Beiträge von Iulia Helena

    Wieder der Markt, wieder ein geschäftiger Tag, und wieder das übliche Treiben, in dem man sich allzu leicht verlieren konnte, wenn man weder Ziel noch Aufgabe hatte. Doch unter all den Müßiggängern, unter all den Taugenichtsen und Tagedieben gab es auch Menschen, die den Markt besuchten, weil sie Nahrungsmittel einkaufen wollten oder nach bestimmten Dingen suchten, sei es neue Kleidung, Geschmeide oder der ein oder andere kleine Luxus. Eine junge Römerin aus gutem Hause, begleitet von zwei Dienerinnen, bildete da keine Ausnahme, sie bewegte sich recht zielstrebig von Stand zu Stand, um die ausgelegten Früchte und die feilgebotenen Gemüsesorten kritisch zu begutachten, was sie erstand, verschwand in den großen Körben ihrer Begleiterinnen. Augenscheinlich mochte es sich um eine verheiratete Frau handeln, zumindest deutete die über der Hochsteckfrisur gelegte Palla dies an, ihre Stola war von guter Qualität, wenngleich nicht von dem verschwenderischen Luxus, den sich eine Patrizierin leisten konnte - aber welche Patrizierin wäre schon selbst auf den Markt gekommen, um ihren Dienerinnen klar zu machen, bei welchen Ständen man in Zukunft einzukaufen hatte und bei welchen nicht?


    Iulia Helena genoss den Trubel mit dem sicheren Wissen, dass er spätestens vor der Porta der Casa Iulia enden würde, und zeitlich begrenzt in eine Menschenmenge einzutauchen war durchaus ein befriedigendes Gefühl, zumal, wenn man die Gelegenheit erhielt, gewinnbringend einzukaufen. Sie war froh über ihre Entscheidungen, den Dienerinnen auf die Finger zu sehen, denn sie hatten einen Obsthändler entdeckt, der billiger war als der vorherige Lieferant, und zudem bessere Ware führte, allein dieser Umstand war den Gang zum Markt schon wert gewesen. Während sie sinnierend an einem kleinen Stand vorüber wanderte, bei dem Glasgefäße feilgeboten wurden, hielt sie gerade noch inne, als vor ihr etwas weisses mit einem breiten purpurnen Streifen auftauchte - dann erst hob sich ihr Blick und sie erkannte, dass sie im Rücken eines Senators stand, zumindest deutete der latus clavus darauf hin. Fast wäre sie in ihn hinein gelaufen ... fast. Möglichst unauffällig versuchte sie einen Schritt zur Seite zu machen und hoffte dabei, dass es nicht aufgefallen war ... den Umstand ihrer Tagträumerei über Glasvasen einem völlig Fremden zu erklären, dem man in den Rücken gerannt war, würde sicher zur Kategorie 'peinliche Zwischenfälle, die zu vermeiden sind' gehören.

    Eine Palla hatte einen großen Vorteil - man konnte sie zur Not auch einfach abnehmen und schwenken, wenn man schon kein Fähnchen zur Hand hatte. Schon hatte die Iulierin ihre Palla von den Schultern und dem Haar genommen, eine Haarnadel gelöst und den dünnen, durchsichtigen Stoff mit einer Hand hochgereckt, um ihn zu schwenken, dass man sie auch von unten würde sehen können. Heftig winkend blieb sie auf der Tribüne stehen, ungeachtet dessen, dass sich ihr Begleiter wahrscheinlich sehr darüber wundern würde - und da sich Dareios nun mehr und mehr an Hermes' Gespann heranschob, benötigte dringend Maßnahmen.
    Sie wollte einfach, dass Hermes und Constantius schneller sein würden als Dareios, auch wenn letzterer wahrscheinlich der bessere Fahrer war. Und jeder Mann mochte Bewunderung und vor allem Beifall, sie kannte keinen, bei dem es nicht so gewesen wäre.


    Da sie annahm, dass Hermes Grieche war oder zumindest griechisch verstand, beschloss sie, ein wenig drastischer für einen Sieg des Gespanns zu sorgen ... oder besser gesagt, keine Zweifel daran zu lassen, wem ihre Unterstützung galt.
    "FAHR SCHNELLER, HERMES, ODER EIN BLITZ DES IUPPITER SOLL DICH DORT TREFFEN, WO DIE SONNE NICHT SCHEINT!" brüllte sie im besten Kasernenton und auf griechisch auf die Arena herunter, wenngleich sie sich nie mit einem Mann hätte messen können, war sie doch für eine Frau recht laut. "Warum wird er denn nicht schneller, das gibt es doch nicht?!" fügte sie nun, leiser, an, der Körper angespannt, als stünde ihr selbst ein Entspurt gegen Dareios bevor - einige Strähnen ihres Haars hatten sich aus der Hochsteckfrisur gelöst und umrahmten das ebenmäßige Gesicht deutlich angenehmer, als es die Palleje gekonnt hätte, die Wangen waren vor Aufregung gerötet.

    Ich schlag drei Kreuze, wenn dieser Scheiss endlich vorbei ist - seit einem Jahr überall diese beknackte WM Werbung zu sehen, reicht mir inzwischen ... irgendwann kriegt man ein nervöses Zucken, wenn irgendwo runde, schwarzweisse Bälle zu sehen sind ... :D

    Gott bewahre ... nein ... ich habe schon Schiss genug vor den ersten Spieltagen, an denen das Stadion hier benutzt wird. Wenn man auf Bus und Bahn als Verkehrsmittel angewiesen ist, wird das ein Freifahrtschein in den Verkehrskollaps.

    "Nicht jeder kann sich für das Wagenrennen so begeistern wie Du es tust," meinte Helena auch prompt und lächelte leicht vor sich hin. "Auch wenn Deine Begeisterung etwas sehr ansteckendes ist, kann ich mir doch schwerlich die Mitglieder des altehrwürdigen Collegiums dabei vorstellen, wie sie bei einem Rennen Fähnchen schwingend auf und ab hüpfen - Du etwa? Es würde dem Priesteramt sehr viel Würde nehmen und gerade als Priester sollte man doch einen gewissen respektablen Stand sich bewahren können, wenn man nicht voller Eifer für eine Sache brennt." Sie blickte wieder auf die Wagen herunter und verfolgte ein erfolgloses Manöver des Dareios, seinem Teamkollegen in irgendeiner Form nahe genug zu kommen, um ihn zu überholen - innerlich zufrieden juchzend sah sie die gereckte Faust ihres Bruders, der den Erfolg ihres Gespanns zu genießen schien. Einer war ganz sicher vom Rennfieber angesteckt worden ...


    "Die Ludi Appollonaris ... das ist ja gar nicht mehr so lange bis dorthin, eineinhalb Monde höchstens. Was meinst Du,wird auf der Tribüne der Veneta Platz für meinen Bruder und mich sein? Auch wenn es sicher einige Stimmen geben wird, die dagegen sprechen, dass Frauen sich Wagenrennen ansehen, ich möchte mir dieses Vergnügen nicht nehmen lassen. Dareios' Gespann wird doch sicher antreten, Hermes auch?" Es war ein weiter Vorstoß, aber einer, den sie einfach wagen musste. Sie war sich Constantius' Begeisterung ziemlich sicher, und sie selbst ... die aurigae der Veneta waren ein Grund zu erscheinen, der andere stand neben ihr, auch wenn er beim Rennen sicherlich anderes im Kopf haben würde als weibliche Zuschauer.

    Hmm ... es gibt nicht allzu viele Autoren, die genau über diese vorliegende Zeit geschrieben haben ... mit Tacitus ist da ein sehr wichtiger Vertreter bereits abgeschöpft, Cassius Dio ...dann wird es schon dünn. Im Zweifelsfall würde ich mich daran orientieren, wer über die Kaiserzeit geschrieben hat, dann kannst Du die untauglichen Autoren leicht ausschließen. :)

    Dass die Iulierin noch immer zu der Patrizierin blickte, mochte dieser vielleicht entgangen sein, aber Helena selbst entging der neutrale, distanzierte Ton Livias nicht. Auch ihre Haltung sprach nicht gerade dafür, dass sie eine glückliche Ehe führte, ein Gefühl, an das sie sich selbst noch zu gut erinnern konnte. Die ersten Jahre der eigenen Ehe waren schrecklich gewesen, ein dunkler Teil ihres Lebens, in dem sie oft genug verzweifelt gewesen war - oder hatte Livia andere Sorgen? Es wäre unhöflich gewesen, sich nun noch weiter diesem offensichtlich wunden Punkt zu nähern und sie beschloss, das Thema zu wechseln.


    "Ja, die Pflichten lassen einen allzu oft zu beschäftigt, aber manchmal sind sie auch eine sehr willkommene Ablenkung. Es kommt immer darauf an, welche Seite der Münze man betrachtet, welches Gesicht des Ianus vor einem liegt. Aber Du hast vorhin die Spiele erwähnt ... was gefällt Dir denn an den Spielen am Besten? Oder findest Du alles davon eher störend? Man muss ja nicht immerdie Gladiatoren mögen, aber zumindest die Wagenrennen sind doch unterhaltsam und weit weniger blutig ... vielleicht bist Du ja auch eine Anhängerin einer der Factiones?" Einen Versuch einer Ablenkung war es jedenfalls wert ...

    Bei Tacitus heisst es über Locusta jedenfalls zum Mord an Kaiser Claudius:


    "Ausgewählt wurde eine Meisterin in diesem Fach namens Locusta, die erst kürzlich wegen Giftmischerei verurteilt und lange Zeit als Werkzeug von dem Herrscherhaus benutzt worden war. Diese erfinderische Frau bereitete einen Gifttrank. Ihr Gehilfe war dabei einer der Verschnittenen namens Halotus, der gewöhnlich die Speisen auftrug und sie prüfend vorkostete." (Tacitus, Ann, XII 66)


    Eine weitere Stelle gibt es zu Locusta bei Tacitus noch, diesmal geht es um den Mord des Nero an Britannicus:


    "Sein Helfershelfer dabei war Pollio Iulius, der Tribun einer Prätorianerkohorte, unter dessen Obhut die bereits verurteilte Giftmischerin namens Locusta, die eine vielberüchtigte Verbrecherin war, verwahrt wurde. Denn man hatte schon längst dafür gesorgt, dass in der nächsten Umgebung des Britannicus nur Leute waren, die sich weder um Recht noch um Treue kümmerten. Das erste Gift brachte ihm sein eigener Erzieher bei. Es ging aber infolge eines Durchfalls ab, war es nun an sich nicht stark genug oder enthielt es eine Beimischung, die eine sofortige Wirkung verhüten sollte. Aber Nero, der zu einem langsam ausgeführten Verbrechen keine Geduld hatte, drohte dem Tribunen und befahl die Hinrichtung der Giftmischerin, weil sie beide Rücksicht auf das Gerede der Leute nähmen, schon im voraus daran dächten, wie sie sich rechtfertigen könnten und dabei versäumten, seine Sicherheit zu gewährleisten. Als sie dann versprachen, ihn mit einer Schnelligkeit zu ermorden, als ob es mit einem einzigen Schwertstreich geschehe, wurde neben dem Schlafgemach des Caesars ein rasch wirkender Trank aus schon vorher geprüften Giften gebraut." (Tacitus, Annales, XIII, 15)


    In jedem größeren Werk antiker Autoren gibt es ein Inhaltsverzeichnis, mit dem sich leichter nach Namen suchen lässt, ich denke mal, sollte bei Cassius Dio wirklich etwas zu Locusta stehen, wirst du damit am leichtesten was finden. ;)


    Edit: Seitenzahlen werden dir nicht viel nützen, da es viele verschiedene Tacitusausgaben gibt ;) ich habs dir jetzt mit Buch und Kapitel zitiert, danach sollte es zu finden sein.

    Wenn ich mich recht entsinne, könntest Du bei Cassius Dio etwas zu Claudius und seinem Tod durch Agrippina finden, der Teil seines Werks, der sich auf diese Zeitspanne bezieht, ist allerdings nur noch fragmentarisch enthalten. Ich habe leider keine Ausgabe davon derzeitig griffbereit, aber unter Cassius Dio solltest du in jedem Fall in jeder gut sortierten Unibib was finden.


    Edit: Ich habe eine brandheiße Stelle in Tacitus - Annales gefunden. Wenn es Dich interessiert, tipp ich es dir gern ab. ;)

    Sinnierend betrachtet sie das geradezu klassische Profil ihrer Gesprächspartnerin, und für einige Momente verlieren sich ihre Gedanken in eine ganz andere Richtung, in denen sie sich überlegt, wieviele Männer wohl von der distanzierten Schönheit der Tiberierin angezogen würden, wären sie ihrer nun hier angesichtig. Wahrscheinlich nicht gerade wenige, überlegte Helena und lächelte. Ob Tiberia Livia um die Anziehungskraft ihres Gesichts wusste? Ob sie sich darüber Gedanken machte? Aber irgend etwas sagte ihr, dass die Patrizierin andere Prioritäten im Leben hatte als gerade nur das.


    "Alles hat doch zwei Gesichter, nicht nur Roma. Ob wir die Schönheit überhaupt erkennen könnten, gäbe es nicht auch das Hässliche? Wir wären wohl viel zu sehr an das Schöne gewöhnt, um uns Gedanken darüber zu machen. Genauso wie wir das Licht nicht zu schätzen wüssten, gäbe es keinen Schatten ..." sie blickte wieder zu der Deckenmalerei, einem bunten, detaillierten Mosaik, das verschiedene Meerestiere und -pflanzen darstellte. Hier hatten sich die Künstler wahrlich freie Hand gelassen, und die Vielfalt der Farben war überwältigend schön.


    "Kommst Du oft hierher, um Deine Sorgen zu vergessen? Ich musste meinen Gemahl oft zwingen, abends noch unser Haus zu verlassen, damit er auch einmal etwas anderes zu sehen bekam als die Räume, seine Soldaten und sein Büro ... manchmal ist es glaube ich ganz gut, sich aus einer vertrauten Umgebung heraus reissen zu lassen, um durchzuatmen."

    Zitat

    Original von Valentin Duccius Germanicus
    Wird eventuell daran liegen, dass der König von Thylus erst Ende des Monats wieder zurück ist. :) Er ist der einzige Anbieter. :)


    Oh, okay :) ich hatte schon fast zu Beginn meiner Spielzeit hier vergeblich gesucht, dann hoffe ich mal, bei seiner Rückkehr gibt es den Weihrauch wieder ^^

    Auf dem Gesicht der Iulierin hätte man in den Momenten, in denen das Gespann des Hermes um die Kurve ging, eine Vielzahl an Empfindungen sehen können, wären nicht die Ereignisse auf der Rennbahn viel spannender gewesen - sie schwankte zwischen Angst, Entsetzen, jäh empor brandender Sorge und dann einem lauten Jubel, als sie Dareios überholt hatten und sich Hermes an die Spitze setzte, ihr Bruder noch lebte und alles so aussah, als würde er auch weiterhin leben. wie verrückt! Wie wagemutig - und gleichzeitig, wie iulisch! Laut lachte sie heraus, als das Schaustück gelungen war, das war Constantius mit dem an Wahnsinn und Selbstüberschätzung grenzenden Mut ihrer gens, so hatte sie ihn seit seinen Kindertagen in Erinnerung. Es war nicht vor ihm sicher gewesen, kein wildes Pferd, keine waghalsige Kletterei, kein hoher Baum, immer musste es höher, schneller und weiter sein als alle anderen konnten. Und diese Kurve würde ihm so schnell keiner seiner Altersgenossen nachmachen können.


    "Sie werden sich noch gegenseitig da unten umbringen!" rief sie und es klang nur halb so entsetzt, wie man es hätte meinen können - dass sie auf ihren Bruder gleichzeitig ziemlich stolz schien und dies auch Hermes mit einschloss, konnte man ihr sehr gut anmerken. "Constantius ist bei den Cohortes Urbanae, und ich hoffe sehr, er wird bald Miles sein, um dann den Weg zum Offizier zu machen." Auch das klang sehr stolz, ohne Zweifel, sie schien mit seiner Lebensplanung einverstanden. Dass er da schlecht auriga werden konnte, lag auf der Hand. "Ich hoffe sehr, dass er der Tradition unserer gens entsprechend Ehre für die Iulier einlegen wird, und zumindest die Liebe zum Risiko hat er zweifelsohne von unseren Ahnen geerbt ..." Auch ein Caesar hatte gefährliche Unternehmungen geliebt, und wieviel der göttliche Augustus erreicht hatte, stand ausser Frage. Aber noch etwas hatte sich in den letzten Momenten ereignet - hatte sie sich getäuscht und er war in den Gossendialekt der Subura verfallen? Oder war nur die Begeisterung größer gewesen als man im klaren Latein hätte ausdrücken können? Ihr Gegenüber schien viele Gesichter zu haben, nicht nur dieses eine .. "Wann ist denn das nächste Rennen? Je mehr ich hier sehe, desto gespannter werde ich darauf .."

    "Glück wird einem selten geschenkt," erwiederte die Iulierin mit einem nachdenklichen Blick auf die Bahn. "Glück muss man sich erarbeiten, auch in einer Ehe. Du wirst lachen, aber in den ersten Jahren meiner Ehe habe ich meinen Gemahl gehasst. Und meinen Vater noch dazu, dass er mich gezwungen hat, einen groben Offizier zu heiraten, der mehr mit seinen Männern unterwegs war, als zuhause zu sein und sich als der Ehemann zu erweisen, von dem ich immer geträumt hatte - zärtlich, aufmerksam, sensibel, was man sich als Mädchen eben so erträumt, wenn man vom Leben keine Ahnung hat und von Männern noch viel weniger."
    Leise lachend schüttelte sie den Kopf. "Wir haben ein paar Jahre gebraucht, um uns aneinander zu gewöhnen - und irgendwann haben wir begonnen, uns als das anzunehmen, was wir waren, mit Fehlern, Ecken und Kanten. Es wurde ein gutes Fundament ... und sollte ich noch einmal heiraten müssen, kann ich mir nur wünschen, dieses Glück nochmals zu erleben. Den idealen Mann gibt es nun einmal nicht, ebensowenig wie die ideale Frau .."


    Dass die beiden Wagen um die nächste Kurve hetzten, lenkte sie für einige Momente von den Gedanken ab, doch die Staubwolke, in der die Gespanne samt Fahrern verschwanden, konnte sie nicht lange genug fesseln. Wer lag nun wohl vorne? Sie kniff die Augen zusammen und versuchte es zu erkennen, gab dieses aussichtslose Unterfangen bald auf.
    "Er wird es bestimmt noch lernen, immerhin hat er einen guten Trainer und andere Männer, die mit ihm über seinen Fahrstil sprechen und mit ihm arbeiten. Hilfe zu haben ist doch immer sehr wichtig ..." Der Blick driftete wieder über die Bahn und ...sie stockte. "Schau doch! Kann das sein? Hermes holt auf!" Es war ein Jubelruf, der ihr entschlüpfte, spontan und froh wie der eines Kindes.

    Ein gutes hat die WM - und das wird glücklicherweise auch bleiben: Da ich in einer Spiel-Austragungsstadt wohne, hat die DB endlich unseren kreuzhässlichen, scheusslichen, versifften 60er Jahre Bahnhof renoviert, der inzwischen echt klasse aussieht. Und wenn da die WM vielleicht nur der Anlass eines dringend nötigen Verbessern gewesen ist, ich freu mich drüber, als Pendler jeden Tag durch ein stinkendes, von Pennern bewohntes Loch laufen zu müssen ist auf Dauer echt widerlich. ;)

    "Der richtige Mann?" meint sie mit einem kurzen, aber durchaus forschenden Seitenblick auf ihren Begleiter, um dann zu lächeln. "Du weisst selbst, dass der richtige Mann für eine Tochter aus einem so alten Haus wie dem unseren derjenige ist, den mein Vater für mich auswählt - meine erste Ehe hat er ebenso gefügt. Vielleicht mag diese Sitte altmodisch sein, aber wenn ich die vergangenen Jahre betrachte, hat sich seine Wahl als sehr vorausschauend und klug erwiesen, denn eine kurzlebige Verliebtheit führt einen doch selten genug in ein wirklich glückliches Zusammenleben. Andere Werte sind wichtiger als Liebe allein ..." Es musste abschreckend klingen, aber hätte sie etwas anderes gesagt, hätte sie ihres Vaters Entscheidung angezweifelt - und letztendlich war sie keineswegs unglücklich über die mit ihrem verstorbenen Mann verbrachten Jahre. Sie hatten lange gebraucht, um aneinander etwas zu finden, aber vor allem in den Jahren vor seinem Tod hatte diese Verbindung kaum etwas erschüttern können ... ein Hauch schmerzlich-schöner Erinnerungen zog an ihrem inneren Auge vorbei und ließ sie die Rennbahn für einige Momente lang vergessen, was nicht unpraktisch war, denn Victor feuerte Hermes gerade lautstark an. Der richtige Mann, dachte sie mit einem vagen Anflug von Wehmut. Der ist seit zwei Jahren tot und ich weiss nicht, wie ich diese Leere jemals füllen soll, die er hinterließ.


    Vielleicht war es ganz gut, dass der Semptemvir abgelenkt war und nicht sehen konnte, dass in ihren Augen für einen kurzen Moment Tränen standen, die sie energisch wegblinzelte. Diese offene Wunde zu schließen hatte sich in den letzten zwei Jahren als kaum möglich erwiesen, das Leben hatte weitergehen müssen, wie es für eine Frau immer weiterzugehen hatte. Trauer konnte und durfte man nicht zeigen. "Er ist eben noch jung, und junge Männer machen immer dieselben Fehler," antwortete sie nach einigen Momenten der Überlegung auf seine Worte, Hermes' Raserei auf der Bahn betreffend. "Sie überschätzen ihre Kräfte gern und gehen zu schnell auf's Ganze ... die meisten erfahreneren Männer machen diesen Fehler nicht mehr. Ich würde zu vermuten wagen, dass sich diese Unsitte sehr bald einfach von selbst verliert, wenn er gemerkt hat, dass dieses schnelle Fahren seinen Tieren nicht guttut." Sie schmunzelte etwas, und wenigstens war jetzt auch dieses Bedürfnis vorübergeglitten, zu weinen - sie konnte wieder lächeln, und das aus tiefstem Herzen heraus, denn die Zweideutigkeit ihrer Worte war offenkundig. Ob er erkennen würde, dass sich das Gesagte nicht nur auf Hermes anwenden ließ, sondern auch auf ihre Ansprüche an einen Mann?


    Währenddessen fegten die beiden Streitwagen unten auf der Bahn nacheinander durch den Staub, und fast schien ihr, als könnte ihr Bruder vor Freude laut heraus lachen - und ihr Herz hüpfte mit dem seinen. Ihr letzter, lebender Bruder ... er war nicht nur deswegen etwas ganz besonderes.

    In einem anderen Teil der Casa war die Hausherrin gerade damit beschäftigt, einer ihrer Lieblingstätigkeiten nachzugehen - Sklaven scheuchen. Noch immer waren zwei der Gästeräume nicht angemessen hergerichtet und sie sorgte dafür, dass dieser Tatsache bald abgeholfen werden würde - die Dienerschaft hatte schon einige Tage zuvor bemerken müssen, dass nun ein anderer Wind in der Casa Iulia herrschte und dieser Wind ziemlich eisig und kühl werden konnte, wenn man sich nicht mit Sorgfalt seinen Aufgaben widmete. Doch als dieser Teil ihres täglichen Bemühens um eine angemessene Unterkunft abgeschlossen war, zog sich Iulia Helena in ihr eigenes Cubiculum zurück, um sich ein wenig frisch zu machen - bald würde Constantius zurück nach Hause kommen und ihrem Bruder wollte sie nie als die Hausfrau gegenüber treten, sondern als stolze Römerin, die ihren Platz gefunden hatte.


    Der Beutel auf ihrem kleinen Tischchen ließ sie stutzen - hatten die Sklaven etwa wieder ...? Aber als sie es hoch hob, überzeugte sie das leise Klimpern darin und die Schwere des Beutels davon, dass sie es hier keineswegs mit nachlässig herumliegenden Haushaltsgegenständen zu tun hatte. Mit einem verblüfften Blick begann sie die Münzen aus dem Beutel zu nehmen und zu zählen - fünfzig Sesterzen, ein halbes Vermögen, bedachte man ihr eigenes Gehalt als Scriba. Und diese fünfzig Sesterzen konnten nur von einem kommen ... Den Beutel ordentlich verschnürend, barg sie ihn in der abschließbaren Kassette unter ihrem Bett, bevor sie sich schnellen Schritts auf die Suche nach ihrem Bruder machte, ihrem Instinkt folgend in die Richtung des Esszimmers, denn wer täglich trainierte, brauchte ordentliches Essen. Und da stand er auch schon ...


    "Constantius!" rief sie aus, lief nun auf ihn zu und flog in seine Arme, sodass der überraschte Römer sie einmal im Kreis schwenkte, um mit ihrem Schwung zurecht zu kommen. "Ich danke Dir ..." sagte sie lächelnd, und in diesem Lächeln stand auch nicht zu geringer Stolz. Sein erster Sold!

    Einer ihrer vielen Streifzüge durch Ostia - während der Arbeitszeit, aber sie hielt es für klüger, sich umzusehen und das Ohr bei den Menschen zu halten, anstatt darauf zu warten, dass die Probleme wohlgeordnet in die Curie Ostias spazierten - führte die neue Scriba der Stadt in die Richtung der Tempelruinen. Es war wirklich eine Schande, dass noch immer überall Gesteinsgeröll herumlag und man nirgends wirklich beten konnte - wieso dauerte es so lange, sich um einen Tempel zu kümmern, der für die Händler in Ostia so wichtig war? Dass es hier noch kein Murren gegeben hatte, erstaunte sie immer wieder - oder aber die Menschen waren zu beschäftigt, um sich zu sehr um all dies zu kümmern. Dennoch ... Merkur verdiente einen neuen Tempel, gerade hier. Sie fasste den Entschluss, die Sache in die Hand zu nehmen, sie in die Hand nehmen zu müssen, denn es schien niemand sonst zu tun ...


    Während die Gedanken durcheinander wirbelten, fiel ihr Blick schließlich auch auf eine einsame Gestalt, die sich bis zum Altar vorgekämpft hatte und dort etwas zu opfern schien - vom Mut dieses Mannes angesteckt, trat sie an einen der kleineren Marktstände hin und erstand dort ein großes Brot und eine kleine Tonamphore Oliven, bevor sie sich ebenfalls anschickte, über das Geröll- und Steinefeld zu klettern, immer darauf bedacht, nicht zu stürzen und sich die Stola nicht zu sehr zu ruinieren. Mit einiger Überraschung erkannte sie Corvinus, aber anstatt ihn zu begrüßen - er betete, und sie wollte ihn darin nicht unterbrechen - trat sie an den rudimentär gesäuberten Altar und legte ihr Brot und die Olivenamphore neben die Amphoren des Corvinus, ihre bescheidenen Gaben ebenso dem Gott anbietend. Doch noch blieb sie stumm, denn sie ging davon aus, dass er mit seinen Worten noch nicht an ein Ende gekommen war.

    Nachdem sie den Weg vom Tempel des Apollo zu den Thermen hin hinter sich gebracht hatten, hatten Tiberia Livia und Iulia Helena das wohlig warme Hauphgebäude der Therme betreten - es herrschte gerade Frauenbadetag, sodass sie nicht umkehren mussten, und sie unterzogen sich dem immer gleichen Ritual des Entkleidens und Aufsuchens der verschiedenen Becken, beginnend beim kältesten, endend beim wärmsten. Als endlich beider Körper vom warmen, angenehmen Wasser umspült wurden, das ihnen deutlich wärmer vorkam als es eigentlich war, paddelte Helena an den Rand des Beckens, um sich dort ein wenig auszustrecken, und betrachtete die prächtigen Bilder der Wände im Inneren. Farbenfrohe Szenen malten sich hier vor ihren Augen aus, und alleine schon da Betrachten dieser Bilder hätte einen Nachmittag leicht vorüberziehen lassen - doch dafür war sie nicht gekommen.


    "Mit Rom lässt sich trotz allem keine Stadt des Imperiums vergleichen," bemerkte die Iulierin schmunzelnd zu Tiberia Livia, die ebenfalls in ihre Richtung geschwommen war. "Es mag zwar überall Thermen geben, und vielleicht auch Tempel unserer Götter, aber eine solche, gelassene Pracht überall sieht man letztendlich nur in Rom."

    "So scheint der Kaiser Dir und Deinem Weg wohlgesonnen - und ist das nicht entscheidender als alles vergrätzte Geschwätz jener, die glauben, sie könnten durch die Klugheit einer Frau etwas von ihrer Macht verlieren?"
    Aufmunternd lächelte sie Tiberia Livia an und fröstelte für einen Moment unter dem aufgekommenen, kühlen Wind. "Du hast Recht - und mit den Thermen bin ich sehr einverstanden, ein wenig Wärme und Ruhe wird uns sicher guttun nach den vielen Menschen hier." Noch immer drängten Bürger der Stadt in Richtung des Apollo-Tempels, um dort dem Gott an seinem Festtag zu huldigen, und die beiden Frauen wirkten ungewollt wie eine Insel in einem reißenden Strom.


    So setzten sich die beiden Frauen schließlich in Bewegung, den Thermen zustrebend, während Helena die eben aufgeworfenen Gedanken fortführte. "Bisher kann ich mich nicht über ein schlechtes Arbeitsklima beschweren der Comes Italia hat sich sehr gut um mich gekümmert, auch wenn er das nicht müsste - aber ihm scheint sehr viel daran gelegen, dass Ostia wieder eine funktionierende Verwaltung erhält. Wenn ich bedenke, wieviele Menschen dort täglich ein und aus gehen, so scheint mir das auch sehr wichtig zu sein - eine Bürgerschaft ohne Betreuung wird früher oder später unzufrieden sein, und ein Ostia mit Wut im Bauch ist sicher nicht gut für Rom."