Sie ließ sich seine Worte durchaus durch den Kopf gehen und nickte dann sinnierend dazu, wenngleich sie nicht sofort antwortete. Vielleicht war es eine Folge ihrer persönlichen Erfahrungen, dass es ihr nicht leicht fiel, diesen Gedanken sofort zu akzeptieren, vielleicht war es auch einfach Zeichen einer gewissen Sensibilität dem Thema Krieg gegenüber, wenn man aus einer Soldatenfamilie stammte - Iulia Helena wiegte den Kopf etwas und meinte schließlich, ebenso leise:
"Du meinst, es sei leichter, sich auf solche Dinge wie das Privatleben anderer zu konzentrieren, wenn man versucht, eigene Sorgen zu vergessen - oder mögliche Gedanken an das Schicksal anderer beiseite zu schieben? Es ist traurig, dass wir so bequem sind, aber ich fürchte, Du hast Recht, Quintus. Erst wenn das Leid direkt vor eigenen Füßen steht, dann nimmt man es auch wahr, ansonsten berührt es einen nicht. Dennoch, ich denke, das ewige Lamento unserer Literaten, dass es uns so schlecht gehen würde, ist übertrieben, nur ein Stilmittel derjenigen, die der Republik nachtrauern. Sie sehen nur leider nicht, zu was das republikanische System letztendlich geführt hat." Damit war dieses Thema für sie erst einmal abgehakt, immerhin gab es besseres, als über den Niedergang der Republik zu sprechen, deutlich angenehmeres sogar.
Er schmeckte gut, seltsam vertraut, intensiver durch den engeren Kontakt beider Zungen. Was sie in Ostia am Strand noch nicht gewagt hatte zu tun, jetzt tat sie es, mit dem sicheren Wissen, dass dies erst der Beginn einer Gemeinsamkeit darstellte, nicht das Ende, vor dem man sich vorsichtig beiseite schleichen musste, um den Geschmack dessen nicht zu bitter zu gestalten. Mit stillem Vergnügen registrierte sie, dass er dem Kuss, ihrer Berührung, nicht minder anheim gefallen war wie sie selbst, ihr ganzer Körper strahlte die gespannte Aufmerksamkeit ab, die nach mehr Details, mehr Kribbeln und Prickeln verlangte. Warum nur hatte sie so lange gewartet, sich so lange fern davon gehalten, die Nähe eines Mannes zu genießen, ohne zu fragen, ohne zu denken, einfach nur genießend? Die zarten Berührungen seiner Fingerkuppen ließen sie einmal mehr zittern, und sie lächelte bei seinen Worten unwillkürlich. "Irgendwann kommen wir schon dort an," hauchte sie leise zurück und gluckste vergnügt.
Ihretwegen hätte die Cena Liber auch in Ostia stattfinden können, um den Weg zu verlängern - aber solange sie noch gemeinsam alleine im Schutz der Sänfte waren, so lange wollte sie noch seine Nähe mit jeder Faser ihres Körpers genießen. Sachte schob sie ihre Hand höher, fuhr mit den gespreizten Fingern in sein kurz geschnittenes Haar und zog seinen Kopf wieder näher zu sich heran, um den Kuss fortzusetzen, den seine Worte unterbrochen hatten. Sie kam nun halb auf seiner Brust zu liegen, eine Haarsträhne löste sich hinter ihrem Ohr und kringelte sich leicht herab, tanzte auf seiner Wange umher, während sich ihr Leib merklich an den seinen schmiegte. Diesmal war sie es, die den Kuss unterbrach, flüsterte: "Ich hätte nicht gedacht, dass es so werden würde .... Du?"