Beiträge von Iulia Helena

    Also doch. Ein kleiner Ausflug wegen eines jungen Mannes, von dem sie allerdings nicht mehr wollte als Freundschaft - diese Gedanken miteinander zu verbinden hatte irgendwie etwas sehr eigentümliches für die Iulierin. Es gab so vieles, das sie am Handeln der jungen Verwandten nicht wirklich verstand, aber letztendlich musste sie zugeben, dass sie auch nicht immer ihr eigenes Handeln nachvollziehen und erklären konnte. So blieb sie in der Mitte des Raumes stehen und betrachtete den Rücken der Cousine eingehend, sich selbst in so manchen Gedanken verlierend, der nicht unbedingt nur mit der gegenwärtigen Lage zu tun hatte. Sie klang so schuldbewusst, dass es Helena ernsthaft erstaunte, wieso Livilla überhaupt aus dem Haus gewitscht war - für einen Mann, für den sie angeblich nicht mehr empfand als Freundschaft.


    "Nun, zwischen einem gestohlenen Abend mit einem jungen Mann und blutbefleckter Kleidung und einer Horrorgeschichte über einen Angriff besteht doch ein kleiner Unterschied, Livilla. Was ist auf der Straße geschehen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Dich Dein Begleiter angegriffen hat."

    Während der Fischer recht eilig mit seiner Arbeit zugange war, blieb die Aufmerksamkeit der Magistrata hingegen auf ihren Begleiter gerichtet - hätte sie etwas mehr auf ihre Umgebung geachtet, wäre ihr sicherlich auch aufgefallen, warum sich der Fischer so sehr beeilte. Die klimatischen Eigenheiten Italiens waren ihr jedoch nicht vertraut genug, um das nahende Unwetter vorauszuahnen, und so befand sie sich in einer gewissen, gelösten Hochstimmung ob der bisher so angenehm verlaufenen Unterhaltung. Wahrlich, es war eine sehr gute Idee gewesen, heute an den Strand zu gehen, der Hitze zu Trotz, denn die Möglichkeit, sich mit Tiberius Vitamalacus entspannt zu unterhalten, wog doch so manchen vergossenen Schweißtropfen bei weitem auf.


    "Dein Großvater scheint mir ein Realist und Pragmatiker gewesen zu sein, wenn er einen so großen Wert darauf gelegt hat, Dich an das Leben ohne Hilfe zu gewöhnen - aber ich denke, er hat damit ein sehr gutes Werk getan. Es gibt zu viele Offiziere, die zu glauben scheinen, man müsste ihnen alles nachtragen, nur weil sie von höherer Geburt sind als andere, und das ist wohl kaum die richtige Einstellung, um von den eigenen Männern akzeptiert zu werden. Mein Ahn, der göttliche Caesar, teilte die Leiden und den Schmerz seiner Männer, und wurde dafür von ihnen geliebt, sodass sie seine Taten und Wege unterstützten," sagte sie sinnierend und schritt an seiner Seite auf die sich nähernde Klippe zu.
    Der Teil über die cloaca maxima hatte sie kurz breit lächeln lassen, und fast fühlte sie sich versucht, das zu kommentieren, aber über derlei sprach eine römische Frau nun wirklich nicht. Es gab so einige Themen, die für Frauen nicht in Frage kamen, und der Abwasserkanal gehörte ganz eindeutig dazu - nicht zuletzt, weil sich eine Menge unguter Gerüchte darum rankten, beispielsweise, dass Frauen ihre ungewollten Kinder dort aussetzten, um sich vor der Schande eines Bastards zu bewahren.


    "Der Strand hier ist wirklich schön," sagte sie, und wollte den Satz gerade fortsetzen, als ein gewaltiges Krachen am Himmel ertönte und sie entsetzt zusammenfahren ließ, während bereits ein guter Teil der Wolken das helle Blau verdeckt hatte und Blitze in der Ferne auf den Boden hinab zuckten. Das Gewitter schien unwahrscheinlich schnell herangenaht zu sein und war bereit, sich mit aller Macht zu entladen.

    Schweigend blickte sie dem Besucher hinterher, als er den Raum verließ, dann auf die Tür, die er hinter sich geschlossen hatte. Was hatte dieser Besuch nun bezwecken sollen? Alles hätte sich auch per Post arrangieren lassen und der Curia Miseni sicherlich die Spesenrechnung für eine Reise nach Ostia erspart. Es wurde wirklich Zeit, dass sie einige Tage nach Misenum fahren würde, um sich dort ein wenig umzuhören, was das geplante Fest, aber auch die Flotte anbelangte ... sachte schüttelte sie den Kopf und blickte auf den notierten Namen auf der Schreiboberfläche der Wachstafel.


    Aulus Ferrius Theodores. Ein Ferrius also, wenn sie sich recht entsann, war dies eine Familie mit achaischen Wurzeln .. dem würde nachzuforschen sein. Sinnierend griff sie nach der nächsten Akte und setzte die begonnene Arbeit fort, das Gespräch bereits aus ihrem Kopf verbannend. Es gab noch vieles zu tun.

    "Dann hoffe ich, dass Du heute Abend noch eine angenehme Zeit in Ostia verbringst und Deine Rückreise nach Misenum sich angenehm gestaltet," sagte sie ruhig und lehnte sich etwas in ihrem Stuhl zurück, ihr Gegenüber betrachtend.
    "Ich bin mir sicher, einer der Angestellten der Curia Ostia kann dir auch genaueres über die hiesigen Lokale und Unterhaltungsmöglichkeiten erzählen, wenn Du Deine Dienstreise mit ein wenig Erholung verbinden möchtest."

    "Nun, wir hatten den augustus ebenfalls für unser Fest angepeilt, aber ich denke, das ließe sich auch noch um einen Monat verschieben, damit sich beide Feste keine Konkurrenz machen müssen," erklärte sie gelassen und notierte sich abermals etwas auf ihrer Wachstafel. "Für die Neptunalia wird es dann doch ein bisschen knapp, diese finden schließlich noch in diesem Monat statt."


    Zur Qualität seiner Lektionen schwieg sie höflicherweise, allerdings forderte der zweite Teil des Satzes eine Antwort heraus: "Ich strebe den Posten eines Senators nicht an, Sergius Epulo, vielleicht begegnest Du nur dem senatorischen Erbe der Iulier in diesem Augenblick, wer weiss?" Nun doch wieder lächelnd - ein ausgesprochen stahlhartes Lächeln, welches die Augen nicht erreichte - fuhr sie fort: "Ich danke Dir für Deine Einladung, doch fürchte ich, muss ich sie ablehnen. Derzeitig bin ich über alle Maßen hier mit Arbeit eingedeckt, zudem muss ich an meinen Ruf denken. Es mag für Männer leicht sein, ihre Freizeit in Tavernen zu verbringen, für Frauen eines gewissen Standes schickt es sich ganz und gar nicht."

    Das war doch nicht zu fassen. Anscheinend war er wirklich ein waschechter Sergier, aber wenn sie ehrlich war, sie hatte es im Grunde nicht anders erwartet. Mit der ihm gebührenden Höflichkeit erwiederte sie:
    "Nun, für welchen Zeitraum ist denn das Fest in Misenum geplant? Für das nächste Jahr dann oder soll in diesem Jahr noch etwas stattfinden?" Zurück zur Arbeit, das war allemal besser als sich jetzt vorzustellen, was sie am liebsten mit einer Peitsche in einem Raum mit dicken Mauern und einigen angebundenen Sergiern getan hätte.

    "Ich habe nicht vor, der Flotte beizutreten," sagte sie eisig, während die blauen Augen merklich aufblitzten. "Aber vielen Dank. Ich werde sicherlich mit dem Kommandanten Kontakt aufnehmen und die Sache besprechen." Sie notierte den Namen schweigend und unterstrich ihn einmal, bevor ihr Blick wieder auf ihr Gegenüber zurückkehrte.


    "In unserer Tätigkeit sollte es vielmehr wichtig sein, effizient zu arbeiten und Sympathiebekundungen nicht nach wenigen Sätzen zu vergeben, findest Du nicht? Zumindest führen einen solche Dinge allzu schnell in die Irre. Ich persönlich bevorzuge gute Verwalter, ob sie nun meine Sympathie treffen oder nicht, ist dabei ausgesprochen sekundär." Eine eindeutigere Absage konnte man wohl in diesem Moment nicht erteilen, aber sie war es inzwischen doch ziemlich leid, während der Arbeit mit geifernden Blicken bedacht zu werden.

    Die Brauen auf der Stirn etwas zusammenziehend, blickte sie den Scriba eine Weile lang schweigend an. Was sollte diese vollkommen sinnlose Belehrung nun? Es war nun einmal keine Frage irgendeiner Zivilverwaltung, was die classis tat oder nicht tat, sondern eine Angelegenheit des Militärs, und selbst wenn ein Scriba den Kontakt herstellte, würden die Entscheidungen noch immer von einem Offizier getroffen werden. Langsam aber sicher fühlte sie eine gewisse Ungeduld im Inneren aufbranden, bei der es ihr schwer fiel, es nicht auf die Tatsache zu schieben, dass wieder einmal ein bockiger Sergier vor ihr saß.


    "Deine Mitarbeit wird sicher nicht vergessen werden, dennoch ist letztendlich weder meine noch deine Entscheidung für einen Offizier der Flotte bindend. Es wird also eine Frage der freiwilligen Zusammenarbeit sein, welche die Flotte nach Ostia führen wird, nicht mehr, nicht weniger. In sofern wäre es nun jetzt wirklich freundlich, könntest Du mir den Namen des Kommandanten nennen, mit dem Du bisher zu tun hattest."

    "Sergius Epulo ..." hob sie ruhig an, doch in die blauen Augen war ein entschlossener Ausdruck getreten. "Ich weiss Deinen Einsatz zu schätzen, aber im Zweifelsfall braucht auch Ostia einen direkten Ansprechpartner für die Organisation, ohne dauernd über die Curia Miseni gehen zu müssen, das siehst Du sicher ein."

    "Mir wäre es dennoch lieb, mit dem Kommandanten der classis selbst in Verbindung treten zu können, um diese Sache zu regeln," sagte sie freundlich, aber recht bestimmt. Immerhin war es ihre Stadt, die sich blamieren würde, sollte sich diese freigiebige Zusage als nichtig herausstellen, nicht die seine.
    "An wen müsste ich mich wenden?" Sie zog eine kleine Wachstafel samt Griffel hervor, ihn aufmerksam anblickend, wohl, weil sie den Namen genannt erwartete.

    Die willkommene Kühle des Windes tat ihr nach der doch recht langen Zeit der Schwüle gut und sie war froh darüber, sich für den Spaziergang entschieden zu haben, da ihr das wirklich Linderung verschaffte. Für einige Momente lang verirrten sich ihre Gedanken in die Vergangenheit, in die Zeit, in der sie solche Gägne noch mit Titus unternommen hatte. Sie waren selten gewesen, denn seine Zeit hatte ihm viel Freizeit mit seiner Gemahlin zu verbringen nicht erlaubt, und wenn, waren sie meist auch zuerst durch das castellum gelaufen und hatten mehr mit den Soldaten gesprochen als miteinander. Es hatte kaum einen wirklich privaten Charakter besessen, doch hatte sie das damals nicht gestört, auch wenn es hieß, dass sie von ihrem Gemahl ausser in den Abend- und Nachtstunden nie viel gehabt hatte, meist nicht einmal dann, wenn irgendwelche Akten noch zu bearbeiten waren.
    Wie stolz war sie damals gewesen, an der Seite ihres stattlichen Mannes durch das Lager zu schreiten, verfolgt von den Blicken der Soldaten, bei denen sie sich oft genug hatte denken können, dass sie sich auch eine Frau auf ihrem Lager wünschten. Nicht nur einmal hatten sie sich danach ungleich leidenschaftlicher geliebt - und nun lag ihre Hand auf dem Arm eines anderen, mit dem sie nichts verband ausser Sympathie und einem Anflug des Wissens, dass auch er ein Mann war, der Titus vielleicht nicht minder gefallen hätte.


    "Dein Großvater hat sicherlich recht, auch wenn für mich die Landkenntnis bei weitem nicht so entscheidend sein dürfte wie für einen Feldherrn. Aber letztendlich ist die Verwaltung einer Stadt von der eines Soldatenlagers gar nicht so verschieden - ausser dass man die Leute schlecht auspeitschen lassen kann, wenn sie nicht gehorchen. Es wäre dem Handel wohl doch etwas abträglich, würde ich zu solchen Methoden greifen," meinte sie amüsiert und zuckte dann heftig zusammen, das zweite Donnergrollen war dann doch sehr unerwartet gekommen, auch wenn es sehr fern geklungen hatte. Erstaunlich, wie laut es doch werden konnte, wenn man es nicht erwartete.
    "Ich habe nichts dagegen, warum sollte ich? Auch ein Patrizier muss essen, und man kann schlecht dauernd einen Koch bei sich haben, der einem die Spezereien bereitet, auf die man Lust hat. Constantius hat auch gelernt, sich Speisen zu bereiten, in Vorbereitung auf das soldatische Lagerleben - dass er nun bei den cohortes ist, kommt ja auch in etwa auf das soldatische hin. Ich finde das für einen Mann überhaupt ein bewundernswertes Können. Es zeigt, dass man sich nicht darauf verlässt, dass einem alles durch Frauen- oder Sklavenarbeit zufliegt." Das Grollen am Himmel war verstummt, aber nicht für sehr lange, und sie war nicht unfroh darüber, dass sie sich der Klippe näherten. Im Zweifelsfall würde sie etwas Schutz bieten können.

    "Ich sollte mir auch ein Pferd anschaffen," meinte sie amüsiert und tätschelte sachte den Hals des riesigen schwarzen Rappen. "Allerdings dürfte es schwer werden, es in der Curia unterzubringen, ohne dass meine Beamten vor Empörung Sturm laufen." Das Bild von einigen vor einem hungrigen Pferd flüchtenden Scribae ließ sie dann doch auflachen, aber sie winkte schnell ab, bevor er dazu eine Frage stellen konnte. Er musste schließlich nicht jede ihrer lästerlichen Phantasien kennen und deswegen einen schlechten Eindruck von ihr gewinnen, nein, da konnte sie sich schon deutlich angenehmeres denken.


    Mit einem Nicken blickte sie in die von ihm bedeutete Richtung, und da sie nicht besonders große Lust hatte, wieder an den Handwerkern und mittagessenden Bürgern vorbei zu laufen, stimmte sie ihm zu. "Sehr gerne. Ich war überhaupt noch nicht sehr oft hier, es wird wohl Zeit, dass ich mir die Umgebung meiner Stadt ein wenig ansehe, um zu wissen, welche Orte gemeint sind, wenn sie angesprochen werden." Dann, mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen, fügte sie hinzu: "Wenngleich dieser Teil des Strands abends von Liebespaaren sehr belebt scheint, wie man mir verriet. Das solltest Du bedenken, wenn Du mir schon Dein Geleit dorthin anträgst."
    Dass sie ihn damit nur neckte, war hoffentlich offensichtlich, denn dass sie beide nicht gerade einem Liebespaar nahe kamen, lag zumindest für Helena nahe. Die rosa Wolken fehlten und auch diese absolute Unsicherheit, wenn man beim anderen war.


    Igrendwo weit in der Ferne, kaum hörbar, grollte der Donner am Horizont, aber noch schienen die Wolken keineswegs stark genug zu sein, um in ein baldiges Gewitter zu münden, so schritt sie an seiner Seite leichtfüßig über den Sand und legte schließlich die schlanke Hand auf seinen Unterarm, wie sie es schon auf dem Rückweg vom Ianusbogen getan hatte. "Willst Du Fische kaufen? Oder interessieren Dich die Boote mehr?" fragte sie und blickte in die Richtung des sich nähernden Fischerboots, das sich recht schnell dem Strand näherte. "Wenn sie so schnell bleiben, fliegen die Fische von selbst auf den Strand."

    "Ich glaube, ich kann mir so ungefähr vorstellen, wieso dieser Lucius seine Frau tunlichst sehr glücklich machen sollte," meinte sie vergnügt und überlegte sich, wie es wohl aussehen würde, wenn der Tribun mit einer Peitsche in der Hand hinter seinem Freund herlaufen würde, um ihm anständiges Benehmen beizubringen. Oder wahlweise mit dem gladius, natürlich. Wobei es mit einer Peitsche sicherlich eindrucksvoller aussehen würde, dachte Helena und schmunzelte vor sich hin. Aber anstatt diesem Gedanken allzu weit zu folgen, half sie ihm lieber, die Vorräte zusammen zu packen, schüttelte die Decke sorgsam aus, die sie mitgebracht hatte, und klemmte sich diese schließlich unter den Arm, nachdem die leere Breischale auch ihren Platz gefunden hatte. Mit einem Lächeln auf den Lippen ließ sie sich aufhelfen und blickte sich kurz um, ob sie etwas vergessen hatte, konnte aber nichts entdecken, dafür hatten beide gut genug aufgeräumt.


    Er wahrscheinlich aus der soldatischen Art heraus, seine Sachen überschaubar zu ordnen, sie aus dem Bewusstsein eines großen Haushalts heraus, in dem es immer irgend etwas aufzuräumen gegeben hatte. Dass er allerdings ihren cognomen benutzt hatte, ging ihr erst auf, als sie bereits stand - und auch, dass sie selbst sein nomen gentile vergessen hatte. Wo sind heute nur Deine Gedanken? überlegte sie und seufzte innerlich. Hoffentlich glaubte er jetzt nicht, sie wollte eine Vertraulichkeit zwischen ihnen herbeiführen, die es nicht geben durfte zwischen einer Witwe und einem Witwer. Dennoch, ihren Namen aus seinem Mund zu hören, gefiel ihr irgendwie. Es passte zu der Offenheit, die sich zwischen ihnen entwickelt hatte, wie zwischen guten Freunden. "Ich danke Dir," sagte sie lächelnd und blickte zu Ajax. "Kann ich meine Decke, bis wir zurück sind, bei Deinen Sachen lagern? Es sieht ein bisschen seltsam aus, wenn ich mir einer dicken Beule unter dem Arm an Deiner Seite umher laufe ..."


    Ausserdem wollte sie den Spaziergang genießen, und nicht dauernd diese dumme Decke mitschleppen müssen. Die Wolken hatten sich einen weiteren, kleinen Teil des Himmels erobert und beschatteten eine ferne Klippe. Hoffentlich kommen sie hier noch vorbei, dachte sie und spürte zufrieden das zarte Schmeicheln des Winds im Gesicht.

    Mit einem leisen Seufzen zog sie ihre Cousine in ihre Arme und hielt sie eine Weile einfach still, ohne einen Vorwurf, ohne Zorn, ohne Wut, denn sie hielt es für wichtiger, erst überhaupt zu erkennen, was geschehen war, wie sich Livilla fühlte, was sie im Augenblick wirklich beschäftigte, als gleich wie ein Zorngiebel auf ihren Gefühlen zu trampeln und damit am Ende mehr kaputt zu machen als zu helfen. Zumindest schien sie sich wegen ihres Entwischens schuldig zu fühlen, das war schon ein angemessener Anfang - ein gewisses Bewusstsein für das falsche eigene Handeln zu besitzen war nicht verkehrt.


    "Du hättest anders handeln können, Livilla," sagte Helena schließlich und bemühte sich, ruhig und sachlich zu klingen. "Aber es lässt sich nicht rückgängig machen. Viel wichtiger finde ich, was Dir alles geschehen ist. Constantius ließ mir ausrichten, dass Dir etwas passiert ist, während Du unterwegs warst und jemand verletzt wurde, aber das ist doch sicher nicht die ganze Geschichte, nicht wahr?" hakte sie behutsam nach und löste sich etwas von der Cousine, um sie anzublicken, aufmerksam und ernst, aber noch immer ohne Vorwurf. Vielleicht war es ein iulisches Erbe, das in ihr stark war, vieles zuerst rational zu sehen, bevor man sich eine Emotion gestattete.

    "Du kennst wirklich interessante Leute, Vitamalacus," meinte sie amüsiert und überlegte, wie ein Patrizier, selbst wenn er nur adoptiert war, wohl mit einem Kind aus so durchwachsenen Familienverhältnissen zusammen gekommen sein mochte. Aber die meisten Kinder achteten bei der Auswahl ihrer Spielgefährten kaum auf deren Herkunft, in sofern schien es ihm kaum geschadet zu haben, dachte sie und lächelte leicht vor sich hin, ohne gemerkt zu haben, dass sie zum ersten Mal, seit sie sich kannten, das nomen gentile nicht benutzt hatte, um ihn anzusprechen, sondern nur den cognomen. "Einen solchen Lebensweg hat sicher nur einer unter tausend aufzuweisen und es spricht für ihn, dass er das Interesse einer Frau aus einem sehr guten und alten Haus gewonnen zu haben scheint." Was die Familie sicher anders sah, die meisten Patrizier waren von unstandesgemäßen Ehen nicht begeistert, auch wenn letztendlich die Fluktuation der römischen Gesellschaft hoch genug war, um in die Patrizierfamilien immer genug plebeisches Blut zu bringen.


    Auch ihr Blick driftete zum Himmel, und sie war erfreut darüber, dass die Sonne zumindest ein wenig Konkurrenz zu bekommen schien. Es sah nach einem Gewitter aus, die zu dieser Jahreszeit nicht selten waren, aber nach der Schwüle des Tages würde ein ordentlicher Regen sicher allen guttun, auch den geplagten Beamten in der Curia Ostia. Wahrscheinlich würden sie noch gut Zeit haben, bis der Regen kam, noch mussten sich die Wolken redlich anstrengen, überhaupt eine Art Schatten auf den Strand zu werfen, sodass sie zu seinem Angebot nickte.
    "Sehr gerne, ich fühle mich inzwischen, als würde ich gleich am Sand festkleben, wenn wir noch länger hier bleiben. Ein bisschen frischer Wind wird uns sicher guttun, immerhin hat auch Ajax seinen Spaß am Wasser gehabt und sieht aus, als hätte er bisher damit recht viel Vergnügen." Und beim Laufen würde es ihr auch leichter fallen, wieder richtig zu denken, sich nicht durch sein Aussehen ablenken zu lassen. Ihre geheime Vorliebe für Männer mit soldatischem Aussehen und trainierten Körpern konnte endlich schweigen, da seine Tunika wieder tat, was sie sollte.

    Langsam betrat sie den Raum ihrer Cousine, aber dieses Mal blickte sie sich nicht um. Es gab wichtigeres, als dem Impuls nachzugeben, nach einer Nachlässigkeit der Sklaven beim Aufräumen zu schauen, auch wenn sie sich selbst gestehen musste, dass es ihr nicht leicht fiel, den Kontrollblick abzustellen. Wahrscheinlich machte sie das einfach schon zu lange. Die Ehe hatte aus ihr tatsächlich in so einigem eine Hausfrau gemacht, die auch in dunklen Stunden nicht ganz von ihrem Instinkt lassen konnte.


    Livilla wirkte inmitten des Zimmers fast ein wenig verloren, sorgenvoll, unsicher vielleicht? Sicher war sich Helena noch immer nicht, wie sie die Stimmung ihrer Cousine einschätzen sollte, aber vielleicht war das im Augenblick auch nicht so entscheidend. Vielleicht würde Wärme zu ersetzen helfen, was Worte nicht richtig fassen konnten. So breitete sie schlicht die Arme aus, einen weiteren Schritt auf Livilla zu tretend, um ihr stumm die Möglichkeit zu offerieren, zumindest für einen Moment lang von der Beherrschung lassen zu können, zu der sie sich erstaunlich gut gebracht hatte. Die Tür war hinter ihr geschlossen, sehen würde es wohl niemand ausser ihr und Livilla selbst ... "Komm her," sagte sie nur leise, mit einer Wärme im Klang der Stimme, die verriet, dass sie Mitgefühl für Livilla empfand, eine Wärme, die in diesem Moment auch die blauen Augen erreichte.

    "Nun, eine Schlachtvorführung wäre etwas für den Nachmittag, für das Volk, denke ich - eine gemeinsame Feier mit Misenum könnte dann, wenn Misenum selbst feiert, auch einen Beitrag von Ostia erhalten, in Form der Händler, denke ich. Je mehr man kaufen kann, desto eher kommen auch Leute, die Geld ausgeben können, die exotischen Waren sind ja sehr begehrt," überlegte sie sinnierend und rieb sich kurz mit dem Finger über das Kinn.
    "Wenngleich mir ein Leuchtfeuer am Abend immernoch am Besten gefallen würde, je nachdem, was die Flotte da überhaupt zu tun bereit ist. Sollte das nicht mit den Kommandanten abgeklärt werden, bevor wir hier entscheiden?"

    "Für die hochstehenden Gäste wären mir Falerner, Datten, Feigen, Huhn á la Fronto, Brot und ich denke, vielleicht noch lukullische Würste oder etwas in der Art recht - nicht übertrieben edel, aber dann doch im Standard gehoben. Wir sind schließlich nicht irgendwer, man sollte merken, dass Ostia eigenständig stehen kann," sagte sie überlegend und nickte schließlich.


    "Die Brote mit Käse wären vielleicht auch eher etwas für den Abend, nicht für das Volk ... Honigwein ... hm, wenn Du welchen findest, der uns nicht die Stadtkasse mit riesigen Löchern versehrt, denn im Einkauf ist der in letzter Zeit nicht gerade billig gewesen. Fackeln für die Stadt, ein Weg von der Curia über das Forum bis zum Hafen, das sollte reichen - und natürlich Blumenschmuck. Vielleicht findest Du da einen guten Lieferanten."