Beiträge von Iulia Helena

    Still maß sie den Prätorianerpräfekten mit ihrem Blick und sann darüber nach, ob er einfach nur einen teuren Geschmack hatte oder ob dieses Geschenk beeindrucken hatte sollen. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem, entschied sie für sich und lächelte leicht vor sich hin. Eine Sklavin betrat das Atrium mit leisem Schritt und stellte sowohl einen Glaskrug mit Wein als auch einen mit Wasser auf dem kleinen Tisch neben den beiden ab, eine weitere junge Frau brachte eine Glasschale mit Früchten darin - praktischerweise waren die Melonen- und sonstigen Fruchtstücke darin auf eine angemessene Größe zurechtgeschnitten, sodass man sie leicht mit den Fingern nehmen und bequem essen konnte.


    "Ich nehme an, Du möchtest Wein unverdünnt?" fragte sie lächelnd und griff nach der Glaskanne, um ihm selbst einzuschenken. Das erste Getränk des Abends sollte noch von der Gastgeberin selbst eingeschenkt werden, danach mochten das die Sklaven erledigen - sie hielt diesen Brauch einfach für etwas persönliches, vielleicht antiquiert, aber ein Gast sollte sich im Haus der gens Iulia willkommen fühlen können. "Es dürfte bald abkühlen, glücklicherweise - aber bei dieser Hitze derzeit musste ich auch schon in der Curia Ostiae eine allgemeine Arbeitspause anberaumen, die täglich drei Stunden umfasst - solange man das Gefühl hat, das Hirn könnte einem im Kopf schmelzen, lässt sich einfach nicht richtig arbeiten. Wie haltet ihr Prätorianer nur das dauernde Helmtragen aus?"

    Geruhsam mischte sie in einem der grünen Glasbecher Wein und Wasser miteinander, bis sie sich sicher war, dass man das Aroma des Weins noch schmecken konnte, ohne davon allzu sehr beschwert zu werden, und reichte ihm den Becher mit einem Lächeln.
    "Dennoch wäre ein Zerwürfnis zwischen den Götterdienern beider Kulte ein sehr ernst zu nehmender Angriff auf die pax deorum, meinst Du nicht? Wie könnten wir von den Göttern Wohlverhalten erwarten, wenn nicht einmal die höchsten Diener jener fähig sind, sich nicht zu streiten und zu entzweien?"


    Nachdem sie dies zu bedenken gegeben hatte, lächelte sie unwillkürlich. "Ich kann mich nicht beklagen. Constantius ist derzeit als miles für die Cohortes Urbanae tätig, und ich selbst habe den Weg in der Verwaltung eingeschlagen und stehe der Stadt Ostia als Duumvir vor."

    Reichlich verwirrt blickte sie ihm nach und kratzte sich dann ein wenig am Kinn, den Kopf schüttelnd, bevor sie sich ebenfalls wieder in das Innere des Saals begab, um den Diskussionen wieder zu lauschen.

    Was wollte dieser Kerl eigentlich von ihr? Die Iulierin stellte wieder einmal fest, dass sie Männer wohl nie verstehen würde, und gab es in diesem Augenblick einfach grundsätzlich auf, im Handeln des jungen Sergiers irgendeinen Sinn entdecken zu wollen, es würde ihr wohl viel Ärger ersparen.
    "Was ist an meinem Handeln denn so unverständlich? Du stellst Deine Gedanken vor und ich denke darüber nach und ergänze meine Ansichten. Sollte so nicht der politische Prozess funktionieren? Dass diese Ansichten nicht immer Deine Zustimmung finden, ist eine ganz andere Sache als die Tatsache, dass sie geäussert werden - denn im Grunde sind wir hier als Abgeordnete gewählt worden, um etwas für die Regio Italia zu erreichen."

    Der Terminplan für diesen heissen, abermals sonnigen Tag sah den Antrittsbesuch des neuen Scriba vor, und entsprechend hatte sie sich auch vorbereitet - Wein und Wasser standen bereit. Als es schließlich klopfte, blickte sie auf und sprach laut und vernehmlich: "Herein!" um dann erwartungsvoll zur Türe zu blicken.

    Wie er sie gebeten hatte, folgte sie ihm etwas nach abseits und blickte ihn dann absolut verblüfft an. "Ich hasse Dich? Also, mit Verlaub, das halte ich für eine absolute Fehleinschätzung. Für Hass bräuchte es doch ein klein wenig mehr Grund als divergierende Meinungen und Ansichten über das Verhalten eines anderen, findest Du nicht? Ich denke auch, dass ich bisher nicht Dich persönlich, sondern Deine Einlassungen kritisiert habe, wo es für mich Kritikpunkte zu sehen gab. Und das gehört zur Meinungsbildung meines Erachtens nach absolut dazu."

    "Ah gut," irgendwie hatte sie den ordo equester als billiger in Erinnerung gehabt. Schmunzelnd notierte sie sich diese Summe auf einem kleinen Wachstäfelchen und blickte ihn dann wieder fragend an. "Kannst Du mir ein Beispiel für solches Vorgehen der jüngsten Vergangenheit nennen?"

    "Das Prinzip der römischen Politik sollte etwas mehr Respekt voreinander enthalten, aber ich hoffe sehr, dass nach dem anfänglichen gegenseitigen Abstoßen der Hörner langsam aber sicher klar wird, wie man miteinander umzugehen hat und welche Art des Verhaltens nicht tragbar ist," meinte sie sinnierend und atmete tief ein, um den Gedanken dann beiseite zu schieben. Sie wollte sich später damit befassen, wenn es etwas abgekühlt war und sie nicht mehr das Gefühl hatte, bei jedem Gedanken gleich schmelzen zu müssen.


    "Das wundert mich nicht," erwiederte sie auf die Worte über Tiberia Livilla. "Einer Frau aus reicher und edler Familie schenkt man doch auch keinen Schmuck, um sie zu beeindrucken, denn davon hat sie im Normalfall mehr als genug. Ein neues Stück wird sie nicht annähernd so beeindrucken wie etwas, was sie nicht bereits besitzt." Sie nahm eine sehr gemütliches Lauftempo auf und blickte sich sinnierend um. "Aber Du weisst sicherlich selbst genug über die Werbung um eine Frau und brauchst meine Ansichten dazu nicht." Überlegend wölbte sie die Lippen vor und maß ihn dann mit einem sinnierenden Blick. "Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns noch einmal unterhalten würden."

    Sie hob etwas die Brauen, als der junge Sergier sie ansprach, und verharrte im Schritt, bevor sie ihn anblickte. "Was kann ich für Dich tun, Sergius Epulo?" erwiederte sie höflich und blickte ihn fragend an.

    "Ich würde Wasser bevorzugen, hält es doch bei hitzigen Diskussionen wie diesen den Kopf wacher, aber sicher - wo wir Wein finden, gibt es sicher auch Wasser," meinte sie und nickte ihrem Magistraten leicht zu, um sich mit ihm nach draußen zu begeben.

    Sie ließ sich die Vorschläge durch den Kopf gehen und runzelte dabei ein klein wenig die Stirn, um wenig später anzufügen: "Ich möchte gern den diesem so rapide erhöhten Standesgeldes zugrunde liegenden Gedanken erfahren - wenn ich mich nicht irre, bezahlt man bereits bei der Erhebung in den ordo equester zweitausend Sesterzen und erhält mehr Möglichkeiten als im ordo decurionum - warum sollte man also zweieinhalbtausend Sesterzen für einen Ehrenrang bezahlen, dessen Rechte weniger wiegen als die eines ordo equester? Ebenso frage ich mich, welchen Sinn es haben soll, dass ein Nichtbürger - denn die Voraussetzung der römischen Bürgerschaft wird bereits in §2 (1) vorausgesetzt - von unfreier Geburt und ohne Vorstrafen den Ordo Decuniorum anstreben können soll - wozu? Er würde als Unfreier allerhöchstens Civis werden können, aber doch nicht Bürger und damit wäre ein ehemaliger Sklave in einem römischen Ehrenrang ziemlich undenkbar."

    Sie nickte zu dem Einwand des Comes, denn letztendlich konnte man in langfristiger Sicht dies tatsächlich noch befürchten ... dennoch hielt sie sich nun zurück und blickte fragend zu den anderen anwesenden Abgeordneten der Städte Italias.

    "Bei Bauprojekten wie beispielsweise einem Tempel oder wichtigen Gebäuden für eine Stadt kann ich einen Finanzzuschuss voll und ganz verstehen und auch unterstützen, aber eine Stadt sollte doch fähig sein, aus eigener Kraft oder mit ein wenig Hilfe ein Fest zu finanzieren, sonst beraten wir im zwei-Wochen-Turnus über Feste und sonstige Spektakel, aber nicht über die wirklich regionalen Anliegen," gab sie zu bedenken.

    "Warst nicht Du es, der den Gedanken des Wählerstimmenkaufs aufbrachte? Ich führe ihn nur einen oder zwei Schritte weiter," versetzte sie und hob eine Braue an. "Mit der Finanzierungsregel meinte ich den Schlüssel, nach dem in den Städten die Gehälter der Verwaltungsbeamten ausgezahlt wird - Dir ist doch sicher aufgefallen, dass diese Gehälter je nach Anzahl der bei einer Stadt vorhandenen Magistrate, Duumvirn und Scribae variieren."

    "Vorrangig liegt die Ehre bei der Stadt und bei denjenigen, die das Fest organisieren," meinte sie mit einem leisen Seufzen. Wollte er ihr dauernd widersprechen, weil er ihre Beiträge schlecht fand oder widersprach er aus Prinzip? "Es ist und bleibt ein Fest der Stadt - oder was hat beispielsweise Misenum von einem in Mantua stattfindenden Fest oder Misenum von einem Fest in Ostia, um einmal den Umkehrschluß zu ziehen? Ich sehe da keine großen Vorteile, ausser dass man sich während stattfindenden Festen gegenseitig besucht und bestaunt, was andere auf die Beine stellen."

    "Das hat niemand behauptet, Sergius Epulo," erwiederte sie höflich. "Dennoch sollte man überlegen, ob es nicht vorteilhafter ist, die Stadtgeschichte mit dem Namen eines bekannten Gönners der römischen Politik zu verbinden als bei der Regio Geld anzufordern, das an anderer Stelle vielleicht nötiger gebraucht würde. Solange man auf diese Weise sparen kann, sollte man es doch zumindest versuchen."

    "Das mag sein," meinte sie sinnierend und lächelte etwas. "Dennoch ist der Ruhm eines gelungenen Festes allein derjenige der veranstaltenden Stadt und der Magistrate, nicht der Regio, welche zu Besuch kommt. Ich denke, es sollte so gehalten werden wie bisher - jede Stadt finanziert Feste selbst, und wenn Geldgeber fehlen, so gibt es in Rom genug reiche Männer, die sicherlich diesen Ehrendienst nicht ablehnen werden, wenn man sie höflich bittet und ihnen diesen Gedanken schmackhaft macht."

    "Ich glaube nicht, dass wir einander so gut bekannt sind, dass Du auf die Nennung meines nomen gentile verzichten dürftest, werter Sergius Epulo," erwiederte sie freundlich, aber durchaus bestimmt. "Ich bitte Dich also, dies in der Zukunft nicht zu verabsäumen, ein wenig Respekt vor anderen Mitgliedern dieser curia darf schon sein, denke ich." Dann, einen kurzen Moment sinnierend, fügte sie hinzu:


    "Ob Wählerstimmen gekauft wurden oder nicht, lässt sich im Nachhinein für keinen hier Anwesenden wirklich nachvollziehen - und in sofern solltest Du mit einer solchen Unterstellung vorsichtig sein, nicht zuletzt, um nicht selbst in den Verdacht zu geraten, von sich ablenken zu wollen, indem man andere angreift - ein beliebtes und probates Mittel der römischen Politik, wenn ich mich recht entsinne. Dennoch frage ich mich, wieso Du derzeitig in den Archiven stöberst, und nicht die Dinge vorrangig betrachtetst, die wirklich bearbeitet und gelöst werden müssen. Gibt es denn wirklich nichts wichtigeres, das uns beschäftigen sollte? Mir fällt da beispielsweise die Finanzierungsregelung für alle Städte ein."

    Ein ziemlich verschwitzter Sklave der Casa Iulia gibt während der Mittagshitze einen Brief an der Villa Tiberia ab.


    An
    Quintus Tiberius Vitamalacus
    Quaestor Consulum
    Villa Tiberia, Roma


    Salve, Tiberius Vitamalacus.


    Mit Freuden haben wir Deinen Brief empfangen und freuen uns, Dir mitteilen zu können, dass wir zum genannten Termin die Zeit finden können, Dich und Deine familia zu einer cena aufzusuchen.


    Vale.


    Caius Iulius Constantius et
    Iulia Helena