Gebannt verfolgte Marcus jede Bewegung der schönsten Frau auf dem Fest, Decima Lucilla. Und sie stand gerade alleine? Ja, die Göttin Venus mußte wahrlich ihre Hände im Spiel haben. Gerade wollte Marcus die Gunst der Stunde nutzen und sich der, seit kurzem, Angebeteten nähern. Doch Iuppiter schien dem wohl nicht ganz so wohlgefällig zu sein. Denn gerade dort begann sein Priester, Marcus Vetter, mit dem Opfer an. Marcus seufzte auf, doch ließ er die schöne Lucilla, die geheimnisvolle Fremde, nicht aus den Augen. So beobachtete Marcus wie anmutig sie nach vorne trat. Was für eine Ode! Marcus wußte zwar nicht mehr so genau, was das bedeutete, aber es klang so wundervoll, wie Lucilla strahlte und auf ihn wirkte.
Unschlüßig hielt er das Säcklein in seiner Hand. Erst da bemerkte er, daß immer mehr nach vorne gingen und ihre Opfer abgaben. Schnell strich sich Marcus noch mal durch die Haare und überprüfte seine Toga. Wer weiß, vielleicht sah die Schöne ihn ja auch. Und da wollte er keinen schlechten ersten Eindruck machen. Tief einatmen...Marcus tat dies und trat dann gemessenen Schrittes nach vorne und öffnete den Opfersack. Das Weihrauch, die Dinkelkeckse, die Trauben bemerkte er gar nicht wirklich, sondern war innerlich nur angespannt. Doch sorgfältig ließ er die Opfer zurück, murmelte einige wenig bedeutungsvolle Worte und trat wieder zurück. Zwar landete Marcus wieder bei Milo, doch wirklich bemerken tat er seinen Neffen nicht mehr.
Statt dessen sah er wieder zu Lucilla. Ah, sie stand wieder alleine! Diese Gunst durfte er nicht noch mal verschenken. Noch mal die Toga zurecht gerückt, schritt er langsam auf sie zu. Was sollte er sagen? Innerlich übte Marcus schon. 'Ein schöner Abend, nicht wahr?'...zu banal...'Kennen wir uns nicht von irgendwo?'...ausgelustscht, außerdem Quatsch....'O Du strahlende Erscheinung! Du, bei der Venus erblassen würde...'....da hält sie Marcus wohl für ein bekloppter Schnulzensänger...
Da war Marcus schon direkt neben der schönen Dame. Er ließ sich zwei Becher mit Mulsum reichen. Sein charmantestes Lächeln aufgesetzt, das typische flavische Funkeln in die Augen...natürlich nicht das verrückte, sadistische, und die ersten Worte gesprochen.
"Meine Augen schienen mich eben noch zu trügen. Glaubte ich doch, dass Venus erschienen ist, um dem Göttervater persönlich zu huldigen. Und nun sehe ich, daß eben jene noch immer hier verweilt! Möchstest Du etwas Mulsum, Erscheinung des Olymps?"
Oh weh...doch zu geschwollen? Marcus lächelte jedoch Lucilla weiterhin charmant an. Mit den Worten, die er leise und mit seiner dunklen Stimme gesprochen hatte, reichte er ihr den Becher mit Mulsum.