Beiträge von Iulia Helena

    "Ich danke Dir," erwiederte sie lächelnd und betrachtete ihren Gastgeber nun zum ersten Mal wirklich. Stattlich war er ja, auf der Rostra würde er sicher eine gute Figur abgeben, dessen war sie sich ziemlich sicher - und er hatte eine recht verschmitzte Art zu lächeln. Aber dann verbot sie sich die Gedanken in eine solche Richtung energisch, immerhin war sie zu einem ganz anderen Zweck hier als sich mal wieder in irgendwelche Richtungen zu engagieren, die nicht in Frage kamen.


    "Nun ... es ist ein bisschen ..." Sie blickte sich kurz um und sagte dann deutlich leiser: "..peinlich. Ich mache das das erste Mal und hoffe, Du wirst nicht insgeheim über meine Sorgen lachen, auch wenn es sich sicherlich recht lächerlich anhört. Ich suche eine Frau, die für meinen Bruder ... nun ... ein wenig ... Entspannung mit sich bringt und ihn lehrt, worauf es im Spiel zwischen Mann und Frau ankommt." Es klang so dämlich, sie hätte sich am liebsten hinter einen Vorhang verkrochen. Was musste dieser Fremde nun denken?

    Sie folgte ihm - natürlich! - in diese stille Ecke und überlegte fieberhaft, wie denn nun dieses amüsierte Schmunzeln zu deuten war. Irgendwie hatte sie sich das Ganze doch leichter vorgestellt, aber nun war es schon ausgesprochen, jetzt musste sie es auch irgendwie durchziehen.


    "Ein mit mehr Wasser als Wein gemischter Trunk wäre jetzt nichts schlechtes," sagte sie und bemühte sich, das Lächeln aufrecht zu erhalten - ein Becher zum Festhalten, das war schon fast eine Erlösung. Wohin hatte sie sich da nur laviert? Eine matrona, die für ihren Bruder eine Freizeitbeschäftigung suchte ... aber sie war die einzige Frau der Iulier in Rom, also lag es bei ihr, alle Sorgen und Nöte vom Haushalt fern zu halten, soweit sie es vermochte.

    Ein Aurelier also, wenngleich ein noch recht junger ... er musste die Männertoga noch nicht allzu lange tragen, überlegte Iulia Helena, die sich mit einem sinnierenden Blick die Schilderung der Liebsten anhörte. In einer Sache würden wohl die meisten Männer durch alle Jahrhunderte gleich bleiben - waren sie verliebt, blickten sie wie Schafe mit einem geradezu typischen, begleitenden Gesichtsausdruck. War man selbst Ziel dieses Blicks, bemerkte man ihn oft nicht einmal, aber für die Umgebung war dies stets mehr als offensichtlich, was sich da entwickelt hatte - und so tauschte sie einen verständnisinnigen Blick mit Livilla, ein ausgesprochen sanftes Lächeln dabei auf den Lippen.


    "Sie scheint mir eine sehr besondere Frau zu sein, Deine Liebste, soviel ist sicher, doch hast Du uns nichts über ihren Geschmack verraten. Aber vielleicht finden wir etwas, das die Gangart dieser Dame ein wenig unterstützt - wenn sie sich wahrlich so grazil und anmutig bewegt, wie Du es sagst, wird sie sicher an dünnen, klingenden Armreifen Gefallen finden, die ihren Bewegungen eine besondere Note verleihen. Die meisten jungen Damen schätzen das, und es erregt auf jeden Fall stets den Blick der Männer um sie herum ... wenn sie Dich also schon erhört hat, wirst Du der glücklichste Mann von Rom sein können, denn ihre Blicke gelten dann nur Dir ..." Konnte es möglich sein? Er betrachtete Livilla ausgesprochen eingehend ... sie beschloss, diesen Gedanken im Auge zu behalten.

    Und da war er schon .. es ging fast schneller als erwartet, aber sie wäre die letzte gewesen, die sich über einen schnellen Abschluss der ganzen Angelegenheit geärgert hätte. Langsam hob sie den Schleier von ihrem Gesicht an und hakte den dünnen Stoff an ihrem Haarknoten fest, sodass sie ihm ins Gesicht blicken konnte - dann erprobte die Iulierin eine ihrer besten Waffen und lächelte den Vinicier freundlich an.


    "Salve, Vinicius Lucianus, ich freue mich, dass Du für mich Zeit gefunden hast, obwohl Du sicher als Volkstribun viele Sorgen und Nöte anhören musst. Aber deswegen bin ich nicht hier - es handelt sich vielmehr um eine etwas heiklere Sache, die direkt mit etwas zu tun hat, was Du darüber hinaus bist, ausser Volkstribun ... der Besitzer eines ... gewissen ... Etablissements." So, jetzt war es heraus. Entweder es entgleisten ihm nun alle Gesichtszüge oder der erste Schritt war damit getan. Das mulmige Gefühl in der Magengegend jedoch blieb und schien sich hartnäckig halten zu wollen. So hartnäckig, dass eine vage Röte sich auf die Wangen ihres ebenmäßigen Gesichts legte.

    "Aber ja .." sagte sie und nickte Ursus leicht zu, bevor sie bei den Säulen stehen blieb und das Wandmosaik betrachtete. Es war im Grunde Irrsinn, so etwas zu versuchen, aber es wurde Zeit, fast dringend schon. Mochte ihr Bruder vielleicht nicht über die notwendige Erfahrung verfügen, so wusste sie doch umso besser, an was es einem jungen Mann nicht mangeln sollte und vor allem warum - der Nachmittag auf der Rennbahn hatte ihr gezeigt, wie er sie anblickte.


    Viel Stolz, viel Bewunderung ... dass daraus nicht mehr werden durfte, war für sie offenkundig. Die Finger langsam ineinander verhakend, seufzte sie leise und wünschte sich, das höchstwahrscheinlich recht peinlich werdende Gespräch möge bald vorbei sein ... vor allem kannte sie ihr Gegenüber nicht, mit einem Fremden so intime Dinge besprechen zu müssen war ihr unangenehm. Aber es ging auch kein Weg daran vorbei.

    Kurz glitt ihr Blick über die stattliche Gestalt des Sklaven, aber dieser Anblick konnte sie nicht allzu lange ablenken, denn die Einrichtung des Atriums war zumindest für den Moment wichtiger, verriet sich doch dort am schnellsten, ob die Familie Geschmack besaß und wie man sie auf dem gesellschaftlichen Parkett einzuordnen hatte.
    "Sei so nett und sage ihm, dass Iulia Helena in einer privaten Angelegenheit mit ihm sprechen möchte," erwiederte sie freundlich und lächelte unter dem Schleier, sodass man allerhöchstens ein Echo dieser Geste wahrnehmen konnte.

    Der (übrigens griechische) Sklave nickt Ursus leicht zu und wendet sich um, diese Mitteilung seiner Herrin zu bringen - und der leicht affektierte Gang des jungen Mannes dürfte ihn als das entlarven, was Ursus bereits vermutet hatte - einen Kerl mit einem nicht zu übersehenden Hang zur Affektiertheit. Höchstwahrscheinlich dürfte sein Lebenstraum aus einer steilen Schauspielerkarriere bestehen ... aber so folgt die Besucherin, deren Gesicht noch von einem Schleier verhüllt wird, dem Haussklaven der Vinicier hinein, ein leichtes Schmunzeln auf den Lippen, nachdem sie den Türspruch gelesen hat ...

    "Irgendwann kommt für uns alle dieser Tag, an dem wir unsere Lieben verlieren, sagte Helena mit einem sanften, freundlichen Tonfall und lächelte dann aufmunternd. "Ich bin mir sicher, durch den Halt der Familie werdet ihr beiden euren Weg finden können, wenn ihr es nur wollt - die Frage allerdings ist, wieviel ihr bereits über das Leben als römische matrona wisst und wieviel ihr daraus zu machen bereit seid."

    "Ach, dann nähern wir uns von gegenüberliegenden Punkten der Straße langsam einander an, bis wir irgendwann in der Mitte zusammensitzen und kugelrund sind," bemerkte die Iulierin vergnügt und zwinkerte Hypathia zu.
    "Aber sage mir, was interessiert Dich in Rom besonders? Wenn Du möchtest, kann ich dir auch Ostia, den Hafen der Stadt zeigen, die Curie dort ist sehr schön gelegen und der Markt ebenfalls ...letztlich gibt es hier in der Umgebung unendlich viel zu sehen, sodass uns die Orte sicher nicht ausgehen werden. Und vielleicht findet Dein Gemahl auch die Zeit, uns zu begleiten - an den meisten Orten lassen sich nützliche Bekanntschaften machen. Wer es in Rom zu etwas bringen möchte, muss vor allem viele Menschen kennen."

    Der Sklave blickte Ursus für einen Moment abschätzend an, um dann, nach einem kleinen Räuspern, seine Botschaft zu überbringen. "Meine Herrin möchte den Marcus Vinicius Lucianus aufsuchen, wenn er im Haus weilen sollte."

    Des Abends kam eine kleine, schlichte Sänfte die Straße entlang, deren Inneres durch dünne Schleier verdeckt war, um dann vor der porta des Anwesens inne zu halten. Nachdem die Sänfte abgesetzt wurde, ging einer der Träger zur Türe hin und klopfte an, nicht zu laut, aber durchaus hörbar.

    "Ich helfe gern aus, wenn ich das denn vermag ... denn hier gibt es so viele Dinge, die das Herz einer Frau zu erfreuen wissen, dass die Auswahl wirklich schwer fällt," erwiederte die Iulierin mit einem sanften Lächeln auf den Lippen und betrachtete den Aurelier mit einem vagen Ausdruck des Amüsements in den Augen. Interessant, was sich Livilla da an Land gezogen zu haben schien, ein Mann, der nicht einmal die Höflichkeit besaß, sich vorzustellen oder einen zu begrüßen, aber es sollte ihr egal sein, denn wem der Blick des jungen Mannes galt, war allzu offenkundig. Der Markt war wie stets wohl ein passender Ort, um Personen des anderen Geschlechts kennenzulernen und anzusprechen - sodass sie sich nicht wirklich darüber wunderte, dass Livilla in Begleitung war.


    "Nun, um ein passendes Schmuckstück auszusuchen, sollten wir vielleicht zuerst wissen, welchen Temperaments die Dame ist, für die es bestimmt ist - und welche Arten von Schmuck sie bevorzugt. Am Ende finden wir ein hübsches Paar Ohrringe und sie bevorzugt Ringe - was Dir sicher zwar auch ein Lächeln einbringen wird, aber nicht unbedingt reinste Freude." Geschenke auswählen war immerhin nicht irgendeine Freizeitbeschäftigung, wenn sie erfreuen sollten, mussten sie sorgsam gewählt werden ... sie zupfte ihre Palla zurecht und blickte den Aurelier wie auch Livilla erwartungsvoll an.

    Gemächlich war die Iulierin wieder über den Markt geschlendert, noch immer auf der Suche nach einer passenden neuen Tunika für ihren Bruder. Als sie endlich an einem kleineren Stand das entdeckt hatte, wonach sie auf der Suche gewesen war, schien der Tag deutlich an Qualität gewonnen zu haben - das Feilschen um den Preis war letztendlich eine reine Formsache geworden, wenngleich sie und der Händler genau wussten, dass sie nicht über oder unter einen bestimmten Preis gehen würden. Letztendlich bekam sie das Kleidungsstück billiger als bei anderen Ständen und der Händler mit den schiefen Zähnen hatte doch noch ein erträgliches Geschäft gemacht, wohl wissend, dass sie sicher wieder kommen würde, wenn sie etwas anderes brauchte. Während sie einen Stand passierte, der mit feineren Stoffen prunkte und auch einige sehr schön verzierte Pallas im Angebot hatte, überlegte sie, einen Teil ihres Gehalts zu investieren, als sie sich allerdings nach dem Preis erkundigt hatte, verwarf die Iulierin den Gedanken schnell - immerhin wollte sie keine neue Villa kaufen, nur eine Palla.


    Tiberia Livilla an einem anderen Stand, in männlicher Begleitung, zu entdecken, ließ sie kurz schmunzeln. Es wunderte sie nicht, dass die hübsche Patrizierin die Aufmerksamkeit des männlichen Geschlechts erregte, und von urweiblicher Neugierde getrieben, nickte sie dem Händler mit seinen Wucherpreisen schließlich leicht zu und bewegte sich in Richtung des Standes, an dem die beiden sich unterhielten - das funkelnde Geschmeide ließ auch sie kurz sehnsüchtigen Gedanken nachhängen. "Salvete ... wie schön, Dich so schnell wiederzusehen," grüßte sie freundlich und stellte sich lächelnd zu den beiden, der erste Blick galt jedoch Tiberia Livilla, immerhin kannte sie diese, den jungen Mann jedoch nicht.

    Zitat

    Original von Gnaeus Postumius Rufus
    "Das werde ich tun, das werde ich ganz bestimmt tun." antwortete ich ihr mit leuchtenden Augen und starrte sie schon fast unziemlich an. "Hast du sonst noch einen Wunsch?" Ich würde ihr jeden erfüllen.


    "Noch viele, aber die würde ich nie wagen, Dir zu gestehen," bekannte sie mit einem verschmitzten Lächeln und zwinkerte ihm zu, bevor sie sich in Richtung der Tür wandte und diese öffnete. "Einen angenehmen Tag wünsche ich Dir noch, tabellarius ... und möge Venus Dir Ihren Segen schenken!" Und damit war sie hinaus, der strahlenden Sonne und einem jetzt ein bisschen strahlenderen Tag entgegen ...

    Leise wogten die Gräser im lauen Wind der beginnenden Nacht, doch noch war die Luft nicht kalt genug, um sie frieren zu lassen, nur der Hauch eines kühlen Prickelns glitt über die Haut der jungen Frau, die sich auf einen Stein gesetzt hatte, um die Sterne zu beobachten. Die Nacht hatte stets einen besonderen Reiz auf sie ausgeübt, geschahen hier doch viel mehr geheimnisvolle Dinge als am Tag, verborgen in den Schatten, überdeckt von einem Mantel des Schweigens und stiller Vergnügungen. Die Stille der Nacht zog sie mehr an als der geschäftige Tag, doch blieb ihr nicht oft vergönnt, alleine ihren Gedanken nachhängen zu können. Dafür gab es zu viel zu tun. Doch dieses Mal waren es mehr Gedanken als sonst, nicht einmal Sorgen, sondern Überlegungen, die ihren Tribut forderten. Erinnerungen, die sich mit Ereignissen mischten ... während ihr Blick hinauf zu den Sternbildern irrte, dachte sie daran, dass Titus ihr einst einige der Sternbilder erklärt hatte und eines dieser Bilder auch für sie beide ausgewählt hatte - das Haar der Berenike - um sie ob ihrer Haarfülle zu necken, aber gleichzeitig hatte er ihr immer verboten, ihr Haar jemals abzuschneiden. So trug sie es noch heute so lang wie möglich, stets mit dem Gedanken verbunden, dass er es nach einer leidenschaftlichen Nacht geliebt hatte, beider Geruch noch in ihrem Haar wiederzufinden. In dieser Nacht konnte sie die vier Sterne jedoch nicht erblicken, leuchteten sie doch nur schwach und mit wenig Kraft.


    Dennoch, sie musste die vier Sterne nicht sehen, um zu wissen, dass sie da waren, ebenso, wie sie Titus nicht sehen musste, um zu wissen, dass er ihr immer nah sein würde, auch jetzt noch im Tode. Wäre er nun hier bei ihr, würde sie nicht lange auf einem Stein sitzen und nachdenken, er hätte sie längst in seine Arme geschlossen und sie auf andere Gedanken gebracht, eine Technik, die eigentlich immer funktioniert hatte. Aber der Wind blies und schien mit seinem leisen Säuseln zu flüstern, als würde er sich über ihre Einsamkeit lustig machen. Langsam erhob sie sich, dem Flattern ihrer Stola lauschend, die im Wind um ihre Beine tanzte, um barfuß durch das hohe Gras voran zu schreiten. Der Garten war wohlgestaltet und von einem fast klassisch proportionierten Aufbau, die Hecken waren sorgsam gestutzt, die Blumen so gepflanzt, dass zu jeder Jahreszeit Farben vorherrschten, eine in sich stimmige und harmonische Komposition des Lebens, der sie in dieser Nacht jedoch kaum Beachtung schenkte. Erst als ihre Zehen die warmen Steinplatten eines verbrogen gelegenen Weges berührten, wusste sie, dass sie die richtige Richtung eingeschlagen hatte und folgte dem Verlauf des gepflasterten Weges mit vorsichtigen Schritten, um nicht zu stolpern. Vorbei an Zierhecken ging es abwärts, in die Richtung leise murmelnden und rauschenden Wassers.


    Sie schob mit einer Hand vorsichtig einige Äste einer weit überhängenden Weide zur Seite und hatte endlich freien Blick auf den kleinen See, in den das Wasser eines kleinen Bachs in einem Wasserfall mündete und sich dann, ein Grasmeer garniert mit noch schlafenden, aber tagsüber bunten Blüten, teilend, durch den weiten Garten erstreckte. Ein kleines Bänkchen aus Sandstein gab es auch hier, aber es wurde selten genutzt und war darob von Flechten und Efeu überwuchert. Es war noch warm genug, sich zu entkleiden, und da der Wind hier zwischen den aufragenden, alten Bäumen keine Kraft besass, zögerte sie nicht, ihre Stola abzulegen und diese vorsichtig auf dem Bänkchen zu deponieren, ebenso das dünne Lendentuch und das Brustband. Sich langsam streckend, löste sie die Nadeln aus ihrem Haar, öffnete den Knoten, der es stets ordentlich aus dem Gesicht fern hielt. Duftig weich und nach Blütenblättern riechend glitten ihre langen schwarzen Haare die Schultern hinab, über den Rücken bis hin zum Ansatz der Porundung, und dort erst endete die Flut an schimmernder Schwärze. Sie war stolz auf ihr Haar, hatte es stets gepflegt und wachsen lassen.


    Zuletzt löste sie noch die Ohrringe aus matt glänzendem, beschlagenen Gold, drapierte sie auf ihrer Kleidung und ging zu dem kleinen See hin, ließ sich am Ufer nieder und schob die Füße in das lauwarme Wasser, das noch von der Hitze des Tages aufgewärmt war. Mit einem zufriedenen Seufzen glitt ihr ganzer, hellhäutiger Leib in das Wasser, und sie tauchte für einige Momente unter, blieb von der warmen Umarmung tausender weicher Arme umfangen. Nie hatte sie sich davor gescheut zu tauchen, genoss es geradezu, von der Welt für einige Momente lang so Abstand nehmen zu können. Sie schwamm in die Richtung des Wasserfalls und erhob sich dort auch wieder aus dem Wasser, weil der Grund zu niedrig geworden war. Still ließ sie das Wasser auf ihren Körper prasseln, einen kalten Guss, der ihre Brustknospen sich verhärten ließ, ein eigentümlicher Kontrast zur Wärme des Sees. Dünne Wasserfinger pflügten durch ihr Haar, glitten streichelnd und aufreizend ihren Körper entlang, bis überall kalte, kleine Wassertropfen rannen und ein feuchter Schimmer auf ihrer Haut zu liegen kam.


    Die Blätter der Bäume raschelten im Wind, dann jedoch sah sie eine deutlichere Bewegung. Im Reflex hielt sie eilig die Hand vor ihre Brust, aber sie wusste genau, dass sich nicht allzu viel ihrer Rundungen damit verbergen ließ. Das erste, was sie genau sehen konnte, waren seine weissen Zähne, ein Lächeln blitzte auf seinen Lippen auf, dann erkannte sie die kräftige Gestalt des Mannes, dessen Erinnerung sie aus ihren bewussten Tagesstunden zu verbannen versucht hatte - der Sieger, victor - und diese Schlacht hatte er gewonnen, ohne überhaupt einmal ein Schwert erheben zu müssen. Er sprach nicht, sondern trat an den Rand des Sees, zu eben jenem Bänkchen, auf dem ihre Kleidung lagerte, fuhr mit den Fingerspitzen sanft über ihre Stola, spielte einige Momente lang mit ihren Ohrringen, den Blick jedoch auf sie gerichtet. Es lag nichts unangenehmes darin, er betrachtete sie eher mit einer stillen Faszination, die man jenem Menschen zugedenkt, den man sich oft erträumt hatte, den man so aber nie erblicken durfte. Langsam hob sie eine Hand in seine Richtung, auffordernd und bittend zugleich, ebenfalls ein Lächeln auf den Lippen. Sollte er es wirklich sein, keine Traumgestalt?


    Er neigte sich vor, um seine Sandalen zu lösen, schlüpfte geschickt aus der einfachen Tunika, die er trug, und auch das Lendentuch blieb alsbald auf dem kleinen Häufchen seiner Sachen auf dem Gras liegen - das Wasser schwappte ihr in einer weichen Welle entgegen, dann schwamm er in kräftigen Zügen auf sie zu und hatte sie innerhalb kurzer Momente erreicht. "Ich habe Dich so vermisst," flüsterte sie leise, als sich beider Körper berühten, seine Arme sie an seinen Leib zogen, diesen prächtigen, kräftigen Körper, der einem Athleten hätte Konkurrenz machen können. "Es ist verboten," antwortete er leise und strich mit einer Hand vorsichtig über ihre Wange, beider Blicke trafen sich erneut und es schien ihr, als müsste sie im Blick seiner Augen versinken. "Ich weiss ... aber ich kann nicht anders. Ich bin verheiratet, aber in all diesen Momenten zählt es nichts, wenn ich Dich sehe, vergesse ich alles ..." sagte sie und schlang ihre Arme um seine Hüften, sich so eng an ihn schmiegend wie nur möglich. Wenn ihr Gemahl nicht wäre, dieser hässliche, buckelige Kerl ... aber für diese Stunden des Vergnügens war er weit fort, versunken in einer Welt, die mit ihnen beiden nicht mehr viel zu tun hatte. Ihre Lippen trafen sich, und sie schmeckte die herbe Süße seines Mundes wie einen besonderen, gereiften Wein, den man nur selten bekommen konnte und der dadurch umso kostbarer war.


    Seine Finger glitten über ihren Rücken, wühlten sich in das nass gewordene Haar, dann packte er ihren Schopf, um ihren Kopf festzuhalten, während seine Zunge von ihrem Mund Besitz ergriff und sie die Stärke seines Körpers ungleich deutlicher fühlen konnte. Dass er sie begehrte, war offenkundig, seine Männlichkeit schmiegte sich an ihren vom Wasser kühl gewordenen Leib, seine Haut rieb heiss und prickelnd auf der ihren, schien ihren eigenen Körper mit dieser Bewegung zu entzünden, bis all ihre Gedanken irgendwo verebbten und alle Stimmen in ihrem Kopf unwichtig wurden, weil ihr ganzes Denken nur noch darauf ausgerichtet war, ihn zu fühlen, so umfassend wie möglich, sich mit seinem Leib so tief wie möglich zu vereinen. Als er ihren Körper auf seinen Händen zum Ufer des Sees trug und sie gegen einen dort aufragenden, vom Wasser glatt gewaschenen Fels drückte, stöhnte sie leise auf, wissend, was geschehen würde, was sich beide wünschten ... seine Haut schien von innen her zu glühen, pulsierte in einem fast überirdischen Echo der Männlichkeit. Ruckartig kam er ihr entgegen und dann ...


    ... fuhr sie von ihrem Lager auf, das Gesicht schweissbedeckt, der Atem keuchend schnell. Die Dunkelheit des stickigen Zimmers brachte Iulia Helena schnell wieder in die Realität zurück, aber es brauchte eine ganze Weile, bis sie sich sicher war, dass das Gesehene nicht geschehen war, sondern eine Ausgeburt ihrer überreizten Sinne sein musste. Was hatte sie da eigentlich geträumt? War sie das gewesen und ... Valerius Victor? Sie blinzelte und fächelte sich mit einer Hand frische Luft zu, bevor sie energisch in die Hände klatschte, um eine Dienerin zu rufen. Was für ein seltsamer Traum ...

    "Eine perfekte Griechin?" gab die Iulierin mit einem leicht amüsierten Unterton im Klang der Stimme zurück. "Ich fürchte, in einem bin ich ganz und gar römisch, werte Hypathia, und werde es immer sein - wo gutes Essen ist, bekommt man mich so leicht nicht mehr weg. Die meisten Griechen üben bei so etwas doch deutlich mehr Zurückhaltung," führte sie den Gedanken mit einem amüsierten Augenzwinkern fort und tat es der Artorierin gleich, die von Marcella dargereichte Neuigkeit zu probieren.


    "Mh ... das ist wirklich eine sehr gute Idee," sagte sie noch, bevor die Sklavin den Raum verließ. "Fast beginne ich, euch um eure kreativen Sklaven zu beneiden, sie scheint ein Händchen für die Küche zu haben." Sie klang wohlwollend dabei, und da sie sich von dem Dip mitsamt Fladenbrot nachnahm, schien es ihr auch gut zu schmecken.

    "Nun, vor dem neuen Tempel sollte der geeignete Platz sein ... auf einer Seite des Eingangsbereichs, dass man die Tafel sehen kann, sie aber nicht zentral alle Blicke auf sich zieht, denn der Grund, weswegen man den Tempel dann besucht, sollte Frömmigkeit sein, nicht das Betrachten der Spendertafeln ..." meinte sie überlegend und nickte schließlich, als sie den Gedanken zu seinem Ende geführt hatte.

    Und dann war es vorüber, ganz unspektakulär. Sie ergriff sanft seine Hand, doch hielt sie sich nicht wirklich daran fest, es war mehr eine Bestätigung der Geste, als sie vom Wagen hüpfte und, mit festem Boden unter den Füßen, begann, den Riemen des unkleidsamen Helms zu lösen. Das strahlende Blau harmonisierte nicht wirklich mit ihrer Kleidung, und zumindest in dieser Sache war und blieb die Iulierin modebewusst - also weg mit dem Ding. Mit einem Lächeln überreichte sie ihren Helm Victor und löste dann auch den Lederriemen in ihrem Haar, bis es ihr auf die Schultern herab fiel, leicht und duftig, wenngleich nun doch etwas vom Fahrtwind zerzaust. "Eine wunderbare Fahrt!" sagte sie, wohl wissend, dass die anwesenden Männer zuhörten und ein jedes ihrer Worte wahrscheinlich nachher gedreht und gewendet würde, um irgendeinen Witz unter ihnen zu unterstreichen. Nicht dass es sie gestört hätte, so waren die meisten Männer eben, und sie hatte sich darauf eingerichtet. "Wenn ihr all euren Interessenten für die Factio eine solch rasante Fahrt ermöglicht, bin ich mir sicher, dass es sehr bald sehr viel mehr Fans der Veneta geben wird - selbst mitfahren ist doch etwas ganz anderes als nur zuzusehen." Sie schien Vergnügen über die Fahrt zu empfinden, denn die Augen der Iulierin funkelten sachte, während sie sprach.


    "Ah, Constantius ..." Sie ging auf ihren Bruder zu, die anderen und auch Victor hinter sich lassend. "Hast du gesehen, wie wir die Kurven genommen haben? Nicht so gut wie ihr, aber ich finde, mindestens so rasant!" Sie nahm ihm kurzerhand einige ihrer Haarnadeln und die Palla ab, um sich dann bei ihm unterzuhaken, ein mehr als deutliches Zeichen, dass sie wusste, wohin sie gehörte - oder es zumindest nach aussen hin zeigen wollte. Dass sie innerlich ganz andere Wünsche hegte, die auszusprechen weder legal noch statthaft war, musste hier niemand wissen, nicht einmal der Septemvir selbst. Manche Dinge waren eben fast unmöglich, auch wenn man sie noch so sehr wünschte ... sie war sich inzwischen sicher, dass er verheiratet sein musste, ein unvermählter Mann hätte wohl anders reagiert - aber so war es eben. "Gibt es hier irgendwo einen Spiegel? Ich möchte mir zumindest halbwegs die Haare wieder richten ..." Damit blickte sie sich fragend in der Männerschar um, das Gesicht deutlich ausdrückend, dass sie die Nähe eines Spiegels in einem Männerverein nicht unbedingt erwartete - wenngleich sie bei diesem Gedanken schmunzelte.

    Als die Pferde langsamer wurden und der Wagen nach der einfach genommenen (sichtbaren) Kurve zu schlingern begann, wusste sie, dass es vorüber war, und etwas goldglänzendes unmittelbar vor seinem Abschluss stand. Seine Worte klangen so endgültig, aber irgendwie konnte sie es auch verstehen - es war ein wunderbarer Rausch gewesen, und sie hatte die Fahrt genossen, aber dass es für ihn wahrscheinlich nicht dasselbe gewesen war, damit musste sie nun leben. Ob des langsamen Tempos hob sie nun auch eine Hand und winkte ihrem Bruder auf den Rängen zu - er sollte sehen, dass es ihr Spaß machte und auch wissen, dass sie trotz allem noch daran dachte, dass er dort oben stand. Dass ihr seine Position deutlicher bewusst gewesen war, als er es sich vielleicht hatte vorstellen können, lag auf einer ganz anderen Hand. Nun war die Hitze der Sonne auch wieder besser zu fühlen, da sie nicht mehr durch den Fahrtwind abgemildert wurde, und sie wusste, sie hätte in diesem Tempo wahrscheinlich Stunden auf dem Wagen verbringen können, die Gedanken weit fort, dem Wind und dem Schnauben der Pferde lauschend ... aber wie es mit allen Träumen war, irgendwann endeten sie. So auch dieser von einem Moment der brennenden Nähe.


    "Du irrst Dich!" erwiederte sie mit einem Lachen, als er sie zur Siegerin erhob. "Es ist doch immer der auriga, der gewinnt, ich hatte nur das große Vergnügen, zufällig für ein paar Geraden und einige Kurven hinter dir zu stehen ... es muss also heissen 'Vibius Valerius Victor ist der Sieger'!" Und nochmals ruckt das Gespann an, die Pferde biegen schon fast automatisch und deutlich langsamer ab, sodass sie diesmal nicht einmal Mühe hat sich festzuhalten und jeder Gedanke an einen vorgespielten Sturz in seine Arme nach einem ihre Kräfte übersteigenden Abbiegen lächerlich wird. Wie gern hätte sie jetzt doch die schwache Frau gespielt, aber es kam einfach nicht in Frage, immerhin hatte sie das deutlich schnellere Tempo von vorhin gemeistert. Dennoch ließ sein Blick sie inne halten, und für einige Momente lang verblasste die Rennbahn um sie herum, versank vollkommen vor dem vagen Brodeln in seinen Augen, einem Funkeln, das sich in den ihren nicht minder deutlich spiegelte. Es brauchte eigentlich keine Worte, um eine stumme Frage zu beantworten - zu schwach, sich am Wagen festzuhalten, war sie beileibe nicht, es hatte in den anderen Kurven auch geklappt ... "Ein sehr prickelndes Gefühl. Ich kann jeden Mann verstehen, der auriga wird, um das jeden Tag zu erleben .." sagte sie, nun etwas leiser werdend, bevor sie den Blick abwandte und leise einatmete. "Ich danke Dir sehr für dieses Geschenk." Und nun zeigte ihr Gesicht wieder das fast harmlose, freundliche Lächeln von zuvor, als sie ihre Gedanken und Empfindungen in sich verschloss, das Echo des Nachmittags endgültig in eine Welt verschiebend, zu der niemand ausser ihr und ihm Zutritt haben konnte, denn nun kamen die Boxen langsam in Sicht und dort warteten schon einige Männer auf das Gespann, die sicherlich mit einem recht feisten Grinsen auf einen bestimmten Ausdruck reagieren würden ..