klar?“


    Crassus hatte ihm das genau vorgemacht, wie er die Riemen verschnüren musste und dann hatte er die Rüstung übergezogen. Vorne hätte er sie niemals zubekommen. Sein dicker Bauch quoll zwischen der Lücke hervor. Anschließend zog er die Rüstung wieder aus und reichte sie, zusammen geschnürt Ahala. Marcus beobachtete das Ganze und hielt sich dezent im Hintergrund.

    Ein wenig schaudernd und vor sich nachdenkend lehnte Marcus gegen die Holzwand des Ganges. Durch ein schmales Fenster spähte der Optio nach draußen und sah in Richtung Stadt. Er haßte es mit Leichen beschäftigt zu sein und mit Totenzeremonien. Es erinnerte ihn oft an die Unterwelt und seitdem seine Amme ihm Geschichten darüber erzählt hatte, musste er bei den Gedanken an die Daimonen der Unterwelt immer schaudern. Selbst als Vater und erwachsener Mann. Natürlich ließ er sich das nicht anmerken. Als er Schritte hörte, richtete sich Marcus auf und sah dem Optio entgegen. Der Probatus war jedoch nicht dabei. Resigniert seufzte Marcus auf, vielleicht sollte er mit Avitus ein Wörtchen über den Probatus wechseln. Doch bei den Worten von Priscus hatte Marcus den Vorsatz schon wieder vergessen.


    „Salve, Kamerad! Ja, in der Tat. Ich kann Deine Unterstützung brauchen. Du kennst doch sicherlich den alten Medicus, der verstorben ist? Leider gibt es keine Familienangehörigen, aber es ist trotzdem notwendig daß die Conclamatio noch durchgeführt wird. Würdest Du vielleicht ein paar Mal laut seinen Namen neben ihm rufen? Wir wollen doch ganz sicher sein!“


    Marcus lächelte dünn. Amüsieren tat er sich über die ganzen Umstände nicht, schließlich ging es hier um Totenzeremonien. Dabei verging Marcus immer sämtliches Lachen. Aus dem Inneren des Lazaretts schwoll der ominöse Gesang des Priesters an, die Laute wurden immer archaischer und klangen sehr nach etruskischen Lauten. Marcus schien darüber jedoch nicht sehr besorgt zu sein. Stattdessen winkte er einen der Soldaten heran. Der salutierte zügig vor Marcus und Priscus.


    „Hast Du den Medicus gekannt?“


    Der Soldat spähte in den Raum hinein, schien etwas unschlüssig zu sein. Aber dann nickte er.


    „Ja, Optio!“


    Marcus lächelte kurz, wurde jedoch sofort wieder ernst.


    „Gut, dann geh schon hinein. Du wirst ebenfalls dran teilnehmen! Bereit dazu, Optio?“


    Marcus sah mit fragendem Ausdruck zu Priscus und hoffte inständig, dass dieser es nicht ablehnen würde.

    Jetzt war Marcus sich ziemlich sicher, dass er vielleicht doch was falsch gemacht hatte! Denn es mußte ein schlechtes Zeichen sein, daß der Kaiser so schweigsam wurde. Ob er einen wunden Punkt mit seinen Fragen aufgerüttelt hatte? Eigentlich war Marcus nicht ein Mann, der sich viele Gedanken über so was machte, aber schließlich stand er nicht vor irgend jemanden, sondern dem Kaiser. Ob er sich entschuldigen sollte? Herrje, Marcus wußte noch nicht mal wofür. Vielleicht war es ja auch was ganz anderes. Und das überforderte Marcus in der ganzen Komplexität viel zu sehr. So schwieg Marcus, während der Kaiser auch schweigend wartet. Marcus richtete sich wieder ganz auf, denn ganz kurz waren die Schultern ein wenig herunter gesackt. Fragend, ob der Kaiser noch etwas von ihm wünschte oder gar zu seiner ursprünglichen Frage sich äußerte, wartete Marcus ruhig.

    Den Optiostab in der Hand marschierte Marcus auf den Exerzierplatz zu und dann zu den Probati und Centurio Artorius Avitus. Bevor er aufgebrochen war, hatte Marcus schnell noch ein Mahl eingenommen. Man wollte doch nicht mit Magengrummeln bei der neuen Aufgabe erscheinen. Bei seinem Centurio angekommen, salutierte Marcus. Faust gegen die Brust geschlagen und dann die rechte Hand zum Gruß ausgestreckt. Schnell huschten seine Augen auch zu den dortigen Probati, doch zuerst wandte er sich nur an den Centurio.


    “Salve, Centurio! Ich wurde seit heute Dir unterstellt und melde mich wie befohlen zur Grundausbildung!“


    Marcus behielt weiter Haltung, ein sehr ernstes Gesicht und sah zu Avitus. Weitere Worte verschwendete Marcus nicht, denn es war nun am Centurio weitere Instruktionen zu erteilen.

    Morgengrauen. Vogelgezwitscher, Sonnenaufgang, das übliche aus dem Bett werfen. Für so manch einen Probatus war das noch eine neue Erfahrung. Marcus gehörte jedoch mit zu den Offizieren, die die Probati an jenem Morgen den süßen Träumen entrissen. Morgenappell und anschließend wurden die Neuen das erste Mal zum Exzerzierplatz geführt, so auch Caecilius Ahala. Marcus hatte sich auch weniger als eine Handvoll von Probati, unter anderem Ahala, geschnappt und war mit ihnen zum hinteren Teil des Ausbildungsplatzes gelaufen. Dort wandte sich Marcus um. Er musterte die jungen Männer, die ungerüstet vor ihm standen. Die heutigen Übungen verlangten das noch nicht und Marcus gehörte nicht zu den übelsten Schindern. Wobei, es war ja seine erste Ausbildung. Wer weiß, wie er sich zeigen würde?!


    „Miles, venite! State!“ [Soldaten, antreten! Stillgestanden!]


    Marcus stand aufrecht vor den Soldaten, hinter seinem Rücken den Optiostab haltend, und musterte die vier Probati, wobei zwischen seinen Augenbrauen sich eine Falte gebildet hatte.

    Nach einer Weile führte Marcus den Probatus, frisch den Eid geschworen, wieder zurück in die Unterkunft. Zufrieden nickte Marcus. Was mußte er noch tun? Dem Probatus das Lager zeigen? Naja, Marcus wußte, daß sonst niemand im Rekrutierungsbüro saß. Also mußte er auch langsam dort wieder hin. Suchend sah er sich um und sah gerade einen Soldaten, der wohl aus der Unterkunft gehen wollte. Doch schwupp, schon war er weg. Marcus seufzte und sah dann zu Lucullus.


    "Also, die Mahlzeiten werden in dem Gebäude gegenüber ausgeteilt. Die Abendration müsste auch bald fertig sein. Dort kannst Du dann hingehen. Willst Du noch das Lager sehen oder Dich lieber etwas ausruhen? Morgen früh beginnt gleich Deine Ausbildung. Ich nehme mal an bei Centurio Artorius."

    "Richtig, Probatus! Und das mit dem Kochen bekommst Du schon noch hin! Haha...!"


    Titus Crassus lachte, klopfte Ahala auf die Schulter und nickte zufrieden. Marcus seufzte und wünschte sich seinen Dienstschluß herbei und endlich die Cena, wenn man den eckelhaften Brei auch nicht wirklich als besonders aussichtsreiches Abendessen betrachten konnte. Aber im Gegensatz zu den Probati, die Ausgangsverbot hatten, konnte Marcus zur Not auch noch in eine Taberna von Mantua gehen. Crassus deutete derweil auf den Haufen vor Ahala.


    "Also Probatus, wie würdest Du das jetzt anziehen und packen, damit Du auch einen ganzen Tag damit marschieren könntest? Zeig es doch mal..."

    Ausdruckslosigkeit! Marcus sah den Präfekten stumm an. Die Worte drangen langsam zu Marcus Geist vor, seine kleinen grauen Helfer durchsuchten die Worte und versuchten den Sinn dahinter zu verstehen. Der Präfekt war gekommen, seine- Marcus Flavius Aristides'- Tochter zu umwerben? Langsam sickerte die Botschaft zu seiner Schaltstelle. Bilder von seiner kleinen Tochter, wie sie mit einigen Kätzchen- ja sie waren seltsamerweise alle sehr schnell tot gewesen- spielte. Seine Tochter, der er noch eine Puppe auf dem Markt kaufen wollte. Sein Sonnenschein wurde von dem Mann, nein diesem Kerl, umworben? Das konnte doch nicht sein. Nein! Bei Marcus heiliger Faust, der Mann mußte sich irren und er meinte gar eine andere Flavia. Vielleicht diese schreckliche Flavia Calpurnia oder so! Marcus schnippte mit den Fingern.


    „Wein! Sofort!“


    Die herrischen Worte zeigten den Unmut von Marcus. Ein Sklave huschte schnell davon und brachte den Wein. Marcus griff nach einem Becher und dachte gar nicht daran, Crassus ebenfalls einen anzubieten. Denn dann würde er ja länger in der Villa bleiben. Seine Träumereien in die kaiserliche Garde einzutreten verflogen jäh und mit einem Schlag. Grimmiger Zorn stieg in Marcus auf. Gleichzeitig mit einer seltsamen Laune heraus, laut loszulachen. Marcus brauchte eine Weile, um den Mann nicht derart tödlich zu beleidigen mit Marcus Abweisung. Seine Tochter umwerben? Das war ja noch schöner. Diese Caecilia, das war doch klar! Haben schon von je her versucht, einen höhren Stand als den Ordo Plebeius anzustreben. War schon in der Republik so gewesen. Marcus Gesicht spiegelte eine Unmenge von Gefühlen wieder, Verblüffung, Unglauben, Amüsement und eine grenzenlose Ablehnung. Sein kleiner Sonnenschein war viel zu jung. Daß sie schon längst im heiratsfähigen Alter war, schien Marcus in keiner Weise bewußt zu sein.


    „Das möchtest Du also?“


    Ein Schluck getrunken, die Beherrschung erringen! Reichte nicht, so leerte Marcus schnell den ganzen Becher. Das tat gut und kühlte die lodernde Wut in seinem Inneren etwas ab. Woher kannte Crassus denn seine Tochter? Kannte Crassus sie überhaupt? Herrje! Er wußte wohl viel weniger von seiner Kleinen als er immer angenommen hatte. Marcus lehnte sich zurück und stützte seinen Arm auf der steinernen Lehne der Marmorbank ab. Seine Wangeknochen mahlten und seine Nasenflügel bebten.


    „Ich bin mir sicher, jeder Pater Familias in Rom und dem Imperium, aus Deinem Stand, würde sich freuen, über einen Werber wie Dich. Du bist Praefectus Praetorio, hast Ansehen und Macht. Mir sind die Vorteile einer solchen Verbindung durchaus klar. Doch möchte ich Dir meine Antwort nicht verschönern oder lange drum herum reden. Nein!“

    Schlag auf Schlag triefen immer mehr Gäste ein. Marcus neigte lächelnd den Kopf und sah Antonia direkt in die Augen. Doch wirklich zum Antworten kam Marcus nicht. Sein Vetter antwortete schneller, er war ja auch cleverer als Marcus und somit geistesgegenwärtig. Marcus hatte ein Korn einer Sanduhr zu lange mit dem Überlegen der Familienverhältnisse gebraucht.


    „Ich freue mich sehr, Dich bald in unserer Familie zu wissen, Claudia. Und mögen die Götter wohlgefällig auf Eure Verbindung sehen. Und sei versichert, Du wirst sehr herzlich bei uns aufgenommen werden!“


    Marcus zwinkerte ihr verschmitzt zu. Gerade so, daß es sonst niemand bemerken sollte. Nun würde sich zeigen, aus was für einem Holz Antonia gemacht war. Zwar würde er auf geschmeidiges Elfenbein tippen, aber er hoffte, sie verstand seine Bemerkung nicht als Unverschämtheit. Zwar ging sie etwas in die Richtung, entsprang aber einfach Marcus herzlichem Wesen und seinem Hang schönen Frauen gerne Komplimente zu vermitteln. Dann trat er etwas zur Seite, denn noch mehr Gäste wollten die Braut und Bräutigam sprechen. Er nickte Gracchus noch mal zu und trat dann zu dem Rest der Familie zurück. Suchend sah sich Marcus nach Milo um. Schon seit dem Familienessen wollte er doch mal in Ruhe mit ihm sprechen. Schließlich hatten die Beiden sich schon ein Weilchen nicht mehr gesehen.

    Erleichtert atmete Marcus leise auf. Es wäre ein wahres Greuel gewesen, wenn Lucilla in aller Zeit in diesem schrecklichen Land, Germania, verschwinden würde. Beruhigt konnte Marcus jedoch weiterhin die Schönheit und ihr einnehmendes Wesen genießen. Gemütlich lag er auf der Kline, genoß die Musik und den wunderbaren Anblick vor sich. Dem Essen widmete er sich kaum, sondern trank nur ab und an von dem Wein.


    „Dann ist das Deine erste Reise nach Germania? Nun, schauderhaft ist das Land nicht. Im Sommer kann es sogar recht lieblich wirken und sehr fruchtbar. Aber wirklich mein Herz konnte das Land nicht für sich gewinnen. Auch sind die Germanen bärbeißige und grobe Menschen und mit wenig Manieren. Siehst Du den jungen Mann dort? Der ist so einer der rebellischen Germanen. Er wird aber noch unsere Kultur schätzen und respektieren lernen...!“


    ...oder sterben!, fügte Marcus in Gedanken an. Bei seinen Worten hatte er mit dem Kinn auf Rutger gedeutet. Dabei fiel Marcus das erste Mal auf, daß der Sklave sich wie ein Gast verhielt und sogar mit so einem blonden Mädchen zu flirten schien. Verblüfft öffnete sich Marcus Mund ein wenig, doch kopfschüttelnd wandte er sich ab. Sollte er nur! Später würde Marcus ihn noch dafür zu recht weisen.


    „Aber Germania ist einfach ein schrecklich langweiliges Land! Ich bin froh, daß ich nach Mantua versetzt wurde. Italia ist doch meine Heimat und es zieht mich immer wieder hier her. Und Fortuna sei Dank, denn sonst hätte ich Dich, Decima Lucilla, nicht kennen lernen dürfen!“


    Marcus grinste breit bei Lucillas letzten Sätzen. Sie schien wohl nur schlechte Erfahrungen mit Soldaten gemacht zu haben. Na ja, bei Plautius und so manchen Anderen traf das ja auch ein wenig zu. Marcus verstand Plautius Humor nur gelegentlich. Er zuckte mit der Schulter.


    „Nun ich bemühe mich redlich, mich von den griesgrämigen Soldaten nicht anstecken zu lassen. Der Postdienst? Wahrscheinlich hast Du den ganzen Tag Liebesbriefe erhalten. Mein Schreibpensum wäre wohl auch rapide in die Höhe geschnellt, wenn ich die Briefe zu Dir hätte bringen können. Um Dich somit öfters sehen zu dürfen...“


    Marcus schmunzelte, sah sie dabei lange an und ließ sich etwas Wein nachschenken. Den Becher stellte er zur Seite, denn er wollte sich nicht so sehr betrinken, daß er wieder in peinliche Reden verfiel. Das passierte ihm manchmal, wenn er berauscht vom Vinum war.


    „Hispania? Und ich dachte immer, die schönsten Frauen kommen von Süditalia. Heute muss ich meine Meinung revidieren. Was führte Dich nach Rom? Und gefällt es Dir hier besser?“

    Ente wäre jetzt schön! Leider stand Marcus Lieblingsspeise nicht auf dem Essensplan des Abends. So begnügte sich Marcus mit lediglich dem Hühnchen und riss von dem Brüstchen ein Stück weißen Fleisches ab und tunkte es ins Garum. Genüßlich und dann doch einigermaßen manierlich verspeiste er es und trank einen tiefen Schluck Wein dazu. Die Blicke der Familienangehörigen entging Marcus völlig. So sah er nur kurz zu seinem Bruder, der ihm selten wie ein Bruder erschien. Milo war mehr Marcus Bruder als Felix. Und Milo stand von der Familie Marcus einfach am nächsten, mal abgesehen von seinen Kindern.


    „Über dies und jenes...die Legio Prima, wie es für die Neuversetzten dort ist. Ob ich sein Klient werde und dann ob ich vielleicht eines Tages zu den Prätorianern gehe. Er hat mir ein Angebot dazu gemacht.“


    Noch ein wenig Fleisch gegessen. Dazwischen riß sich Marcus etwas von dem Brot ab und kaute genüßlich das Hähnchenfleisch. Dabei ließ er seinen Blick schweifen. Was für eine Familie. Und allesamt recht ehrgeizig, hatte Marcus das Gefühl. Und dem war ja auch gut so. Doch trotzdem fühlte sich Marcus dadurch noch mehr bedrängt, Karriere zu machen. Schließlich gehörte er neben Felix zu den Ältesten der Runde und da mußte man doch mit gutem Beispiel voran gehen. Marcus seufzte und ertränkte die Unzufriedenheit darüber im Wein.

    Oh Mars, die Welt war einfach nicht auf die Frau vorbereitet worden und der Mann (im Allgemeinen) insbesondere nicht. Gib mir ein wenig mehr Geduld mit meiner Tochter! Marcus schloß die Augen und schickte das Stoßgebet zum Himmel. Zusammengepressten Lippen öffnete er sie und sah den Sklaven stumm an. Der sah ihm wie ein dummer Vertreter seines Standes aus. Kein Wunder, daß er bei den Pferden gelandet war. Marcus sah sich suchend nach Aquilius um und nickte zufrieden als er den Pferdestall absuchte. Aber irgendwie bezweifelte Marcus, daß Rutger so unauffällig wäre. Schließlich war er durchaus ein großer Mann.


    „Hast Du den Sklaven Rutger gesehen oder meine Tochter Arrecina?“


    Marcus Magen knurrte in dem Moment. Eigentlich hätte er nach dem Öffnen der Briefe sich ein oder zwei Hühnchen schicken lassen, in Wein geschmort und mit Lorbeerblättern. Dazu ein wenig Brot und guten Wein aus Felix privaten Weinkeller. Schließlich war er doch sein Bruder. Der eklatante Mangel an diesen Genüßen verschlechterte Marcus Laune erheblich. Voller Grimm sah er den Sklaven an, ganz so als ob er ihn gleich kreuzigen lassen wollte. Erneut knurrte Marcus Magen und schien wohl genauso seinen Unmut kund zu tun, was Marcus sich in dem Moment eher verkniff.

    Lange zum Grübeln kam Marcus jedoch nicht. In dem Moment kam der Angestellte oder vielleicht auch Sklave wieder in die Eingangshalle zurück. Ihm folgten einige der dort arbeitenden Sklaven und Sklavinnen, die allesamt spärlich bekleidet und wohlgefällig geschmückt waren. Der Sklave verbeugte sich tief vor Marcus und deutete mit einer kunstvollen Handbewegung auf die Reihe der Dargebotenen.


    „Herr, wenn Du bitte Einen oder Eine für Dein Vergnügen auswählen magst?“


    Marcus sah von einer Sklavin zur Nächste. Eine Blonde mit milchzarter Haut und schmalen Hüften. Ihre zarten Schultern umfloß ein halbdurchsichtiges Gewand. Neben ihr stand eine rothaarige Frau, mit zwar etwas groben Gesichtszügen, aber dafür wunderschöner crèmefarbender Haut und einem sehr sinnlichen Körper. Marcus sah über beide Frauen desinteressiert hinweg. Dann kamen endlich die dunkelhaarigen Frauen. Lächelnd begutachtete Marcus eine nach der Anderen und blieb an einer Gestalt hängen. Himmel, das war ja keine Frau! Schnell weiter geschaut und da sah Marcus sie! Schwarz wie die Nacht mit langen dunklen Haaren und vollen sinnlichen Lippen. Sie war sogar noch etwas größer als Marcus, schlank und gazellenhaft. Um ihren Hals trug sie eine prunkvolle Kette aus schwarzen und grauen Steinen, die ein kompleziertes Blumenmuster bildeten, und sonst nur einen elfenbeinernen Lendenschurz.




    Ein zufriedenes Lächeln machte sich bei Marcus breit. Ohne noch die anderen Sklavinnen zu begutachten, deutete er auf die Afrikanerin. Genauso eine Frau wollte er schon seit Monaten wieder haben.


    „Die dort!“


    Der Sklave sah Marcus nicht sehr verblüfft an, sondern klatschte nur in die Hände. Die anderen Sklaven verschwanden so lautlos wie sie hereingetreten waren. Herrisch nickte er der Sklavin zu.


    “Geh und mach Dich für den Herrn bereit.“


    Dann wandte er sich wieder Marcus zu, nachdem die Sklavin durch einen anderen Durchgang verschwand. Marcus Blick folgte ihr und glitt über ihren wohlgeformten und runden kleinen Hintern. Was für eine Frau! Der Sklave verbeugte sich wieder.


    "Herr, leider müssen wir das Finanzielle im Vorfeld klären. Wie lange wollt ihr die Schönheit dort genießen. Kurz oder lieber etwas länger?“


    Marcus sah noch mal dorthin, wo die Frau verschwunden war.


    „Die ganze Nacht!“


    Der Sklave wirkte auch dabei nicht sonderlich erstaunt.


    “Gut, das macht dann lediglich 50 Sesterzen, Herr!“


    Marcus holte seinen Geldbeutel hervor und warf den Lederbeutel ihm zu.


    „Behalte den Rest und bring dafür noch etwas zu Essen, am liebsten Ente und Wein! Wo geht es lang?“


    Der Sklave nickte eifrig und führte Marcus dann aus der Eingangshalle hindurch und durch einen Durchgang in eines der Nebenzimmer. Dort ließ er Marcus allein eintreten. Schummriges Licht schlug Marcus entgegen und wohlduftender Geruch. Ein Lager aus Kissen war in der Mitte bereitet worden, kleine Öllampen mit vulgären Darstellungen und erotische Wandmalereien sollten ihn wohl in Stimmung bringen. Aber der Anblick der schwarzen Frau in dem Zimmer ließen ihn tief und erregt einatmen. Die Frau räkelte sich nackt, und nur noch mit der Kette bekleidet, auf den Kissen und sah Marcus mit ihren dunklen Augen entgegen.

    Zufrieden lächelnd lehnte sich Marcus zurück. Das klang doch alles hervorragend und somit waren Marcus Sorgen und Fragen aus der Welt geräumt. Jetzt freute er sich nur auf die Proben und die ersten Feiertage. Das würde wahrlich erhebend sein, wenn sie mit dem Zug der Salier durch die Stadt zogen und an den Mysterien der Götter teilhaben durften. Und besonders Mars zu ehren war ihm schon seit längerem da ein großes Bedürfnis. Mars ehren? Da war doch etwas gewesen? Ah ja! Marcus beugte sich zu Aquilius vor und flüsterte ihm leise etwas zu.


    „Caius! Ich brauche später noch Deinen priesterlichen Rat. Ich muß noch ein Versprechen gegenüber dem Gott des Krieges einlösen. Ich hab ihm einen Stier versprochen!“


    Vorsichtig spähte Marcus zu den Anderen. Er wollte nicht unbedingt, daß diese von seinen Flüstereien erfuhr, aber auch nicht als sonderbar oder unverschämt gelten. So lehnte er sich schnell wieder zurück und nickte zu dem Claudia und zu seinem anderen Vetter.


    „Wunderbar. Dann kann ja jetzt alles seinen Lauf nehmen und den Proben steht nichts mehr im Weg. Sonst sind von meiner Seite auch keine Fragen mehr!“

    Ein Holzklotz war Marcus nun auch wieder nicht. So merkte er durchaus, daß er vielleicht doch mit seinen Fragen zu weit gegangen war. Oder vielleicht doch nicht? Etwas unschlüssig schwieg Marcus. Gerade war Marcus doch in diese nette Plauderstimmung gekommen, so wußte er nun nicht mehr so recht, was er sagen sollte. Aber die Vorstellung ähnliches in der Legio zu tun, wie der Kaiser in der Vergangenheit, gefiel Marcus sehr. So lächelte er gleich wieder gut gestimmt. Er atmete tief ein und leise wieder aus.


    „Nun, dann werde ich meinen Teil beitragen, daß Du in Zukunft Dich auch weiterhin auf die Legio Prima verlassen kannst, Imperator!“