Ein rotbrauner Hahn stakte in dem Moment in den Stall hinein, stolz und mit aufgeplusterten Federn pickte er nach einigen Körnern auf dem Boden und stolzierte mit seinem prächtigen Hahnenkamm an den beiden Flavia vorbei und unter dem Pferd hindurch. Völlig ohne Angst und Argwohn hüpfte er auf eine Kiste und fing an seine glänzenden Federn zu ordnen. Marcus hörte dem Sklaven ohne Verständnis zu. Rutger und Arrecina....? Gemeinsam auf den Hof...? Wer zum Hades ist Phaidra...? Eine andere Sklavin? Rutger und Arrecina? Der Germane und meine Tochter? Dieser kleine Bastard und mein Goldschatz? Es kam bei Marcus an. Schweigen und Marcus wurde leichenblaß. Seine Hand krallte sich in das Holz einer Pferdebox und er holte scharf Luft. Das konnte nicht sein!! Seine Tochter war bestimmt klug genug, nicht mit einem wildfremden Sklaven irgendwo hinzugehen. Außerdem waren da doch noch ihre eigenen Sklaven. Marcus schluckte, die Frage nach dem Reiten war völlig an ihm vorbei gerauscht. Es war als hätte sich eine eiserne und kalte Faust um sein Herz gelegt. An Aquilius vorbeisehend, sah er zum Hof raus und verließ plötzlich und ohne was zu sagen den Stall.
Schnell schritt er auf einen Sklaven im Hof zu und packte ihn an der Tunika. Er schüttelte ihn ein paar Mal. Der Sklave riß erschrocken die Augen auf, wußte er doch nicht, wie ihm geschah. Marcus brauchte eine Weile, um seine Stimme wieder zu gewinnen. Derweil baumelte der Sklaven eine Handbreit über den Boden und sah zu Tode erschrocken aus.
„Wer...stand heute am Tor?“
Der Sklave schloß erleichtert die Augen. Nicht er war gemeint, vielleicht würde er den heutigen Tag noch mal überleben. Zitternd hob er die Hand und deutete auf einen bulligen Sklaven, den Thraker mit dem geflochtenen Bart. Marcus ließ den Sklaven fallen und wandte sich dem Sklaven zu, der am Hoftor lehnte und scheinbar aufmerksam nach draußen sah. Nur aus der Ferne hörte er noch die leisen Worte des Sklavens.
„Ajax...Dominus!“
Der Tochwächter Ajax hatte heute wahrlich keinen guten Tag gehabt und er sollte nicht besser werden. Es fing damit an, daß er eine schreckliche Schmach vor wenigen Stunden ertragen musste. Ein Mädchen, ein junges Mädchen, hatte ihn, den großen Ajax, tatsächlich Angst eingejagt. Oh bei Zeus und Herkules, was für eine Schande. Wie peinlich! Da halfen ihm seine Geschichten über die sinnliche und verführerische Gloria auch nicht mehr. Obwohl er sie heute gegen eine ganze Horde von römischen Legionären antreten ließ und sie alle nach einander nieder machte, kam immer wieder das Bild der kleinen Flavia vor seinen Augen. "Ich kann natürlich auch meinen Onkel Felix holen“. Was hätte Ajax da anderes tun können? Seine Wut hatte er auch schon an einem anderen Sklaven ausgelassen als dieser ihn blöd anmachte. Doch nun hörte er Schritte sich nähern. Er wandte sich um und sah mit Schrecken, wie ein daimonisch wirkender Marcus auf ihn zutrat, ihn an der Schulter packte und wuchtig gegen die Mauer stieß.
„Hast Du meine Tochter und Rutger heute rausgelassen?“
Marcus Finger krallten sich in den Stoff von Ajax und seine Augen funkelten ihn tödlich und grimmig an. Ajax vergaß das Atmen und sein Hals schnürte sich zu. Bei den Göttern des Olymps, es wäre doch richtig gewesen die Beiden aufzuhalten! Er atmete langsam ein und aus. Was sollte Ajax jetzt tun? Alles abstreiten?
„Ja, Dominus! Sie sind zusammen auf Phaidra ausgeritten! Aus der Stadt hinaus. Sie befahl es mir...Deine Tochter, Dominus! Sie sagte, daß sie es dürfte...! Wie sollte...?“
Weiter kam er nicht, denn Marcus schlug ihm voller Wut und Zorn mit der Faust ins Gesicht. Einmal und noch einmal, dann ließ er ihn los und drehte sich um. Die Faust um sein Herz schloß sich fester und Marcus hatte das Gefühl, daß tausend kleine Nadelstiche sich dort hinein bohrten. So waren seine nächsten Worte nicht mehr so laut, wie es sonst seine Stimme war. Er deutete auf den nächstbesten Sklaven, außer Ajax.
„Geh..rein und hol meine Rüstung, mein Schild und mein Schwert. Und sorge dafür...daß das schnellste Pferd gesattelt wird!“
Marcus achtete nicht darauf, ob der Sklave wirklich hinein rannte, sondern er lehnte sich bleich und mit kaltem Schweiß auf der Stirn gegen das Hoftor. Grauenhafte Szenarien schoßen vor seinem inneren Auge vorbei und alle endeten mit dem zerschmetterten Körper seiner Tochter. Marcus schloß gequält die Augen und fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht hinweg.