Beiträge von Iulia Helena

    Einer der Scriba, die in der Eingangshalle der Curia Ostia umher gingen, um ihren Pflichten nachzugehen, hielt schließlich inne und trat auf den älteren Mann zu, ihn freundlich anblickend. Überhaupt schien die Curia in gutem Zustand - sie war sauber, die floralen, gemalten Ornamente der Wände erstrahlten in kräftigen, neuen Farben und auch die vielen eingetopften Pflanzen auf den Gängen verliehen diesem wichtigsten Gebäude der Stadt eine harmonische Stimmung.
    "Salve! Kann ich Dir helfen?" fragte der Scriba und blickte Octavius Dio aufmerksam an.

    Es war so seltsam, ihn zu küssen, einerseits wissend, wie sie früher Titus geküsst hatte, andererseits ebenso wissend, dass sein Herz einer anderen Frau nachtrauerte und ihr eigenes dem toten Gemahl. Und vielleicht hätte Quintus gelacht, hätte er geahnt, dass er erst der zweite Mann war, den sie in ihrem Leben ausser ihrem Vater, ihren Onkeln und ihren Brüdern jemals geküsst hatte. Nicht, dass sie nicht gemeinsam mit Titus die Freuden der körperlichen Nähe zu genießen gelernt hatte, doch war es aufregend und verunsichernd zugleich, dieses noch fremde Paar Lippen zu spüren, das doch so sanft und zärtlich war, gleichzeitig in seinen Blick zu tauchen und zu wissen, dass es einfach nur richtig war, was sie taten. Mochten andere darüber urteilen, wie sie wollten, sie als Hure beschimpfen, die sich dem nächstbesten an den Hals warf, aber auch wenn sie ein gewisses Schuldbewusstsein empfand, es war zu schön, um vollkommen von seiner Nähe zu lassen.


    Sanft erwiederte sie den Kuss, nahm sich diesmal mehr Zeit, seine Lippen mit den ihren zu erkunden, und ein leises Seufzen rann aus ihrer Kehle empor, als sie ihren eigenen Körper wieder reagieren fühlte, sich ein leichtes Ziehen in der Lendengegend zu den getauschten Küssen gesellte, das sie deutlicher seine Nähe suchen ließ, die Lippen nach den seinen fassend. Kurz achtete sie auf das Echo seiner Berührungen, um ein wenig deutlicher nachzufassen, die Lippen teilten sich leicht, entließen einen Hauch warmen Atems, bevor sie die Augen ganz öffnete, ihn anblickte, als müsse sie diesen Moment in ihr Innerstes einbrennen. Sie hatten Zeit. Es tat so gut, das zu hören, es zu wissen, dass man nichts überstürzen musste, denn sie war sich bei weitem nicht so sicher, was werden würde, wie sie vielleicht wirken mochte. Er schmeckte gut, seltsam gut, und sie war auch darüber verwirrt, denn wenn man über lange Zeit den Geruch und Geschmack eines bestimmten Menschen gewöhnt war, glaubte man irgendwann nicht mehr, dass es auch anderes geben konnte.


    "Das ist so seltsam," flüsterte sie leise und lächelte dann doch. Eigentlich sollte nun die große Verliebtheit kommen, wie es die Sagendichter vorsagten, aber sie fühlte nur Wärme und den Wunsch, die Wärme nicht so schnell enden zu lassen. Gaben sie sich in diesem Moment einfach, was beide brauchten?

    Ausgiebig nahm sich Helena die Zeit, den Fahrer der Veneta zu bejubeln, Diocles machte seine Sache wirklich gut und die Stimmung in der Südkurve schien ausgesprochen glänzend, denn Diocles schaffte es noch, seinen Vorsprung auszubauen. Das war heute wirklich ein glücklicher Tag für die Veneta, neben Rothar auch Diocles recht sicher in den Endläufen zu wissen, hob die Stimmung einfach in weite Höhen an. Wonga schien mit seiner zugewiesenen Arbeit, die riesige blaue Flagge zu schwenken, durchaus zufrieden, er grinste breit über das ganze Gesicht und offenbarte die weißen Zähne dabei - und sie hatte den riesigen Nubier bisher fast noch nie lächeln sehen. Vielleicht gefiel ihm das Wagenrennen ja, man konnte es bei den langsamen Denkprozessen des ianitors eigentlich nie so recht wissen. Mit einem Lächeln auf den Lippen verfolgte sie das Gespräch zwischen ihrem Bruder und der jungen Frau, froh darum, einmal nicht versuchen zu müssen, ein Thema für ihn zu finden, bei dem er sich ebenso sicher mit einer fremden Person unterhielt wie sie selbst. Vielleicht begann ihr kleiner Bruder endlich aufzutauen, sie hoffte es wirklich - aber manchmal vermochte das reizende, offene Lächeln einer Frau eben Berge zu bewegen, gegen die man ansonsten eine halbe Ewigkeit angerannt war.


    Das Gebrüll auf den Rängen allerdings schwoll schon wieder so sehr an, dass sie die Unterhaltung nur in Fetzen verstand und sich den Sinn beider Worte irgendwie zusammenreimen musste. Es ging wohl um Tarraco und Rom, aber genaueres konnte sie nicht ausmachen, weil schräg hinter ihrem Ohr eine neue Gruppe junger Männer zu brüllen begann.


    "Wo die Veneta fährt, da lassen sich Sieger nieder,
    Verlierer singen nicht und kennen nicht unsere Lieder!"


    Sie gab es einfach auf, sich an dem Gespräch zu beteiligen und brüllte in Minervinas Richtung: "Hast Du vielleicht Lust, uns in der Casa Iulia zu besuchen? Dann können wir uns vielleicht unterhalten, ohne heiser zu werden!"


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    [Blockierte Grafik: http://i1294.photobucket.com/a…e/IR/Home/Avas/SWonga.jpg]


    Zu den Dingen, welche die jetztige Hausherrin den ianitor recht schnell hatte auswendig lernen lassen, gehörten auch die Namen der Verwandten - und nach einigem stumpfen Überlegen fand Wonga den Namen des Imperiosus auch in einem abgelegenen Kämmerlein seines ohnehin nicht allzu beanspruchten Gehirns vor.
    "Dein Herr mir folge in Atrium," bellte Wonga und öffnete die Tür für die beiden.

    "Dann tu es nicht," antwortete sie leise und schmiegte sich etwas enger an seinen Wärme und Schutz verheißenden Körper. Ihr Götter, wie lange war es her, dass sie eine solche Umarmung gefühlt hatte, bei der sie mit jeder Faser ihres Körpers den eines anderen gespürt hatte? Die süßen Glücksmomente auf dem Streitwagen waren ein Vorgeschmack gewesen, ein aufkeimender Wunsch, jetzt hatte sie Zeit, es zu genießen und der Regen, der nach wie vor um die Klippe tobte, war ein deutliches Zeichen dafür, dass sie auch noch eine ganze Weile würden warten müssen, bis der Strand wieder begehbar sein würde, ohne dass man schwimmen musste. Sanft spielten ihre schlanken Finger in seinem Haar, diesem kurzen Soldatenhaar, die allzu vertraute Frisur, die sie auch an Titus immer ertastet hatte.


    Sehnst Du Dich so sehr nach ihm, dass Du bereit bist, ihn gegen einen lebenden Soldaten einzutauschen? fragte sie sich innerlich und diese Frage schmerzte tiefer, als sie es gedacht hätte. Du schwankst wie ein Schilfrohr im Wind, zuerst zum einen, dann zum nächsten. Tust Du damit nicht ihm auch unrecht, Dir .. und Victor? Wie ernst meinst Du es mit ihm? Die stillen Fragen glitten in ihrem Inneren nach oben zu ihrem Bewusstsein, hallten in ihrem Hinterkopf wieder, während sie seine zarten Küsse auf der Haut fühlte, und das war es auch, was sie leise einatmen ließ, zitternd noch immer, aber nun nicht mehr vor Kälte.


    "Sh ..." formten ihre Lippen den leisen Laut, dann berührten ihre Finger leicht seine Wange, ihm bedeutend, dass er innehalten sollte. "Ich weiss nicht, ob ich das ... ob ich das schon kann," flüsterte sie kaum hörbar. Was war das, was sich hier entwickelte? "Es ist doch noch so viel Zeit," murmelte sie und strich ihm mit den Fingerspitzen sanft über die Wange, dann den Nacken, einige Wassertropfen von seiner Haut nehmend, die dort aus dem Haar stammend, herunter geronnen waren. Die blauen Augen glommen unsicher, während sie ihn betrachtete, unsicher nun geworden, wie er reagieren würde, ob er diese Bitte als Zurückweisung betrachten würde. Ihre Lippen brannten noch von seinem Kuss, und überdeutlich schmeckte sie ihn noch immer.

    Wie wärs, diesen Thread langsam mal zu schließen? Die WM ist vorbei, Italien ist (verdientermaßen) Weltmeister und ab jetzt gibt's eh nur noch Diskussionen über Dinge, bei denen man sich gegenseitig zwar die Köpfe heiss diskutiert, aber nix wirkliches bei rauskommt. :D

    Langsam neigte sie sich vor, um das zu Boden gefallene Tüchlein aufzuheben, und sobald sie es in den Fingern hielt, wandte Helena wieder den Blick zu ihrer Cousine. Diese ganzen Fragen, kein Wunder, dass sie neben ihrem Schmerz auch verwirrt sein musste - ob Livilla mit ihrer eigenen Mutter hatte über Liebesdinge sprechen können? Ob sie wohl überhaupt eine Vertraute für derlei Sorgen in Germania gehabt hatte? Mit ihrem Vater, ihrem Onkel Numerianuns, dürften die Gespräche über diese Thematik eher sehr kurz und knapp ausgefallen sein, denn ihr Onkel hatte, was Frauen anbelangte, nicht gerade die glücklichste Hand. Ob er dieses Talent wohl auch an seine Tochter vererbt hatte?


    "Nein, Livilla, so ist es nicht. Wenn Dich jemand liebt, und Du dieses Gefühl nicht erwiedern kannst, dann kann man es nicht erzwingen. Weder er noch Du. Und Du musst dich ganz sicher nicht schuldig fühlen, nur weil Deine Gefühle nicht tiefer zu ihm reichen als die seinen zu dir. Liebe ist ein Geschenk, das selten genug zwei Menschen zur selben Zeit trifft, auch ich habe meinen Gemahl nicht geliebt, als ich ihm zur Frau gegeben wurde. Dennoch ... wenn er mehr empfindet als Du, und Du Dich durch diesen Wunsch in seinem Blick bedrängt fühlst, solltest Du einen gewissen Abstand einnehmen. Manchmal hilft die Zeit auch, ein etwas besseres Verhältnis zwischen zwei Menschen hervor zu bringen."


    Dann, als sie die Tränen ihre Cousine beim letzten Satz sah, seufzte sie leise und schüttelte abermals den Kopf.
    "Vielleicht ist Dir einfach noch nicht der richtige Mann begegnet, den Du hättest lieben können, Livilla. Manchmal kommt die Liebe sehr spät und mit sehr leisem Schritt zu einem, sodass man sie gar nicht bemerkt, meist dann, wenn man sie gar nicht erwartet hat." Damit legte sie ihr sanft das Taschentuch in die Finger.

    Eine jähe Windböde trieb einen neuen Schwung kalten Regens in den Felsvorsprung, aber dieses Mal bemerkte Helena die Kälte des Windes nicht mehr. Ihre Welt war in diesem Moment vollkommen davon ausgefüllt, den warmen, starken Körper Quintus' nahe bei sich zu fühlen, mit den Fingerspitzen auf dem nassen Stoff seiner Tunika tasten zu können. Sicher, sie fror noch immer, trotz seiner Nähe, trotz des Umhangs, dafür sorgte schon der von Wasser vollgesogene Stoff ihrer Stola, aber es war in diesem Augenblick einfach deutlich weniger bedeutend als alles andere. Der Donner krachte über ihnen, aber selbst das brachte sie nicht mehr zu zusammenzucken, sie erwiederte seinen Blick, die Brauen ein klein wenig angehoben, die Lippen vage geöffnet, als wollte sie sprechen, ohne etwas sagen zu können.


    Was machst Du hier? Er will Dich küssen! Willst Du ihn küssen? Die Gedanken wirbelten wild durcheinander, aber es gab in diesem Chaos in ihrem Kopf keine eindeutige Antwort, während sich der Kopf des Tribuns etwas hinab neigte, sich ihr vorsichtig näherte und sie genau wusste, dass sie sich entscheiden musste. Es wäre so leicht, so vollkommen, so ... auch Victors Gesicht hatte sich so genähert, mit einem Blick, der besagte, wie sehr sich in ihm alles nach dieser Berührung sehnte, sollte sie ihn wirklich verraten und einen anderen küssen? Titus' Gesicht wechselte sich mit dem Victors ab, seine harte Miene durch den Genuss des Kusses weich geworden, die Augen genießerisch geschlossen, wie er es immer genossen hatte, sich einem Kuss hinzugeben ... wieder legte sich ein Gesicht über das, das sie sah, das des Lucianus, der sie einfach nur gehalten hatte, als sie jemanden brauchte, der sie hielt. Ich lebe jetzt, dachte sie, Jetzt! Nicht in der Vergangenheit, nicht morgen, heute! Und die Gesichter verschwanden, ließen nur das zurück, was real war, sein Gesicht, seine Augen, die Lippen, die ihre nun sanft berührten und noch ein wenig nach dem Bohnenbreiaroma schmeckten, aber gleichzeitig auch so sehr nach ...


    Nach was eigentlich? Sie konnte es nicht bestimmen, diesen Geschmack nach Bohnenbrei und ... Quintus. Nicht Tiberius. Nicht Vitamalacus. Einfach nur Quintus. Und bevor sie hätte daüber nachdenken können, warum sie es tat, löste sie die Hand von seiner Talle, legte sie auf seinem Hinterkopf ab und ließ die Finger sich in sein nasses, kurzes Haar graben, um den Kuss zu erwiedern, die Augen halb geschlossen dabei, ihn einfach auskostend, so weit es in diesem Moment möglich war. Alles in ihr verlangte danach, ihn zu küssen, neben seinem Körper auch die Nähe seiner Lippen zu fühlen, und sie tat es, nicht unsicher, nicht zögernd, sondern genießend ... so verging eine Weile des stillen, bebenden Kostens seiner Lippen, bis sie diese sehr vorsichtig von seinen löste, ihn wieder anblickend, das Blau der Augen schien etwas nachgedunkelt zu sein. Und sehr leise flüsterte sie: "Meinetwegen kann es gern noch ein bisschen länger regnen."

    ~* KANDIDATUR *~
    Salvete, ihr Bürger der schönen Stadt Ostia!


    ich, Iulia Helena, Magistrata der Stadt Ostia und im
    Dienst für die Stadt, seit ich hier meine Arbeit als Scriba begann,


    gebe hiermit meine Kandidatur zum


    DUUMVIR


    und zur


    CURIA PROVINCIALIS ITALIA


    bekannt.


    Interessierte Bürger sind dazu eingeladen, die Curia Ostia zu besuchen und mit mir über ihre Gedanken zu sprechen, zudem werde ich auf dem Forum für Fragen bereitstehen.


    Iulia Helena

    Gallien ... wenn es in Gallien solches Wetter gab, wollte sie sicher nie dorthin. Oder etwa Germania oder Britannia. Wie konnte man freiwillig in einem Land leben wollen, in dem es so ekelhaft kalt und nass war? Daran würde sie sicher nie Freude empfinden und einmal mehr war sie froh, dass sie ihr Leben inzwischen in Italia eingerichtet hatte, wo solche Wolkenbrüche eine absolute Ausnahme waren und man auch im Winter angenehm warme Temperaturen erwarten durfte.


    Was machst Du da?! hatte sie fast sagen wollen, als er seinen Umhang ausbreitete und ihn kurzerhand um sie legte, das einzige halbwegs trockene Kleidungsstück, das ihm geblieben war, und er opferte es für sie, während er selbst frieren musste. Dann allerdings zog er sie in seine Arme und umhüllte ihren Körper mit einer ausgesprochen willkommenen Wärme, aber auch einem Gefühl, das sie sehr lange nicht in dieser Form wahrgenommen hatte. Als Lucianus sie gehalten hatte, war es angenehm gewesen, tröstlich, für einige Momente lang hatten seine Arme Sicherheit versprochen, und nun kehrte diese Empfindung so locker und leicht zurück, als wäre sie nie fern gewesen. Ihre Lippen teilten sich, bebten einen Moment, aber sie konnte nichts sagen, diesen Moment nicht mit einem Wort durchbrechen, in dem sie am liebsten vor Sehnsucht nach einem längst toten Mann geweint hätte und gleichzeitig hätte lachen können aus Freude darüber, endlich zu wissen, dass sie lebte.


    Mit Valerius Victors Nähe hatte es begonnen, dieses Zurückkehren in ihr Leben, in das Bewusstsein eines Körpers, eines Verlangens, das wieder langsam erwachte und ihr vor Augen führte, was sie vermisst hatte, ohne es zu ahnen, nun fügte Tiberius Vitamalacus diesem Erwachen die Sehnsucht nach Geborgenheit und Wärme hinzu. Sehr langsam, unsicher noch, aber doch stetig, legte sie eine Hand um seine Tallie, bevor sich ihr Kopf an seine Schulter schmiegte und sie mit der freien Hand den Umhang so zurecht zog, dass auch er etwas von dem Stoff und dessen Wärme würde spüren können. "Ich fürchte das Gewitter nicht," flüsterte sie leise zurück. "Eher, dass wir hier bald zurück nach Ostia schwimmen müssen .." Sachte blinzelte sie zu ihm auf, ein fast schüchternes Lächeln auf den Lippen, während sie sich überdeutlich der Nähe seines Körpers bewusst war. Mit einem Mal war ihr ausgesprochen ...warm.

    "Dein Pferd ist ziemlich klug," erwiederte die Iulierin und bemühte sich. nicht zu laut mit den Zähnen zu klappern, als ein jäher Windstoß unter die Klippe fuhr und ihr bewusst machte, dass sie nur ihr Unterzeug, eine sehr durchnässte Stola und eine noch viel nassere Palla trug und beides nicht gerade dazu angetan waren, sie vor dem Wind zu schützen. Wo war denn plötzlich der viele Regen hergekommen? Sie wagte es kaum, vor die Klippe zu sehen, denn dort rauschte nach wie vor das Wasser herunter, als müsste es den Strand auch noch dem Meer einverleiben. Es sah so düster aus, als sei die ganze Welt plötzlich in einen ausgesprochen nassen Hades abgetaucht. Wieso war nur Iuppiter so plötzlich zornig geworden? Einmal mehr wurden die beiden Gesichter unter die Klippe geduckten Römer von einem fernen Blitzeinschlag erhellt, und jetzt fiel ihr auch auf, dass er sie anblickte, wie sie an die kalte Steinwand gekauert da saß, von dem nassen Stoff eher schlecht als recht verhüllt und zitternd.


    "So einen Regen gab es in Syria nie," sagte sie und bemühte sich um ein tapferes Lächeln, doch das Zittern ließ sich nicht so ganz unterdrücken, wie sie es gern gehabt hätte - an Kälte irgendeiner Art war sie einfach nicht mehr gewöhnt, seit sie mehr als fünf Jahre im tiefsten nahen Osten verbracht hatte. Dann allerdings schob sich ein weiteres Gefühl vor das der Kälte, denn ihr wurde sehr schnell bewusst, warum er sie so anblicken musste - der Stoff klebte eng an ihrer Haut und ließ keinen Raum mehr für Spekulationen offen, enthüllte ihre Gestalt als das, was sie war - die einer Frau, die zweimal Mutter geworden war und ihre weiblichen Formen sehr wohl behalten hatte. Und genauso war auch seine Kleidung nur noch Staffage, keineswegs mehr fähig, die Gestalt des Soldaten zu verbergen, was sie für einige Momente lang hörbar schwerer atmen ließ.
    "Äh ... das glaubt uns keiner," presste sie unsicher hervor und blickte ihm direkt in die Augen, um nicht seinen Körper anstarren zu müssen.

    Ruhig blickte sie Livilla nach, ein wenig sinnierend nun, doch die Wut und der Hass in ihren Worten erschreckten sie mehr, als sie es fassen konnte. Dass so tiefe Gefühle im Inneren ihrer sonst eher heiter und sorglos wirkenden Cousine zu herrschen schienen, sprach von einem gewaltigen erlebten Schrecken, aber auch von mehr, das sich dahinter verbarg. Gefühle, die älter sein mussten als gerade vom heutigen Tag.


    "Du warst erschrocken, Livilla, jeder würde das verstehen und ich bin mir sicher, auch Constantius hat es verstanden, dass Du Dich nach einem solchen Angriff auch zuerst gegen ihn wehrtest. Was Secundus Mela angeht - hat er Dich angerührt? Hat er Dir gegen Deinen Willen etwas getan? Wenn das nicht der Fall war, darfst Du nicht so hart über ihn urteilen. Dass er enttäuscht ist, nicht Deine Aufmerksamkeit erregt zu haben, ist menschlich, enttäuschte Liebe schmerzt sehr. Aber dass er Dir half, ist seine Pflicht, und nicht eine Verpflichtung für Dich zur Ehe. Sagtest Du nicht, er sei Soldat? Dann umfasst sein Eid auch, die römischen Bürger zu verteidigen, und das tat er."


    Sie trat wieder auf Livilla zu und setzte sich neben sie auf das Bett, nun aber einen gewissen Abstand haltend, um ihre Cousine nicht zu bedrängen. "Warum glaubst Du, an diesem Abend Schuld zu sein? Wenn dieser Fremde sich rächen wollte, dann hätte er das sicher zu jeder sich bietenden Zeit getan und dass es heute geschah, war nur ein unglücklicher Zufall." Ernst blickte sie Livilla an, um dann leise zu seufzen. "Dass er Dich auf diese schmutzige Weise anging, ist ganz sicher nicht Deine Schuld, Liebes, sondern die seines schmutzigen Geistes."

    Helena blickte ihre junge Verwandte mit einer Mischung aus Sorge und Mitgefühl an, ließ die Hand allerdings noch nicht sinken, als sei die bloße Berührung fähig, eine Brücke zwischen ihr und Livilla zu schlagen, die sie zuvor noch nicht erprobt hatten. Zumindest hatten sie bisher auch noch keine solchen Sorgen zusammengeführt, und das sonstige Zusammenleben war eher harmonisch denn aufgeregt verlaufen, wie man es sich eigentlich hätte wünschen können in jedem Haushalt.


    "Ich weiss es nicht, warum er sich gerade Dich ausgesucht hat, um seine Rache zu befriedigen, aber wenn er wirklich Deinen Vater tief treffen wollte, dann warst Du wohl das passendste Opfer, Livilla - manche Menschen sind von ihrer Natur aus her einfach schlecht und böse, und wenn sie irgendeinen Kummer erfahren, brechen diese Eigenschaften umso deutlicher hervor. Er muss einer von jenen gewesen sein, und dass er sich rächen wollte, spricht meiner Ansicht nach sehr dafür ... den Göttern sei Dank für die Tat Deines Begleiters."


    Damit reichte sie ihr ein kleines Tüchlein, um die Tränen zu trocknen und blickte Livilla ernst an. "Ich weiss nicht, ob Du dieses Vertrauen wiederfinden wirst, aber Du solltest nicht vergessen, dass es auch Männer gibt, die sich für Dich einsetzen und die sich nicht so benehmen wie dieser Schurke. Dein Begleiter zum Beispiel, wenn er derjenige ist, der verletzt wurde, wie Constantius sagte - er dürfte sein Leben für Dich riskiert haben."

    "Hatte er nicht Recht damit? Die meisten Herrscherdynastien erleben eine Zeit der Glorie, um dann umso tiefer abzustürzen - wenn man allein schon die römischen Kaiser betrachtet, so ist dies eine Entwicklung, die man auch dort wiederfinden kann. Oder die Herrscher der ägyptischen Dynastien, deren Geschichte ungleich weiter zurückreicht als die römische ... mein Ahn war ein kluger Mann, dies zu erkennen und sich nicht zu scheuen, es auch auszusprechen," meinte sie und blickte nun ebenfalls in den Himmel, als die ersten Tropfen herab zu fallen begannen. "Oh-oh," sagte sie leise und nickte eilig auf die Worte ihres Begleiters, in die Richtung der Klippe blickend. Er hatte wohl recht, und sie wollte auch nicht wirklich heute durchfeuchtet in der Curia ankommen müssen, das hätte sicherlich einige neugierige Fragen aufgeworfen. Die ersten Schritte konnten beide noch unbehelligt in die Richtung der Klippe tun, denn der Regen fiel nur sehr langsam, die dicken, warmen Tropfen schienen noch harmlos.


    Dann krachte es abermals heftig über ihnen, der Himmel war innerhalb von Augenblicken fast völlig dunkel geworden und schien von Wolken bedeckt, die auch den letzten Fleck Blau vereinnahmten. Dann öffnete der Himmel seine Schleusen und entließ einen mächtigen Platzregen, der wie eine hellgraue Wand aus Wasser auf die Erde hernieder klatschte, und damit auch auf den Fischer, der fluchend die Beine in die Hand nahm und in Richtung der Stadt eilte, und Vitamalacus und Helena. Die Iulierin handelte so pragmatisch wie fast immer - sie neigte sich herab, zog mit einer Hand ihre Stola bis zu den Knien empor, packte mit der anderen die Palla so fest wie möglich, damit der heftige Wind, der den Regen begleitete, sie nicht wegfegen konnte, und begann zu rennen, dicht gefolgt von dem Tribun, der die Notwendigkeit dessen mindestens ebenso schnell eingesehen hatte wie sie selbst.


    Sie rannen ausgesprochen unwürdig in Richtung der Klippe, doch es enthob sie nicht der Tatsache, dass der Regen sich die beste Mühe gab, sie bis auf die Haut zu durchnässen - irgendwo hinter ihnen schnaubte Ajax und begann ebenfalls zu traben, die Vorräte und Decken auf seinem Rücken, dann allerdings entschied sich der Hengst dann dafür, über den Strand eilig in Richtung eines etwas entfernt sich befindenden Wäldchen zu galoppieren und ließ sowohl seinen Herrn als auch Helena alleine, die mittlerweile sich der Klippe so weit genähert hatten, um zu erkennen, dass es dort keine Höhle, wohl aber einen Vorsprung gab, der nicht nass geregnet wurde.

    Ihre Miene verdunkelte sich merklich von Moment zu Moment, und vielleicht war es ganz gut, dass Livilla ihr noch beim ersten Teil ihrer Erzählung den Rücken zukehrte, denn sie konnte nicht sehen, dass Helena ihre Faust ballte und am liebsten gleich aus dem Raum gestürmt wäre, um diesen Frevler mit dem gladius ihres Mannes zu enthaupten. Er hatte es gewagt, die Hände an eine Iulierin zu legen und dafür würde er büßen. Das Gefühl des ohnmächtigen Zorns war mit einem Mal so stark in ihr, dass sie tief einatmen musste, um sich überhaupt beherrschen zu können - und der Unterton in Livillas Stimme, der die Tränen verriet, tat sein übriges, sie noch um Beherrschung zu gemahnen.


    Langsam trat sie auf ihre Cousine zu und legte ihr sachte eine Hand auf die Schulter, so dieser stumm ihren Beistand versichernd, um dann vorsichtig nachzufragen: "Ist dir etwas geschehen dabei, Livilla? Hat er seine Drohung wahrgemacht oder ... erhieltest Du Hilfe?" Ihr Götter, bitte lasst sie unversehrt sein, dachte sie inständig und versprach im Geiste ein Dankopfer an Iuno zu richten, sollte sie sich darin bestätigt sehen, dass Livilla keine Gewalt angetan worden war.