Beiträge von Lucius Aelius Claudianus Marcellus

    Die erste Antwort nahm Marcellus mit einem aufmerksamen Nicken zur Kenntnis. Die Zweite hingegen überhörte er fast, im Gedanken noch mit der Ersten beschäftigt und ging daher nicht weiter auf sie ein. Stattdessen wunderte er sich darüber, dass Macer derzeit alle Anschein nach keinerlei weiteren Karrierepläne im Cursus Honorum schmiedete. Immerhin hatte er bereits den Aedil hinter sich gebracht und konnte bei den kommenden Wahlen als Praetor kandidieren. Soweit es Marcellus bekannt war, gab es bisher auch noch keine Gerüchte über etwaige gefährliche Gegenkandidaten, vor denen Macer sich zu fürchten hätte. Wie dem auch war, brachten ihm diese Überlegungen auf eine andere Sache, die er den Senator fragen konnte.


    "Etwas ganz anderes Senator. Soweit ich gehört habe, tagt der Senat gerade über Veränderungen die mich als Praefectus Annonae und vor allem die Cura Annona betreffen. Könntest du mir vielleicht kurz nähere Details dazu schildern?"

    Es hatte zwar ein wenig länger gedauert als erwartet, aber Marcellus saß noch hinter seinem Schreibtisch und studierte einige Schriftrollen, als Callidus eintrat. Ihm war dabei aufgefallen, dass anscheinend sein Sehvermögen etwas nachgelassen hatte. Nicht, dass er plötzlich wesentlich schlechter sah als zuvor, aber er hatte das Gefühl, sich mehr darauf konzentrieren und seine Augen dabei anstrengen zu müssen. Vielleicht lag es auch nur am dumpfen Lichtschein der Kerzen und Öllampen, die um diese Zeit noch die Räume halbwegs erhellten. Er schob die Gedanken jedoch beiseite und deute auf einen Stuhl, der direkt neben seinem Schreibtisch stand.


    "Keines Wegs Callidus! Bitte nimm doch Platz. Ich werde deine Zeit nicht all zu lange in Anspruch nehmen."

    Während Marcellus geduldig dem Verwalter folgte, schwärmten zwei der drei mitgebrachten Scriba aus, um den Getreidespeicher auf eigene Faust zu erkunden und alles was es zu beanstanden gab, auf ihrer Tabula festzuhalten. Der dritte trottete weiter hinter seinem Präfekten her und war abkommandiert, Marcellus direkt zu assistieren und Protokoll zu führen. Die Männer betraten den großen und vollkommen überfüllten Lagerraum. Überall wo man hinsah türmten sich unzählige Säcke, Kisten und andere Behälter, die wiederum voll mit Getreide waren. Wieder viel Marcellus Blick auf einen Getreidesack, der unten aufgeplatzt war und neben den sich bereits ein kleiner Haufen Getreide gebildet hatte.


    "Wie sieht es mit Ungeziefer aus?"


    Der Verwalter merkte natürlich sofort, was dem Präfekten ins Auge sprang und schluckte, bevor er mit einem aufgesetzten und unpassend wirkenden Lächeln antwortete.


    "Wir haben nur sehr selten Probleme damit Präfekt. Hin und wieder einige Ratten, die wir aber unter Kontrolle haben."


    Marcellus nickte und deutete dem Verwalter, dass er weitergehen konnte, da dieser mittlerweile stehen geblieben war und einen eher nervös wirkenden Eindruck machte. Der Scriba schrieb unterdessen bereits seine Notizen auf die mitgebrachte Wachstafel.


    "Wie sieht es mit Schwund aus? Verschwinden hin und wieder einige Säcke?"


    Getreide war zwar kein Gold, aber dennoch waren einige Säcke davon eine ordentliche Summe wert, die den einen oder anderen dazu veranlassen konnte, sein eigenes Geschäft damit aufzuziehen. Bei einer unordentlichen Buchführung viel dies in den meisten Fällen nicht einmal auf und so konnte man sich einen guten Zuverdienst am Schwarzmarkt erwirtschaften. Entsetzt sah der Verwalter den Präfekten an.


    "Nein Herr! Auf keinen Fall! Wir führen hier genauestens Buch über alle Säcke die unser Lager erreichen und auch wieder verlassen. Ich lege meine Hand für die Männer ins Feuer wenn es sein muss."


    Marcellus nahm auch dies zur Kenntnis und hoffte für den Verwalter, dass er sich dabei nicht die Finger verbrennen würde. Das die Säcke abgezählt wurden, davon ging er aus, aber ob dabei auch immer Getreide darin war, stand auf einem anderen Blatt. Marcellus hatte auch schon davon gehört, dass ganz Schlaue die Getreidesäcke um einige Kilo erleichterten und die so zusammen gesammelte Menge wieder in neue Säcke umfüllten. Jedoch wollte er hier niemanden von vorn herein einer solchen Tat beschuldigen und nickte daher nur.

    Als Marcellus die Stimme seiner „Adoptivmutter“ aus dem Inneren des Raumes vernahm, öffnete er langsam die Türe, steckte zuerst seinen Kopf herein und trat dann schließlich ganz in den Raum. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass der Abend bereits fortgeschritten war und es vielleicht besser gewesen wäre, auf Morgen zu warten. Allerdings war er jetzt schon hier und ging freundlich lächelnd auf Adria zu. Mit einer kleinen und eher angedeuteten Verbeugung begrüßte er sie anstandsgemäß.


    "Verzeih dass ich dich so spät noch störe. Es gibt da etwas, worüber ich gern mit dir sprechen würde und ich hoffe, dass du ein wenig Zeit für mich hast."

    Callidus hatte bestimmt Recht mit seiner Aussage was den Kaiser betraf, jedoch hatte Marcellus das Gefühl, dass er nicht in seine Überlegungen mit einbezogen hatte, dass sein Princeps tausende von Meilen entfernt war, während der Senat hier in Rom weilte. Er ging jedoch nicht weiter darauf ein und wandte sich gleich wieder Pulcher zu, als dieser ihn ansprach.


    "Das verstehe ich natürlich. Ich war gerade auf der Suche nach deinem Bruder, um mit ihm etwas zu besprechen, als ich euch hier im Atrium hörte. Aber das kann auch warten. Vielleicht meldest du dich später bei mir Callidus. Ich werde euch jetzt wieder allein lassen. Man sieht sich!"


    Mit diesen Worten und einem Nicken kehrte Marcellus den beiden Brüdern den Rücken zu und zog wieder von dannen in Richtung der Wohnräume des Domus.

    Marcellus war keinesfalls ein ungläubiger Mensch. Allerdings vertrauter er in einem solchen Fall dann doch eher auf das rasche und fachmännische Einschreiten der römischen Vigiles, die es in den meisten Fällen auch verstanden, einem solchen Brand Herr zu werden und vor allem die wichtigeren Gebäude, wie etwa einem Getreidespeicher, mit all ihren Kräften zu schützen. Immerhin wollte auch von ihnen keiner Hungerleiden. Dennoch antwortete er dem Senator diplomatisch und mit einem aufgesetzten Lächeln.


    "Auch darum bin ich hier und werde später mein Opfer darbringen und dieser Pflicht nachkommen. Sollten wir nicht in Vulcanus Gunst stehen, was wir natürlich nicht hoffen wollen, so bin ich mir sicher, dass zumindest genügend Wasser da ist, um den Brand zu löschen. Du hast doch vor auch weiterhin dieses Amt auszuüben?"


    Dabei ließ er neugierig seinen Blick über Macers Klienten schweifen. Eine Gesichter kamen ihm bekannt vor, andere wieder nicht. Sollte sich jemand Bedeutendes unter ihnen befinden, so rechnete er Macer genügend Anstand zu, diesen dem Praefectus Annonae auch vorzustellen. Auf das Kennen lernen unbedeutender Mitläufer oder Speichellecker legte er keinen großen Wert.

    Als der Praefectus Urbi den Raum betrat, erhob sich Marcellus, um ihn entsprechend zu begrüßen. Doch bevor er etwas Sagen konnte, begann der Senator gleich zu sprechen und machte unmissverständlich klar, worum es bei seinem heutigen Besuch ging. Im ersten Moment sah Marcellus seinen Vorgesetzten etwas verwirrt an.


    "Aber der Bericht? Den hatte ich doch schon Anfang der Woche….?"


    Ohne weiter zu sprechen kam Marcellus hinter seinem Schreibtisch hervor und ging an Senator Victor vorbei nach draußen in das Vorzimmer. Der Scriba sah sofort auf, als sich plötzlich wieder die Türe öffnete. Fragend sah er Marcellus an, der ihm ziemlich barsch ansprach.


    "Der Bericht an den Praefectus Urbi, den ich dir Anfang der Woche gegeben habe – wurde der noch nicht weitergeleitet?"


    Der Scriba kramte sofort in einem Stapel Papiere und zog schließlich zögernd ein Dokument hervor, dass er dem Präfekten mit ziemlich ängstlicher Mine entgegenhielt. Marcellus riss verärgert seine Augen auf hatte Mühe sich zurück zu halten. Am liebsten hätte er den Scriba höchst persönlich für diese Verfehlung ausgepeitscht. Er kniff wütend seine Augen zusammen und nahm das Dokument an sich. Den Scriba war klar, dass dies noch Konsequenzen haben würde, doch die Tatsache, dass der Praefectus Urbi im anderen Zimmer wartete, gab ihm noch eine kurze Galgenfrist. Marcellus kam wieder zurück in sein Officium und reichte Senator Victor seinen Bericht.


    "Verzeiht Präfekt! Der Bericht hätte bereits Anfang der Woche bei euch eintreffen sollen."



    Bericht des Praefectus Annonae


    berechneter Jahresbedarf an Getreide: 40.000.000 Scheffel
    Das Getreide kommt vorwiegend aus den umfangreichen Landgütern des Kaisers; 1/3 des Getreides wird vom Praefectus Aegypti bereit gestellt


    bisher Verbraucht: 26.523.250 Scheffel
    - der Verbrauch liegt also im Plan -


    berechneter Transport nach Italien: 1300 Schiffe
    Überwiegender Teil des Getreides wird von Mitte März bis Mitte November, aufgrund der widrigen Witterungsverhältnisse in den Wintermonaten, von Privatunternehmern transportiert


    Transport nach Rom: jährlich etwa 700 Transportschiffe von Ostia nach Rom


    Neben Ostia wird Puteoli angelaufen, von da an wird die Ladung auf dem Landweg nach Rom gebracht; für die Strecke Ostia-Rom beträgt die Fahrtdauer und das Be- und Entladen jeweils drei Tage, die Rückfahrt einen Tag


    Speicher (Horrea:( etwa 400 Stück


    Staatliche Großbäckereien: etwa 300 Stück


    aktuelle Empfangsberechtigte: 203.120 Bürger


    Produktion: 217.300 bis 225.200 Portionen Brot pro Tag




    Mit einem Schmunzeln auf den Lippen hob Marcellus beschwichtigend seine Hand. Es sah fast so aus, als hätte er den Aelier auf dem falschen Fuß erwischt. Nicht gerade der beste Einstand beim kennen lernen neuer Familienmitglieder.


    "Es freut mich dich kennen zu lernen Pulcher! Und keine Sorge - es gibt weder Missverständnisse noch, so wie du bereits richtig festgestellt hast, müsstest du dich für irgend etwas entschuldigen. Ganz im Gegenteil. Unsere Gedanken zu diesem Thema stimmen in vielen Dingen sogar überein. Ich selbst habe nach meiner Adoption in eure ehrwürdige Gens die ritterliche Laufbahn vorgezogen, anstatt mich in den Senat berufen zu lassen, wie es nach meiner zweimaligen Quaestur ebenso möglich gewesen wäre. Und ich bin auch nun im Nachhinein noch froh, dass mich Quarto dabei unterstützt und beim Kaiser ein gutes Wort für mich eingelegt hat."


    Marcellus wusste nur zu gut, auf welchen Umstand die Frage nach seinem Traditionsbewusstsein zurückzuführen war. Sie kam nicht von ungefähr und vor allem patrizischen Kreisen war seine Adoption in eine plebejische Familie, auch wenn dieser der Nobilitas angehörte, immer ein heiß diskutiertes Thema. Marcellus selbst hingegen sah dies eher gelassen. Schließlich hatte es er auf diesem Wege nun sogar zum Praefectus Annonae geschafft, während viele seiner früheren patrizischen Wegbegleiter darum kämpfen mussten, überhaupt an derartige Posten heran zu kommen – was ihnen in den meisten Fällen aber dennoch nicht gelang.


    "Was meine persönliche Einstellung zu Traditionen betrifft, so bin ich durchaus ein Mensch, der an sie glaubt und bis zu einem gewissen Grad an ihnen fest hält. Jedoch bin ich andererseits viel zu sehr Realist, als das ich nicht auch erkennen würde, wann eine Tradition ausgedient hat und es einer Veränderung bedarf. Führst du heute einen neuen Brauch ein, dann wird man in fünfzig oder hundert Jahren ebenso von einer alten Tradition sprechen."

    Nachdem er Adria – Marcellus hatte sich immer noch nicht damit angefreundet zu einer Frau im gleichen Alter Adoptivmutter zu sagen – nirgends im Domus finden konnte, hatte sich Marcellus zu ihrem Cubiculum aufgemacht. Wenn sie überhaupt zu Hause war, dann konnte sie nur noch hier sein. Hoffend stand er schließlich vor ihrer Zimmertüre und klopfte an.

    "Hört, Hört!" hallte es laut aus der anderen Ecke des Atriums.


    Marcellus, der gerade das Atrium betreten hatte und noch die letzten Sätze mitbekommen konnte, ging auf die beiden Männer zu. Callidus kannte er zwar vom sehen bzw. hatte er einiges über ihn gehört, die beiden waren sich jedoch bisher noch nicht offiziell vorgestellt worden und daher war es höchste Zeit, dass sie sich endlich einmal über den Weg liefen. Bei dem Mann neben Callidus war unverkennbar, dass es sich um seinen Bruder handeln musste. Von diesem hatte Marcellus jedoch bisher weder etwas gehört, noch ihn zu Gesicht bekommen. Jedoch war dies auch nicht all zu verwunderlich, da er ja selbst noch nicht recht lange ein Aelier war.


    Gut für den Mann war jedoch, dass Marcellus den zuvor gesagten Satz über die Patrizier noch nicht gehört hatte. Auch wenn er nun ein Plebejer oder viel mehr ein Eques war, hatte er seine Herkunft nicht vergessen und war sich immer noch seiner herausgehobenen Stellung in der römischen Gesellschaft bewusst. Nun jedoch marschierte Marcellus auf die beiden Männer zu und nickte grüßend, ehe er weiter sprach.


    "Ich wage zu bezweifeln, dass du dir mit dieser Einstellung zur Zeit viele Freunde in Rom machen wirst. Vor allem nun, wo sich der Kaiser am anderen Ende des Reiches befindet und der Senat dadurch wieder an erheblichen Einfluss gewinnt.


    Verzeiht mir meine schlechten Manieren – Lucius Aelius Claudianus Marcellus, der Adoptivsohn von Quarto."

    Mitten im ganzen Trubel, sich zwischen den Menschentrauben durchschiebend, waren auch Marcellus und seine Tochter unterwegs. Seine Sklaven versuchten, so gut es ging, den Weg frei zu machen, um ihren Herrschaften ein bequemes durchkommen zu ermöglichen, doch gelang dies nicht immer und so kam die kleine Gruppe immer wieder ins stocken. Auch wenn er sonst solche Menschenansammlungen hasste und sie wenn möglich mied, hatte er Dolabella versprochen, heute mit ihr das Fest der Volcanalia zu besuchen. In den letzten Wochen hatte er kaum die Möglichkeit gehabt, mit Dolabella etwas Zeit zu verbringen geschweige denn etwas zu unternehmen und dies war für beide eine willkommene Abwechslung.


    Nebenbei bemerkt war es für einen Mann seines Ranges wohl auch vorteilhaft, sich hin und wieder unters Volk zu mischen und dabei wenn möglich auch Kontakte zu pflegen. Daher war es auch absehbar, dass er auf Senator Macer und sein Gefolge zusteuerte, als er diese unter den anderen Besuchern entdeckte.


    "Senator Macer! Wie ich sehe hat dich das Fest der Volcanalia ebenfalls vor die Stadtmauern gelockt. Darf ich dir meine Tochter Dolabella vorstellen. Ich denke du kennst sie noch nicht."


    Der Präfekt legte beim letzten Satz seinen Arm um die Schultern seiner Tochter und schob sie lächelnd ein wenig nach vorne.

    Der Praefectus Annonae war auf dem Weg zu seinem Mittagsmahl und trat gerade aus dem schattigen Eingang der Basilica Iulia auf das Forum, als er den Menschenauflauf vor der Rostra bemerkte. Allem Anschein nach gab es dort etwas Interessantes zu sehen bzw. zu hören. Neugierig trat er ebenfalls näher und erkannte sofort er die unverkennbare Gestallt des amtierenden Consuls, der sich gerade bereit machte, dem Volk etwas zu verkünden. Da die Basilica direkt neben der Rostra stand, und der Consul heute ungewohnt laut sprach, musste der Präfekt nicht all zu weit vorgehen, um zu verstehen, worum es hier ging.


    Man hatte also einen Flavier zum Proconsul von Hispania ernannt – Flavius Furianus. Ein Name, der Marcellus und bestimmt auch den meisten anderen Römern durchaus bekannt war. Seine Adrogatio war nun schon einige Zeit her, doch das eben gehörte zeigte ihm, dass sich in den Reihen der Patrizier immer noch nicht verändert hatte. Während einige patrizische Familien ihre Mitglieder nach und nach in angesehene und wichtige Positionen brachten, war von Anderen in den letzten Monaten nicht viel zu hören gewesen. Ob sich der Senat jedoch zukünftig eine Freude damit gemacht hatte, diesen Flavier in ein solches Amt zu wählen, war wieder eine andere Sache.


    Als Verkündung des Consuls zu Ende war, wandte sich Marcellus ab und sah bereits Licinus Pulcher, einen Magistraten, mit dem er heute zum Essen verabredet war. Er hatte im Schatten der Basilica gewartet und steuerte nun auf Marcellus zu. Gemeinsam machte man sich auf den Weg zum Mittagessen und hatte nun auch einen neuen Gesprächsstoff gefunden – die Ernennung des neuen Proconsuls.

    "Das werde ich Dolabella! Vielen Dank! Ich wünsche auch dir einen schönen Tag."


    Kurz nachdem seine Tochter gegangen war, machte sich auf der Präfekt auf den Weg zu seiner neuen Wirkungsstätte. Der Scriba war bereits, mit einigen Schriftrollen und einer Tabula samt Griffel bewaffnet, vor der Türe angetreten und teilte mit, dass vor der Eingangstüre bereits die Sänfte bereit stand, um Marcellus zur Basilica Iulia zu bringen. Marcellus nickte und folgte dem Mann nach draußen.

    "Das höre gern Dolabella! Es ist mir sehr wichtig, dass du dich so bald wie möglich in unsere neue Familie einfügst und dort auch von allen als vollwertiges Mitglied akzeptiert wirst. Vor allem mit Adria solltest du dich gut verstehen. Ich bin mir sicher, jetzt wo ihr Mann den Kaiser auf seinen Feldzug begleitet, kann sie Abwechslung und angenehme Gesellschaft bestimmt gut gebrauchen. Wann beginnt heute dein Tempeldienst?"


    Der Sklave war endlich mit dem Ankleiden seines Herrn fertig und Marcellus sah noch einmal an sich hinunter. Alles war perfekt und er war bereit für seinen ersten Tag in seinem neuen Amt. Zufrieden nickte er den Sklaven zu und deutete ihm dann, dass er sich nun wieder entfernen konnte.

    Ohne ein Wort des Dankes trat Marcellus in das Innere des Getreidespeichers. Draußen war strahlender Sonnenschein und daher dauerte es einen kurzen Moment, bis sich seine Augen an den doch eher dunkleren Ort gewöhnt hatten. Dann ging er jedoch zügig weiter und traf auf einen Mann, der nach seiner Kleidung nach zu urteilen, einer der Lagerverwalter war.


    "Salve Verwalter! Ich bin Aelius Claudianus Marcellus, der neue Praefectus Annonea."


    Der Verwalter hatte schon auf den ersten Blick erkannt, dass es sich bei dem Besucher um einen hohen Magistraten handeln musste und nahm sofort eine demütige Haltung ein. Die Überraschung, war dem guten Mann dabei von seinem Gesicht abzulesen. Von seiner gebückten Haltung aus, sah er sich kurz um.


    "Oh! Praefectus! Es ist uns eine Ehre! Verzeiht die Unordnung. Wir hatten nicht mit eurem Besuch gerechnet."


    Marcellus deutete dem Verwalter, dass er sich wieder erheben konnte und nickte nur. Unordentlich sah es hier tatsächlich aus. Ziemlich viele Getreidesäcke standen mitten auf dem Gang und einige davon waren geplatzt und das Getreide war ausgelaufen.


    "Schon gut! Es war auch meine Absicht unangemeldet zu kommen. Vielleicht führst du mich erst durch die Horrea. Danach möchte ich die Bücher einsehen."


    Der Verwalter hatte sich in der Zwischenzeit wieder aufgerichtet und nickte. Mit einer einladenden Handbewegung bat er den Präfekten weiter.

    Eine Sänfte näherte sich langsam der Horrea Vespasiani und kam genau vor dem Haupteingang zum stehen. Vorsichtig ließen die Sklaven sie zu Boden, während von Innen eine Hand heraus griff und den Vorhang schwungvoll beiseite schob. Es war Marcellus, der in seiner Funktion als Praefectus Annonae eine Überprüfung vornehmen wollte. Er erhob sich gemütlich und befahl den Sklaven die Sänfte etwas mehr auf die Seite zu heben, ehe er in Richtung Horrea sah und sich umsehemd auf den Eingang zuging. Dort wurde er von einer Wache in Empfang genommen, die den neuen Präfekten noch nicht kannte und daher auch seine Kollegen im Inneren des Getreidespeichers nicht vorwarnen konnte. Marcellus nickte.


    "Salve! Ich bin der neue Praefectus Annonae Aelius Claudianus Marcellus und bin hier um die Horrea zu überprüfen und die Bücher einzusehen."


    Die Wache wusste im ersten Moment nicht wie ihr geschah und nahm sofort eine straffere Haltung an.


    "Natürlich Praefectus! Bitte tretet ein."


    Mit diesen Worten öffnete die Wache das schwere Eingangstor und ließ dem Präfekten den Vortritt.

    "Tut mir Leid Dolabella, aber ein gemeinsames Essen werden wir verschieben müssen. Ich möchte heute keinesfalls zu spät kommen."


    Als Marcellus das Wort Großmutter hörte, musste er breit grinsen. Es war wirklich eine merkwürdige Vorstellung, dass eine Frau, die kaum älter als er selbst war, nun seine Mutter sein sollte. Dolabella ging allem Anschein nach wesentlich leichter damit um als er selbst. Er hatte zwar mit ihr selbst noch nicht darüber gesprochen, aber er ging davon aus, dass sie wenig Wert darauf legte, von ihm Mutter genannt zu werden.


    "Ich denke nicht, dass Adria es so gerne hört, wenn du Großmutter zu ihr sagst – auch wenn es stimmt. Aber ich denke, dass wird sie dir schon noch selbst sagen. Wie verlief euer Aufeinandertreffen? Ich hoffe du hast einen guten Eindruck hinterlassen?"

    Marcellus ließ sich seine leichte Verwunderung über die Einstellungen des Präfekten zu Aegyptus und zum Aufgabengebiet eines Praefectus Annonae nicht anmerken. Natürlich war ihm klar, dass sein Hauptaugenmerk in erster Linie auf die Curia gerichtet sein musste, doch hatte er eigentlich auch damit gerechnet, dass Kontakte zu den Getreidelieferanten ebenfalls wichtig waren. Jedoch lag es nicht in seiner Absicht bereits bei seinem Amtsantritt gegen die Wünsche des Präfekten zu sprechen und so nickte er nur abschließend.


    "Natürlich Praefectus! Ich werde mich darum kümmern und dir die Unterlagen schnellstmöglich zukommen lassen."

    Der Besuch seine Tochter war also nicht ganz so uneigennützig, wie er es vorerst gedacht hatte. Eine wirklich schwierige Entscheidung, vor die sie Marcellus stellte. Aber vor allem wusste er, dass sie ohnehin früher oder später ihren Dickschädel durchsetzen würde und ihren Willen bekam – also warum hinauszögern. Es war ohnehin so, dass er damit gerechnet hatte und sich bereits im Vorfeld seine Gedanken dazu machen konnte.


    "Nun gut Dolabella. Ich hatte schon erwartet, dass du wieder damit anfangen wirst. Du darfst Priesterin der Venus werden, wenn es wirklich dein fester Wille ist."