Beiträge von Iulia Helena

    Sie war ganz froh, dass sie den Boden der Politik verlassen hatten, auch wenn die Stellung der Frauen in der römischen Politik immer wieder ihre Aufmerksamkeit gefunden hatte, seit sie davon erfahren hatte. Vielleicht war sie zu lange von der wirklichen Welt entfernt gewesen, als sie Titus in alle Ecken des Imperiums begleitet hatte, und die Welt hatte sich schneller verändert als sie es gedacht hatte - zumindest was die Stellung der Frauen anging. Als sie geheiratet hatte, war solcherlei noch undenkbar gewesen, und nun waren Frauen Senatorinnen und sprachen selbst ihre Meinung offen und frei aus. Sie konnte nicht vor sich verhehlen, dass sie dieser Weg reizte, aber gleichzeitig wagte sie es nicht, sich in Kleidung mit dem latus clavus vorzustellen, den sie sich selbst verdient hatte, ohne zu heiraten.


    Sanft erwiederte sie das Lächeln ihres Bruders, und in diesem Augenblick fühlte sie sich so zufrieden wie schon sehr lange nicht mehr. Innerhalb kurzer Zeit waren sie in Rom gut angekommen, er ging der Tätigkeit nach, die er sich gewählt hatte, ihre Arbeit konnte den Haushalt finanzieren, was wollte man mehr? Es schien, als seien die Götter den Iuliern wieder gnädig, nachdem so lange kein Iulier mehr in den Geschicken der urbs aeterna eine Rolle gespielt hatte, hatten sie sich die Hintertür geöffnet und blickten in die bunte Welt Roms wie zwei Kinder, die noch vieles zu lernen hatten - und lernen würden. Sie würde ihm sagen müssen, wie stolz sie auf ihn war, und wie sehr er es noch immer schaffte, ihr Herz klingen zu lassen, weil es ihn gab. Für Constantius, ihren letzten und jüngsten Bruder, hätte sie wahrscheinlich alles getan.


    "Irgendwie fällt es mir noch immer schwer, in den Germanen ein Volk zu sehen, das die römische Herrschaft gut angenommen hat. Ein Teil von ihnen scheint vollkommen wild und bar jeder Vernunft, die Legionen immer anzugreifen ist doch auch wahrlich idiotisch, und wieder andere scheinen sich so an uns angepasst zu haben, dass sie römische Namen tragen und römisch leben. Herrscht denn gar keine Einigkeit unter diesen Wilden? Ein Römer ist doch stets ein Römer, egal, wo er weilt," sagte sie nachdenklich und enthüllte damit einen Gedankengang, der ihr schon öfter gekommen war.

    Sie ließ die Prozedur mit einem Schmunzeln über sich ergehen, trug sie doch keine andere Waffe mit sich ausser einem charmanten Lächeln auf den Lippen, auch ihr Sklave war unbewaffnet, doch wirkte er durchaus, als könnte er mit seinen Fäusten einen kräftigen Mann in den Boden rammen, sollte es ihm befohlen werden. Octavius Sura galt ein dankendes Nicken und auch ein freundliches Lächeln. "Ich danke Dir für Deine Hilfe - und es ist tatsächlich Didianus Gabriel, den ich besuchen möchte. Er scheint hier recht bekannt zu sein, wenn schon ein Centurio der Cohortes Urbanae mich gleich zu ihm weisen kann." Einen großen Vorteil hatte die Tatsache, die Witwe eines Offiziers zu sein, Uniformen waren ihr vertraut genug, um Ränge zuverlässig zu erkennen. Kurz war sie ernsthaft in Versuchung, nach Constantius zu fragen, und überlegte, ob es ihm nicht peinlich wäre, von seiner Schwester aufgesucht zu werden.

    In der Begleitung des hühnenhaften ianitors der Casa Iulia, begab sich die Hausherrin selbst an einem schönen Sommertag zur Castra Praetoria, denn ein Brief hatte durchaus ihre Besorgnis erregt. Ein Iulier bezahlt stets seine Schulden, hatte sie zu Didianus Gabriel gesagt, und an dieses Wort hielt sie sich bedingungslos. So trat die Römerin, das Gesicht halb hinter der Palla verborgen, welche auch ihr hochgestecktes Haar zu verbergen wusste, zu den Wachen am Eingang der Castra und verharrte dort.
    "Salve! Ich bin hier, um einem verletzten Vigil im valetudinarium der cohortes urbanae einen Besuch abzustatten," sprach sie einen der Wachhabenden an und blickte ihn erwartungsvoll an.

    Nachdem die beiden Männer Constantius' Angebot angenommen hatten, einen Becher Wein vor dem Essen zu trinken, war es ihre Aufgabe, für die Bewirtung zu sorgen - so klatschte sie zweimal energisch in die Hände, um eine der Sklavinnen des Hauses herbei zu rufen und ihr die entsprechende Anweisung zu geben, nicht ohne ihr zu sagen, dass sie auch Wasser zum Mischen mitbringen sollte. Immerhin wusste sie nicht, was Andreia bevorzugte, und da war es immer gut, eine gewisse Auswahl anbieten zu können.


    "Stimmt, die Albata - findest Du denn Vergnügen an den Wagenrennen? Denn dann müsstest Du unbedingt einmal zu den Spielen hier in Rom weilen, es gibt nichts besseres, als inmitten der Menschenmenge seinen Lieblingslenkern zuzujubeln. Die Ludi Apollonaris waren einfach nur herausragend. Aber was rede ich, ich höre mich wahrscheinlich schon an wie ein Mann, die reden auch über nichts anderes als Wagenlenker und Pferde," führte sie das begonnene Gespräch mit Andreia schmunzelnd fort. "Ich würde Dich nur zu gern einmal auf den Markt begleiten, vor einer Eheschließung gibt es ja so vieles zu erledigen und zu erwerben."


    ubiculum

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    [Blockierte Grafik: http://i1294.photobucket.com/albums/b620/Zacade/IR/Home/Rooms/CICubiculum.png]

    Dies ist das erste Cubiculum hospitale der Casa Iulia.


    Dies ist das Gästezimmer, welches für Titus Claudius Imperiosus Iulianus für die Dauer seines Aufenthalts in Rom bereitsteht. Neben einem bequemen Bett befinden sich hier auch ein Schreibtisch mit einem Stuhl sowie ein Beistelltisch, dazugehörige Stühle und eine Kleidertruhe im Raum, ein dunkelroter Vorhang lässt sich vor das Fenster ziehen, um den Bewohner von der Mittagshitze abzuschirmen. Die dunkelrote Farbe der Wände ist von einem schwarzen und weißen, geradezu klassischen Muster verziert.

    Die Sklavin betrat das Atrium und verharrte dort mit einem abwartenden Ausdruck, während sich die Hausherrin ihr zuwandte. "Richte ein Zimmer für unseren geschätzten Gast her und lass eine Mahlzeit für uns beide bringen - Du bist doch sicher hungrig und durstig, oder?" Der Blick ging vergewissernd in Richtung Imperiosus, dann nickte sie der Sklavin zu, die Mahlzeit umfasste auch, dass ihnen bald Getränke gebracht würden.


    "Ach, ich freue mich, dass Du eine Weile hier bleibst, auch wenn die Umstände so unerfreulich sind, Imperiosus. Es ist kaum zu glauben, dass es in Germania so wild zugehen soll, ich dachte immer, zumindest in den verwalteten Städten sei es anders? Aber vielleicht möchtest Du mir auch berichten, was Dich so sehr bedrückt, dass Du die Reise hierher antratest. Eine bloße Pflichtvergessenheit kann es doch kaum sein? Und manchmal ist es erleichternd, sich Luft gemacht zu haben, damit Du morgen in aller Ruhe das Problem angehen kannst." Sie bedeutete ihm, auf einer der gepolsterten, bequemen Sitzbänke im Atrium Platz zu nehmen und setzte sich erwartungsvoll neben ihn.

    Appetit. Für einige Momente lang begannen ihre Gedanken in eine Richtung zu springen, die weder statthaft noch angemessen war und sehr viel mit frisch gebratenen Meeresfrüchten zu tun hatte, die man auf der nackten Haut eines ganz bestimmten Mannes mit den Zähnen herunterschnappen musste - aber sie erinnerte sich schnell genug daran, hier nicht alleine herum zu laufen. "Es sind alles sehr belebte Städte, und die Arbeit der Magistrate hat vor allem Mantua sehr belebt, wenn ich mich nicht ganz irre. Italia blüht auf, und das ist ein guter Weg, finde ich."


    Ihr Blick fiel auf die Garküche, bei der sie meistens ihr Mittagessen holte und die einen sehr sättigenden, wenngleich nicht wirklich wohlschmeckenden Bohnenbrei verkaufte. "Appetit hätte ich auf vieles, aber zumeist lande ich dann doch dort drüben." Damit deutete sie auf den Stand, von dem aus ihr der Verkäufer schon geschäftstüchtig zuwinkte.

    Zitat

    Original von Marcus Aelius Callidus
    [ ...]
    Callidus wirkte etwas angespannt und hektisch, doch machte ihm das Ergebnis der Wahl Angst. Erst vor kurzem der Ausgang der Wahl in Rom, letztens starb ein Schaf vor einem Tempel der Iuno, nun wieder so eine unklare Sache. Hier war es nötig schnellstens den Rat und Wunsch der Götter herauszufinden.


    Sie war überrascht, den Comes Italia so bald wiederzusehen, aber diese Überraschung überspielte sie schnell und gekonnt, indem sie sich erhob und seinen Worten lauschte.
    "Sei mir gegrüßt und willkomen, Aelius Callidus," erwiederte sie, wenngleich die Besorgnis nicht aus ihrer Miene weichen wollte. Auch sie hatte den unklaren Ausgang der Wahl mit einiger Besorgnis aufgenommen und sich überlegt, wie sie darauf reagieren sollte, aber dass er nun erschienen war, machte es um einiges leichter. "Artorius Corvinus ist im Haus, ich werde ihn holen lassen, wenn Du es möchtest, allerdings weiss ich noch nicht, wie ich Octavius Dio erreichen soll, ausser vielleicht am Haus der gens Octavia hier in Ostia. Ist denn die Anwesenheit von beiden notwendig?"

    Etwas überrascht blickte sie die junge Frau an, war es doch selten genug, dass sich überhaupt Frauen für die Tätigkeit in der Verwaltung interessierten, aber dieser Ausdruck der Überraschung machte bald einem freundlichen Lächeln auf ihren Lippen Platz.


    "Komm doch erst einmal herein, setz Dich zu mir und sag mir, wie Du heisst," meinte sie sanft und deutete auf einen der beiden Stühle vor ihrem Schreibtisch. "Wir haben in der Tat derzeit die Stelle eines Scriba frei, aber Du wirst auch verstehen, dass ich so etwas nicht zwischen Tür und Angel besprechen möchte. Machst Du die Tür hinter Dir zu?" Sie legte die Akte beiseite und blickte ihre junge Besucherin erwartungsvoll an.

    Es war einer jener Tage, an denen auf den Straßen viel los war, als hätte die vorüber gegangene Wahl den Handelsverkehr abermals bestärkt - und so hatten die Wachleute viel zu tun und waren entsprechender Laune. Dass allerdings hoher Besuch anzustehen schien, nötigte auch den Soldaten am Stadttor Respekt ab und so in Augenschein genommen, während dem Sklaven vom Wachhabenden der Weg zur Curia Ostia beschrieben wurde.


    "Salve, Comes Italia - und einen guten Aufenthalt in Ostia!" Und schon konnten sie das Tor hinter sich lassen ..

    Sie neigte den Kopf in die Richtung des Comes und erhob sich wie die anderen, verabschiedete sich von allen der Anwesenden freundlich, wenngleich sie Sergius Glabrio, Octavius Detritus, dem Comes Italia und Aurelius Cicero deutlich mehr Worte zugedachte als den anderen, was entweder an der Sympathie liegen mochte oder aber auch einfach am besseren Kennen - und begab sich, nachdem dieser Teil des 'Zeremoniells' abgeschlossen war, schließlich auf den Weg aus der Curia hinaus, dem sich rötenden Himmel über Rom entgegen.

    Kurz kitzelte die verbliebene Haarsträhne ihre Nase, dann wurde auch diese von ihrer Hand eingefangen, ein recht geübter, energischer Griff, der verriet, dass sich gerade solches öfter zuzutragen schien und sie die Selbständigkeiten ihres Haars bereits gewöhnt war. "Du hast meine Erwartungen sogar übertroffen, denn ich muss gestehen, ich hätte nicht erwartet, dass ein Patrizier mir eine höfliche und umfassende Antwort zu geben bereit sein würde. Aber Du hast einer Frau, einer Plebejerin noch dazu, so höflich und ernst geantwortet, als hättest Du Deinesgleichen vor Dir. Es war einer der Gründe, warum ich Dir meine Stimme gab, als die Wahl anstand."
    Auch jetzt gab es keinen Grund, die Wahrheit zu verhehlen, und sie wusste, er würde sie verstehen. Zwischen ihm und ihr gab es Welten, und es würde diesen Abstand nicht ändern, wenn man ihn verleugnete oder verschwieg, egal wie sehr man noch versuchte, aus dem römischen Volk ein Volk zu machen. Es gab solche, die höher standen als andere.


    Die Worte über seine Mutter ließen sie hingegen von diesem Thema fortschweifen, und sie blickte ihn sinnierend und aufmerksam an. Von seinen Eltern hatte er bisher fast nie gesprochen, immer nur von seinem Großvater. Dies waren die ersten persönlichen Worte über seine Mutter, sie bemerkte es sehr wohl, und ihre Gedanken verloren sich für einige Momente. Was für eine bittere Erinnerung musste es sein, wenn er diese Menschen, die wichtigsten im Leben eines Kindes, eigentlich nie erwähnte? Es musste etwas Schreckliches geschehen sein, das ihn dies so verschließen ließ. "Mein Vater sagte mir stets, ich dürfe meine Ahnen nicht vergessen, was immer ich auch täte, und wenn Deine Mutter stolz darauf gewesen wäre, dass Du Consul wirst, dann ist es doch ein Grund mehr, diesen Weg zu beschreiten. Es liegt Dir im Blut."


    Genau wie es vielen anderen Familien im Blut gelegen hatte, über Generationen hinweg Consulare, sogar Kaiser zu stellen, was sollte ihn scheitern lassen? Sie blickte auf sein Amulett und griff selbst an das Lederband um ihren Hals, um den zierlichen, geschnitzten Holztaubenanhänger herauszuziehen und ihm zu zeigen. "Ich bin mir sicher, dass Deine Mutter nur das Beste für Dich wollte, als sie Dir dies gab - wie auch mein Bruder, als er mir einen Talisman schnitzte." Lächelnd nun blickte sie ihn an und just in diesem Augenblick rutschte die Haarsträhne wieder hinter ihrem Ohr hervor und wand sich im Seewind hin und her.

    Sie erhob sich erstaunlich schnell und nickte ihm lächelnd zu. "Eine gute Idee, auch wenn ich keine gute Fremdenführerin bin. Fangen wir doch mit dem Forum an, dort gibt es eine Menge zu sehen. Ich hoffe, du erwartest keinen gelehrten Vortrag über die Stadtgeschichte, denn den könnte ich Dir nicht wirklich halten," meinte sie vergnügt und schritt zur Türe, ihm voran. Im Officium und bei den Akten hielt sie gerade wirklich so gar nichts mehr ...

    Mit ihrem Mittagspausenbesuch im Schlepptau betrat Iulia Helena das Forum Ostiae, nicht ohne ein gewisses Gefühl der Zufriedenheit darüber, die Akten für einige Zeitlang hinter sich lassen zu können und nun ein unbeschwertes Gespräch genießen zu können. Der Helvetier war in ihren Augen zwar ein ziemlich eitler Geck, aber er hatte Witz und schien überdies den Kopf an der richtigen Stelle zu tragen - der Standesdünkel, den man Sprösslingen aus einer Senatorenfamilie oft nachsagte, schien sich bei ihm nur in seiner Kleidung niederzuschlagen und damit konnte sie durchaus leben.


    "Das Forum ist denke ich einer der wichtigsten Orte Ostias," meinte sie im Plauderton zu ihrem Begleiter und ließ den Blick über den Marktplatz schweifen, die eifrig frequentierten Stände, die Sklaven, welche auf ihren Schultern und Rücken dicke Warenbündel trugen, die Bürger mit ihren Einkaufskörben und -kisten, all dies zeugte von einer prosperierenden und lebendigen Stadt. Nicht zum ersten Mal wurde sie von einer tiefen Zufriedenheit ergriffen, wenn sie das Werken der Menschen betrachtete. Das war ihre Stadt, und sie würde sich dafür einsetzen, dass es auch weiterhin so lebendig bleiben würde. "Nicht nur, weil Du hier eine Menge der Waren bekommst, die es zu teureren Preisen auch in Rom gibt. Hier spielt sich das wirkliche Leben der Ostianer ab, wie auch im Hafen."

    Zitat

    Original von Iunia Maecia
    Ich war nicht sicher, ob ich hier richtig war, doch war ich gewillt es zu versuchen, holte tief Luft und klopfte an das Arbeitszimmer des Magistratus.


    Das vertraute Bild einer Magistrata mit vielen Akten auf dem Schreibtisch schien derzeit ein Leitmotiv ihrer Tätigkeit in Ostia zu sein - und so blickte sie zur Türe auf, die Akte, an der sie gerade gearbeitet hatte, beiseite legend.


    "Herein?" erwiederte sie, einen ihrer Scriba erwartend, während die blauen Augen der Magistrata die Türe und die eintretende Person in Augenschein nahmen.

    Langsam hakte sie hinter ihrem linken Ohr eine der beiden Haarsträhnen fest, um nicht allzu unordentlich auszusehen, den Blick hielt sie jedoch auf ihn gerichtet dabei, als sei ihr diese leichte Auflösung ihrer Frisur nicht einmal peinlich. Nach dem Regenguss war es schon erstaunlich, dass alles halbwegs erträglich noch aneinander geblieben war. Nach dem Regenguss hätte sie eine deutlich schlimmere Frisur erwartet, aber es war glücklicherweise einigermaßen glimpflich abgelaufen, dank ihrer Palla, die nun ebenso in der Sonne trocknete wie ihre Stola.


    "Es war eine Frage, die enthüllen sollte, ob Du Dich auch ein wenig mit dem aktuellen Tagesgeschehen in Rom auskennst, was für einen gewählten Magistraten schließlich unerlässlich ist," meinte sie schmunzelnd und durchaus zufrieden darüber, dass die Frage ihn zumindest kurz ins Überlegen gezwungen hatte. Mehr sollte es auch gar nicht gewesen sein, und sie nickte sachte zu seinen Worten. "Ausserdem war es interessant zu sehen, wie Du auf eine Frage reagiertest, mit der Du vielleicht nicht gerechnet hattest - ich hatte mir für jeden Kandidaten etwas überlegt, das möglichst konträr oder unerwartet sein würde, um die wirklichen Personen hinter der Maske des Redners zu erblicken." Die blauen Augen blitzten verschmitzt auf, und sie war nach wie vor froh darüber, ihm ihre Fragen gestellt zu haben - es war der Grundstein für eine aussergewöhnliche Begegnung gewesen und sie schätzte die Unterhaltungen mit ihm inzwischen sehr. Furcht oder Zurückhaltung musste es hier nicht geben, dessen war sie sich sicher.


    "Vielleicht bist Du der erste Deines Blutes," und sie sagte sehr bewusst Blut und nicht Familie, denn sie meinte damit nicht die gens Tiberia, "...der jemals Consul wird, und ich bin mir sicher, Dein Großvater und Deine Eltern wären stolz darauf, Dich mit dem Purpurstreifen zu sehen. Es gibt nicht mehr viele Magistrate, die Kampferfahrung und die Menschenführung gleichermaßen verinnerlicht haben und gerade deswegen ist es wichtig, dass Du Dich auf diesem Weg nicht beirren lässt. Mein Ahn, der vergöttlichte Caesar, hat sich nie mit der leichtesten und geringsten aller Lösungen zufrieden gegeben und ich denke, das musst Du ebenso nicht." Wieder suchte sie seinen Blick, während sie gemächlich an seiner Seite dahin schritt, um zu lächeln. Kaum zu glauben, dass er nie daran gedacht hatte, Consul werden zu wollen - ein so bescheidenes Selbstbild hätte sie ihm nicht zugetraut. "Wenn man nichts wagt, gewinnt man nichts."

    "Ja, manchmal kann es schon helfen, eine kleine Erinnerung an die Sicherheit zuhause zu haben, nicht nur, wenn man in den Krieg zieht. Manchmal tut es einfach sehr gut zu wissen, dass es etwas Vertrautes gibt, das einen immer begleitet, egal wohin man geht." Sinnierend legte sie eine Hand auf die Brust, dort, wo der geschnitzte Taubenanhänger an dem einfachen Lederband sie beständig daran erinnerte, wie tief die Gefühle zwischen ihr und ihrem jüngsten Bruder Constantius waren. Es gab noch andere Dinge, die sie an ihre Familie erinnerten und auch an ihren verstorbenen Mann, aber dieser Anhänger begleitete sie, seit er ihn ihr geschenkt hatte, seitdem jeden Tag, auch wenn sie sicherlich kostbareren Schmuck hätte tragen können, wie es für eine Römerin aus gutem Hause fast selbstverständlich geworden war. Manche übertrieben es indes und behängten sich übermäßig mit teurem Geschmeide, aber sie bildete da eher das andere Extrem und trug nur diese einfache Lederschnur mit dem unter ihrem Kleid versteckten Anhänger.


    Sie lächelte ihn offen an, das Gesicht von zwei dünnen Haarsträhnen umspielt, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatten und nun im Wind von der See her flatterten. Hatte sie ihn verunsichert oder wirkte er nur kurz ein wenig erstaunt, dass sie ihm offen gesagt hatte, dass sie ihn als gutaussehend empfand? Aber dass er sich geschickt um ihr Kompliment herum hangelte, ließ sie kurz schmunzeln, da merkte man schon, dass er in der Politik nicht falsch war, so gar nicht falsch. "Auf der rostra des forum romanum hast Du sehr eindrucksvoll gewirkt," meinte sie lächelnd und verstärkte das Kompliment durch eine Wiederholung. "Ich wusste zuerst gar nicht, ob Du mich nicht bei einer Zwischenfrage in Grund und Boden reden würdest, aber ich bin froh, es doch noch gewagt zu haben." Seine Worte über den Purpurstreifen ließen ihr kurz den Atem stocken, nicht zuletzt, weil er solche Gedanken mit ihr teilte, nicht mit einem Verwandten oder Klienten - und sie fühlte sich geehrt und geschmeichelt zugleich, sein Vertrauen gefunden zu haben.


    "Es wäre doch verschwendete Zeit und verschwendetes Geld, in den cursus honorum einzusteigen und dann nur quaestor zu werden, findest Du nicht? Ich bin mir sicher, eines Tages wirst Du als consul Deiner Familie und Deinen Ahnen Ehre machen und mit dem latus clavus auf der Toga durch die Straßen Roms wandeln, gefolgt von einer eifrigen Klientenschar, die allen verkünden, wie froh sie sind, Dich als patronus gefunden zu haben," erklärte sie überzeugt und begegnete seinem Blick offen und direkt. "Es würde Dir ganz sicher gut stehen, und von den derzeitigen quaestoren bist Du derjenige, den ich mir am ehesten mit dem Purpurstreifen vorstellen könnte." Die blauen Augen funkelten merklich, als sie mit ihren Worten abschloss und ihn erwartungsvoll anblickte, seiner Reaktion harrend.

    Für einen Moment tauchte die Erinnerung des Spaziergangs am Strand mit Tiberius Vitamalacus in ihrem Hinterkopf auf, strahlender Sonnenschein gemischt mit einem Gewitter samt Platzregen, und sie überlegte kurz, ob es ihm so viel Glück bringen würde, wenn ausgerechnet sie ihm gutes Wetter wünschte, dann aber nickte sie schmunzelnd.
    "Bei meinem Glück hast Du dann wahrscheinlich die nächsten Tage nur Regen, aber ich werde ganz gewiss Deine Reise in meine Gebete mit aufnehmen. Versprich mir, gesund und munter wieder zurückzukommen, sonst schickt mir am Ende der Comes keine Leute mehr ..." Die blauen Augen glitzerten vergnügt bei diesen Worten.

    Sie nickte leicht und zog sich dann mit der rechten Hand die Palla wieder zurecht, die vom aufgekommenen Wind etwas fort gezerrt worden war. "Dann hoffe ich, dass Du dort Erfolg hast, Hadrianus Subdolus, ich würde zu gerne selbst reisen, aber mich halten die Geschäfte hier ..." Es klang ein klein bisschen neidisch, aber sie wusste selbst, was es für ein schlechtes Bild abgegeben hätte, wäre die Magistrata dauernd abwesend.
    "Brauchst Du etwas für Deine Reise?"

    "Als letzter Ausweg, in jedem Fall. Es ist mir fast ein bisschen peinlich, an der Schola nach einem Architekten fragen zu müssen, als würden wir das hier nicht alleine hinbekommen," meinte sie mit einem verschmitzten Schmunzeln auf den Lippen, ein Seufzen unterdrückend. Hoffentlich kam bald Nachricht von dem Annaeer, damit sie zumindest in dieser Richtung Klarheit bekamen. Am liebsten hätte sie sofort losgebaut, denn Geduld war nicht unbedingt eine ihrer hervorstechendsten Stärken und würde es wohl niemals sein. Seine Betonung des Wortes 'wir' indes ließ sie kurz aufhorchen, wenngleich ihr Lächeln sich damit ein wenig vertiefte.


    Insgeheim hoffte sie, dass es wirklich aufrichtig gemeint war und es nicht der Versuch war, eine Frau in einem nicht ganz unbedeutenden Amt auszumanövrieren - aber das würde sich zeigen müssen. "Ich bin wirklich froh, mit Dir ein bekanntes Gesicht an meiner Seite zu haben, wenn es um die Umsetzung all dieser Projekte geht und ich hoffe sehr, dass wir gut zusammenarbeiten werden."