Beiträge von Iulia Helena

    Für einige Momente lang schwieg die Iulierin und hantierte nur mit den Krügen weiter. Es war seltsam, in einer so weiten Ferne auf einen Verwandten zu treffen, den sie zuvor niemals kennengelernt hatte, und erkennen zu müssen, dass er zum sympathischeren Teil der Familie gehörte. Auch wenn sie noch nicht allzu viel miteinander gesprochen hatten, so wusste sie doch, dass sie Iulius Licinus mochte - in solchen Dingen hatte sich Iulia Helena stets auf ihren Instinkt verlassen und war darob nie getäuscht worden.
    "Das ist wahr - gerade frische Früchte, frisches Gemüse, mit dem man den puls ein bisschen aufwerten kann, bekommt man hier nur sehr schwer, und ich muss auch sagen, das parthische Gemüse scheint mir im Vergleich zum römischen als etwas kümmerlich. Aber man sollte nicht beklagen, dass die Dinge, die man bekommt, kleiner gewachsen sind, besser ist es jedenfalls, als gar nichts zu bekommen, wir müssen zumindest nicht hungern oder gänzlich alles entbehren. Spätestens wenn die nächste Stadt erobert ist, dürfte sich die Varianz der Nahrung wieder verbessern."


    Sie klang recht sachlich, und man hätte meinen können, sie verbrächte viel Zeit damit, Feldzugsstrategien zu erörtern, so unweiblich schien die Reduktion einer Stadteroberung auf ein sich damit ergebendes Faktum - dass man eben sehr leicht an mehr Nahrung kam, wenn eine Stadt erst einmal gefallen war. Leicht lächelnd blickte sie zu ihrem Verwandten und betrachtete ihn einige Augenblicke lang. Ja, eine vage Ähnlichkeit mit ihren Brüdern bestand, die Kinnlinie, die bei vielen Iuliern sehr energisch ausfiel, war auch bei Licinus zu erkennen und in jener Weise geformt, die sie zu schätzen wusste. Wenn der Krieg erst einmal vorbei war und er den entsprechenden Rang erreicht hatte, würde es sicher interessant werden, für ihn eine gute Frau zu finden.
    "Gefällt Dir das Leben bei der legio?"

    So fiel denn Roms Pracht dahin, und begann zu schnarchen. Wussten Männer eigentlich, wieviel sie von ihrer ursprünglichen Anziehungskraft verloren, wenn sie zu schnarchen begannen? Der schönste, anziehendste und ansprechendst gewachsene Mann mit den besten Manieren vermochte es doch nicht, des Nachts seine Atemwege im Zaum zu halten, und urplötzlich wurde aus einer stattlichen Erscheinung eine Person, der man am liebsten ein Kissen aufs Gesicht gedrückt hätte, nur um selbst Schlaf zu finden. Wenigstens war der erste Gemahl der Iulia Helena ein Quartalsschnarcher gewesen, er hielt sie nicht jede Nacht wach mit seinem Bäumefällen, aber dieser centurio hier wirkte, als vermöchte er mit dem sägenden Geräusch ganz Parthia von Bäumen zu entvölkern. Solange er den Mund geschlossen gehalten hatte - was leider nur wenige, verklärte Augenblicke lang der Fall gewesen war - war ihr der eigentlich vollkommen fremde Mann durchaus als attraktiv erschienen.


    Verliebt zu sein bedeutete für die eher praktische Iulierin keinesfalls, nicht einen attraktiven Mann zu erkennen, wenn sie ihn sah, nur ihre Begierden richteten sich nicht auf einen anderen als ihren Verlobten - und dass Flavius Aristides sicherlich nicht von umsonst nach süßem Parfum roch, war ihr damit ebenso klar gewesen. Letztendlich waren die meisten Männer Sklaven ihrer Gelüste, und man musste dies als Frau wenn nicht vollständig übersehen, dann doch zumindest in Kauf nehmen, da sie sich gar so wenig voneinander unterschieden. Selbst Vitamalacus folgte seiner Lust bisweilen mit einer Heftigkeit, die sie erstaunte - aber zumindest richtete sich diese auf sie selbst und nicht auf irgendeine Sklavin oder lupa.


    Langsam zog sie die Decke über den Körper des Schlafenden, und erhob sich dann geräuschlos, wie es Frauen eben so taten, wenn sie einige Zeit am Lager eines Geliebten, Kindes, Verwandten oder Ehemannes verbracht hatten, um über dessen Wohlsein zu wachen. Überhaupt gewannen viele pflegende Frauen eine ausgesprochene Lautlosigkeit während eines solchen Dienstes, der die Genesenden später oft vergessen ließ, dass überhaupt jemand gewacht hatte. Ob eines besonders lauten Schnarchers warf sie noch einen letzten Blick auf den schlafenden Offizier, und befand dann, es sei wirklich Zeit zu gehen - immerhin zogen sich nun auch seine Kameraden zurück in ihre Zelte, und sie konnte und wollte nicht mit einem vollkommen Fremden in dessen Zelt alleine bleiben, es gab ohnehin schon genug Geschwätz. Für sie selbst hätte sie das wenig gekümmert, aber sie musste auch auf den Ruf ihres Verlobten achten, und so schritt auch die Iulierin zum Zelteingang, kurz hinter Serapio.


    "Eine ruhige Nacht wünsche ich Dir, Decimus Serapio - und sei so gut, verrate ihm morgen nicht, dass ich es war und nicht seine Mutter. Wahrscheinlich wäre es ihm ziemlich peinlich, was alles hier geschehen ist." Sie schmunzelte flüchtig, die Vorstellung eines verdutzten centurio-Gesichtes hatte durchaus etwas für sich, würde er alles erfahren, aber nein, es wäre besser, er würde dies einem Trunkenheitstraum zuschreiben. Vor dem Zelt des centurio wandte sie sich nach einem verabschiedenden, nun wieder freundlichen Kopfneigen von den Männern ab und schritt in Richtung der Lagermitte, um sich zu ihrem eigenen Zelt zu begeben und endlich den traumlosen Schlaf zu finden, den sie zuvor vergeblich gesucht hatte.

    Zitat

    Original von Appius Terentius Cyprianus
    Schumzelnd folgte er dem Disput:" Nun dein Sklave hat nicht unrecht Iulierin. Immerhin wäre der Aufwand für uns nicht mal halb so groß und ich bin mir sicher auch der Legat sehe das lieber als eine halbe legion als Wache für sein Weib. Wenn er allerdings deiner Meinung ist, nun dann werden wir es schon hinbekommen"
    Auch wenn er den Blick durchaus genoß, man mußte leider auch an andere Dinge denken und daß eine, wenn auch zugegebener Maße hübsche,Frau die ganze Legion auf den Kopf stellte gefiel ihm sowieso nicht.


    Die steile Falte zwischen ihren Augenbrauen, die sich langsam auf der Stirn der Iulierin abzeichnete, als sie den tribunus kritisch anblickte, schien noch ein wenig an Intensität zu gewinnen, denn die Tatsache, dass dieser Mann ihr wirklich widersprach, und das in einem netten und harmlosen Ton, der nur nahelegen konnte, dass er verheiratet war und wusste, wie man mit den Launen einer Frau umzugehen hatte, wenn er nicht die Hölle auf Erden zuhause haben wollte. Im Grunde war sie sich sicher, von Vitamalacus die Erlaubnis zu einem Bad im Fluss zu bekommen, wenn sie nur den richtigen Weg fand, ihn darum zu bitten - aber einerseits widerstrebte es ihr, einen Mann um die Erlaubnis bitten zu müssen, ein dringend notwendiges Bad zu nehmen, andererseits wusste sie auch genau, dass Cyprianus Recht hatte, es wäre ein nicht geringer Aufwand für ein bescheidenes Vergnügen, und der Aufwand würde Vitamalacus sicher nicht besonders gefallen. Auch wenn sie oft genug ihren eigenen Willen durchzusetzen imstande war, entbehrte sie doch nicht einer grundlegenden Vernunft. Einen sehnsüchtigen Blick zum so kühl und erfrischend wirkenden Wasser des Flusses werfend, legte sie den Kopf etwas schief.


    "Ich denke nicht, dass es notwendig sein wird, mein Bad mit der halben Legion zu bewachen - zudem haben sich die Männer nach der letzten Schlacht wahrhaftig verdient, einige frohe Stunden zu erleben, in denen sie von Pflichten weitgehend frei sind." Das war der leichte Teil gewesen, jetzt kam der, zu dem sie sich wirklich überwinden musste, vor allem, da vom Fluss das Lachen der Legionäre herüberschallte. "Dann soll es eben ein Bad in der Wanne sein - Xamander, das hast Du gehört, ja?" Der Sklave nickte eilends, sandte einen zutiefst dankbaren Blick in die Richtung des Offiziers und stob davon, bevor sie ihre Meinung nochmals ändern konnte.

    Xamander zuckte zusammen. Wollte dieser tribunus wirklich seiner Herrin auch noch ermöglichen, sich wie eine peregrina in den Fluss zu stürzen? Blankes Entsetzen in den Augen starrte er den fremden Mann an und schluckte hörbar.
    "Äh, ich meinte, wir könnten auch einen Badebottich voll frischem Wasser .. und dann braucht es keine Soldaten," stotterte der Sklave unsicher hervor und wurde unter dem missbilligenden Blick seiner Herrin gleich einen halben Kopf kleiner. Nie im Leben würde er das zulassen, hatte seine Herrin denn inzwischen das ganze Lager unter ihrer Fuchtel? Man hatte ihm ja einiges vor seinem Verkauf an die Iulierin über die Frauen dieses Geschlechts gesagt, aber seine Herrin war eindeutig die sturste von ihnen. "Ein .. Badebottich?" echote die Iulierin ungläubig. "Das ist doch nicht Dein Ernst?" Cyprianus' Vorschlag fand da schon eindeutig mehr ihre Zustimmung und er konnte sich einige Momente lang in einem sehr dankbaren Blick Helenas sonnen. Da muss jetzt Titus ran, entschied der griechische Sklave für sich und machte bereits Anstalten, sich in Richtung des praeteriums zu bewegen, wo er Vitamalacus' stetigen Schatten vermutete.

    Dass Männer bisweilen tranken, war eine unverrückbare Tatsache, und eine Frau musste sich damit ebenso abfinden, wie auch damit, dass sie ab und an in ein lupanar gingen, um sich zu amüsieren - wenn man ihnen solche Freuden nicht verwehrte, kamen sie umso eher gut gelaunt zurück und dankten es einem durch häusliches Wohlverhalten. So hatte es Iulia Helena von ihrer Mutter gelernt, die ihre Weisheiten wiederum von ihrer Mutter und jene von deren Mutter übernommen hatte - und so war sie durchaus willens, ein gewisses Maß an Alkoholkonsum bei einem Mann nicht zu verurteilen, der zudem als Soldat für das Wohl Roms stritt. Konnte er aber nicht mehr aufrecht gehen und erleichterte sich zudem dann noch in einen Eimer, selbst wenn es abseits geschah, war für sie die ungeschriebene Grenze erreicht und überschritten, das war für ihre persönlichen Maßstäbe doch etwas zuviel.
    So hatte sie dem davonwankenden Aristides mit gerunzelter Stirn nachgeblickt, elend genug sah er zudem aus, und schüttelte still den Kopf, als die Würgegeräusche erklangen, die er glücklicherweise außerhalb des Zeltes gehalten hatte. Zumindest so viel schien die Mutter dieses Mannes auf ihn eingewirkt zu haben, dass er sich vor einer Frau nicht gehenließ, das war etwas, was dann doch noch für ihn sprach. Andere hätten nicht so viel Zurückhaltung besessen.


    "Ich residiere angemessen, der Rest soll Deine Sorge nicht sein," wich sie geschickt seiner Frage aus, und das im typischen 'ich weiss was ich tue' Mütterton, den sie selbst bei ihrer Mutter immer gehasst hatte. Erstaunlich, wie schnell man doch selbst anfängt, so zu werden wie die eigene Mutter, dachte sich Helena einigermaßen von sich selbst überrascht und nahm auf einem kleinen Hocker neben der Liege des Aristides Platz, legte ihm dann die kühle, schmale Hand auf die bleiche Stirn. Er hatte sich seinen Zustand zwar absolut selbst zuzuschreiben - und dieses süßliche Parfum, das sie an ihm roch, war ein weiteres Indiz dafür, dass er seine Freizeitgestaltung irgendwann dringend überdenken sollte - aber bei elend aussehenden Männern regte sich auch in Helenas Herz ein gewisses Mitleid für dieselben, das wohl dazu taugte, dass die Menschheit weiter existierte und Frauen nicht schon vor Jahrhunderten dazu gebracht hatte, trinkende und hurende Männer als fortpflanzungsfähige Individuen komplett auszuschließen.
    "Du musst nur etwas Wasser trinken, dann geht es Dir bald besser." Sie schenkte aus einem bereitstehenden Krug Wasser einen Becher voll und hielt ihm diesen an die Lippen, vorsichtig, dass er sich nicht selbst damit besudelte, und ließ ihn trinken. Erst Serapios Worte ließen sie innehalten und aufblicken. "Hast Du schlechte Nachrichten erhalten?"

    Als ihr Onkel das Zelt betrat, nickte sie ihm lächelnd zu und erhob sich - die Sklaven waren gegangen, wer hätte es ihnen auch verdenken können - und so war es an ihr, dafür zu sorgen, dass die Männer eine Erfrischung bekamen. Still trat sie zu einem der Beistelltische, die von Vitamalacus' Zorn glücklicherweise unbehelligt geblieben waren, und schenkte Wein und Wasser in drei Becher ein - wobei ein Becher sehr viel mehr Wein enthielt als Wasser, das war die Quintus-Mischung - um sie dann den Männern anzubieten, zuerst ihrem Verlobten, dann den beiden anderen Männern, ihrem Rang entsprechend nacheinander. Nach einem so langen Tag waren Kehlen nun einmal staubig, und sie war sich sicher, dass ein Becher Flüssigkeit erfrischend und belebend zugleich wirken würde.

    Man konnte deutlich den Hoffnungsfunken in den Augen Xamanders erkennen, der sich abzuzeichnen begann, je mehr der ihm unbekannte Offizier sprach. Eigentlich hatte er zu Titus gehen wollen, dem Schatten des legatus, aber jetzt von einem anderen Offizier Schützenhilfe zu bekommen, ohne danach gefragt zu haben, war umso willkommener. So verhielt sich der Grieche ganz still - darin war er ziemlich gut - und überließ es erst einmal seiner Herrin zu reagieren, denn reagieren würde sie, das konnte man schon an ihrem Einatmen erkennen, und wie sie einen Teil der dem Klima angemessen dünnen, durchscheinenden palla zurückwarf, die ihr Haar sittsam, aber auch deutlich zu warm bedeckte.
    "Salve, tribunus - und natürlich nicht!" schnaubte die Iulierin wie ein kampferprobter Arenastier. "Ich dachte an einen Badeort etwas abseits der lärmenden Meute, vielleicht dort hinten an der Flussbiegung, wenn das alles sicher ist, man kann ja nie wissen." Was dachte der Kerl denn? Dass sie sich hier vor den Soldaten entblößen würde? Männer hatten bisweilen eine entsetzlich schmutzige Phantasie! Dass auch Xamander ernsthaft befürchtet hatte, seine resolute Herrin würde gleich jetzt in den Fluss stürzen, konnte sie schließlich nicht wissen.

    Auf seine Beileidserklärung hin lächelte sie kurz und neigte ihm dankend den Kopf zu - mehr Worte verlor sie nicht darüber, er war ebenso Soldat, und der Tod gehörte zu seinem täglichen Leben ebenso dazu, wie er damals zu ihrem gehört hatte und wieder gehörte. Öffentlich gezeigte Trauer war nichts, das einer römischen matrona allzu lange gut anstand, und ihre Gedanken und Gefühle ihren ersten Mann betreffend hatte sie schon damals eher für sich behalten. "Es geht mir offen gestanden ähnlich wie Dir. Inzwischen fühle ich mich im Feldleben heimischer als in einer casa, und wenn ich eine Weile an einem Ort bleibe, überkommt mich wieder die Sehnsucht nach der Ferne, nach dem Unbekannten, nach dem Abenteuer. Das ist sicher für eine Frau ungewöhnlich, und die wenigsten, die ich kenne, schätzen es, ihre Bequemlichkeit gegen neue Eindrücke einzutauschen, aber ... ich würde es nicht anders haben wollen." Die Ordnung eines Feldlagers war übersichtlich, die täglichen, immer gleichen Rituale ließen sie eine vertraute Umgebung haben, und mehr brauchte sie im Grunde nicht, solange ihr Verlobter auch da war.


    "Nun, ich kümmere mich um die Errichtung des Lagers für den legatus - und dann gibt es immer eine Menge an haushaltlichen Sachen, die zu erledigen sind. Die Wäsche, die Kleidung zu flicken - Soldatenkleidung geht unglaublich schnell kaputt - das Kochen, wenn es Verletzte gab, helfe ich im valetudinarium mit, sie zu versorgen, wie es sich gehört, und wenn sich der Tag irgendwann neigt, bin ich an der Seite meines Verlobten und sorge dafür, dass er sich einige Stunden der Ruhe gönnt, denn würde ich nicht darauf achten, ich wüsste wohl, er würde sich in seiner Pflicht irgendwann aufreiben, so sehr lebt er für die legio I. Vielleicht ist es für einen Mann, der nie einen Haushalt geführt hat, schwer zu verstehen, wieviele Aufgaben auch nur ein einfaches Leben bereithält, aber ich kann Dir sagen, je einfacher man leben muss, und gerade wie hier in der Wüste, desto schwerer wird es, die Dinge zu erhalten, die man braucht, und den Standard aufrecht zu erhalten." Natürlich, wie sollte er auch wissen, wieviel Zeit eine Frau mit stopfen und flicken verbrachte, wie lange es mit bescheidenen Mitteln dauern konnte, eine schmackhafte Mahlzeit zuzubereiten, die auch noch nahrhaft war - die weniger offensichtlichen Tätigkeiten wurden allzu leicht vergessen, nur weil man nicht mit einer Schaufel in der Hand herumstand.

    Still lächelte sie, als die Ruhe zurückkehrte, die ihren Verlobten so oft und vor allem in kritischen Situationen auszeichnete, und noch froher war sie, dass der Krug den Wutanfall überlebt hatte - sicher, er wäre zu entbehren gewesen, aber es war doch deutlich praktischer, dass er noch in einem Stück war. Wer wusste schon, wann sie das nächste Mal Gelegenheit haben würde, neue Gefäße einzukaufen? Wobei sie sich vorgenommen hatte, einige Handwerkswaren vor der Rückreise nach Rom zu erstehen, schließlich hatte Albina einen neuen Haushalt auszustatten, sobald sie heiratete. Aber das lag noch in weiter Ferne ...lächelnd erwiederte sie seinen Kuss, und trat dann, seinen Arm mit ihrer Hand streichelnd, bis er sich abwandte, beiseite, nahm am Schreibtisch an einem der Stühle davor Platz und blieb dort sitzen, wie es sich für eine römische matrona gehörte, die zufälligerweise einen Besuch der Freunde ihres Mannes mitbekam - ruhig wie eine Statue blieb sie auch sitzen, als der primus pilus den Raum betrat und seine Meldung machte, aus jeder Faser seines Leibs strömte der Ärger über den unglücklichen Ausgang der Schlacht, was sie wirklich gut nachempfinden konnte. Die Brandpfeile allein waren schon ein echtes Ärgernis gewesen, und wenn schon sie die unbändige Lust hatte, in ein paar parthische Hintern zu treten, wie mochte es erst dann einem Soldaten ergehen, der mit Leib und Seele bei der Sache war!

    Die Tage seit der verheerenden letzten Schlacht waren für Iulia Helena in einem stetigen, erschöpfenden Hin und Her vorübergestrichen, denn sobald das Heer abends auf seinem Marsch Rast machte, hatte sie ihre Arbeit im valetudinarium wieder aufgenommen, um sich nützlich zu machen, und das Reisen tagsüber, der viel zu kurz gekommene Schlaf während der Nacht, forderten langsam aber sicher Opfer. Xamander war ganz und gar nicht mit dem bleichen, angestrengten Aussehen seiner Herrin einverstanden, noch weniger damit, dass sie tatsächlich fast von einem Brandpfeil erschlagen worden wäre, und insgeheim grummelte er immer mehr über ihre Entscheidung, diesen Kriegszug mitzumachen. Eine Frau gehörte nach Hause in eine sichere Umgebung, in ein atrium, mit Webzeug, Stickerei und Kindern, das hatte er zumindest so von seinen Eltern gelernt und nicht immer kam e mit der unkonventionellen Art seiner Herrin wirklich zurecht. Dass sie sich nun auch noch für fremde Männer im trüben, nach Wunden stinkenden Feldlager aufopferte, gefiel ihm ganz und gar nicht, vor allem, da sie ihn nun dazu gezwungen hatte, ihr zu helfen. Er war nicht länger nur Schwertträger der Iulierin, sondern auch Verbandsaufwickler, und Krügeschlepper, und Wundenauswascher, obwohl er immer mal wieder wegen des Bluts umkippte, das er sah. Aber zumindest waren viele der Männer durchgekommen, die verletzt gewesen waren, und so war die Arbeit der duplicarii nicht ganz sinnlos.


    Und jetzt, da sie in einer anscheinend halbwegs friedlichen Umgebung angelangt waren, verlangte alles in der Iulierin nach einem Bad. Der Fluss sah so einladend aus, das intensive Blau des Wassers wirkte verlockend, und angesichts der kaum erträglichen Hitze lockte das Wasser zudem mit dem Versprechen der Erfrischung. So hatte sie den Entschluss gefasst - und wer sie kannte, wusste, was dies bedeutete - sich ein Bad zu gönnen, am hellen Tag, in diesem Fluss, und wenn es das letzte sein würde, in dem sie ihren Kopf durchsetzen konnte.
    "Xamander!" erklang schon die herrische Stimme der Iulierin, die den Griechen Böses ahnen ließ, und er zuckte auch prompt deswegen zusammen. "Bereite alles für ein Bad vor, wenn ich noch einen Tag irgendwo am Körper Sand habe, wo er nicht hingehört, sterbe ich!" Groß wurden die Augen des Sklaven, nicht nur wegen der Vorstellung, wo überall bei ihr Sand kleben mochte, sondern auch wegen ihres Wunsches. "Aber ...aber ...das ist doch .. hier sind so viele ...!" haspelte er seine Einwände heraus, aber ein Blick in ihre Augen zeigte ihm deutlich, wie sinnlos jeder Einspruch noch war. Da gab es nur eine einzige Rettung ... er musste jemanden finden, der sie aufhalten würde, vor den Augen der gesamten legio zu baden.

    Mit etwas Wasser waren die Krüge bald ausgeschwenkt, und sie fügte dieser einfachen Waschung noch eine Handvoll Sand zu, mit denen sie die Gefäße langsam aber gründlich ausscheuerte - wie man es tat, wenn man kein Wasser zur Hand hatte, aber beides zu haben, half der Gründlichkeit umso mehr.
    "Nun, ich war bereits einmal verheiratet, und mein erster Gemahl war praefectus castrorum einer Legio, die vor einigen Jahren bereits hierher in den Osten zog - und kam im Feld um. Diese Art Leben war ich also durchaus gewöhnt und habe es auch ein zweites Mal nicht gefürchtet. Manche Dinge organisiert eine Frau besser, als es die Leibsklaven und Burschen eines Offiziers zu tun vermögen, und ich möchte nicht noch einmal einen Mann verlieren, ohne dabei zu sein. Kriege sind ein schreckliches Unterfangen, aber noch schrecklicher ist es, wochenlang zuhause zu sitzen, keinerlei Nachricht zu bekommen und sich zu Tode zu grämen." Sie stellte einen der sauberen Krüge beiseite und blickte etwas sinnierend zu ihrem Verwandten. "Würdest Du zuhause bleiben, hättest Du die Wahl?"

    Zitat

    Original von Quintus Tiberius Vitamalacus [...]Kurz hielt er inne, atmete noch ein mal tief ein, bevor er weiter seinem Unmut Luft machte.


    "...wir lassen uns von einer Bande Ausländer in Sicherheit wiegen, lassen Legionen durch Feindesland marschieren, ohne wirklich nach links oder rechts zu blicken. Das ganze so, als ob wir durch Italia marschieren würden. Selbst wenn wir in Rom durch die Subura marschiert wären, hätten wir besser aufgepasst !"


    Selten hatte sie ihn bisher so gesehen, von Gefühl durchströmt, und kein einziges Mal war es die Wut gewesen, die über seine sonstige, kühle Selbstbeherrschung die Oberhand gewonnen hatte. So blieb sie neben dem Zelteingang stehend, die ersten Momente, in denen er seinen Worten freien Lauf ließ, schlichtweg abwartend, bevor der Tisch wirklich noch irgendwohin flog, wo er sie vielleicht noch verletzte. Trotz allem war die Iulierin noch immer eine sehr praktisch denkende und vernünftige Frau, die einem Wutanfall vor allem mit Ruhe begegnete - zum einen, um der Wut die Grundlage zu nehmen und sie abflauen zu lassen, zum anderen, weil sie einfach zu überrascht war, ihn so zu sehen und ihn mit einer Mischung aus Erstaunen und Faszination betrachtete. Dass er leidenschaftlich lieben konnte, wusste sie seit einigen Tagen mit absoluter Sicherheit, aber dieser leidenschaftliche Zorn war ... neu. Überraschend. Selten. Sie blickte sich kurz im Raum um, schätzte von allen vorhandenen Gegenständen denjenigen ab, der am ehesten zu ersetzen sein würde, und trat an den Beistelltisch, um den dort stehenden Wasserkrug mit beiden Händen anzuheben und ihm entgegen zu halten.


    "Nimm dies, wenn Dir danach ist, etwas zu zerstören," hörte sie sich selbst sagen und war im gleichen Augenblick auch über sich erstaunt, dem schnaubenden Wutstier den Kopf zu bieten. "Um den Tisch wäre es schade, wir haben nur den einen dabei, und einen neuen hier in der Gegend zu besorgen stelle ich mir doch etwas unkomfortabel vor." Damit trat sie wieder beiseite und räumte ihm somit den Platz ein, den Krug zu zerstören, so ihm danach sein sollte - ansonsten blieb ihr Blick beobachtend auf dem Tiberier liegen, abwartend, sinnierend, und wie so oft schon bei Amtsgeschäften fast erschreckend klar.
    "Die Frage ist, warum wir überhaupt hier sind. Ging es darum, Städte zu erobern, oder nur darum, die Parther Schmerz fühlen zu lassen? Bei ersterem gab es zumindest einen Erfolg mit Edessa, bei zweiterem war diese Unternehmung wirklich eine Dummheit - und die Kundschafter schätzungsweise gekauft. Ich habe auf den Höhen Lichter blitzen sehen, und würde fast vermuten, sie haben sich damit die ganze Zeit verständigt."

    Augenscheinlich hatte das zusammengekrachte Zelt keine weiteren Opfer gefordert, und die Soldaten verneinten ihre Frage mit einem stummen (und grinsenden) Kopfschütteln, sodass sie endlich einmal tief durchatmen konnte. Dass ihr aber auch ausgerechnet jetzt so etwas passieren musste - noch immer war sie kurz davor, in Lachen auszubrechen, allein die Absurdität der Szenerie war schon aufreizend genug, um es ihr schwer zu machen, als achtbare römische matrona zu erscheinen, die allen Ereignissen ihres Lebens mit Gleichmut und Würde begegnete. Aber im Grunde ihres Herzens wusste sie auch sehr genau, dass sie wahrscheinlich genau diesem Bild niemals entsprechen würde, so sehr sie sich auch anstrengte, dafür fand sie es auch einfach zu langweilig, an ein Haus gebunden zu sein und nichts anderes zu tun, als einen Haushalt am funktionieren zu halten.


    Sie blickte den Männern nach, die den wie ein Schiff im Sturm schwankenden centurio zu seinem Zelt brachten, und schickte sich an, sich abzuwenden, schließlich war ihre 'Mission' soweit erfüllt, dass er vielleicht das nächste Mal nicht mehr so viel trinken würde (auch wenn das höchst zweifelhaft war), als einer der Soldaten sie zurückhielt. in das Zelt des centurios kommen? Na wunderbar ... einerseits war es fast zwanghaft, die Maskerade durchzuhalten, andererseits ... es war das Zelt eines anderen Mannes, und es würde Gerede geben. Wobei, wenn andere Soldaten dabei wären und sie nur als Helferin auftrat ...
    Elender Säufer! verwünschte sie den Flavier innerlich und nickte dem feist grinsenden Silio zu. "Danke." So raffte sie den verbliebenen Rest ihrer Würde zusammen und schritt ihm nach, als sei sie im Palast des Imperators in Rom, betrat das Zelt und blickte sich im halbdunklen Inneren um. Der centurio lag inzwischen flach und der junge Decimer schien etwas lesen zu wollen - sie schritt an die seite des Flavischen Lagers und blickte auf den schlaff dortliegenden Mann herab. "Geht es Dir besser?"

    Sie hatte den Rest der Schlacht bei jenem Teil des Trosses verbracht, in dem auch die Frauen anderer Offiziere - es waren wenige genug - und ein Teil des Hofstaats reiste, und wirklich nahe gekommen war sie dem Feind danach nicht mehr, aber der Schrecken und das Pulsieren ihres Blutes nach dem Pfeilangriff waren auch vorerst genug für die Iulierin gewesen. Schweigend und auf dem Pferd sitzend hatte sie beobachtet, was man getan hatte, um das Feuer zu bekämpfen, und je mehr sich ereignete, desto schneller rannten auch die Gerüchte durch das Lager. Dass es ein aussichtsloser Kampf sei gegen die Parther, dass die zehnte Legion aufgerieben worden wäre, und auch, dass der Kaiser verwundet sei und der Krieg deswegen umso aussichtsloser. Kein Zweifel, so mancher begann, die blutige Realität des Kriegszuges nun deutlich zu sehen, und auch, dass man nicht unbesiegbar war, egal, wieviele Worte man darauf verlor. Und sie hatte dauernd diesen furchtbaren Gestank in der Nase, der mit dem Feuer herübergeweht war, mit den Toten, mit dem überall in der Luft riechenden Geschmack nach Blut, einem metallischdunklen Echo, das sich nicht mehr verlieren wollte. Ja, die Angst hatte nun auch die Iulierin erreicht, die ohne Waffe, ohne Rüstzeug in diesem fremden Land war, aber noch hatte sie nicht genug Angst, um zu verzagen.


    Nach der Gefangennahme der Kundschafter, was auch recht schnell im Lager herumgegangen war, hatte sie sich nicht damit aufgehalten, in das Lazarett zu gehen - die Prima hatte an diesem Tag nicht viele Männer verloren, soweit sie das sehen konnte - zuerst wollte sie sich dessen vergewissern, wie es ihrem Verlobten erging, dann würde die Arbeit kommen. Wenigstens diese Sicherheit wollte sie haben, bevor das Tagwerk beginnen konnte. Eine kleine Beruhigung, um durchzuhalten. Dass sich am Zelt ihres Verlobten keine Sklaven befanden, nahm sie zur Kenntnis, wunderte sich aber nicht zu sehr darüber, immerhin gab es gerade nach einer Schlacht vieles zu tun, und so trat sie auch ein, nachdem sie sich vergewissert hatte, nicht in eine Stabsbesprechung hineinzuplatzen.
    "Quintus?" Ihr Blick glitt in die Höhe, zu dem im Holzbalken steckenden Dolch, dann sah sie sich suchend um.

    Nach einer Weile des Gesprächs hatte sich die Iulierin auf das Zuhören verlegt - und empfand es durchaus auch als spannend. Sie bekam selten genug die Gelegenheit, Soldaten bei ihren Gesprächen zuhören zu können, die meisten tauschten sich dann doch eher im Vertrauen mit ihren Kameraden aus und waren zu ihr zwar höflich, aber nicht gerade mitteilsam. Im Augenblick jedenfalls vermisste sie Rom absolut nicht, weder die gelackten Patrizierinnen, noch die schwatzhaften Plebejerinnen noch deren Ehegesponste, die sich doch die meiste Zeit nur dafür zu interessieren schienen, welcher der Nachbarn gerade einen neuen Sklaven gekauft hatte und wo man die besten Tuniken herbekam. Die Menschen in diesem Lager hier taten etwas, sie kämpften mit ihrem Leben und ihrer ganzen Kraft für Rom, und das war es, was sie weit mehr beeindruckte als alles Geschwätz der Welt. In jedem noch so einfachen Soldaten konnte sie den Mut entdecken, der Rom einst groß gemacht hatte, und der es auch ihrem Ahnen erlaubt hatte, ein herausragender Mann zu werden.


    Dass nun aber die Pflicht die Männer rief, bedauerte sie, und erhob sich schließlich mit einem kleinen Lächeln, um Iulius Licinus dabei zu helfen, hinter seinen Besuchern aufzuräumen. Die Kannen mussten ausgewaschen werden, um sie neu verwenden zu können, und dabei kontne sie ihm zur Hand gehen. "Eine ruhige Wache und eine gute Nacht wünsche ich euch," verabschiedete sie einen nach dem anderen, mit der stillen Hoffnung, es würde nicht das letzte Gespräch sein, das sie mit diesen so verschiedenen, aber interessanten Menschen führen würde. Schließlich war das Lager nicht so groß, dass man sich verpassen würde, aber der Krieg war voller seltsamer Zufälle, die einen Mann seinen Kameraden entreißen konnten. Schließlich blieb sie mit Licinus alleine zurück und lächelte ihn freundlich an. "Es ist schön, einen Verwandten hier kennengelernt zu haben. Es macht die Fremde ein bisschen vertrauter, findest Du nicht?"

    Ihrer beider Blicke trafen sich, unzertrennlich in diesem Augenblick, und bevor er überhaupt etwas sagte, erahnte sie die Antwort schon im tiefen Glanz seiner Augen. Es war ein seltenes Geschenk, ein vollendetes Geschenk, das die Götter nicht oft hergaben, denn Liebe will, auch wenn sie als Verliebtheit leicht geschenkt wurde, doch aus dem prickelnden Beginn erarbeitet und sorgsam bewahrt werden, um gleichsam wie das Vertrauen zu wachsen und zu gedeihen - und in jenem Augenblick wusste sie auch, dass sie ihm überall hin gefolgt wäre, auch mitten in das Feindgebiet hinein, weil sie wusste, dass er immer an ihrer Seite wäre, genau, wie seine Gegenwart sie einfach zufrieden und glücklich machte. Als er sie schließlich empor zog, lachte sie leise auf und legte den Kopf in den Nacken, gab sich ganz dem hin, was sie beide miteinander zu tun liebten, überließ sich und ihre Empfindungen dem Rhytmus seiner Bewegungen, nahm ihn auf, und führte ihn in dem Auf und Ab ihrer Hüften fort, schneller, intensiver, sich ihm so tief verbunden fühlend nicht nur durch die Nähe ihrer Leiber, sondern auch durch den Gleichklang ihrer Herzen. Wie schön er war, dieser Sturm auf den fernen Gipfel, der im eilenden Tempo und voller brennender Intensität näher rückte, und dann ...


    Ihr tiefes Seufzen, ein leiser, rauher Laut der Leidenschaft, mischte sich mit den Tränen, die ihr ob seiner Worte über die Wangen rannen, und für einen langen, endlos langen Moment, geborgen in warmer, dunkelschöner Verschmelzung, fühlte sie sich der Perfektion nahe wie niemals zuvor. Es hätte ewig so sein sollen, und doch endete dieses Hochgefühl aus körperlicher und seelischer Erfüllung nach wenigen Momenten, ebbte ab, und machte einem tief empfundenen Glück Platz, in dem sie zu ihm herab blickte, keuchend, schwitzend, und doch an jenem Ort angelangt, zu dem sie sich gewünscht hatte. Langsam sank sie zu ihm herab in seinen Arm, auf seinen kräftigen Leib herunter, dessen Bewegungen ihr so viel Vergnügen zu spenden imstande war, dessen Stärke ihr stets Sicherheit vermittelte, und schenkte ihm nur zu gerne diesen Kuss, dessen Zärtlichkeit nicht verriet, dass er wenige Stunden zuvor Männer in den Tod befohlen und mit eigener Hand Menschen getötet hatte. Diese Seite von ihm gehörte ihr, und ihr allein, genau wie ausser ihm nur ein anderer Mann jemals diese zärtliche, weiche, liebende Seite gesehen hatte, und jener lag seit langer Zeit verbrannt in der Erde des Ostens.


    Behutsam löste sie die Lippen von den seinen und wisperte: "Ich liebe Dich, Quintus, ich liebe Dich ..." Sie wusste, er würde es nicht oft sagen, denn das war nicht seine Art, und auch das verlieh diesem Augenblick etwas ganz Besonderes, denn fühlen würde er es stets, genau wie sie es fühlte und durch ihre Taten auszudrücken wusste. Oh, Iuno, lass mich in dieser Nacht Leben empfangen haben, dachte sie stumm bei sich, denn welch besseres Omen konnte es für das Leben eines Kindes geben, wenn es in einer solchen Nacht gezeugt wurde? Konnte es im ganzen Imperium glücklichere Menschen geben als diese beiden, in einem einfachen Zelt, inmitten eines Feldlagers im Feindesland? Liebevoll blickte sie auf ihn herab, und abermals küsste sie ihn, kostete lange von seinen Lippen, die vom ganzen Spiel ihrer Liebe rauh geworden waren, und fuhr ihm zärtlich mit den Fingern über die Stirn, strich eine verschwitzt dort klebende Haarsträhne beiseite. Hatte sie es überhaupt verdient, ein solches Glück zu empfinden? Ein kurzes Frösteln strich über ihre Haut, eine vage Furcht erwuchs ihr in diesem Moment, dass soviel Glück auch einen Schatten werfen würde, aber dann schob sie den Gedanken energisch beiseite. Diese Stunden mit ihm wollte sie genießen ... "Mein Mann."

    Sie hätte es eine Ewigkeit spielen können, dieses Spiel zwischen Mann und Frau, in seinen Armen, nahe an seinem Leib, mit ihm verschmolzen, sodass jede seiner Bewegungen ihr Echo in ihrem Körper fand, und einer Welle gleich zurückgegeben wurde, um abermals über sie hinweg zu rollen in sanfter Intensität. In solchen Momenten war auch die Vergangenheit nicht mehr wichtig, ebenso trat alles, was sie bei anderen Männern erfahren und erlebt hatte, in den Hintergrund, der einzige, der noch von Bedeutung war, war Quintus, sein Lächeln, sein schneller werdender Atem, der ihn immer verriet, sein wohlvertrauter Geruch, und die Leidenschaft in seinem Blick. Sie waren schon einen langen Weg gemeinsam gegangen, und in diesem Augenblick zweifelte sie nicht, dass noch ein langer Weg folgen würde - so geborgen und aufgehoben fühlte sie sich in seinen Armen, gemischt mit der anwachsenden Erregung durch ihrer beider Bewegungen. Wie würde es erst sein, wenn sie gemeinsam lebten, in einer villa, oder einem Zelt, oder sonstwo, als Mann und Frau, die sich nicht heimlich nachts zueinander schleichen mussten?


    Leicht erzitterte ihr Körper, gefangen von jener geteilten Melodie, und zu ihrem Zittern mischte sich nun ein leises Seufzen von ihren Lippe, gedämpft gehalten, wie sie es immer taten, wenn sie einander in jenem Zelt liebten, das ihr als Heimstatt diente - des Anstands wegen, wobei doch jeder Soldat genau wusste, was sie taten, eine Absurdität, über die sie oft genug insgeheim lachte. Manchen stand dieses Wissen durchaus ins Gesicht geschrieben, und sie wusste auch, dass nicht jeder ihre Anwesenheit begrüßte - aber es war ihr gleich, solange sie bei Quintus sein konnte, ihn morgens und abends sehen durfte, wissend, womit er sich beschäftigte und was ihn bewegte. So sollte es sein, wenn man einander liebte, so hatte sie es immer gewollt. Ihre Finger umschlossen die seinen, und wieder bäumte sie sich auf, keuchte lauter, und das wohlige Wissen, dass sie ihre Lust teilen konnten, und gleiches schätzten, um den Gipfel zu erreichen, machte es ihr ungleich leichter, sich fallen zu lassen, sich seinen Bewegungen, seiner Führung zu überlassen und einfach zu genießen. "Sag es, Quintus," flüsterte sie leise, die Stimme rauh vom Verlangen. "Sag meinen Namen ... dass Du mich liebst."

    Liber I


    I. Wie launisch ist doch das Meer - so singen es uns die Dichter, vom legendären Zorn des Neptun berichten sie uns, und doch scheint es, als sei das Unternehmen jenes sagenhaften Feldzugs geradewegs durch eben jene Laune begünstigt worden: Die Schiffe, welche den langen Weg von Italia angetreten hatten, um gen Osten zu segeln, mit vielen Hoffnungen und Träumen an Bord, verkörpert durch die vorzüglichen Männer, die als Soldaten und Offiziere die Werte unseres Reiches hochhalten, reisten ohne von Stürmen oder Unwettern gehindert zu werden. Stolze Schiffe waren es, wie die "Saltatrix de Ravennae" oder die "Accipiter", die jenen Männern Raum gaben, die unseren Feldzug noch entscheidend prägen würden, ohne Ahnung ob ihrer freilich erst in der Zukunft erfolgenden Taten, ohne Zorn und ohne krankhaften Eifer. Nartürlich war die Seefahrt nicht eines jeden Mannes Freude, und so mancher musste den morgendlichen puls auch gleich den Fischen füttern, doch reagieren die stärksten Männer auf die See sehr unterschiedlich, und nicht jedem liegt der Wellengang gleichermaßen - in sofern ist dies kaum als wahrhaftige Schande zu betrachten.


    II. Gerade die lange Zeit der Überfahrt wurde in der legio auf das interessanteste genutzt - immerhin lernt man recht früh, sich mit Gegebenheiten abzufinden, und aus den Möglichkeiten das Beste herauszuholen. So schärft die legio die Sinne eines jeden Mannes und sorgt dafür, dass Knaben endgültig den Schritt zur Mannwerdung tun, wie sie es vor den Augen der Welt unlängst hinter sich gebracht haben. Der Befehl des centurio Flavius Aristides führte dazu, dass der junge probatus Decimus Serapio den Mast der "Saltatrix de Ravennae" erklomm, und um ein Haar wohl auf ewig dort oben geblieben wäre - indes, in jedem Mann steckt ein mutiger Held, und so gelang es diesem jungen Manne, sich nach der Weisung eines Matrosen am Achterstag wieder hinab zu lassen. Sich in einem Augenblick der Schwäche zu ergeben, ist wohl für einen jeden Menschen verständlich, und sehr viel entscheidender ist es, diese Schwäche zu überwinden. Dass dieses Potential vorhanden ist, hatte jener junge probatus bewiesen, und empfing darob auch den gerechten Lohn in Form eines Übungskampfes mit seinem centurio.


    III. Um den Soldaten während der Untätigkeit eine weitere Möglichkeit zu geben, sich gewinnbringend zu betätigen, wurde auf die Empfehlung des praefectus castrorum Matinius Plautius erin Spiel eingeführt, das den eigentümlichen Namen 'Rumpelstumpf' trägt - beim Rumpelstumpf handelt es sich um ein einigermaßen gerundetes Stück Holz mit dem Durchmesser von zwei bis drei Handbreit, mit etwa einem Schritt Höhe, welches eingefettet wird und dadurch ausgesprochen schwer zu greifen sein soll, wie man mir berichtete. Im Großen und Ganzen erstreckte sich dieses Spiel darauf, dass zwei Mannschaften versuchten, den Rumpelstumpf zu einem Signalmann zu bringen, um einen Punkt zu erzielen, die Mannschaft mit den meisten Punkten war die siegreiche.


    IV. Ob sich dieser Sport jemals in Roma durchsetzen würde, erscheint mir zweifelhaft, immerhin ist es recht unwahrscheinlich, dass dabei jemand zu Tode kommt, und die meisten Spiele profitieren doch von jenem Hauch der Lebensgefahr, in welcher die Teilnehmer beständig schweben. Es wurde von den Legionären begeistert gespielt, versprach es doch Abwechslung, und wenn man bedenkt, dass die Legionäre auf dem Schiff der ersten Centurie der ersten Kohorte der legio I. Traiana Pia Fidelis zur Abwechslung von ihrem tribunus laticlavius Tiberius Vitamalacus auf die Ruderbänke geschickt wurden, erscheint es mir nicht erstaunlich, dass man ein Spiel wie Rumpelstumpf dem Ruderdienst vorzieht.


    V. Das Flaggschiff der Flotte, auf welchem unser hochgeschätzter imperator Lucius Ulpius Iulianus weilte, hatte derartige Abwechslung nicht aufzuweisen, doch befanden sich dort auch deutlich mehr Mitglieder des Hofstaats, welche selbst auf der Reise mit den notwendigen Verwaltungsaufgaben des Reiches beschäftigt waren, sodass es gar nicht notwendig wurde, eine Beschäftigung zu suchen, die unpraktischen Müßiggang verhindern würde. Was mochte unser imperator wohl gedacht haben, auf jener langen Reise über das mare internum? Mag er wohl Zweifel verspürt haben, Gedanken an einen Misserfolg gehegt? Doch glaube ich nicht, dass dies in seinen Sinn kam, vielmehr erscheint es mir wahrscheinlicher, dass er auch in diesen Stunden auf See damit beschäftigt war, sein Reich zu ordnen und sich Gedanken darum zu machen, die Dinge zu verbessern, die vorhanden waren, und zu planen, was noch kommen würde.


    VI. Als Antiochia in Sicht kam, brach an Bord aller Schiffe eine gewisse Geschäftigkeit aus - Dinge mussten zusammengepackt, Waren zum Ausladen vorbereitet werden, und all jene, die es sich während der Fahrt in den mächtigen Schiffsbäuchen bequem gemacht hatten, mussten die scheinbare Sicherheit ihrer hölzernen Heimstatt aufgeben, um sich der Realität zu stellen, die geduldig auf einen jeden Teilnehmer wartete: Der Kriegszug gegen die Parther war in greifbare Nähe gerückt, und unter dem günstigen Vorzeichen einer weitgehend ereignislos verlaufenen Reise gingen die Legionäre und Offiziere an Land. Meine eigene Reise gestaltete sich indes als ausgesprochen unangenehm, verursacht mir die Reise auf einem Schiff leider eine ziemlich merkliche Übelkeit, sodass ich nicht böse darum war, mein Quartier nicht oft verlassen zu müssen - allein die Werke der Großen konnten meine Gedanken ablenken, und wohl fasste ich schon damals den Entschluss, mich selbst in ungleich weniger ausdrucksstarker Weise der Schriftstellerei zu widmen. Ich möchte darob dem geneigten Leser - oder auch der geneigten Leserin - die Einzelheiten über meine leidvolle Schiffsreise und deren Details ersparen, als Antiochia gemeldet wurde, schien mir eine Last von den Schultern genommen, und ich sah dem Landgang mit wiedererwachtem frohem Mute entgegen.

    Wäre sie nicht so sauer gewesen, Iulia Helena hätte sich wahrscheinlich vor Lachen auf dem Boden gewälzt. Zugegeben, die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik - der stockbesoffene centurio, die aus dem Schlaf gerissenen Legionäre, die sich Mühe gaben, nicht vor Lachen zu platzen, Decimus Serapio, der aussah, als hätte man ihn gerade im Anlauf aus seinem Bett geschleift, die beiden Männer, die verzweifelt versuchten, den Betrunkenen aufrecht zu halten - es waren alle Zutaten für eine klassische Komödie vorhanden, vor allem die wutschnaubende 'Mutter', die der Situation eine besondere Würze verlieh. Iulia Helenas Mundwinkel zuckten verdächtig, denn spätestens beim Lachanfall des Decimers war es auch um sie geschehen, aber noch bot sie dem Lachreiz irgendwo in ihrem Inneren energisch Einhalt. Vor allem hatte dieser Säufer es nicht verdient, dass sie lachte - centurio! Wie sollte da die legio Prima bitte einen Krieg gewinnen, wenn ihre centurionen die schlimmsten Säufer von allen waren?


    Die Hände in die Seiten stemmend, holte sie tief Luft und fixierte den centurio mit dem bösesten Blick, den sie noch aufzubringen imstande war - dass sie von vor Lachen fast wiehernden Männern im derangierten Bekleidungszustand umgeben war, half nicht unbedingt weiter, wirklich böse zu schauen - und fauchte ihr trunkenes Gegenüber regelrecht an:
    "Du bist wirklich ein schreckliches Beispiel für Deine Soldaten! Wie kann man nur so viel trinken! Du bist immerhin im KRIEG! Die legio besteht aus mehr als Parther totschlagen und danach saufen!" Während sie noch schimpfte, fand sie immer mehr Gefallen an der ganzen Szenerie, so absurd sie auch war - sollte sie jemals einen Sohn haben, der das mannbare Alter erreichte, würde er sicherlich weit weniger Spaß haben als seine Altersgenossen, oder gewitzt genug sein, um seine Mutter die schlimmsten Exzesse nicht mitbekommen zu lassen.


    "Gerade als centurio solltest Du mit gutem Beispiel vorangehen, willst Du Deine Männer zu Säufern erziehen?!" Wobei, wenn man sich diese Kerle so anschaute ... während der Decimer und sein Kamerad eifrig damit beschäftigt waren, den schwankenden centurio außer ihrer Schimpf-Reichweite zu bringen, schnaubte die Iulierin leise aus und begegnete dem Rest der lachenden Soldaten mit einem ziemlich ... ambivalenten ... Blick. "Ist bei euch jemand verletzt worden?" Nicht dass sie etwas dagegen hatte, nachts einige halbnackte Männer zu sehen, aber zumindest im Augenblick war die Sorge um ihr Leben größer als der Genuss des Betrachtens.