Magistratus Marcus Iulius Lepidus
Mogontiacum / Germania Superior
Provincia Germania
Salve mein geliebter Vater,
ich hoffe, Du verzeihst mir, dass ich so lange nicht schrieb, doch die letzten Wochen waren voller Aufregungen und Anstrengungen, sodass mir kaum die Zeit blieb, meine Gedanken für einen Brief an Dich zu sammeln. Doch nun, da die Verhältnisse in der Casa Iulia in Rom endlich wieder einer geordneten Linie folgen, sollst Du erfahren, wie es Constantius und mir ergangen ist, seit wir in die Hauptstadt des Reiches zurückgekehrt sind. Du wirst nicht glauben, wo wir überall Spinnenweben und sonstiges Getier gefunden haben, seit Imperiosus aus der Casa ausgezogen ist, hat sich niemand wirklich darum gekümmert und die Sklaven haben die Gelegenheit nur allzu bereitwillig genutzt, es sich gut gehen zu lassen. Doch nach einigen antreibenden Worten und Anleitung ist die Casa wieder repräsentabel hergerichtet, und ich hoffe sehr, dass die Verwandtschaft, so sie denn auch in Rom erscheint, uns besucht, um zu sehen, dass die Iulier wieder in Rom einen Fuß in der Türe haben.
Constantius hat sich bei den Cohortes Urbanae beworben und wurde natürlich als Rekrut angenommen - der nächste Mann in der gens, der sich unserer Familientradition widmet, mit einer Waffe in der Hand auszuziehen und alles, was entfernt aussehen könnte, als sei es uns feindlich gesinnt, damit niederzuschlagen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er dabei seine Freude und Erfüllung finden wird, wenigstens sind es nicht die Legionen geworden, die mir den letzten Bruder damit entrissen hätten. So kommt er immer wieder in der Casa vorbei, auch wenn er in der Kaserne schlafen muss. Obwohl er bisweilen recht müde wirkt, glaube ich doch, dass er sich wacker schlägt und Dir und unserer Familie Ehre machen wird - vielleicht lässt Du ihn wissen, ob Du mit seiner Entscheidung für die Cohortes einverstanden bist? Er würde sich sicher über ein Zeichen der Freude sehr glücklich schätzen.
In Rom habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, Kontakte zu knüpfen und mich unter diejenigen zu mischen, die in der Stadt Einfluss und Macht besitzen, aber auch jene, die danach erst noch streben, um Constantius, sollte es notwendig sein, Steine aus seinem Weg zu räumen. Er ist eben noch ein wenig jünger als ich und der Umgang mit Fremden fällt ihm noch nicht so leicht, dass ich darauf verzichten könnte. Wir haben in Mantua die Ludi Florales und in Rom die Ludi Martiales besucht, und amüsanterweise war es mir bei beiden Festen möglich, interessante Bekanntschaften zu machen, unter anderem den Magistraten zu Mantua, Titus Aurelius Cicero, einen sehr höflichen und patrizisch wirkenden Mann. Er lud uns gar in sein Gästehaus ein, um die Nacht dort zu verbringen, und ich muss gestehen, dass er ein sehr guter Unterhalter ist. Aber auch Rom bot interessante Menschen auf, unter anderem den Septemvir Vibius Valerius Victor, dessen Vorliebe für die Wagenrennen von Constantius geteilt wird, und den Magistraten zu Misenum, Manius Tiberius Durus, der ebenfalls vom Rennfieber angesteckt scheint.
Wir wurden eingeladen, das Haus der Factio Veneta zu besuchen - und ich freue mich auf den Besuch, scheint doch der Rennsport Constantius' Vorsicht mit anderen Menschen ein wenig aufzuweichen. Vielleicht findet er dort Anschluss an Männer seines Alters, ich würde es mir jedenfalls sehr wünschen. Auch ein sehr reizendes Ehepaar, Decimus Artorius Corvinus und seine Frau Artoria Hypathia, konnte ich in Rom kennenlernen, sie ist eine sehr freundliche und weltoffene Griechin, er ein höflicher und vor allem recht gelassener Mann, den so leicht nichts aus der Ruhe zu bringen scheint. Du siehst, für einige Tage war ich also nicht untätig, ich habe auch die Stellung einer Scriba in Ostia angenommen, um unseren Unterhalt hier in Rom zu sichern, ohne allzu sehr auf einen Patron angewiesen zu sein, doch denke ich, wird es in den nächsten Wochen Zeit, dass Constantius sich ein wenig umsieht. Hast Du einen Wunsch, den wir in dieser Angelegenheit berücksichtigen sollen? Eine Familie, der wir in keinem Falle näher treten sollten?
Aber wenn wir schon bei Familien sind, denen man mit Vorsicht begegnen sollte, so muss ich Dir auch von Spurius Sergius Sulla und seinen Schwestern Messalina und Seia berichten. Durch Zufall lernte ich ihn kennen, und da er ein Medallion verloren hatte, brachte ich ihm dies in Begleitung des Artorius Corvinus zurück - du glaubst nicht, was einem geschehen kann, wenn man einen Höflichkeitsbesuch bei einer althergebrachten Familie macht! Die Sergier scheinen seltsame Sitten angenommen zu haben, denn Sergia Messalina versuchte mit allen Mitteln, die Aufmerksamkeit des Artorius Corvinus auf sich zu lenken und scheute sich nicht einmal davor, einen Sturz auf der Treppe zu inszenieren, um ihn dazu zu bringen, sie zu berühren. Sergius Sulla scheint der älteste Mann der gens Sergia in Rom, und dass seine Schwester sich nicht besser benimmt als eine käufliche Frau aus den billigeren Vierteln Ostias, spricht nicht gerade für die Sergier - auch, dass er mich bei unseren Gesprächen betrachtet, als wolle er mir am liebsten die Stola vom Körper ziehen, lässt mich an seiner Ehrbarkeit zweifeln. Er übergab uns einen Weihestein zu Ehren unseres großen Ahnen, Caius Iulius Caesar, und dessen Rede für die Verteidigung Catilinas, aber ich habe den Eindruck, es könnte sich nur um den Versuch handeln, seine gens wieder ins Gespräch zu bringen und sie im Geiste der Menschen mit dem Namen der Iulier zu verbinden.
Diese Familie erscheint mir recht sonderbar und ich fürchte, der Unterricht, um den er mich für Benimm und Anstand für seine Schwestern bat, wird wirklungslos an beider Köpfen vorbeischlüpfen. Wäre Titus noch am Leben, so wüsste er, was zu tun wäre, doch selten habe ich meinen Gemahl schmerzlicher vermisst als in solchen Stunden. Vielleicht weisst Du mir einen Rat für diese Angelegenheit? Ich möchte die Sergier nicht direkt vor den Kopf stoßen, aber dies alles fordert mehr Vorsicht denn ungehemmtes Vertrauen. Ich vermisse Dich, Vater, und ich hoffe, dass uns die Götter ein Wiedersehen in diesem Jahr ermöglichen - fühle Dich umarmt von Deiner Tochter
Iulia Helena