Beiträge von Marcus Flavius Aristides

    Das mit dem Fisch, ja das kannte Marcus aus Baiae genauso. Jeden Tag Fisch und noch mehr Fisch. Aber wirklich mehr mögen tat er ihn deswegen nicht. Gegen ihn hatte er jedoch genauso wenig. Aber nichts ging über Enten oder feines Amselfleisch. Doch er lächelte gut gelaunt als Lucilla das Essen so mit Begeisterung aufnahm. Was für eine Frau! Genau nach seinem Geschmack. Humorvoll, interessierte sich für dieselben Sachen wie Marcus und mit einem gesunden Appetit. Marcus nickte zustimmend und unterdrückte wieder einen hingerissenen Blick. Dieser kleine Tropfen an ihrem Mundwinkel ließ Marcus wünschen, er dürfte sie jetzt küssen. Als sie beim Essen jedoch mit ihrer Zunge, blitzschnell und doch hatte Marcus es gesehen, den Tropfen aufnahm, seufzte Marcus. Herrje, schnell unterdrückte Marcus alle Gedanken ans Küssen. Einen Schluck Wein sollten sie noch in die Tiefen seines Geistes wieder verbannen.


    Und die nächsten Worte von Lucilla vertrieben sie dann vollends. Marcus verschluckte sich, rang mit Atem und es trieb ihn die Tränen fast in die Augen als er mit der Atemnot kämpfte. Er hustete drei Mal heftig und konnte dann wieder Luft holen. Verlobten heiraten? Ehefrau? Bei Venus, warum? Warum nur? Es stach mitten in Marcus entflammtes Herz. Marcus atmete tief ein und versuchte seine Beherrschung zu wahren. Der nächste Schluck Wein half ihm dabei ein wenig. Mühsam rang er sich ein Lächeln ab.


    „Das klingt...schön! Wann ist denn die Hochzeit, wenn ich fragen darf? Und wer ist der Glückliche?“


    Herrje, das wollte Marcus eigentlich nicht wissen! Es sei denn, Lucilla würde ihm antworten, daß die Hochzeit in zehn Jahren statt finden würde und ihr Ehemann ein alter Tattergreis wäre. Marcus lächelte schief und überlegte hektisch, was denn die Perspektiven wären bei so einer Lage. Nun ja, eigentlich müßte er sich doch von so einer niederschmetternden Neuigkeit nicht entmutigen lassen. Denn zum einen war sie noch nicht verheiratet und zum anderen wäre das ja auch nicht so schlimm. Schließlich könnte er trotzdem seine Bemühungen fortsetzen.

    Eigentlich war das schön früher so. Für die wahrhaft ernsten religiösen Zeremonien hatte Marcus einfach keinen Sinn. Marcus gehörte eher zu dem Typus Römer, der aufregende, exotische und fremdländische Riten sehr faszinierend fand. Aber diese Zeremonie war Marcus durchaus vertraut. Zwischendrin kratzte er sich am Kinn und versuchte all die grauenhaften Gedanken an seine eigene Hochzeit vor fast 15 Jahren zu vergessen. Doch, das war auch so ähnlich gewesen. Aber wirklich daran erinnern konnte sich Marcus nicht. Er war in einem Netz von Entsetzen und Panik damals gefangen gewesen als er seine grauenhaft zickige Frau geehelicht hatte, die seine Tochter schon in ihrem Leib trug. Na ja, sein Vetter hatte es bestimmt da viel besser getroffen. Marcus musterte noch mal die schöne Braut. Ja, sehr viel besser.


    Marcus entging aber auch völlig, daß sein Vetter wohl nicht wirklich von seiner eigenen Hochzeit begeistert war. Im Gegenteil, er hielt das für den typischen religiösen Ernst seines, für ihn, viel zu hochtrabenden und ernsten Vetter. Als die Beiden dann verheiratet waren, folgte Marcus den Gratulanten. Sprich er ging direkt hinter seinem anderen Vetter, Aquilius, hinter her. Zuerst wandte er sich an die schöne Braut. Sah er Furcht in ihren Augen? Marcus blinzelte kurz. Ach nein, das war bestimmt nur das Kerzenlicht. Marcus lächelte wieder charmant. Was war sie jetzt? Vetterin, nein, hmm...Nichts von den Grübeleien ließ sich Marcus anmerken. Er lächelte ungebrochen vergnügt und sah seiner Schwägerin direkt in die Augen.


    “Gratulatio und Feliciter, werte Schwägerin. Willkommen in der Familie! Die Villa Flavia kann auch eine bestimmende Frauenhand gut gebrauchen. Ich wünsche Dir und Deinem Mann natürlich viel Glück und viele muntere Erben!“


    Schrecklich! Marcus haßte es, sich solche Phrasen vom Mund abzuringen. Ihm fiel dabei nie wirklich etwas kluges ein. Die Bemerkungen, die ihm als erstes kamen, waren alle viel zu unanständig und schließlich wollte er seinen Vetter nicht schon am ersten Abend vor seiner Frau bloß stellen. So, nun noch sein Vetter.


    „Feliciter, Vetter. Was für ein wunderbarer Moment. Jetzt bist Du auch ein Ehemann und hoffentlich bald Vater. Aber ich bin sicher, daß wird schon!“


    Marcus klopfte seinem Vetter sachte auf die Schulter, auch nur ganz kurz. Sachte, damit jener nicht gleich umfiel. Schließlich war er so eine Leseratte und vertrug mit Sicherheit nicht viel. Marcus zwinkerte lächelnd und ging weiter. Aus zwei Gründen, zum einen wollte er den anderen Gästen den Zugang ermöglichen und zweitens hatte Gracchus was von Essen im Triclinium erwähnt. Das wollte er bestimmt nicht verpassen. Marcus steuerte seinen Neffen und Ziehbruder Milo an, den er nun ausmachen konnte, und nickte ihm zu.


    “Titus, was stehst Du hier wie ein begossener Hund? Na, alles in Ordnung? Du bist doch nicht sauer, wegen der Vinalia Rustica, weil ich Dich da hab stehen lassen?“

    Schnell riß sich Marcus am Riemen. Er konnte Lucilla schließlich nicht wie ein verträumter Junge angaffen. So wandte er seinen Blick ebenfalls den Künstlern zu und applaudierte. Er hatte zwar keine Ahnung, was die da überhaupt getanzt haben- irgendwas mit Iuppiter und seiner Geliebten wohl- aber schön anzusehen war es trotzdem. Also das, was Marcus zwischendrin überhaupt mitbekommen hatte. Als die wohlduftenden Speisen herangetragen wurden, sah Marcus auf. Sein Magen meldete sich wieder zu Wort und er lächelte wieder. Ah, was zu Essen und mehr als nur Eier. So ließ er sich gleich etwas von dem Seeteufel reichen und griff dazu etwas Brot. Genüßlich tunkte er das Brot in die Soße und aß einen Bissen. Lächelnd wandte er sich wieder Lucilla zu, fähig sie jetzt wieder mit weniger Träumerei anzustarren.


    „Ja, bis jetzt gab es dort wohl noch kein Amphitheater. Aber die Legionäre arbeiten eifrig an dem Theater. Dann wird es bestimmt auch lebhafter in der Stadt.“


    Das Thema Verwandtschaft griff Marcus lieber nicht auf. Daß sie die Verwandte seines Legaten war, machte alles schließlich nicht einfacher. Also beherzte Marcus das beste und älteste Rezept gegen so ein Dilemma: Verdrängen und Ignorieren. Man konnte sich ja später noch damit beschäftigen. Der Fisch mundete zwar Marcus durchaus, aber satt machte er nicht. So hoffte er noch auf einen Fleischgang später. Aber so konnte er sich noch zurück halten und weiter mit Lucilla plaudern. Dabei trank er durchaus immer wieder von seinem Weinbecher, so daß er ihn sich zwischendrin mal auffüllen lassen mußte.


    „Und was für Pläne hast Du, wenn Du Germania hinter Dich gebracht hast? Wirst Du wieder...ähm arbeiten oder vielleicht durch Italia reisen? Oder etwa nach Hispania zurückkehren?“

    Der schien in der Tat Ahnung zu haben, von so Historiakram und dererlei. Marcus kam aber keine Erinnerungen hoch, wer diese beiden genannten Männer denn waren. Über die hatte er bestimmt noch nichts gelesen. Ahnte der gute Marcus doch nicht, daß er ständig mit dem Erbe des Marius konfrontiert war, wenn man mal mit der Art des Marschierens anfangen würde. Denn das hat erst Marius so eingeführt und die Legio noch viel schlagkräftiger und mobiler gemacht. So lächelte Marcus das Lächeln eines Unwissenden und klopfte Marius jovial auf die Schulter. Denn blitzschnell, ja auch Marcus war dazu mal in der Lage, war ein Plan in ihm gereift. Marius würde Marcus sicher vor einer Blamage vor seinem Primus Pilus retten können. Denn auf Hannibal, seinem treulosen und verschwundenen Sklaven, konnte Marcus nicht vertrauen.


    „Gut, gut! Wie wäre es, wenn wir beide das Seil zu dem Legaten bringen? Danach müßte ich mit Dir sprechen. Ich hab da eine Idee, wie Du Dir vielleicht einen kleinen Zuverdienst ergattern kannst. Na, klingt das nicht gut? Du kannst doch sicherlich Lesen und Schreiben, oder?“


    Marcus, der dichter an Marius getreten war und dessen Hand schon fast kameradschaftlich auf dessen Schulter lag, sah ihn verschwörerisch und mit dem Ausdruck von letzter Hoffnung im Gesicht an.

    Die Sonne stand tief am Himmel. Ihre Strahlen ergoßen sich in einem milden Licht auf die karg grüne Landschaft um das hügelige Rom. Die sumpfigen Teile Roms befanden sich, den Göttern sei Dank, weiter südlich. So war die Luft klar und rein, die Vögel zwitscherten fröhlich und munter, die Grillen zirpten und ab und an huschte eine Eidechse durch das Unterholz. Marcus hatte jedoch keinen Sinn für die Schönheit der Landschaft. Sein Blick war grimmig auf das nördliche Gefilde gerichtet. Die Sonne berührte den Horizont schon mit dem unteren Rand. Es würde nur noch weniger als eine hora dauern, bis sie ganz hinter den nördlichen Hügeln verschwunden war. Marcus richtete sich im Sattel seines schweißnassen Pferdes auf. Auch Marcus war von der Nachmittagshitze durchdrungen. Besorgt und voll der Angst um seine Tochter spähte er über die Landschaft. Dann wandte er sich um zu seinem Vetter um, zog dabei ein Tuch hervor und wischte sich die schweißnasse Stirn trocken.


    „Immerhin hat der Ziegenhirte die Beiden gesehen als sie ab vom Weg geritten sind. Sonst hätten wir ihre Spur bestimmt nicht mehr aufnehmen können.“


    Die Zeterein des Ziegenhirten, als auch Marcus seine Herde aufscheuchte, zauberte als Erinnerung schon ein Stirnrunzeln bei Marcus herbei. Aber immerhin hatte der Mann was von dem unverschämten Kerl erzählt und dem Mädchen. Drum hatte Marcus sich die kurze Zeit genommen, ihm zu zuhören. Und so zeigte er ihnen die Abzweigung, wo Phaidra entlang galoppiert war. Wie Marcus vermutet hatte, mehr in nördlicher Richtung. So nahm Marcus mit seinem Vetter Aquilius weiter die Verfolgung auf. Sein Galopp verschreckte erneut eine Ziege, die hastig davon sprang und im Graben neben dem Weg landete. Fast den ganzen Weg hatte Marcus geschwiegen und nur das Nötigste mit seinem Vetter besprochen. Doch dann passierte es, Marcus hatte keine Ahnung wie weiter. So spähte er immer noch, halb im Sattel erhoben, über den Horizont hinweg und hoffte ein Pferd mit zwei Reitern auszumachen. Doch nur einige Olivenbäume bewegten sich im sanften Wind und ihre Blätter glitzerten grün und silbern auf. Die Sonne färbte den Horizont in ein mildes und tiefes Rot, hinterließ einen roten Schimmer auf Marcus dunklen Haaren und seiner metallenen Rüstung.


    „Verdammt...!“

    Die Musik im Hintergrund war eine wunderbare Untermalung für die Unterhaltung zwischen Lucilla und Marcus, der sich beim Essen immer noch ein wenig zurück nahm. Sprich, er aß in normalen Verhältnissen und nicht wie bei seinen Verwandten ohne jedes Maß und Zurückhaltung. Gespannt und ehrlich interessiert nahm Marcus jedes Wort von Lucilla auf. Aber wie sie auch die Wörter formulierte, erfreute ihn bei jedem Satz immer mehr. Sie sprach so schön, die Worte vollendet ausgesprochen und trotzdem vermochte Marcus ihr ohne Schwierigkeiten zu folgen. Was für eine Frau! Marcus lächelte und lag gemütlich auf der Kline. Gerade die Mischung zwischen kecken Worten, dem schüchternen Lächeln und ihrer Lebhaftigkeit gefiel Marcus sehr gut. So ertappte sich Marcus schließlich dabei, daß er schon anfing sie anzuhimmeln. Schnell rappelte er sich ein wenig auf und griff nach dem Weinbecher. Der fast unverdünnte Wein brannte seine Kehle entlang und schien das innere Feuer in ihm jedoch nur weiter mit Nahrung zu versorgen. Cousin? Bruder? Irgendeine Glocke schellte in seinem Hinterstübchen, aber leider zu subtil für Marcus. Das mit Mantua war dann jedoch eindeutig genug. Marcus blinzelte einige Male verblüfft. Herrje, waren die Beiden doch miteinander verwandt?


    „Die Germanen...ähm..ja, die sind dann doch wieder nicht so schlimm. Man kann schon mit ihnen fertig werden. Und ja, ich bin mit dem Legat Decimus nach Mantua gekommen. Ist er mit Dir verwandt? Bei...“


    Marcus konnte sich rechtzeitig noch stoppen ehe er einen derben Fluch darüber ausließ. Das machte die Sache natürlich sehr viel komplizierter, wenn die Frau vielleicht die...Schwester?...oder Tochter?...des Legaten war. Beipflichtend nickte Marcus.


    „Mantua ist ein verschlafenes Patriziernest. Eingebildete und arrogante Schnösel haben sich dort nieder gelassen. Aber immerhin gibt es dort ein Luu....Luxuriöses Amphitheater bald!“


    Herrje, gerade noch mal gerettet. Daß dort ein Lupanar war, gehörte ja nicht in ein solches erstes Gespräch. Sonst würde Lucilla ihn noch für den typischen und von dem Geschlechtstrieb gelenkten Mann halten, der er nun mal war. Stattdessen lächelte er und hoffte, daß Lucilla sein kurzes Zögern nicht wirklich bemerkt hatte. Heiratsantrag? Marcus Herz stockte kurz, doch dann lächelte er erleichtert. Geplatzt! Er konnte den Mann, der nicht bis zum Letzten um die schöne Lucilla gekämpft hat, zwar nicht verstehen, empfand es jedoch als eine glückliche Fügung.


    „Also ich hätte Dir jeden Tag bestimmt einen Brief geschickt. Besonders um in Deinem Officium erscheinen zu dürfen!“


    Marcus lächelte und sah sie wieder für einen Moment länger an als ein Mann das bei einem „normalen“ Gespräch wohl tun würde. Doch die Musik lenkte ihn wieder ab. Er sah zur Bühne und verstand natürlich wieder mal nicht, worum es da eigentlich ging. Aber irgendwie hatte Marcus das Gefühl, Lucilla würde nicht los lachen, wenn er seiner Verwunderung Worte verlieh.


    „Kennst Du das Stück? Irgendwie kommt es mir reichlich mysteriös vor. Wer ist denn die sterbende Frau da und was bedeutet das Netz?“


    Doch schon erhob sich die Tänzerin. Für einen Moment schlug sie Marcus auch in den Bann. Nicht, weil er sie sonderlich anziehend empfand. Sicherlich sah er, daß sie eine sehr schöne Frau war und auch einen begehrenswerten Körper hatte, aber sie war einfach nicht sein Typ. Verblüfft blinzelte Marcus als der Goldregen auf sie herniederfiel. Lächelnd sah er zu Lucilla. Sein Lächeln wurde noch breiter als er den feinen Goldstaub auf ihren dunklen Haaren sah. Sein Miene nahm einen träumerischen Ausdruck an und er sah sie einen Moment still und ehrfürchtig an. Nun, und mit dem Gesang im Hintergrund, erschien sie ihm wie die herabgestiegene Venus persönlich. Der Tanz rauschte an Marcus vorbei, nur immer mal wieder, sah er pflichtbewußt zu der eleganten Tänzerin. Dann aber wieder zu der Göttin an der Seite. Ein mildes und immer noch verträumtes Lächeln zeigte sich weiterhin bei ihm.

    Immer schlimmere Bilde rauschten an Marcus vorbei. Seine Tochter, blutend und wie sie sich mit letzter Kraft aus einem Gebüsch hervorziehen wollte, hinter den Rutger sie achtlos geworfen hat. Seine Tochter gefesselt und alleine im Wald, den Ungnaden von wilden Tieren ausgesetzt. Doch was wirklich geschah übertraf Marcus schlimmsten Horrorszenarien bei weitem. Hätte Marcus nur geahnt, was seiner kleinen Tochter von Rutger angetan wurde, er wäre vor Entsetzen selbst ganz starr geworden. So raffte er sich keuchend auf und griff sich an die schmerzende Brust. Er schluckte in paar Mal, sein Mund fühlte sie so staubig und trocken wie die Wüste Afrikas an. Mit ausgetrockneten Lippen und kaltem Schweiß auf der Stirn sah er zu Ajax, der sich abmühte zu verschwinden.


    „Du! Warte...in welche Richtung sind sie geritten?“


    Gerade hatte Ajax schon geglaubt, daß seine Tortour ein Ende hatte und er sich verdrücken konnte. Aber er wußte durchaus, daß es nur fürs Erste war. Denn Versagen wurde im Hause Flavia nicht geduldet. Starr vor Schreck blieb er stehen, doch dann war er wiederum erleichtert. Denn dieses Mal wollte ihn der Dominus wohl nicht zu schlagen.


    „Dominus, sie sind durch die Porta Quirinalis und der Brücke dahinter ins Grüne geritten. So wollten sie es zumindest...Dominus!“


    Knapp nickte Marcus. In dem Moment ging es auch schon Schlag auf Schlag. Der Sklave kam mit Marcus Sachen zurück, seiner lorica segmentata, seinem roten Soldatenumhang und seine Waffen. Auch ein schwarzer Hengst wurde heraus geführt, gesattelt und gezäumt. Marcus ergriff die Rüstung und ging zum Pferd. Gekonnt verschnürte er die Sachen und legte den Umhang zusammengerollt quer über den Sattel. Marcus griff nach den Zügeln und schwang sich auf den Rücken.


    „Du willst mitkommen? Gut...dann auf! Öffnet das Tor!“


    Ohne lange zu warten, ritt Marcus aus dem Tor hinaus. Eilig dirigierte er das schnaubende Pferd, was sich wohl auf die Bewegung freute, in Richtung des Tores. Erst als er das passiert hatte und sein Pferd die Brücke mit einem lauten Klappern überquerte, hielt er an. Schnell knotete er seine Rüstung vom Sattel und streifte sich die lorica segmentata wie eine Weste über. Darüber den roten Soldatenumhang. Mit zusammengepressten Lippen sah er zu Aquilius und ob dieser ihm noch folgte. Ein Weile musste Marcus wohl dann doch ausharren, doch dann gab er seinem Pferd die sprichtwörtlichen Sporen, schlug ihm die Hacken in die Seiten und folgte dem Weg....

    Es war äußerst faszinierend wie schnell Marcus seine Gesichtsfarbe ändern konnte, von kalkweiß bis zu der Zornesröte einer saftigen Tomate (würde man diese im antiken Rom schon kennen). Zwischendrin blieb das Stadium des leicht gefleckten, wie ein halb gereifter Apfel. Marcus war froh, daß er gerade den Becher nicht in seiner Hand hielt. So stark wie sich seine Faust zusammen krampfte, wäre der Tonbecher glatt in seiner Hand zersprungen. So krallte sich eine Hand in die marmorne Bank. Die andere presste sich hinter seinem Rücken so fest zusammen, daß seine Knöchel weiß hervortraten. Marcus bedurfte in jenen Moment auch all seine Beherrschung, um nicht aufzuspringen und etwas zu tun, was er wohl die nächsten Wochen bereuen würde. Flach atmend rang er mit seinem inneren Feuer. Als der Präfekt zu Ende gesprochen hatte, stand Marcus auf. Seine Wangenknochen mahlten aufeinander, die Ader an seiner Schläfe pochte und seine Lippen waren fest auf einander gepresst. Trotzdem, und das war wirklich verwunderlich für den doch eher heißblütigen Marcus, blieb er einigermaßen ruhig. Seine Stimme klang jedoch schneidend und kalt.


    „Ich werde darüber in Ruhe nachdenken. Du hast Recht, vielleicht ist mein kategorisches Nein verfrüht. Wir werden sehen! Aber Du hast sicherlich nun einige andere Dinge zu tun...so Präfektenarbeit und so was! Vale, Präfekt!“


    Marcus schaffte es sogar, ein ganz schmales und dünnes Lächeln aufzubringen. Das schien sogar ein gutes Zeichen zu sein. Mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt wartete er ruhig, ob Crassus den Abschied noch hinaus zögern und somit Marcus Beherrschung weiter bis zum Äußersten reizen wollte.

    Die Fische wurden mit jedem Mal Brotkrumen reinwerfen langweiliger. Marcus atmete tief ein, sah bedauernd auf den leeren Brotkorb und schickte den Sklaven mit einem Wink weg. Irgendwie konnte Marcus doch nicht ganz verstehen, wie man sein ganzes Leben mit Fischfüttern als Beschäftigung verbringen konnte. Ob er schon eine kleine Zwischenmahlzeit bis zur Cena nehmen konnte? Abwesend sah Marcus zu dem Sklaven. Anscheinend war doch nicht alles klar gewesen. Marcus wandte sich ihm zu.


    “Bespitzeln? Das klingt so hart. Sagen wir ein wachendes Auge auf meiner kleinen Tochter haben. Ich will einfach nicht, daß ihr etwas passiert. Ja, ja, dann wird es schon werden...also Du als Sklave bei uns. Was Du noch beachten sollst? Hm...hmm...sei respektvoll und gehorsam. Dann kann schon nichts schief gehen.“


    Da kam schon seine kleine Tochter. Marcus lächelte sie liebevoll an. Er nickte auf ihre Worte lediglich und überließ die Beiden ihrem Gespräch. Die Fische zogen ihn dann doch wieder in den Bann. Oder war es eher ein anderer Grund? Marcus wirkte so seltsam abwesend und nachdenklich. Gar nicht wirklich typisch für ihn. Aber insgeheim dachte Marcus über die schöne Lucilla nach. Ihm stand im Moment auch nicht der Sinn danach, sich mit dem neuen Sklaven zu beschäftigen. Er trat noch etwas näher an den Teich heran und wollte den Sklaven mit den Brotkrumen näher rufen. Leider hatte er ihn schon weggeschickt. Ach, die schöne Lucilla. Marcus seufzte leise und versank in Träumereien. Die letzten Worte seiner Tochter riß Marcus dann doch wieder aus seinen Gedanken. Verwundert sah er sie an. Auf was für Ideen seine Kleine kam! Auf die Knie und bellen? Tsts. Marcus lächelte jedoch nur milde. Er hielt das lediglich für einen Scherz, den seine Tochter da machte. Was für ein liebes Mädchen sie doch war. Er ging zu ihr und lächelte wieder dieses leicht bedepperte ‚Sie ist mein Sonnenschein und darf alles machen!’-Lächeln.


    “Ich gehe etwas essen. Kommst Du später nach, Cinilla, Mäuschen?“

    Herrje, ein Seil für den Legaten? Aber warum brauchte der bitte ein Seil? Hmm...da fiel es Marcus wie Schuppen von den Augen. Wäre er Christ, würde ihm natürlich göttliche Eingebung dabei einfallen. Natürlich hatte es sich herum gesprochen, daß der Legat Frauenbesuch hatte. Ein dreckiges Grinsen erschien auf Marcus Gesicht. Fesselspiele fand er auch immer recht lockend. Natürlich hatte Marcus keine Ahnung, dass es sich um Lucilla handelte. Denn sonst würde gnadenlose Eifersucht in ihm aufsteigen, bis ihm der Gedanke kam, dass beide doch verwandt sein könnten. Na, da konnte er dem Legaten wohl schlecht das Seil klauen. Dafür fiel ihm was anderes ein.


    „Ja, das habe ich auch versucht.“


    Marcus hält seinen blau angelaufenen Daumen hoch.


    “Vergeblich, aber Du siehst mir geschickt aus. Magst Du mir da behilflich sein? Hm...Marius, Marius...war das nicht so ein Dichter? So eine Komödienschreiber?“


    Daß es ein berühmter Heerführer und Diktator war, hatte Marcus wieder mal vergessen. Wahrscheinlich war er bei den Lektionen eh wieder mal nicht im Garten mit seinem griechischen Lehrer, sondern unterwegs mit einigen Freunden gewesen.

    Unwillig aber zustimmend nickte Marcus und folgte seinem Optiokollegen in das Lazarett hinein. Einen großen Widerwillen bekämpfend trat Marcus auf die Liege zu. Das Tuch war jetzt zur Seite gezogen, denn der Priester in etruskischem Gewand hatte den Kopf mit Balsam bestrichen. Der Medicus starrte gen Decke, sein Mund war verzerrt, sein Ausdruck von einem stummen und schmerzhaften Entsetzen gezeichnet. Marcus schluckte. Eigentlich war er nicht zimperlich, einem Mann das Leben zu nehmen. Aber die irrationale Furcht, daß durch die Augen eines Toten die Daimonen der Unterwelt kamen und ihn mitrißen, war doch zu groß. Marcus starrte auf den Boden und stimmte halbherzig in das Conclamatio mit ein. Erleichtert seufzte Marcus auf als das auch getan war. Der Priester beendete mit einer großen Geste das Lustrum und zog das Leinentuch wieder über den Kopf.


    „Der Tempel erwartet eine Spende von der Legio!“


    Verkniffener Miene stolzierte der Tempeldiener nach draußen und verschwand über den Gang, begleitet von einem der Soldaten. In dem Moment traten auch die Bestattungsangestellten, die Libitinarii, hinein. Sie hatten allerlei Taschen und einen Eimer mit Wasser dabei. Einer der Männer, ein älterer Grauhaariger, sah zu den Soldaten.


    „Bitte wartet draußen!“


    Marcus nickte noch viel erleichterter und ging flink hinaus. Im Gang lehnte er sich wieder gegen die Wand und starrte nur kurz auf die Tür. Er nickte Priscus dankbar zu.


    „Danke, Kamerad! Die Totenwache halten wir danach. Hast Du Zeit noch ein paar Stunden danach zu bleiben?“

    Befohlen und befolgt! Sie salutierten und folgten der Order. Blass nahmen die restlichen Wachsoldaten ihre Plätze ein. Besser gesagt, die Plätze, die sie eigentlich hätten besetzen sollen. Aber ihr Würfelspiel hatte sie alle an der eigentlichen Arbeit gehindert. Bang biß sich der eine junge Soldat, der die Schwestern hatte, auf seiner Unterlippe herum. Auch die Anderen sahen keinen rosigen Zeiten entgegen. So schnell würde von ihnen wohl keiner mehr während der Dienstzeit oder auch sonst nicht zu den Würfeln greifen. Alle schwiegen eisig, Minuten verstrichen und weiteres Schweigen bis der Optio lange verschwunden war.


    sus lutulenta*!“


    Das Eis war gebrochen, einer der Soldaten nickte, einer lachte leise und sie sahen alle fluchend und schimpfend dem Optio hinterher. Doch der war schon längst weg und sie wieder zu ihrem öden Wachdienst verdonnert.




    Sim-Off:

    *Drecksau

    Herrje, was war denn das hier? Revierkampf um ein Seil? Mein Seil, Dein Seil? Das war doch nur ein verflixter Hanfstrang! Marcus sah Marius leicht verdutzt an als ihm doch so viel Mißmut entgegen schlug. Eigentlich hatte er geglaubt, daß man ein Seil durchaus entbehren konnte. Marcus sah sich um, die Pferde standen alle an ihrer Stelle und auch sonst konnte er nichts entdecken, wofür dieser Mann so dringend ein Seil brauchte. Wahrscheinlich wollte er es nur nicht rausrücken und Marcus somit eine längere Suche einbrocken. Marcus seufzte schwer auf und sah sich um. Keine weiteren Seile! Marcus kratzte sich am Nacken und dachte einen Moment ratlos nach. Ah, Führungsqualitäten hervor geholt und erprobt.


    “Wie wäre es, wenn wir uns das Seil teilen? Du ein Stück und ich ein Stück! Mir würde das vollkommen für meine Zwecke genügen. Mein Bettpfosten wackelt. Wofür brauchst Du es denn?“


    Keine Soldatentunika? Also war er zumindest kein Soldat. So schnell konnte auch Marcus wiederum rückschließen. Er biß sich auf die Unterlippe und seine Stirn kräuselte sich.


    “Wer bist Du überhaupt? Arbeitest Du hier? Bist Du ein verirrter Probatus?“

    Da hatte sich Marcus an jenem Tag mal handwerklich betätigen wollen, sein Bett wackelte schon seit einigen Tagen, da hatte er sich auch prompt mit dem Hammer gegen den Daumen geschlagen. Somit gab er seine Bemühungen sofort wieder auf. Doch sein Bettpfosten wackelte immer noch und der nächste Miles, der so was reparieren konnte, war auch nicht aufzutreiben. So war Marcus gerade auf der Suche nach etwas, um sein Bett fester zu machen. Wenn er bei der Ausbildung mit den Probati mithalten wollte, würde er wohl eine ordentliche Mütze Schlaf brauchen. Grummelnd marschierte er durch die Unterkunft, fand jedoch nichts. So hatte er sich auf die Suche durch das Lager gemacht. Das erste Gebäude, woran er vorbeikam und das ihm doch geeignet erschien, war der Stall. Die Tür stand nur einen schmalen Spalt auf. Und da sein Daumen immer noch wehtat, drängte sich Marcus durch den Spalt hindurch. Pferdegeruch schlug ihm entgegen und der Duft nach frischem Heu. Marcus lächelte selig auf. Heu, was für Erinnerungen das doch weckte. Warme, weiche Frauenschenkel, die leidenschaftlichen Küsse zwischen den goldenen Halmen. Wie das wohl mit Phera hier wäre?


    Kopfschüttelnd vertrieb Marcus die Gedanken an einen dunklen, schlanken Frauenkörper und sah sich um. Ein Seil! Ja, natürlich! Das war es. Er könnte einige Hanfstränge nehmen und sie um das Bett binden. Marcus ging auf den Mann zu, der sich gerade im Stall umzuschauen schien und deutete freundlich lächelnd auf das Seil. Dabei fragte sich Marcus nur kurz, wer er war. Vielleicht ein Stallbursche? Oder ein Knecht? Oder ein Besucher?


    “Kann ich vielleicht das Seil bekommen?“

    Ein rotbrauner Hahn stakte in dem Moment in den Stall hinein, stolz und mit aufgeplusterten Federn pickte er nach einigen Körnern auf dem Boden und stolzierte mit seinem prächtigen Hahnenkamm an den beiden Flavia vorbei und unter dem Pferd hindurch. Völlig ohne Angst und Argwohn hüpfte er auf eine Kiste und fing an seine glänzenden Federn zu ordnen. Marcus hörte dem Sklaven ohne Verständnis zu. Rutger und Arrecina....? Gemeinsam auf den Hof...? Wer zum Hades ist Phaidra...? Eine andere Sklavin? Rutger und Arrecina? Der Germane und meine Tochter? Dieser kleine Bastard und mein Goldschatz? Es kam bei Marcus an. Schweigen und Marcus wurde leichenblaß. Seine Hand krallte sich in das Holz einer Pferdebox und er holte scharf Luft. Das konnte nicht sein!! Seine Tochter war bestimmt klug genug, nicht mit einem wildfremden Sklaven irgendwo hinzugehen. Außerdem waren da doch noch ihre eigenen Sklaven. Marcus schluckte, die Frage nach dem Reiten war völlig an ihm vorbei gerauscht. Es war als hätte sich eine eiserne und kalte Faust um sein Herz gelegt. An Aquilius vorbeisehend, sah er zum Hof raus und verließ plötzlich und ohne was zu sagen den Stall.


    Schnell schritt er auf einen Sklaven im Hof zu und packte ihn an der Tunika. Er schüttelte ihn ein paar Mal. Der Sklave riß erschrocken die Augen auf, wußte er doch nicht, wie ihm geschah. Marcus brauchte eine Weile, um seine Stimme wieder zu gewinnen. Derweil baumelte der Sklaven eine Handbreit über den Boden und sah zu Tode erschrocken aus.


    „Wer...stand heute am Tor?“


    Der Sklave schloß erleichtert die Augen. Nicht er war gemeint, vielleicht würde er den heutigen Tag noch mal überleben. Zitternd hob er die Hand und deutete auf einen bulligen Sklaven, den Thraker mit dem geflochtenen Bart. Marcus ließ den Sklaven fallen und wandte sich dem Sklaven zu, der am Hoftor lehnte und scheinbar aufmerksam nach draußen sah. Nur aus der Ferne hörte er noch die leisen Worte des Sklavens.


    „Ajax...Dominus!“


    Der Tochwächter Ajax hatte heute wahrlich keinen guten Tag gehabt und er sollte nicht besser werden. Es fing damit an, daß er eine schreckliche Schmach vor wenigen Stunden ertragen musste. Ein Mädchen, ein junges Mädchen, hatte ihn, den großen Ajax, tatsächlich Angst eingejagt. Oh bei Zeus und Herkules, was für eine Schande. Wie peinlich! Da halfen ihm seine Geschichten über die sinnliche und verführerische Gloria auch nicht mehr. Obwohl er sie heute gegen eine ganze Horde von römischen Legionären antreten ließ und sie alle nach einander nieder machte, kam immer wieder das Bild der kleinen Flavia vor seinen Augen. "Ich kann natürlich auch meinen Onkel Felix holen“. Was hätte Ajax da anderes tun können? Seine Wut hatte er auch schon an einem anderen Sklaven ausgelassen als dieser ihn blöd anmachte. Doch nun hörte er Schritte sich nähern. Er wandte sich um und sah mit Schrecken, wie ein daimonisch wirkender Marcus auf ihn zutrat, ihn an der Schulter packte und wuchtig gegen die Mauer stieß.


    „Hast Du meine Tochter und Rutger heute rausgelassen?“


    Marcus Finger krallten sich in den Stoff von Ajax und seine Augen funkelten ihn tödlich und grimmig an. Ajax vergaß das Atmen und sein Hals schnürte sich zu. Bei den Göttern des Olymps, es wäre doch richtig gewesen die Beiden aufzuhalten! Er atmete langsam ein und aus. Was sollte Ajax jetzt tun? Alles abstreiten?


    „Ja, Dominus! Sie sind zusammen auf Phaidra ausgeritten! Aus der Stadt hinaus. Sie befahl es mir...Deine Tochter, Dominus! Sie sagte, daß sie es dürfte...! Wie sollte...?“


    Weiter kam er nicht, denn Marcus schlug ihm voller Wut und Zorn mit der Faust ins Gesicht. Einmal und noch einmal, dann ließ er ihn los und drehte sich um. Die Faust um sein Herz schloß sich fester und Marcus hatte das Gefühl, daß tausend kleine Nadelstiche sich dort hinein bohrten. So waren seine nächsten Worte nicht mehr so laut, wie es sonst seine Stimme war. Er deutete auf den nächstbesten Sklaven, außer Ajax.


    „Geh..rein und hol meine Rüstung, mein Schild und mein Schwert. Und sorge dafür...daß das schnellste Pferd gesattelt wird!“


    Marcus achtete nicht darauf, ob der Sklave wirklich hinein rannte, sondern er lehnte sich bleich und mit kaltem Schweiß auf der Stirn gegen das Hoftor. Grauenhafte Szenarien schoßen vor seinem inneren Auge vorbei und alle endeten mit dem zerschmetterten Körper seiner Tochter. Marcus schloß gequält die Augen und fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht hinweg.

    Unaufgefordert schenkte der Sklave Marcus wieder nach. Wahrscheinlich hatte der Mann die Brisanz der Situation sofort erkannt. Kein Wunder bei der verkniffenen Miene von Marcus. Und Marcus brodelte innerlich immer noch. So eine kleine Stimme am Rande, wie ein Mann im Ohr, sagte ihm ja, daß das ein wenig absurd war. Aber Marcus verdrängte sie sofort. Selbst wenn der Kaiser persönlich vor Marcus getreten wäre, hätte Marcus kaum anders reagiert. Sein kleiner Sonnenschein war viel zu gut für alle Männer der Welt und kein Mann würde es je wert sein, sie zu heiraten. Einen Moment grübelte Marcus darüber nach, ob vielleicht die Laufbahn einer Vestalin etwas für seine kleine Tochter war. Aber das verwarf er auch sofort wieder. Zum einen hatten sie schon eine Vestalin in der Familie, sogar die oberste Vestalin. Zum anderen wollte er doch seinen Goldschatz eher bei sich wissen, was wiederum Hinderungsgrund einer Heirat wäre. Mit zusammengepressten Lippen, blass im Gesicht, musterte Marcus den Präfekten und hörte ihm zu. Bei so manch einem Wort, hob sich tatsächlich mal ein Mundwinkel von ihm. Nach der langen Rede schwieg Marcus und sah den Präfekten lange und fest an. Den Wein ließ er unangetastet.


    „Standesdünkel, die Macht der Patrizier ist dahin? Deine Worte sollen mich überreden, doch das tust Du mit einer Beleidigung? Es gibt da doch einige Dinge, die ich ein wenig anders sehe. Es gibt keinen Patrizier, der mächtiger ist als Du? Ich denke doch...“


    Marcus lächelte dünn und reichte den Wein an dem Sklaven zurück. Der umgriff den Becher und trat schnell einen Schritt zurück. Vielleicht hatte der Sklave auch Angst, daß sich Marcus gleich auf den Präfekten stürzte.


    „Es gibt mindestens drei Patrizier, die Du nicht unterschätzen solltest. Der Kaiser, die Kaiserin und der Caesar! Plebejer, Patrizier? Nun, es hat alles seine Gründe, warum wir in unseren Ständen bleiben. Wenn ich auch in vielen Punkten verschiedener Meinung bin als die meisten anderen Patrizier. Aber gut, das ist völlig egal! Mir geht es auch nicht unbedingt darum, daß Du ein Plebejer bist und ich durch die Fügung der Götter als Patrizier geboren wurde.“


    Mit einer Handbewegung wischte Marcus diese Standesbedenken zur Seite. Was er wohl kaum erwähnen würde, wäre wohl der Zorn seiner Mutter. Was würde sie wohl sagen, wenn er, Marcus, seine Tochter an einen Plebejer verheiraten würde. Marcus stützte sich mit beiden Händen auf den Oberschenkeln ab und unterdrückte ein Seufzen. Der erste Zorn war verraucht und eine gewisse Ratlosigkeit machte sich in ihm breit.


    „Wer kann mir versichern, daß Du nächstes Jahr oder in 5 Jahren noch Prätorianerpräfekt bist? Daß Du auch dann noch für meine Tochter sorgen kannst? Aber wie kommst Du eigentlich auf meine Tochter?“


    Marcus sah ihn an und wartete angespannt auf die Antwort. Ob er von Marcus Tochter gehört hatte? Waren die Beiden sich gar schon begegnet? Misstrauen stieg in Marcus auf.

    Wortlos nickte Scytus und musterte noch mal schnell die Aufmachung von Kadmos. Einigermaßen damit zufrieden führte er Kadmos nach draußen und durch die edel ausgestatteten Flure der Villa Flavia. Von dort dann durch eine Tür in den Garten hinter dem Haus. Blumenbeete, Statuen, sorgfältig gestutzte Rosensträucher standen hier verteilt. Die Sonne glitzerte auf einem kleinen Teich. Direkt vor dem Teich und neben einer griechischen Statue stand Marcus Flavius Aristides. In einer dunkelblauen Toga gekleidet ging er langsam auf und ab und musterte desinteressiert die Statue. Neben ihm stand ein Sklave, der einen Korb mit Brotkrümeln in der Hand hielt. Eine Lerche zwitscherte zwischen den Ästen einer hohen Pinie. Marcus wandte sich um und sah dem Sklaven seiner Tochter, also seinem Sklaven, entgegen. Er musterte ihn durchdringend.


    „Komm näher! Du bist also ein Grieche, kannst kämpfen und bist gebildet? Nun, mal sehen, ob Du es mit der Bildung meiner Tochter aufnehmen und sie noch etwas lehren kannst. Aber das ist im Moment irrelevant. Auch ob Du wirklich kämpfen kannst. Meine Tochter wird schon immer einen Leibwächter an ihrer Seite haben. Doch ich brauche einen, der einen aufgeweckten Geist hat und sich von meiner Tochter nicht leicht an der Nase herum führen läßt. Verstanden?“


    Doch Marcus ließ Kadmos nicht lange Zeit. Stattdessen griff er geistesabwesend in den Brotkorb und warf einige Krümel in den Teich hinein. Einige kleinen Fische huschten dort hin und schnappten sich die Brotkrümel.


    “Du wirst mir zutragen, was meine Tochter tut. Wen sie trifft und welche Leute, außer die Flavia, noch Interesse an ihr zeigen. Ich möchte, daß Du diesbezüglich meine Tochter nicht aus den Augen läßt. Und daß meine Tochter davon ja nichts erfährt. Verstanden? Wenn ich in Mantua bin, wirst Du mir Briefe zukommen laßen. Wenn Du mir gut dienst und Deine Informationen wertvoll sind, könnte es Dir sogar die Freiheit einbringen. Wenn Du mich hintergehst oder mich belügst, dann wirst Du das bitter bereuen. Hast Du mich verstanden?“


    Marcus sah ihn funkelnd und durchdringend an. Er trat einen Schritt auf ihn zu und senkte seine Stimme.


    „Und wenn Du meine Tochter unsittlich anfasst oder ihr weh tust, dann mögen die Götter Dir gnädig sein. Denn ICH bin es nicht. Wenn ich Dir die Eier abschneide und sie an die Fische meines Vetters verfüttere, ist das vielleicht noch gnädig. Hast Du mich verstanden?“


    Marcus musterte ihn und trat wieder zurück. Er nickte Scytus zu.


    „Hol meine Tochter! Sie soll doch ihren Sklaven mal genauer begutachten können!“


    Scytus verbeugte sich schnell und huschte davon um Arrecina zu holen. Marcus ließ sich einige weiteren Brotkrumen reichen und warf sie in den Teich. Vergnügt beobachtete er das rege Treiben der kleinen Fische. Sein Gesicht wurde dabei doch sehr viel milder.

    Und der war in keinster Weise von der Andeutung betroffen. Denn das mit den hispanischen Verwandten juckte ihn kaum und interessierte ihn genauso wenig. Das Hähnchen hatte viel mehr seine Aufmerksamkeit und er ließ es sich, mit dem Brot, schmecken. Immer mal wieder trank er einen kleinen Schluck Wein und hob seinen Blick als er Felix Worte vernahm. Marcus Augenbrauen wanderten langsam nach oben und er wußte nicht, was er jetzt noch sagen sollte. Obwohl...


    "Also ich habe gesagt, daß ich ihn darum gebeten habe, mich als seinen Klienten aufzunehmen. Bis jetzt habe ich noch keine Bemerkung gemacht, ob er das auch getan hat."


    Marcus lächelte leicht und widmete sich dem Rest Fleisch. Sein Teller war leer und er wünschte sich eine gut gebratene Ente herbei. Er winkte einen Sklaven heran und befragte ihn leise. Der Sklave schüttelte den Kopf und Marcus wirkte etwas enttäuscht darüber. So ließ er sich noch ein anderes Geflügeltier reichen. Zwischendrin winkte er einen weiteren Sklaven heran, mit einer Wasserschüssel. Dort tunkte er seine Finger hinein und trocknete sie anschließen an dem Tuch ab, was der Sklave über dem Arm trug. Man wollte doch nicht als unkultiviert gelten. So lehnte sich Marcus zurück und nahm den Becher in die Hand. Weiter essen würde er gleich erst.

    Marcus war ja nun schon lange genug in der Legion. So waren bestimmte Rituale einfach in sein Fleisch und Blut übergegangen. So reagierte er auf die Geste des Kaisers prompt und richtete sich auf. Schultern zurück und seinen Blick auf den Kaiser gerichtet. Ganz so, wie mit einer lorica segmentata, wirkte das jedoch nicht. Die Toga verbarg einiges von Marcus militärischem Gehabe.


    „Das werde ich, mein Kaiser!“


    Innerlich war Marcus verwirrt, das Ritual hatte ihn nur kurz da raus gerissen. Denn immerhin war er durchaus mit einem Anliegen gekommen. Grübelnd überlegte Marcus, wie er das jetzt geschickt wieder ansprechen könnte. Oder sollte er es gar sein lassen? Herrje, viel zu kompliziert die Hofbelange. So sprach Marcus einfach wieder heraus, wie es ihm lag- offen und ehrlich!


    „Werter Imperator, darf ich vielleicht die Frage stellen, was Du von meiner Bitte hältst?“