Sein vergewissernder Blick gab ihr die letzte Sicherheit, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Männer! Letztendlich waren sie doch alle gleich, egal wohin man kam und in welche Kleidung und Ehren der eine oder andere schlüpfte. Schmunzelnd behielt sie ihm im Blick, während er seine Sicht der Dinge darlegte, und beschloss, ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen, was er begonnen hatte. Diesen Abend sollte der praefectus praetorio nicht so leicht vergessen können, und sei es nur, dass er mit einem prallen Lendenschurz das Haus der gens Iulia verließ, um unerfüllte Begierden dann mit der erstbesten Sklavin seines eigenen Haushalts zu erfüllen. Ja, der Gedanke begann ihr zu gefallen, denn dieses Spiel konnte eine Frau, die es gut spielte, letztendlich nur gewinnen, denn sie hatte nichts zu verlieren.
"Er war tatsächlich ein Aurelier, aber ich glaube, so schwer war das auch nicht zu erraten - immerhin gibt es ausser Sergius Glabrio und mir nur noch einen weiteren Duumvir, der sich in der Curia Italia hervorgetan hat, und dieser ist nun einmal ein Aurelier. Indes scheint er mir nicht gar so verstockt und unzugänglich zu sein wie andere seiner Familie, aber eine gewisse Vorsicht bleibt doch immer zurück," antwortete sie schließlich mit einem leichten Lächeln auf den geschwungenen Lippen, den Blick dabei nicht von ihm lassend. Er sollte ruhig sehen, dass sie kurz die Zunge zwischen den Lippen hervor blitzen ließ, um den letzten Weingeschmack von dort fortzunehmen.
"Nun, was Livilla angeht - sie ist noch recht jung und unerfahren in den zwischenmenschlichen Dingen, und sie hat gerade erst eine etwas unglücklich verlaufene Liebesgeschichte hinter sich. Eine Ehe vermittelt einem doch stets einen gewissen Halt, ein Wissen darüber, wohin man gehört und welche Ziele einen in der nächsten Zeit bewegen könnten, wenn man noch nicht so viele eigene gesteckt hat. Ich bin mir sicher, sie wäre eine aufmerksame und gute Gemahlin für einen anständigen Mann, der ihren klugen Kopf zu schätzen weiss und der Romantik auch ein wenig Raum gewährt im alltäglichen Leben."
Insgeheim glaubte sie, dass ihre Cousine eine ziemliche Romantikerin war, die auf die große Liebe wartete - anders ließ sich schlecht erklären, dass sie mit Petronius Mela so umgegangen war. Vielleicht wäre Crassus als Gemahl für sie gar nicht so schlecht, reich genug war er, um ihr die Welt zu Füßen zu legen, einflussreich ebenso. "Dann lass uns doch hinüber gehen, es ist ja nicht weit," sagte sie lächelnd und erhob sich in einer fließenden, langsamen Bewegung, wohl einkalkuliert, dass sich ihr Körper unter dem Stoff der Stola abzuzeichnen wusste. Die Ohrhänger fingen das Kerzenlicht des Raums und reflektierten es, während sie am impluvium vorbei schritt, in Richtung der Türe, die zum triclinium führte. "Ich möchte Dich schließlich nicht hungern lassen," fügte sie hinzu und wandte sich halb zu ihm um, überprüfend, ob er den vagen, tieferen Beiklang ihrer Stimme beim Wort hungern auch registriert hatte.
"Eigentlich fast schade, dass Du noch nie verheiratet warst," sagte sie, während sie ihn in den Speiseraum mit den dort aufgebauten Klinen führte - er war ebenso dezent erleuchtet und zwei große Vasen mit Blumenschmuck darin füllten den Raum mit einem dezenten, angenehmen Duft. Sie bot ihm mit der Hand den locus praetorius, den Ehrenplatz, um sich selbst mit einer geschmeidigen Bewegung dekorativ auf dem Platz des Hausherrn und Gastgebers niederzulassen - es war zwar nur ein kleines Essen, aber auch hier mussten die Konventionen der römischen Gesellschaft gewahrt werden.