Ohne seine Augen von Lucilla abzuwenden, ging er mit ihr auf einigen der Clinen zu. Wie sie sich bewegte, so natürlich und dabei doch wie eine Verkörperung der Venus. Marcus schmolz bei jedem ihrer Schritte immer mehr dahin. Was der Weinkönig verkündete, bekam Marcus nicht ein bißchen mit. Dafür umso stärker Lucillas Reaktion. Dieses lebhafte Spiel in ihrer Miene, einfach wunderbar! Marcus bemühte sich, sie nicht wie ein unreifer Bengel anzustarren und zu verehren und musste schon ein wenig über sich schmunzeln. Da war er schon mehr als 30 Lenze auf der irdischen Welt und immer wieder traf ihn Amors Pfeil mit solch einer Intensität, daß es ihm den Atem raubte. Lucilla raubte ihm den Atem. Bei ihren Worten über die Legionäre konnte Marcus jedoch nicht anders. Er lachte warm und nickte zustimmend.
„In der Tat! Alles Säufer, Decima Lucilla, die nur das Würfelspielen und Wein kennen. Es ist schon jammerschade!“
Marcus lächelte breit bei den Worten und ließ unerwähnt, daß er ebenfalls Soldat war. Das würde sie bestimmt noch früh genug herausfinden. Und wenn er es jetzt anbrachte, ürde er sie sicher in Verlegenheit stürzen. Und das wollte Marcus sicher nicht. Obwohl? Diese zarte Röte auf ihren schönen Wangen war wirklich bezaubernd. Marcus geleitete sie zu einer der Clinen, wartete bis Lucilla Platz genommen hatte und setzte sich dann erst ebenfalls. Dabei achtete er ausnahmsweise darauf, sich nicht unelegant plumpsen zu lassen, was er es wohl sonst getan hätte. Etwas irritiert sah er zu einer Sklavin, die ihm die Sandalen abnahm und seine Füße wusch. Gehobene Sitten nun mal. Auch reinigte er sich die Hände. Gehörte sich immerhin in guter und so schöner Gesellschaft! Marcus spähte auf die Teller und nickte zustimmend.
„Ja, Straußeneier. Als ich in Afrika war, hab ich von den Viechern einige gesehen und bei einem alten Freund von mir stand jeden Morgen so ein Ei auf dem Frühstückplan!“
Obwohl Marcus großen Hunger verspürte, hielt er sich wohlweislich etwas zurück. Schließlich wollte er nicht mit seiner natürlichen Gier, die ihn beim Essen überkam, die schöne Dame an seiner Seite abschrecken. Als die Sklavin endlich von seinen Füßen abgelassen hatte, lehnte sich Marcus gemütlich auf das Sitzsofa. Seine Toga fiel in sorgfältigen Falten um ihn herum und offenbarte nur an der einen oder anderen Stelle ein wenig von seiner dunkelblauen Tunika. Die Hirtenmusik drang zu ihm vor, doch nicht wirklich in sein Bewußtsein. Erst als die Tänzergruppe erschien, bemerkte Marcus die Veränderung der Musik. Mit einem Lächeln kommentierte er ihr Nahen.
„Tänzer und Musikanten? Was für eine nette Angelegenheit. Stellt sich die Frage, ob die Soldaten unter den Gästen das auch zu schätzen wissen! Gehst Du gerne ins Theater, Decima Lucilla?“
Inbrünstig betete Marcus, daß dem nicht so war. Hoffentlich stand sie lieber auf brutale Gladiatorenkämpfe und schnelle Wagenrennen. So wie Marcus halt. Doch er wollte ja nicht auf Anhieb kulturlos wirken oder ungehobelt. Und da unterhielt man sich halt über solche Dinge. Doch er verstummte als der Sänger zu sprechen anfing und der Tanz begann. Doch wirklich Augen hatte Marcus für die Darbietung nicht. Wäre Iuppiter hier, dann würde ihm doch nur die schöne Lucilla auffallen können. Eine wahrhaftige Danaë! Daß er damit eine bezaubernde Vorstellung verpaßte, war ihm wenig bewußt.