Beiträge von Iulia Helena

    "Du hast in Ostia gelebt?" Es klang überrascht, aber durchaus auch erfreut - somit hatte sie dem Artorier dann doch noch eine Seite angesehen, die ihn in ihren Augen sympathisch machte. "Ich war eine Weile Duumvir von Ostia, aber ich glaube, das war nach Deiner Zeit dort - es gab leider keine discipuli mehr im örtlichen Tempelviertel. Welchem Gott hattest Du dich denn verschrieben?" Was schade war, denn ein bisschen mehr Kultpraxis hätte der Stadt sicher nicht geschadet. Wie es eigentlich niemandem schadete, wenn man es ernsthaft betrachtete.
    "Didia Fausta habe ich auch kennengelernt. Sie war wirklich eine sehr überzeugte Dienerin der Venus. Es ist schade, dass sie diesen Weg nicht weiter verfolgen konnte." Den Gedanken und Erzählungen der anderen lauschte sie indes aufmerksam - die wenigsten waren weit gereist und dass sie ihre Reisen vor allem mit der legio verbanden, wunderte sie nicht, wann kam ein römischer Bürger schon sonst so viel herum, wenn nicht als Soldat?


    "Du hast sicherlich bei einem guten Lehrer studiert," sagte sie schließlich in Richtung des Tiberius Andronicus. "Ich stelle mir das durchaus interessant vor, aber es kommt wohl auch auf die Lehrer an - die meisten Rhetoren der heutigen Zeit lassen viel des Könnens unserer Vorväter vermissen." Die römischen Politiker vor allem. "Wenn ich danach gehe, was mir mein Vater über seine Arbeit schrieb, ist Germania bei weitem nicht so wild, wie man sich das vorstellt - es soll doch schon viele Bereiche geben, in denen die Germanen unsere Lebensweise angenommen haben und gut damit zurecht kommen, aber einige versprengte, unverbesserliche Barbaren gibt es wohl immer." Dies hatte sie gen Decimus Serapio gewandt gesagt und überlegte, was ihr Vater ihr sonst noch geschrieben hatte - traurigerweise war es doch meist mehr über seine Arbeit gewesen, und weniger über das Land und sein Leben in der Ferne.

    Er schien wirklich übel angeschlagen zu sein, und sein flackernder Blick bewies Iulia Helena, wie sehr er darum zu kämpfen schien, bei Sinnen zu bleiben - ein gutes Zeichen, noch steckte der Lebensfunke offensichtlich stark genug in ihm, dass er noch kämpfen konnte und vor allem wollte. Eine Art Krächzen kam über seine Lippen, und erst nachdem sie genauer hingehört hatte, erkannte sie, dass er versucht hatte, seinen Namen zu formulieren. Also ein Caecilier ... kurz tauchten einige Erinnerungen auf, von denen sie nicht wusste, ob sie angenehm waren oder nicht - ein Gespräch, ein Essen mit Caecilius Crassus, dem damaligen und heutigen Prätorianerpräfekten. Es schien, als sei dies viele Jahre her, nicht eineinhalb, ihre lange Krankheit hatte die Grenzen zwischen der Gegenwart und Vergangenheit in vielem verwischt. Ob dieser junge Mann ähnliche Einstellungen hatte wie sein Verwandter? Aber im Moment war anderes wichtig denn die Vergangenheit. Vorsichtig flößte sie ihm neuerlich Wasser ein, um dann freundlich, aber bestimmt zu sprechen:
    "Ruhe Dich aus, junger Caecilier. Was Du im Augenblick am nötigsten brauchst, ist Schlaf, und den wirst Du sicherlich bald finden. Dann wirst Du Dich bald besser fühlen, das verspreche ich Dir."


    Sie sprach es voller Zuversicht, denn oft genug brauchte der menschliche Körper nur etwas Ruhe, um wieder zu Kräften zu kommen - und wenn er es so weit geschafft hatte, würde er es auch noch weiter schaffen. Im Zweifelsfall war er ein Caecilier, und diese gens war zäh, sie fielen doch zumeist auf die Füße denn auf die Kehrseite. In aller Ruhe erneuerte sie das kühle Tuch auf seiner Stirn und begann, seinen Arm, der blutüberlaufen von der Wunde gewesen war, zu reinigen, freilich ohne den verbundenen Teil zu berühren, damit er nicht noch mehr Schmerzen leiden musste. Ein hübscher junger Mann, dachte sie mit einem leichten Lächeln. Die Frauen in Rom würden sich sicherlich bald wieder um ihn reißen können, wenn dieser Krieg vorüber war. Und dass sie das tun würden, daran zweifelte sie keineswegs. So blieb sie eine Weile an seiner Seite sitzen und wartete still darauf, dass Morpheus' Arme den jungen Caecilier umfangen würden, auf dass er die nötige Ruhe finden konnte.

    "Morgen," hauchte sie leise und biss sich dann auf die Lippe, eher spielerisch denn irgendwie verlegen, denn zwischen ihnen beiden gab es keine Verlegenheit mehr, schon lange nicht mehr. Seit ihrer ersten gemeinsam genossenen Leidenschaft in der Sänfte waren solche Fragen verstummt, und mussten nicht beantwortet werden - es war einfach richtig, was sie taten, wo auch immer es geschah. Was es jetzt zu tun gab, war offensichtlich, und er verstand ohne Worte, tat, was sie sich wünschte, was er sich ebenso gewünscht haben musste, und wieder verschmolzen sie miteinander, blieben in einem langsamen, aber stetigen Rhytmus ihrer Bewegungen miteinander verbunden.


    Neben der alles verzehrenden Leidenschaft, wenn sie eine Weile nichts voneinander gehabt hatten, waren ihr diese Augenblicke genüsslicher Zärtlichkeit die liebsten, in denen sie nicht sprechen mussten, um sich ihrer gegenseitigen Zuneigung zu versichern, und sie genoss sein Streicheln ebenso sehr wie sie seine Leidenschaft zuvor genossen hatte. Nach einiger Zeit des Liebesspiels war ihr eine langsamere Gangart ohnehin lieber, blieb doch nun mehr Zeit, den Empfindungen nachzuspüren, die seine Finger auf ihrer Haut auslösten, und sie gab sich seinem Kuss nur zu gerne hin, erwiederte die Lippenberührung, haschte dabei nach seiner Zunge, um die Berührung zu intensivieren. Ob sie jemals von ihm genug bekommen würde? Irgendwie schien das in diesem Augenblick, in diesem gemeinsam sanft bewegten Takt, in dem sie sich ihm nahe glaubte wie nie, sehr unwahrscheinlich zu sein.


    Leicht wölbte sie sich ihm entgegen, als sich seine Lippen abwärts tasteten, und die Augen schließend, überließ sie sich ganz ihm, mit einer Hand fuhr sie seinen Oberkörper entlang, glitt über die erstaunlich weiche Haut, betastete die unter der Haut ruhenden Muskeln, als entdecke sie diese zum ersten Mal, und müsse sie besonders intensiv erkunden, damit ihr bloß nichts entginge. Immer neu würde sie ihn für sich entdecken, jedes Mal ein Detail mehr, und als seine Lippen ihre Brust erreicht hatten, bewegten sich auch ihre Hüften etwas schneller, fordernder, den neuerlichen Genuss herausfordernd.

    Leise lachte sie auf, als ihr bewusst wurde, dass sie letztendlich in derselben privincia aufgewachsen waren, ohne voneinander zu wissen. "Die Schicksalsfäden sind bisweilen sehr verworren, und ich wundere mich, dass wir uns nie früher begegnet sind - denn ich bin auch in Hispania aufgewachsen, in Tarraco - im Stammsitz der Iulier dort. In Germania war ich nie, meine Eltern sind erst dorthin gezogen, als pater dort seinen Magistratsposten erhielt, damals war ich schon vermählt und mit meinem verstorbenen Gemahl auf Reisen. Irgendwann möchte ich auch einmal Germania sehen, es soll sehr wild sein, schrieb mein Vater mir, aber wenn man dies hier sieht, will man es gar nicht glauben." Sie nahm noch einen Schluck Wein und machte eine Geste, der es wohl gelingen mochte, die Umgebung für einen Moment lang einzuschließen, bevor sie sich zu den anderen umblickte, die sicherlich längst von der iulischen Familiengeschichte gelangweilt waren. "Wie steht es mit euch? Hat einer von euch schon Germania bereist? Oder Aegyptus? Achaia?"

    Proömium


    I. O ihr Musen, welche ihr mich selbst in diese ferne und unwirtliche Gegend geleitetet, o Minerva, die mir gestattete, die Worte wohl zu wählen, welche nun diese Zeilen schmücken, o Apollon, Du Herr der schönen Künste, dessen Strahlen mir auch die dunkelsten Stunden noch erhellen will - euch will ich danken, dass diese Worte sich finden, dass meine Erinnerung sich niederlegt auf den Papyrus, um von Heldentaten zu künden, großen und besonderen Taten, aber auch den Dingen, die sich unter den Menschen ereignen, welche ausgezogen waren, um einen Krieg zu führen, der gerechter nicht sein könnte.


    II. Auch wenn Zeitgenossen behaupten werden, es sei nicht an einer Frau, die Erinnerung an einen Feldzug niederzuschreiben, so will ich jenen doch entgegenhalten, dass eine Frau wie auch jeder Mann stets Schlachten zu schlagen hat, um ihrem Weg zu folgen, auch wenn sich diese selten mit einer Waffe in der Hand gestalten - so weiss auch eine Frau um die Bedeutung des Mutes und der unablässigen Bereitschaft, sich für andere zu opfern, Kraft zu spenden, wo sie gebraucht wird, und stark zu sein, um anderen als Vorbild zu dienen. Erinnert euch, o ihr Zauderer, nur gut an eure Mütter und die Dinge, die sie für euch taten, so werdet ihr vielleicht erkennen, dass auch die Sicht einer Frau auf einen Krieg klar und eindeutig sein kann.


    III. Warum also, so fragst Du Dich sicher, du mein werter Leser - oder Du, meine werte Leserin, denn glücklicherweise ist das Interesse an Literatur nicht allein den Männern mehr vorbehalten - ist dies Werk entstanden, und worauf darf man bei der Lektüre hoffen? Der Augenblick einer Gefahr, ausgelöst durch Brandpfeile von den Bögen verborgen stehender Parther, welche mich umtosten wie auch die tapferen Mannen der legio I. Traiana Fidelis, ließ mir den Wunsch erwachen, jenen Augenblick für die Ewigkeit festzuhalten, ist es doch bisweilen schwer, sich an Dinge zu erinnern, die einen mit den Jahren entgleiten. Einstmals sollen meine Kinder lesen können, was ich erlebt habe, und mit mir so viele tapfere Römer, die für den Frieden des Reiches auch ihr Leben opferten, ein Gedenkstein in Form literarischen Andenkens soll hier gelegt werden, auf dass keiner vergessen werde.


    IV. So entschuldige, mein Leser, meine Leserin, dass ich nicht den gedrechselten Stil der hochedlen Männer pflege, die sich einst zur Aufgabe machten, kunstvoll und mit vielen Worten Geschehenes zu umschreiben, ich will berichten, wie der Krieg und der Kampf wahrhaftig sind, und oft genug hat dies wenig mit Eleganz und geplanter Schönheit zu tun. Mögen mir die Musen beistehen, bis das Werk vollendet ist, auf dass meine wenigen Worte durch den göttlichen Einfluss vervollkommnet werden und ich jenes hohe Ziel erreiche, welches ich mir gewählt habe - möge der Fluss der Worte niemals austrocknen, und der Reigen der Beschreibung niemals enden.


    V. Gewidmet sei dieses Werk zuvorderst unserem Imperator Lucius Ulpius Iulianus, dessen Strahlen den Truppen voranzieht, und auch den einfachsten Soldaten noch zu erfüllen weiß - selten habe ich mehr Überzeugung aus den Reihen der Soldaten vernommen, wenn sie ihm zujubelten, und ebenso schmerzlich wird seine Gegenwart wohl auch während der Dauer des Kriegszuges in Rom vermisst worden sein. Doch auch meinem geliebten Ahn, Caius Iulius Caesar, von allen guten Männern des Imperiums der herausragendste in Stellung, Verdiensten und Andenken, sei dieses Werk zugedacht, welches doch niemals wird vollends erfassen können, was seine Taten uns bedeuten.


    VI. So will ich denn dem schnellen Fortschreiten der Ereignisse Rechnung tragen, und meinen Bericht des Geschehens dort beginnen, wo er mir am sinnigsten erscheint - auf dem Wege nach Parthia, behütet durch die sichere Hand des Neptun.

    Ein Bündel zusammengerollter Papyri, eingeschlagen in eine robuste Lederhülle, befindet sich im
    Gepäck der Iulia Helena, und so manches jener Papyri ist bereits sorgsam von ihrer Schrift bedeckt.
    Indes, man sieht sie bisweilen vor ihrem Zelt sitzend, um Dinge zu notieren, und die meisten scheinen
    wohl zu glauben und zu ahnen, dass sie eine reichhaltige Korrespondenz mit Verwandten
    und Freunden pflegt, doch ist dies ein Trugschluss, den sie keinesfalls aufklärt, um ihre literarischen
    Ambitionen nicht an eine allzu große Glocke zu hängen. Doch wächst das Schriftstück im Gesamten
    Tag um Tag, immer wieder wird etwas hinzugefügt, etwas altes korrigiert, eine Formulierung
    verbessert, um einen gesamten Eindruck einer außergewöhnlichen Reise wiederzugeben, die
    wohl für eine Frau nicht alltäglich sein dürfte, nicht einmal für viele Männer des römischen Imperiums.
    Allein Xamander, der treue griechische Sklave mit dem Hang zum 'organisieren' vieler
    nützlicher Dinge, weiß um die Beschäftigung seiner Herrin und schweigt darüber ihrem
    Wunsch gemäß, und so wird er auch stets versuchen, sie vor neugierigem Besuch zu
    schützen, sobald sie wieder schreibt.

    "Das weiss ich doch, Quintus," sagte Iulia Helena lächelnd. Wenn es eines gab, worauf sie sich verließ und auch glaubte, unbedingt verlassen zu können, dann war es das. Es gab genug Männer, die sich vor allem um ihr Vergnügen bemühten, und nichts sonst, auch einem möglichen Kind keinen zweiten Gedanken gönnten, aber Quintus gehörte nicht zu dieser Sorte Mann, all sein Handeln bisher hatte sie davon überzeugt. Und sollte ihr etwas zustoßen, wenn sie gebären würde, dann war er derjenige, der dieses Kind aufziehen konnte, auch dessen war sie sich sicher. Seltsam genug war es, sich in seiner Nähe sicher zu fühlen, und gleichzeitig nicht eingeschränkt, nicht unfrei. Sie beide ergänzten sich auf eine wohltuende Art und Weise, und sie hätte dies auch mit Worten nicht wirklich fassen können, selbst wenn sie es versucht hätte. Manche Dinge waren in ihrer Art einfach gut so, wie sie waren.


    "Und ich habe doch schon zwei Kinder gesund auf die Welt gebracht, Quintus, also mache Dir darob nicht zuviele Gedanken. Es ist ein schwerer Kampf, den man als Mutter durchstehen muss, aber es ist kein Ding der Unmöglichkeit. Du gehst ins Feld hinaus, um zu kämpfen, und die Kämpfe einer Frau finden eben woanders statt," meinte sie dann beruhigend, mit einer Hand streichelte sie über seine Wange, fühlte die rauhen, sich langsam zurückmeldenden Bartstoppeln, und lächelte unwillkürlich. Ihr zu berühren, damit hätte sie viele Stunden verbringen können, in zärtlicher Muße, aber dass ihnen diese nicht vergönnt sein würden, wusste sie so gut wie er, es galt einfach, jeden Augenblick zu nutzen, der sich bot. Sie schmiegte ihre Wange schließlich an die seine, verharrte so still einige Augenblicke, seinem Herzschlag lauschend.


    "Nun, irgend etwas ... es hätte doch sein können, dass Dir noch etwas einfällt. Jetzt, da das Fieber endlich überwunden ist, spüre ich, wie der Wunsch nach etwas zu tun zurückkehrt, und Du weisst, ich war die Arbeit in Ostia lange Zeit gewöhnt, es ist schwer, sich umzugewöhnen. Ein bisschen fehlt mir diese Stadt mit all ihren unvorhergesehen auftauchenden Problemen," antwortete sie nach einer Weile auf seine Frage, um dann etwas breiter zu schmunzeln, mit dem Blick der Berührung seiner Finger folgend, die über ihre Haut glitten. Das Glimmen in seinen Augen verriet ihn deutlich, dass er noch lange nicht genug hatte - und auch sie wollte ihn noch einmal spüren, mindestens noch einmal, den Krieg vergessen, das Wissen, dass er vielleicht nicht mehr zurückkehren würde.


    Seufzend glitt sie ihm näher, während sie den Kopf zurücklegte, seine Lippen auf ihrem Hals genießend, und ihre Hände strichen seinen Rücken entlang herab, die Finger schlossen sich um sein muskulöses Gesäß und zogen ihn etwas zu sich heran, genauer gesagt über sie herüber, denn schon hatte sie ihn wieder mit einem Bein sanft umschlungen, als wollte sie ihn zumindest in dieser Nacht nicht mehr gehen lassen. Heute gehörte er ganz alleine ihr, wenigstens jetzt, und jeder eventuelle Störer hätte sich nicht nur mit dem Zorn des Tiberiers befassen müssen, sondern auch mit der Rachsucht einer Iulierin. Er fühlte sich so gut an, so warm, so kräftig und lebendig, und in dieser besonderen Nacht wollte sie ganz eins mit ihm sein ...

    Letztendlich hatte sie diesen Trinkspruch gewählt, um das Andenken jener hoch zu halten, die nicht mehr mitfeiern konnten - egal, wo ein Mensch starb, der Ahnenglaube der Römer hielt ihn lebendig, und jetzt, da so viele gestorben waren, mussten die Lebenden ungleich mehr von den Geistern der Toten umgeben sein, die sich um das Wohl ihrer Freunde und Verwandten sorgten. Sie hatte nicht nur einmal bisher geglaubt, in der Ferne ihren verstorbenen Gemahl zu sehen, und vielleicht erging es den Soldaten hier ähnlich - der Tod war keineswegs ein Ende, und so war es an den Lebenden, die Toten zu ehren und dieses Opfer nicht vergessen zu machen, welches bereits erbracht worden war.
    Sie nahm einen tiefen Zug aus dem Weinbecher und genoss den kräftigen, belebenden Geschmack, vermischt mit den rauhen und fremdartigen Düften Parthias. War dies nicht ungleich mehr Leben als es jede villa in Roma bieten konnte? Manch andere Frau mochte sie für verrückt halten, sich in diese Gefahr zu begeben, doch andererseits, war es nicht auch die Pflicht einer Frau, an der Seite ihres Mannes zu sein und zu bleiben?


    "Natürlich kenne ich Gaius Iulius Gracchus," erwiederte sie erfreut, denn dieser Name aus dem iulischen Stammbaum war ihr nur zu bekannt. "Er war einer der Brüder meines Großvaters Iulius Subaquatus - mein Vater ist Marcus Iulius Lepidus und leider bin ich die letzte außer meinem Vater aus unserer kleinen Familie, die noch lebt, meine Brüder sind im Dienste Roms gestorben." Also waren sie doch näher verwandt, als sie gedacht hatte, und es freute sie irgendwie, mitten im Feindesland auf einen so nahen Verwandten gestoßen zu sein. "Hast Du meinen Vater jemals kennengelernt? Er war lange Zeit magistratus in Mogontiacium."

    Zitat

    Original von Appius Terentius Cyprianus
    Appius wollte gerade antworten als die verdammten Prther (sowas lag anscheinend in ihrer Natur) ihn unterbrachen, in dem sie die Legion mt Pfeilen bekarkten.
    Er wandte sich an die Frau :" Du solltest hier schnellmöglichst verschwinden, ich glaube kaum, daß es deinem Verlobten gefallen wird, wenn seine zukünftige Frau von einem Pfeil getroffen hier zu Boden geht. Ich werde dir zwei Reiter meines Stabes geben, die dich zum Tross begleiten werden. Und auch wenn du die Verlobte meines Vorgesetzten bist, eine Diskussion lasse ich nicht zu!" Er nickte den beiden Reitern zu, welche die Frau in ihre Mitte nahmen.


    Er selber würde zurück zum Stab reiten, wenn er sicher war daß die Frau auch wirklich machte was ihr gesagt wurde.


    Sie lachte - von allen Dingen, die man im Angesicht der Gefahr tun konnte, tat sie genau das, was man wohl von einer Frau nicht erwartet hätte - nur um dann den Kopf zu schütteln: "Ich weiss nicht, was Du ansonsten über Frauen denkst, tribunus, aber wir sind weder dumm noch verkennen wir die Gefahr, wenn sie sich uns zeigt. Wir setzen das Gespräch später fort, sei Dir sicher!" Damit wendete sie ihr Pferd mit einer Hand, nickte den beiden Reitern zu und gab dem Tier mit einem kräftigen Hackenschub den deutlichen Befehl, voran zu machen - und das hässliche, wirklich ausnehmend scheußlich anzusehende, fast schäbig zu nennende Tier galoppierte in einem Tempo los, das erklären mochte, wieso sie sich gerade dieses Pferd ausgesucht hatte, während ihr die beiden equites folgten. Noch immer waren die Pfeile heruntergehagelt, und während die Römer dabei waren, das Brandpfeilproblem durch einen Angriff der Bogenschützen abzustellen, stürmte Helenas Pferd über den Pfad, zurück zum Tross, wie der tribunus es gesagt hatte, ohne dass sie allzu große Sorge gehabt hätte, dass sie getroffen würde - im Augenblick war sie viel zu aufgeregt, um sich solche Gedanken zu machen.


    Mit einem fauchenden Laut schlug ein brennender Pfeil in Helenas Umhang, und sie ließ das Kleidungsstück einfach fliegen - es würde später Zeit sein, sich darum zu kümmern, falls es nicht davon vollständig herunterbrennen würde - dekorativ, seltsam grazil bäumte sich der Stoff noch einmal auf, entfaltete sich in der Luft wie ein Adler seine Flügel, und stürzte dann am Straßenrand herab, einen Stein bedeckend, während die Reiterin den Tross erreichte, schweißnass vor gleichzeitiger Angst und Aufregung, aber einstweilen sicher und vorerst gerettet.

    Zitat

    Original von Appius Terentius Cyprianus
    ....
    Er ritt noch näher ran (also praktisch neben sie :D ) und begrüßte sie:" Salve die Dame, etwas ungewöhnlich für die Frau des Stellvertretenden Kommandanten hier so fröhlich durch die Gegend zu reiten. Wir sind immerhin in Feindesland!"


    "Salve, tribunus! Ob ich nun mit dem Tross reite oder mit den Soldaten, die Gefahr dürfte sich gleichen, nur hier sind fünftausend Männer mit Waffen um mich, beim Tross sind es deutlich weniger - es dürfte hier also bei weitem sicherer sein als sonstwo. Ausserdem ist es nicht ganz so fürchterlich langweilig," gab die Iulierin gut gelaunt zurück. "Es ist doch ein faszinierendes Land, findest Du nicht? Ich habe eben beschlossen, einen Reisebericht zu verfassen, um den Zuhausegebliebenen die Stimmung dieses Feldzugs zu vermitteln. Wenn man es nicht selbst erlebt, ist es doch schwer zu begreifen, vor allem für die Frauen. Wenn man hört, der Bruder oder Ehemann sei im Krieg, so stellt man sich darunter zumeist eine ehrenvolle Schlacht mit heldenhaften Taten vor, wie in den Epen Homers - und dass das eigentliche Kriegshandwerk sehr blutig und brutal ist, will keiner sich imaginieren ..." Während sie ihren Gesprächspartner noch anlächelte - der tribunus war ja auch ein stattlicher Mann mit einem reizenden Lächeln - durchzog das heftige, sausende Schwirren der Pfeilen die vom Marschlärm geborene Grundmelodie und dann erklangen die ersten Schreie.


    "Sarcinas Deponite! Ad Arma!" Selbst sie kannte diesen Ruf, und auch wenn sie bisher noch nie so direkt in Lebensgefahr gewesen war wie in diesem Augenblick, schien es doch den ein oder anderen sehr praktisch orientierten Überlebensinstinkt in ihrem Inneren zu geben, wohl ererbt von iulischen Vorfahren: Kurzerhand zog sie sich aus einer der Satteltaschen die dick gewobene palla hervor, die den Umhang zu ersetzen wusste, und hob ihren Arm an, die palla darüber gelegt, um einen Schutz gegen die Pfeile zu improvisieren - gegen die Brandpfeile war das natürlich nicht wirklich hilfreich, aber lieber eine brennende palla als einen Pfeil im Arm! Ihr Herz schlug ihr urplötzlich bis zum Hals, die Augen leuchteten auf, und zwischen einer jäh empor geflackerten Angst und erwachter Aufregung schwankend, lenkte sie ihr Pferd etwas einwärts - während schräg vor ihr einer der milites in der Marschkolonne keuchend aufschrie, in einem blubbernden Gurgeln ein Schwall Blut über seine Lippen schwappte, während der gefiederte Schaft in seinem Hals steckte wie ein rabenschwarzes Mahnmal an die Kürze des Lebens. Der Kampf hatte begonnen ...

    Noch konnte die Iulierin nicht ahnen, dass ihre scherzhaft gemeinten Worte zur Wirklichkeit geworden waren, und noch spürte sie auch keine der unangenehmeren Auswirkungen der Schwangerschaft, sondern nur reine Freude und Zufriedenheit. In seinen Armen zu liegen ließ den Krieg um sie herum verstummen. Sie hätten überall sein können, in Roma, in Ostia, in Hispania - sie hätte es nicht mehr gemerkt, denn im Augenblick war es Quintus' Gegenwart, die ihre Gedanken, ihr Herz vollständig ausfüllte, und mehr wünschte sie sich nicht.


    Er hatte alles verändert, ihre Wünsche, ihre Hoffnungen, ihre Sehnsüchte, und dass sie sich nun auch wahrhaftig wünschte, eine Familie mit ihm zu gründen, war nur ein weiterer Schritt auf den Weg hin aus der alten Trauer hin zu einem glücklichen Leben. Was konnte da noch ein Krieg ernsthaft ausrichten, wenn sie ihn hatte? Kein Parther würde ihn ihr nehmen, soviel stand fest, und auf diese unerschütterliche Sicherheit baute sie die Hoffnungen ihrer Zukunft. Es würde nicht noch einmal zu früh zuende sein, so grausam konnten die Götter einfach nicht sein.


    "Inmitten einer Feldschlacht muss das nun wirklich nicht sein," sagte sie leise, aber lächelnd, denn Geburten waren nun wirklich nicht das Angenehmste auf der Welt, sie hatte es schließlich schon zweimal durchgestanden, und ohne eine Amme würde es doppelt schwierig werden - wenn sie daran dachte, dass eventuell einer der medici aus dem valetudinarium würde Geburtshilfe leisten müssen, wurde ihr reichlich flau im Magen. Lieber hoffte sie dann doch, es würde nicht nötig sein oder sich eine andere Lösung ergeben. "Wenn wir wieder in Rom sind, sollten wir am Ianusbogen eine Opfergabe hinterlassen - ich bin mir sicher, dass ein guter Geist uns zusammengeführt hat."


    Wen sie damit meinte, war klar - Tiberia Novas Geist, die an diesem Ort ihr Leben freiwillig beendet hatte. Ein Zeugnis wahrer Liebe, denn nur wer wahrhaftig liebte, konnte dem Geliebten wünschen, glücklich zu werden und ermöglichte ihm auch dieses Glück. Insgeheim beschloss die Iulierin, dass, sollte sie Mutter einer Tochter werden, Novas animus durch einen Teil ihres Namens in diesem Kind beschworen werden sollte - Noviana vielleicht, oder etwas ähnliches. Denn dass Nova Teil von Quintus' Leben war, wie Titus ein Teil des ihren gewesen war, hatte sie schon vor langer Zeit akzeptiert. "Gibt es denn irgend etwas, womit ich meinen hart arbeitenden Verlobten entlasten kann?"

    Sim-Off:

    Sparsus, wir wollen dich nur alle dabei haben :D da gilt wegrennen nicht! ^^


    "Nunja, zuerst war ich in meinem Zelt. Dann davor. Dann wieder in meinem Zelt ..." hob die Iulierin auf des Andronicus' Frage an zu erzählen, um dann jäh zu schmunzeln - wohl kam ihr eben das Bild ihrer umher tigernden Person ins Gedächtnis, ruhelos, rastlos, voller Sorge, und auch voller Ungeduld, zur Untätigkeit verdammt - schließlich schüttelte sie leicht den Kopf. "... es war schlichtweg schrecklich, nur warten zu können, und ich habe mich dann entschlossen, die Zeit mit etwas Nützlichem zu überbrücken, indem ich ins valetudinarium gegangen bin, um dort zu helfen, wo Hilfe gebraucht wurde. Verletzte und Kranke gibt es schließlich immer, selbst wenn nicht gekämpft wird, und es ist ja nicht das erste Mal für mich gewesen, dies zu tun." Einer der Anwesenden hatte ihr auch einen einfachen Becher samt darin befindlichem Wein gereicht, und als der junge Decimus Serapio ihr so freundlich Platz machte, belohnte sie ihn mit einem besonders strahlenden Lächeln und einem freundlichen Kopfneigen.


    "Ich danke Dir - diese kleine Feier beinhaltet eindeutig mehr Luxus als erwartet, Wein, Sitzplatz, eigentlich fehlen noch die exotischen Tänzerinnen," bemerkte sie vergnügt und war auf die erstaunten Mienen der Umgebung gespannt. Letztendlich war das Gefühl fast so wie bei jenem Feldzug, auf den sie ihren ersten Mann begleitet hatte - die legio war und blieb doch eine Art der großen Familie, und es machte für sie keinen Sinn, sich abzusondern von jenen, die für Rom und Volk bluteten. "Lasst uns doch auf all jene trinken, die nicht hier sitzen und mit uns feiern können. Auf gefallene Freunde!" Damit hob sie ihren Becher an, und nur für einen Moment lang wirkte sie wehmütig, als sei ein Schatten aus einer fernen Zeit zurückgekehrt.

    Glücklicherweise gab es diesen aufmerksamen capsarius, denn ohne jenen wäre Iulia Helenas eifriger Helfer wohl wie auch zuvor Xamander auf den harten Tatsachen in Form eines platt getretenen Bodens gelandet - so war es nur ein Hocker, und während sie noch auf die Antwort des Verletzten wartete, atmete sie innerlich auf, dass Decimus Serapio nichts Schlimmeres geschehen war. "Entschuldige Du - denn ich hätte wissen müssen, dass Du noch geschwächt bist von Deinen Verletzungen," sagte sie freundlich und schenkte dem jungen Decimer ein leichtes Lächeln. "Und nein, ich brauche Dich nicht mehr. Ruhe Dich nur aus, ich werde später noch einmal nach Dir sehen, einverstanden?"


    Während der kräftige capsarius dem Decimer auf ein frei gewordenes Bett half - wobei man nur mit sehr viel Phantasie in der Feldliege überhaupt ein Bett erkennen konnte - hielt sie weiter die Hand 'ihres' Verletzten und wartete darauf, dass er einen Mucks von sich gab - solange er sprechen konnte, war alles in Ordnung, aber wenigstens ein Wort wollte sie von ihm hören, um sich dessen auch sicher zu sein. Indes wartete wohltuende Ruhe auf Decimus Serapio, und zudem - ein Luxusgut! - ein zusammengerolltes Stück Decke als Kissen für dessen geschundenen Kopf.

    Tatsächlich, so viele unbekannte Gesichter waren es gar nicht - aus der Ferne hatten die Männer alle mehr oder minder gleich ausgesehen, wie es eben Soldaten in Uniform zu tun pflegten, aber jetzt aus der Nähe wurde sie angenehm überrascht. "Tiberius Andronicus! Ich wusste zwar, dass Du auch hier dienst, aber nicht wo genau - umso praktischer ist doch diese Feier, da sieht man sich ganz unverhofft wieder. Ich hoffe doch sehr, dass Du die erste Schlacht unbeschadet überstanden hast?" Er sah auch nicht verletzt aus, und im valetudinarium wäre er ihr sicher aufgefallen. Sie würde es wohl noch Quintus sagen müssen, dass sie heute auch seinen Bruder getroffen hatte, als sie eigentlich ausgezogen war, ihren Verwandten kennenzulernen.


    "Ah nun, wenn Du mir sagst, wer Dein Vater ist, kann ich Dir auch sagen, wie wir verwandt sind - zumindest einen Teil des Stammbaums weiss ich noch auswendig," sagte Iulia Helena vergnügt zu Iulius Licinus und freute sich sichtlich, dass ihr Geschenk anscheinend gut ankam. Nichts war schlimmer, als dauernd puls zu essen, das wusste sie noch von ihrem ersten Mann, und so hatte sie sich lieber für ein praktisches denn ein anderes Geschenk entschieden. Zudem - sie kannte ihn ja nicht, und da war es dann auch etwas schwerer, etwas passendes zu finden. Wohingegen die meisten Männer mit Essen meist zu erfreuen waren.


    Den Männern, die ihr Licinus nach und nach vorstellte, nickte sie freundlich zu - besonders erfreut wurde ihr Lächeln beim Anblick des Sparsus und der Erklärung zu ihm, er sei auch ein Iulier (denn damit hatte sie gleich alle Iulier auf einem Fleck beisammen und würde nicht weiter suchen müssen), auch der junge Caecilier war ihr durchaus noch bekannt, so schnell vergaß man schließlich nicht so leicht, wem man eine Pfeilspitze durch den Körper gerammt hatte, Tiberius Andronicus und Decimus Serapio kannte sie auch schon - allenfalls beim Anblick des Artorius Imperiosus, der im valetudinarium ihrem Sklaven das gladius hatte wegnehmen wollen, gefror das Lächeln etwas ein, aber sie überspielte es schnell, indem sie die Einladung ihres Verwandten annahm: "Gerne doch, was gibt es denn? Wasser? Saft? Oder habt ihr etwa auch Wein hier?"

    Wie gelang es Männern nur immer wieder, sich um die letzten Reste ihres ohnehin zumeist eher kläglichen Verstandes zu trinken? Zugegeben, Iulia Helenas Vorurteile waren durch die Arbeit in der curia Italica eher gewachsen als gesunken, denn dort hatte es wahrlich den ein oder anderen Holzkopf gegeben - aber anscheinend waren sie auch in der Armee recht weiträumig vertreten. Nüchtern hätte der Kerl zu ihren Füßen sicher noch etwas hergemacht, aber an so etwas dachte sie in dem Moment gar nicht, in dem er anfing, ihre Füße zu betatschen. Wie betrunken war er eigentlich?! Sie schnaubte empört und als ihm wohl endlich aufgegangen war, dass das ihre Füße waren und nicht irgendein Fels oder ein vertrocknetes Stück Holz, trafen sich ihrer beider Blicke, denn er blickte zu ihr hinauf.


    Die Augen schienen derart umwölkt von einem gar stattlichen Rausch, dass sie den Impuls stark unterdrücken musste, ihn an einem Ohr zu packen und zum nächsten Wasserbottich zu schleifen, ganz wie es ihre Mutter Atia getan hatte, wenn ihre Brüder betrunken nach Hause gekommen waren (und Iulia Atia war in vielerlei Hinsicht eine sehr vorbildhafte Frau für Helena gewesen). Dass er sie in seinem Trunkzustand für seine Mutter zu halten schien, ließ zumindest noch die Hoffnung, dass er abgesehen von der Sauferei noch irgendeine Form von Erziehung genossen hatte.


    "Es hat Dich doch sicher niemand gezwungen, Dich bis zur Verdummung zu trinken, oder?" gab sie in eisigem Ton und mit der unschlagbaren Logik von verärgerten Müttern zurück. "Du solltest Dich wirklich schämen, mir in dieser Verfassung vor die Augen zu kommen!" Wenigstens hatte er wohl noch nicht vollständig alles weggetrunken, was man für das tägliche Leben noch brauchte. So klärte sie ihn erst gar nicht über seinen Irrtum ihre Person betreffend auf, sondern kanalisierte ihren Zorn auf diesen Unbekannten geradewegs in der Darstellung seiner Mutter, denn welche Mutter wäre schon erfreut gewesen, ihren Sohn so zu sehen? Allerhöchstens eine Alkoholikerin mit mangelnder Realitätsnähe.


    "Diese Zelte gehören zur legio I Traiana Fidelis, und Du bist ein Teil dieser legio! Gerade hast Du sogar ein Zelt zum Einsturz gebracht, das wirst Du morgen wieder aufzubauen helfen, wenn Du Deinen elenden Rausch ausgeschlafen hast, haben wir uns verstanden, filius meus?" Schätzungsweise würde es ohnehin zu lange Dauern, ihm zu erklären, dass er keineswegs vor seiner Mutter stand, in sofern würde es eher hilfreich sein, dass er sich hier so einiges einbildete.

    Sim-Off:

    Wenn Du darauf bestehst, kann ich auch beißen, so ist das nicht :]


    "Gib mir bitte einen Becher Wasser," sagte sie erleichtert in Richtung Decimus Serapio, als beider Patient die ersten Anzeichen machte, aus seiner Ohnmacht zurückzukehren. Bei so viel verlorenem Blut war es wichtig, dass er viel trank, denn nichts brauchte ein Körper in der parthischen Hitze nötiger als genug Wasser, um wieder auf die Beine zu kommen. Wenngleich sie es noch nicht so eilig hatte, den jungen Mann wieder aus dem valetudinarium zu entlassen. Dafür hatte er zu viel Blut verloren, und sah auch noch zu elend aus. "Danke," ihr Lächeln galt für einen Moment lang Decimus Serapio, als er ihr den Becher reichte, dann umgriff sie vorsichtig den Oberkörper des jungen Verletzten, um ihn etwas aufzurichten, setzte ihm dann behutsam den Becher an die Lippen und ließ ihn Schluck für Schluck trinken, nicht zu schnell, dass er sich nicht verschluckte. Erst, als er den Kopf wegdrehte, nahm sie auch den Becher wieder weg und ließ ihn vorsichtig zurücksinken. "Gibst Du ihm nun etwas gegen die Schmerzen? Ich denke, was er vorhin bekam, war noch nicht genug, er soll in Ruhe schlafen können." Wieder hatte sie gen Decimus Serapio gesprochen, bevor sie zu dem Verletzten wieder herabblickte, ihn leicht anlächelnd. "Kannst Du mir Deinen Namen sagen?"

    Inmitten der Kolonne schaukelte auch Iulia Helena auf dem Rücken eines robusten, aber nicht gerade schönen Pferdes auf dem schmalen Weg entlang, und bestaunte während des langsamen Ritts die Landschaft. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, seit Edessa nicht mehr in der Sänfte zu reisen, sondern sich ein Pferd gekauft, das auf dem edessischen Markt ziemlich stiefmütterlich behandelt worden war - aber ein kluger Blick und stramme Schenkel hatten sie sehr viel mehr überzeugen können als eine hübsche Fellzeichnung, und so war das treue Tier in ihren Besitz übergegangen.
    Es hatte doch so einige Vorteile, sui iuris zu sein, dachte sie schmunzelnd, während ihr Blick über die schroffen Höhen der Berge glitt, sie sich an der wildromantischen Landschaft still erfreute. Jetzt in Roma in irgendeiner wunderschönen villa eingesperrt zu sein, ohne eine Chance darauf, solche Orte zu sehen, erschein ihr nur wie ein schaler Tausch. Trotz der Kargheit hatten die Farben dieses Landes ihren Reiz, und auch wenn sie schwitzte, es war ihr lieber als alles andere. Irgendwo vorn ritt ihr Quintus, und in der Kolonne waren ihr Onkel und zwei ihrer Verwandten unterwegs - was konnte sie sich mehr wünschen? In diesem Moment traf sie eine stumme Entscheidung, als ein Adler in den fernen Höhen über den marschierenden Römern kreiste und sie begleiten zu schien wie ein Schutzgeist, der den Soldaten Glück bringen sollte.

    "Ich bin Iulia Helena," sagte die Frauengestalt mit dem verlockend wirkenden Korb am Arm und lächelte den Iulier breit an. "So wie ich meine Familie kenne, sind wir über ungefähr zwanzig Ecken miteinander verwandt - und hatten bisher nicht das Vergnügen, einander kennenzulernen. Aber das sollte kein Hinderungsgrund sein, dass ich Dir zu Deiner Beförderung gratuliere, die Du, wie ich hörte, auf jeden Fall verdient hast."
    Damit überreichte ihm die Iulierin den Korb, aus dem ein verlockend süßer Duft emporstieg. "Ich habe Dir Honigfladenbrot gebacken, genug, damit die Männer Deine contuberniums auch etwas abbekommen können und Deine Freunde mit dazu. Und ich habe mir gedacht, dass Du Dich vielleicht auch über ein paar eingelegte Obststücke freuen könntest, damit schmeckt der puls nicht ganz so fade."
    Er sah stattlich aus und schien durch den Dienst in der legio keineswegs in irgendeiner Weise zu einem deprimierten Menschen geworden zu sein - aber alles andere hätte sie auch erstaunt, die meisten Iulier, die sie bisher kennengelernt hatte, wiesen eine Grundcharakteristik aus, die auch einst Iulius Caesar zu einem ausgezeichneten Soldaten gemacht hatte - sie ließen sich nicht allzu leicht von irgend etwas beeindrucken.

    Was schenkte man einem noch unbekannten Verwandten zu seiner Beförderung? Auf einem Feldzug war es nicht unbedingt leicht, etwas zu finden, das zum einen ausgefallen, zum anderen angemessen war - aber eine echte Iulierin ließ sich auch nicht von solchen Hindernissen abhalten. Zudem verfügte sie über einen sehr praktisch denkenden Sklaven, der, abgesehen von der Tatsache, dass er kein Blut sehen konnte, bisher recht nützlich darin gewesen war, Dinge zu organisieren. Edessa war das reinste Paradies für Xamander gewesen, und er hatte die Vorräte des tribunizisch-iulischen Misch-Haushalts auf seine übliche kreative Art und Weise ergänzt.


    Iulia Helena indes hatte sich der Vorteile der Umgebungshitze zunutze gemacht und ein lockeres, gesüßtes Fladenbrot gebacken, das sehr schnell fertig gewesen war - dazu hatte sie ein Körbchen gesüßte Früchte, in Honig eingelegt hergerichtet und sich ebenso sorgsam angezogen wie zu jener Zeit, in der sie fast täglich in der curia Italica gewesen war. Als die Feier schon im Gange war, sah man also eine hoch aufgerichtet gehende Frau, deren Haar von einem dünnen Schleier bedeckt war, in der traditionellen römischen stola - diesmal ein sattes dunkelrot - samt zierlichen Sandalen durch das Lager spazieren, auf der Suche nach dem Ort, an dem die Feier stattfinden sollte.


    Als eine Ansammlung anscheinend gut gelaunter Legionäre in Sicht kam, steuerte sie diese zielstrebig an, blieb vor dem erstbesten stehen und schenkte ihm ein Lächeln, das Steine hätte erweichen können (also vielleicht auch einen Legionär der Prima):
    "Salve! Vielleicht kannst Du mir helfen, legionarius, ich suche Iulius Licinus, der heute seine Beförderung feiert." Sie hatte drei Dinge bei sich, die normalerweise ausgesprochen hilfreich bei solchen Bitten waren - ein entwaffnendes und offenes Lächeln, einen Korb mit etwas darin, das verdächtig nach Geschenk aussah, und das Selbstvertrauen, dass man sie nicht wegschicken würde (römische matronae hatten bisweilen diese Ansicht über sich selbst).

    Sanft und liebevoll erwiederte sie seinen Kuss, um ihn dann abermals zu betrachten. "Es gibt wahrlich Schöneres, als auf einem Feldzug schwanger zu werden, aber wenn es Iunos Wille ist, so wird Sie uns ein Kind schenken - ansonsten haben wir auch noch sehr viel Zeit dazu. Wir wissen beide, dass wir fruchtbar sind, Du hast einen Sohn, ich habe zwei Söhne zur Welt gebracht, was gibt es schon für eine schönere Sicherheit als dies?" Dann, einige Augenblicke später, realisierte sie erst etwas ganz bestimmtes: Titus Tiberius Invictus.


    "Du würdest Deinem Sohn das praenomen meines verstorbenen Mannes geben?" hauchte sie leise, und mit einem Mal standen Tränen in ihren Augen, denn auch ihre viel zu früh gestorbenen Söhne hatten diesen praenomen getragen, wie es viele alte Familien als Sitte offenbarten. In einem jäh aufgekommenen Impuls voller Zärtlichkeit umarmte sie ihren Verlobten stürmisch und drückte ihn an sich, ohne für ihre Rührung wirklich Worte finden zu können. Dass er bereit war, dem Unglück, das ihre einstige kleine Familie verfolgt hatte, indem es ihr nacheinander die Söhne und den Gatten genommen hatte, entgegenzutreten, bezeugte ungleich mehr sein Wort, der Mann an ihrer Seite sein zu wollen denn alle Versprechen einer Ehe es konnten.


    Langsam nur glitt sie an seine Seite, ihn noch immer mit einem Arm umfangen haltend, als wollte und könnte sie ihn jetzt nicht mehr loslassen. Wie wenig es doch manchmal brauchte, um ihr zu beweisen, dass sie sich richtig entschieden hatte, damals, nach dem Spaziergang am Strand von Ostia. Damals, als noch so vieles offen gewesen war. Hätten sie sich nicht in einer schicksalshaften Nacht am Ianusbogen in Rom kennengelernt, er trauend um seine verstorbene Liebe Nova, sie in Gedanken und mit Vergangenheit und Zukunft hadernd - wer könnte ahnen, wo sie heute wären?
    Mit einem Mal fluteten die Gerüche der Umgebung zurück in ihr Bewusstsein, sein Körpergeruch mischte sich mit dem würzigen Duft irgendwelcher parthischer Gräser, und fernab dessen gab es noch eine Schale mit getrocknetem Lavendel hier im Zelt, welche die Luft etwas zu versüßen wusste. Alles roch so vertraut, so bekannt, als hätte sie es nie anders gelebt.


    Vielleicht war das Fieber genau zur richtigen Zeit gekommen, das sie von ihrer Pflicht in Ostia fortgerissen hatte, die sich teilweise als so schmerzlich entpuppt hatte. Vielleicht war es ihr bestimmt zu reisen, mit ihm zu reisen, wohin auch immer des Imperators Befehl führte. "Es tut so gut, bei Dir zu sein, Quintus, und ich könnte und wollte es mir nicht anders mehr vorstellen, als wie es derzeitig ist. Versprich mir, dass Du mich immer mitnimmst, wenn Du auf einen Feldzug gehst. Ich will nicht wie die anderen matronae in irgendeinem riesigen Landsitz herumsitzen, warten, und nicht wissen, wie Du lebst."