Beiträge von Iulia Helena

    Die 'harmlose' Kurve streifte wie eine dünn gewordene Erinnerung an ihr vorbei, und inzwischen hatte sie eine gewisse Übung darin, sich gegen die Fliehkraft zu stemmen, ohne das Gefühl zu bekommen, der Wagen müsse nach innen kippen, wenn sie sich noch weiter hinüberbeugen würde. Aus tiefstem Herzen kann sie die aurigae nun endlich verstehen, die diesen Rausch der Geschwindigkeit immer und immer wieder erleben wollten - sie hätte sofort einen ähnlichen Weg angetreten, wäre nicht ihr Leben gewesen, ihre Familie, ihre Herkunft - und die Tatsache, dass sie eine Frau war und solcherlei für Frauen nicht in Frage kam. Die Gerade lässt ihr kaum Zeit zum Atmen, denn die nächste Kurve kommt und mit ihr unweigerlich die alte Frage, ob sie es nochmal wagen sollte - er hatte diesmal nicht gezuckt, nicht einmal reagiert, nichts gesagt, kein einziges Wort, und letztendlich konnte das nur eines bedeuten ... dass sie es falsch gemacht hatte, sich zu weit vorgewagt, zu viel riskiert. Der Wind fühlte sich trotz des heissen Tages kalt an, riss an ihren Haaren und versuchte, sich unter das ihren Harschopf haltende Lederband zu schleichen wie ein Dieb, aber der Knoten hielt gut genug und würde hoffentlich auch weiterhin halten.


    Sollte sie es noch einmal wagen? Oder ... Iulia Helena presste die Lippen aufeinander und kniff die Augen zusammen, um dem harschen Wind zu entkommen, der ihr die Tränen in die Augen trieb, weil sie zu lange hinein geblickt hatte, als könnte ihr der Wind die Antwort geben, die sie wollte, eine Antwort, von der sie nicht einmal selbst wusste, ob sie sie hören wollte. Die Kurve kam, sie sah den Arm Victors nach hinten gehen, als er die Zügel des Gespanns anzog, das innere Pferd in die Kurve lenkte, und das schon vertraute Rucken des Wagens setzte ein, ließ sie die Kraft des Zugs spüren - innerlich aufschreiend klammerte sie sich mit den Händen eisern an die Haltestange, und diesmal blieb ihr Körper dem seinen fern, sie stemmte sich in die Kurve, als könnte halb Rom ihnen dabei zusehen und würde nichts Anstößiges dabei finden wollen - nur die Haare knatterten im Fahrtwind, und als das Gespann um die Kurve war und auf die sichtbare Gerade bog, war die Chance auf einen magischen Moment vorüber ...

    "Zumindest nicht hier am Tempel," meinte sie lächelnd. "Ich habe mir überlegt, hier in Ostia ein kleines Zeughaus für die Vigiles einzurichten, wir sind ja leider von Rom abhängig .. es könnte eine ziemliche Erleichterung sein, wenn sie ihr Arbeitsgerät nicht immer mitbringen müssen, falls es hier Schwierigkeiten gibt."

    "Soweit ich weiss, nein .. dann werde ich mich in Rom einmal nach einem fähigen Architekten umhören..." sie notierte weiter auf ihrem Wachstäfelchen, wenn er die Legion übernahm, dann sollte das alles bald einer Lösung zugeführt werden. "Ansonsten ..der Altar steht noch und ist nur etwas schmutzig, wie es scheint. Ich würde vorschlagen, dass man ihn auf jeden Fall erhält."

    Die nächste Kurve näherte sich und mit ihr auch der Zwiespalt der Ungewissheit. Entweder sie würde sich brav an den Haltestangen des Gespanns festhalten und die ehrbare Römerin bleiben, die sie sich stets zu sein bemühte, wenn sie sich in der Öffentlichkeit bewegte. Oder aber sie würde die Gelegenheit nutzen und riskieren, dass sie in seinen Augen nichts weiter sein würde als eine Frau, die sich bei der ersten sich bietenden Gelegenheit an ihn heranzumachen versuchte. Und gleichzeitig wusste sie nicht, ob sie ihm jemals wieder so nahe kommen würde wie in diesem Moment, denn mit ziemlicher Sicherheit war er nicht nur vergeben, sondern auch auf seinen Ruf bedacht. Ein Septemvir musste das sein - was, wenn er nicht in einer ähnlichen Weise empfand wie sie? War er vorhin aus Überraschung zusammengezuckt oder weil sie ihn auf für ihn angenehme Weise berührt hatte? Die Kurve rückt erbarmungslos schnell näher, und am liebsten hätte sie ihm zugerufen, langsamer zu fahren, damit sie mehr Zeit zu Überlegen gehabt hätte. Aber auch das kam nicht in Frage, der Wagen ruckte schon zur Seite, sie sah das Innenpferd in die befohlene Richtung schwenken, die anderen folgten dem Zug und der Leitung, dann handelte sie einfach.


    Wieder lagte sich ihr Arm um seine Tallie, diesmal etwas fester, wenngleich nicht fest genug, um sich an ihn zu klammern - mit viel Phantasie hätte man vermuten können, sie traue der Kurve nicht ganz, um die sie nun gerast waren, aber das naheliegendere war, dass sie den Moment nicht verschenken wollte. Wer wusste schon, ob es einen anderen geben würde ... aneinander geschmiegt und auf die Seite geneigt, sich gegen den Zug der Bewegung stemmend gingen sie um die Kurve, und sie roch inmitten des Staubs, der ihr entgegen peitschte, den ganz persönlichen Geruch des Septemvir, fühlte seine sehnige, kräftige Gestalt an der ihren, die Augen für einen Moment schließend, als versuche sie sich diesem Traum hinzugeben - dann ruckte der Wagen wieder, sie hatten die Gerade erreicht, der Rausch war vorüber - und sie umklammerte eilig wieder mit der gelösten Hand die Haltestange, um den Zuschauern nicht ein noch interessanteres Bild zu geben als ohnehin schon ... das Herz wild klopfend, denn sie hätte in diesem Moment einiges darum gegeben, zu wissen, was ihr auriga dachte ...

    Die Iulier waren vielleicht ein ausgesprochen wagemutiges Geschlecht, aber sie hatten, wenn es drauf ankam, meist eine recht gute Sicht auf die herrschenden Verhältnisse gehabt (den kleinen Fehler des Caius Iulius Caesar, der schließlich zu seiner Ermordung führte, einmal unter die Kline gekehrt) - und so wusste Iulia Helena eine Sache sehr genau: Bei dieser Kurve, bei der ihr Bruder zusehen würde, stand ein Arm-um-Victor-Legen schlichtweg nicht zur Debatte. Nicht nur, weil sie genau wusste, dass er das missbilligt hätte, sondern auch, weil der Semptemvir genau wie sie einen gewissen Ruf zu verlieren hatten - und sie wollte nicht, dass Constantius schlecht von ihm denken würde. Nicht zuletzt war ihre Lust auf ein Bruder-Schwester-Gespräch zum Thema 'Witwen und körperliche Begierden' nicht gerade groß - vor allem, weil sie noch immer nicht wusste, wie weit die Erfahrungen ihres Bruders in diese Richtung gediehen waren. "Ich falle schon nicht herunter!" brüllte sie gegen den Wind zurück und umfasste die Haltestangen an der Seite fester, während die Kurve näher raste. Der Wagen war bedeutend schneller geworden und nun fühlte auch sie die Härte des entgegenklatschenden Windes, während sich das Gespann zur Seite neigte und begann, sich in die Kurve zu begeben.


    Diesmal hatte sie mit der Fliehkraft der Kurve gerechnet und stemmte sich wie es auch ihr Lenker tat, in die innere Richtung - sie war zwar deutlich leichter als ihr trainierter Bruder, aber zwei Körper waren immernoch mehr Gewicht als einer. Ihre Arme spannten sich, als sie etwas in die Hocke ging, um dem Wind nicht mehr so sehr ausgesetzt zu sein, dann ebbte der Zug auf ihren Muskeln deutlich ab, der Wagen krachte zurück auf den Boden und sie liefen die Gerade entlang - überstanden, und das zwar bei weitem nicht so elegant wie bei einem professionellen auriga, aber immerhin. Wenn er vier Runden lief, dann kamen noch drei Kurven in und drei Kurven ausser Sichtweite, überlegte sie. Drei Kurven, in denen sie ihren Arm um seine Tallie legen würde, und drei, in denen sie das nicht tun konnte. Drei Kurven, in denen sie träumen durfte, ohne sich schämen zu müssen, drei Kurven mit einer unschicklichen, aber so brennend prickelnden Nähe - hätte man ihr ins Gesicht blicken können, so wäre ihr allzu breites Lächeln höchst verräterisch gewesen.

    "Hm, ich denke, es wäre von Vorteil, könnten wir schon eine Vorauswahl treffen, damit die Legionäre nicht unnötig lange Zeit damit verbringen, Steine, die man noch brauchen kann, wegzuschleppen. In Roma sollte es sicher den ein oder anderen Architekten geben, wenn Du möchtest, kümmere ich mich darum."

    "Dann werde ich mich nach Dir erkundigen, solltest Du nicht da sein," erwiederte sie freundlich und lächelte ein wenig strahlender. Er schien wirklich ein sehr freundlicher Mann zu sein, und was war denn schöner, als sich den Alltag und die Pflichten mit einigen netten Worten versüssen zu können? Insgeheim hoffte sie, sie würde ihn das nächste Mal wieder treffen können, immerhin war sie nicht umsonst ein Kind der Venus mit einem gewissen, nicht immer durchschlagenden Hang zum Flirt mit ansehnlichen Männern ... sorgsam knotete sie ihren Beutel wieder an den Gürtel und straffte ihre Gestalt, ihn anblickend.


    "Wenn Du einmal Briefe zur Casa Iulia austragen musst, sag den Sklaven ruhig, dass sie mich benachrichtigen sollen. Du bist bestimmt viel unterwegs und eine kleine Erfrischung in einem kühlen Innenhof wird Dir nicht schaden," bot sie an und neigte ihm den Kopf zu, einen letzten Blick auf ihren Brief werfend. Hoffentlich würde er ihren Vater sicher erreichen, denn es war ihr doch sehr viel daran gelegen, wieder von ihm zu hören und den Kontakt nicht abreissen zu lassen.

    "Wenn Du eine Legio in der Tasche mit Dir herumträgst, dann wäre das schon einmal eine Hilfe ..." scherzte sie und begann, sich einige Notizen auf ihrem Wachstäfelchen zu machen. "Wir haben hier keine Truppen in der Nähe, die nächste Legion steht meines Wissens nach in Mantua, das müsste die I Traiana Pia Fidelis sein. Soll ich mich darum kümmern, beim Kommandanten um Hilfe nachzufragen?"

    Wie lange mochte es her sein, dass sie einem Mann ausser einem Familienmitglied zu greifen nah gewesen war? Fast eine halbe Ewigkeit, und je länger sie hinter dem Septemvir stand, desto deutlicher kam ihr dies zu Bewusstsein. Nicht dass ihr Leben einsam gewesen wäre - durch ihren Bruder hatte sie stets jemanden, mit dem sie sprechen und lachen konnte, und sei es wegen der geringsten Dinge. Aber es war doch etwas anderes als morgens neben einem Mann aufzuwachen und den Körper von der verflogenen Lust der vergangenen Nacht noch schmerzen zu fühlen, den Geruch und Geschmack des anderen auf den Lippen zu haben und mit sich zu tragen. Nach dem Tod ihres Gemahls hatte dieser Wunsch nach Nähe lange Zeit geschwiegen, weil er ihr erster Mann gewesen war, und der erste, der bei ihr gelegen hatte, aber nun, da sie endlich gelernt hatte, wieder alleine zu leben, ohne an jeder Ecke seine Präsenz zu vermissen, kehrten langsam auch die alten Wünsche zurück. Ja, es war wie fliegen, die Rückkehr eines vertrauten, allzu vertrauten Gefühls mitsamt eines Wunschs, aber sie wusste genausogut, dass sie diesen Wunsch nicht würde aussprechen können, ohne ihn höchstwahrscheinlich zu verschrecken.


    Die Kurve riss sie aus den Gedanken, und bevor sie noch irgendeiner Erinnerung hätte nachhängen können, ruckte der Wagen schon in Richtung des Pfostens, die Pferde donnerten in die befohlene und gewohnte Wende, während sie sich verzweifelt bemühte, sich nach innen zu stemmen und gleichzeitig nicht den Halt zu verlieren - so klammerte sie sich mit einer Hand einfach an die innen gelegene Haltestange des Wagens und schlang den anderen Arm um die Tallie Victors - lieber sich kurz ungehörig benehmen als vom Wagen fallen! Und damit glitt der Wagen elegant und gekonnt um die Kurve, beider Gewicht gab genügend Schwung - dann war der berauschende Moment vorüber, in dem sich ihr Körper an seinen Rücken schmiegte und sie die Hand lösen musste, um sich wieder an der Stange festzuhalten. Das Gespann schoss vorwärts, eins der Pferde wieherte unternehmungslustig, und sie lachte laut und befreit auf. Befreit für einige Momente von einem düsteren, dunklen Echo, von der Erinnerung, frei von allem, was sie halten konnte, lebendiger als je zuvor - ja, wie fliegen war es, als das Gespann die Gerade entlang stob, und die beiden Menschen sich im Wagen hielten, ihren Gedanken anheim gegeben. "Dann musst Du es unbedingt einmal tun - fliegen!" rief sie Victor zu und hätte schon bei dem Gedanken, was sie darunter verstand und was er wohl denken mochte, wieder lachen können.

    "Es wurden keine Häuser beschädigt, aber eine stetig wachsende Stadt wie Ostia hat sicher noch Bedarf an Steinen - oder meinetwegen auch Bürger aus Rom? Stein wird doch immer irgendwo gebraucht .. weisst Du, ob es hier schon Schätzungen von Architekten gab, ob die Steine wiederverwendet werden können oder nicht? Bevor wir uns hier in Spekulationen ergehen ... ich denke zwar, die meisten dürften zu klein sein, aber ich weiss es eben auch nicht genau," gab sie sinnierend zurück und betrachtete einige der Trümmer mit einem gewissen Missvergnügen.

    "Ich fürchte, es dürften nicht mehr viele der Trümmer für ein prächtiges Bauwerk zu nutzen sein - aber vielleicht für die Häuser der Bürger. Ich habe mir überlegt, den Bürgern von Ostia zu erlauben, geeignete Steine unter der Aufsicht der Behörden abtransportieren zu lassen - das würde die Bürger zufrieden machen und die Curia hat keine weiteren Kosten für den Abtransport .. und so wie ich die Römer kenne, dürfte hier nach nicht allzu langer Zeit kein Kiesel mehr liegen," meinte sie recht trocken und schmunzelte dann.


    "Ich meine, bei einem neuen Tempelprojekt dadurch helfen zu können, dass man sich selbst Steine unter den Nagel reißt, könnte doch sehr verlockend sein? Und ich würde nicht wollen, dass der Gott des Handels einer Stadt wie Ostia, die auf en Handel angewiesen ist, das Fehlen Seines Tempels nachträgt."

    Von der Curia der Stadt Ostia her kommend bewegen sich zwei Personen in Richtung der Tempelruinen - der eine weithin erkennbar als Comes Italia, und eine Frau in seiner Begleitung, die sich nicht minder interessiert umblickt als er. An den Ruinen hat sich nichts verändert, seit sie das letzte Mal hier war - noch immer liegen die Trümmer unbeaufsichtigt herum, noch immer ist das gegebene Bild ein recht armseliges, wenn man den Göttern im Glauben verbunden ist.


    "Du siehst, irgend etwas muss hier geschehen, sonst wird Merkur irgendwann Ostia gewaltig zürnen," sagte die Scriba zum Comes, als sie den äusseren Rand der Anlage erreicht hatten. "Und du kannst dir denken, was das für Folgen für den Handel hier haben könnte."

    Er wirkte nicht gerade erfreut über das Thema, aber .. es musste eben sein, unerledigte Aufgaben neigten selten genug dazu, sich selbst zu erledigen. So ging die Scriba ihm in Richtung der Tempelruinen voran und versuchte, gute Miene zum Chaos dort zu machen.

    Alsoo ... ich habe da mal eine kleine Frage, die sich mit der allgemeinen Spielmechanik befasst. Es besteht ja für jede gens die Möglichkeit, ein Unterforum in der Stadt zu erhalten, in der sie den Hauptsitz ansiedelt. Im Fall der Iulier ist das derzeitig Tarraco, wir Iulier in Roma begnügen uns mit einem einzigen Thread, der das Spiel in der Casa beinhaltet. Ich bin mir darüber bewusst, dass die Casa Iulia in Roma sicher nie ein eigenes Forum werden wird, da wir nur zwei Iulier dort sind, darüber muss auch nicht diskutiert werden, denn sollte sie verlegt werden, wäre Germania wahrscheinlicher, weil da deutlich mehr Iulier sind.


    Doch ich stoße inzwischen auf ein kleines Problem spiel- logischer Art und hoffe, dass mir da entweder erfahrenere Spieler hier weiterhelfen können oder die SL. Wenn viel in der Casa los ist, das heisst, viel Besuch, mehrere Zeitebenen, mehrere unterschiedliche Gespräche, kommt naturgemäß ein gewisses Durcheinander auf und es wird zumindest für mich ein bisschen schwer, dem richtig zu folgen, weil man sich sehr nach den Überschriften der einzelnen Postings orientieren muss. Wenn dann die Antwort zu Posting A eine Seite weiter steht, zwischen Postings zum Thema B und C, wird es ziemlich unübersichtlich.


    Platz für Retrospektive der Charaktere, die dann als Thema D irgendwo zwischen rein geklatscht würde in die laufende Handlung, bleibt da meines Erachtens nicht mehr, zumindest sieht es nicht schön aus, und irgendwann wird es ein ziemliches Kuddelmuddel, das Besucher auch eher abschrecken dürfte.


    Deswegen meine Frage: Ist es möglich/ erlaubt, ein Thema neben dem normalen 'Casa Iulia' Thread mit der Bezeichnung 'Casa Iulia / Cubiculum *Name des Charakters*' im normalen 'Domus Gentium Romae' Forum zu erstellen und diesen dann dazu zu nutzen, sich ein bisschen mehr mit dem eigenen Charakter oder Handlungen in privaterem Umfeld zu beschäftigen oder wäre das untersagt? Irgendwie weiss ich mir da nicht mehr anders zu helfen, da ein eigenes Forum ja nicht zur Disposition steht ;)


    Danke im Voraus,
    Iulia Helena

    Der Wagen ruckte an und mit ihm ihr Magen - es schien für einen Moment, als sei ihr Körper auf dem Gespann, aber der Magen in der Box zurückgeblieben, und so hörte man auf den ersten Metern der Strecke nur ein überraschtes, scharfes Einatmen von der Iulierin. Aber sie gewöhnte sich schnell an die Geschwindigkeit, was wohl auch daran liegen mochte, dass er nicht ganz so sehr raste wie ein Wagenlenker, der auf einen Sieg aus war - sie fühlte ihre Stola um die Beine flattern, der zum Zopf zusammengebundene Haarschopf knatterte hinter ihr im Fahrtwind und für einen Moment schien es, als würden sie gemeinsam fliegen. Sie war vollkommen damit beschäftigt, sich festzuhalten, und dass der Septemvir vor ihr stand, machte ihr das um einiges leichter, musste er mit seinem Körper doch den größeren Teil des Fahrtwindes abfangen, sie konnte sich hingegen in seinem Windschatten recht gut an die Bewegungen des Wagens anpassen.


    "Es ist alles in Ordnung!" rief sie und versuchte gegen das Dröhnen der Hufe anzukommen, die Finger fest um die Haltestange des Wagens gepresst. Dass es so herrlich sein würde, hätte sie nicht gedacht, und sie begann Gefallen am Wagenlenken zu finden - wenngleich sie nicht lenkte, sondern nur stille Nutznießerin des Lenkens war.


    Die Kurve konnte sie gerade so in der Ferne erkennen, und sie würde die erste Herausforderung sein, die sie zu meistern hatte - aber im Gegensatz zu Constantius' Fahrt gab es hier keinen Gegner, der versuchen konnte, sie abzudrängen. "Du kannst ruhig schneller fahren!" rief sie nach vorn, in der Hoffnung, Victor würde es gegen den pfeifenden Wind verstehen. Dass sie ihm so nahe sein würde, hätte sie nicht gedacht, aber sie wäre die Letzte gewesen, die sich über die Nähe eines stattlichen Manns gestemmt hätte - vor allem, wenn diese Haltung direkt hinter ihm ein wohliges Prickeln im Bauch hinterließ. "Das ist fast wie fliegen!"

    Nachdem der sittliche Abstand bei weitem gewahrt blieb und seine Gesprächspartnerin derzeit auch nicht wirkte, als würde sie mit Anlauf über den Comes Italia herfallen wollen, mochte selbst die sittenstrengste Verlobte sicherlich nichts bösartiges vermuten - doch von all solchen Überlegungen unberührt, nickte die Iulierin, als sie sich gleichsam erhoben hatte.


    "Dann lass uns am besten gleich mit dem Tempel des Merkur beginnen, besser gesagt, mit dem ehemaligen Tempel des Merkur ... denn da gibt es ein kleines Problem, das meiner Ansicht nach vorrangig gelöst werden sollte."

    Sie folgte Valerius Victor mit einem zufriedenen, leichten Schmunzeln auf den Lippen, immerhin war sie dabei, in eine Region der Arena zu gelangen, die normalen Zuschauern nicht offen stand - und sie war unglaublich neugierig darauf wie es in einer solchen Startbox wohl aussah. Sie betrachtete den deutlich dunkleren Korridor sinnierend, doch der Septemvir unterbrach ihre Gedanken mit dem Helm. Dass sie sich unvermittelt so nahe gegenüber standen, er ihr einfach den Helm aufsetzte, ohne zu fragen, ließ sie für einige Momente unsicher werden, schneller atmen - und damit auch ein vages Echo seines Geruchs einatmen, der wacker gegen die olfaktorische Hauptmelodie an Pferd und Pferdedung ankämpfte. Der Ausdruck der Augen mochte einige Momente lang flackern, während er sie betrachtete, doch fand sie schnell zu ihrem Lächeln zurück und nickte. "Etwas ungewohnt, so mit Helm ... man kommt sich vor, als würde man nur die Hälfte von dem wahrnehmen, was wirklich passiert ..." Sie klopfte sich mit den Knöcheln an das blaue Ding und zuckte vor dem dumpfen Echo, das sich innen ergab, ein wenig zurück.


    Als sie vor dem Gespann standen, begann ihr das Herz in den Hals hinauf zu schlagen, aber nicht nur mit einem berechtigten Beiklang an Furcht, immerhin war es ihre erste Streitwagenfahrt - auch vor Aufregung. "Ein normaler Rennstart denke ich," meinte sie und ergriff sanft seine Hand, um auf den Wagen zu steigen und sich dort gleich festzuhalten. "Damit die Pferde sich nicht allzu sehr wundern müssen, was meinst Du?" Auch Valerius Victor kletterte nun auf den Wagen, wärhend einige Sklaven im Inneren der Box interessiert zu ihnen herüber starrten. Frauen neben einem Gespann waren sie ja gewöhnt, aber eine Frau auf einem Gespann war etwas neues ... Hermes indes grinste ziemlich vor sich hin, während er Constantius denselben Weg zur Tribüne hinaufführte wie kurz zuvor der Septemvir die Schwester des Iuliers, nicht nur, weil er wusste, was sie ihm zugebrüllt hatte.