Constantius konnte ein Erstaunen nicht verbergen.
„Besuch aus Germanien? Das habe ich gar nicht mitbekommen. Ich verbringe wirklich zu viel Zeit in der Kaserne. Doch ob es der Grund für ihre Nachdenklichkeit ist, ich weiß es nicht, doch wage ich es zu vermuten. Hast du mitbekommen was dieser Besuch wollte?“
Constantius machte sich eine gedankliche Notiz, dass er durchaus noch an seinem „Zum rechten Zeitpunkt am richtigen Ort“ – Verhalten würde arbeiten müssen.
„Jedenfalls sagte sie mir, dass es angeblich nichts mit Jemanden in Germanien zu tun habe. Ich glaube, dass ein Gespräch zwischen dir und ihr wohl eine passendere Lösung wäre. Auch wenn deine Arbeit schon bereits deine volle Aufmerksamkeit erfordert.“
Die folgenden Worte, ließen Constantius unschuldig die Hände erheben.
„Meinem bösen Blick? Gewiss habe ich keinen bösen Blick. Höchstens einen kritischen. Was wäre schon ein Bruder oder ein Cousin, der für den Schutz der Stadt zu kämpfen bereit ist, aber dafür jene, die ihm besonders am Herzen liegen, schutzlos irgendwelchen Unbekannten überlässt.“
Seine Stimme verlor etwas an Intensität. So fügte er deutlich leiser an.
„Vielleicht übertreibe ich es manchmal….“
Ein verlegenes Lächeln sollte die nächsten Sekunden mehr schlecht als Recht überbrücken. Ein Lächeln, das einem sehr ernsten und besonnenen Gesichtsausdruck weichen sollte, als er nach einer Weile des aufmerksamen Zuhörens, den Grund für Helenas Seufzer erfuhr. Sicherlich war der Erfahrungsschatz des jüngeren Bruders, was Liebe und die Zuneigung, die Anziehung zwischen zwei Menschen betraf, begrenzt. Vor einer Woche noch, hätte er vielleicht gar kein Wort erwidern können, hätte ein für ihn übliches Stammeln hervorgebracht. Doch heute, an diesem Tage, an diesem Nachmittag, in diesem Augenblick erschien er sonderlich gereift und besonnen. Er legte beide Hände um die Hand Helenas. Ihre feine Hand wirkte einen Moment zerbrechlich, als sich die kräftigeren Hände des jüngeren Bruders um ihre schlossen. Doch sehr behutsam hielt er sie fest.
„Du fühlst dich zu ihm hingezogen.“
Er schüttelt sachte den Kopf als Zeichen, dass er keine Antwort erwartete,
„Ich bemerkte Blick der Symphatie zwischen euch beiden, als wir vor einiger Zeit in Circus Maxiumus unsere Runden auf dem Streitwagen ziehen durften.“
Kurz ließ er seinen Worten ein nachdenkliches Schweigen folgen. Einen Moment des Nachdenkens. Ein Augenblick um seine Gedanken zu verständlichen Worten zu formen.
„Und es waren Blicke, die von euch beiden erwidert wurden. Du weißt, dass ich bis zu dem Tag, an dem ich zu Asche verbrennen werde, für dich einstehe und bemüht sein werde dich zu schützen.“
Es war als hätte Constantius eine verborgene Tür seines Ichs aufgestoßen. Eine Tür, die eine Kammer voller merkwürdiger Einsichten und Gedanken verborgen gehalten hatte. Es waren viele schmerzende Einsichten darunter, jedoch waren es notwendige, erforderliche Einsichten.
„Ich weiß, dass es Dinge gibt, die ich dir nicht abnehmen kann. Es gibt Schmerzen, die kein gutes Wort, keine gute Tat, völlig zu lindern vermag.“ Sein Blick senkte sich gen Boden, ihm war bewusst, dass er einen Teil seines Schmerzes offenbarte und kämpfte gegen die Verlegenheit, gegen den Drang zum Stammeln an.
„So wird es dir auch nicht helfen, wenn ich dir sage, dass du niemals alleine sein wirst, so lange ich lebe.“ Die Worte kosteten Kraft und verloren immer mehr an Lautstärke, bis sie in einem Seufzer untergingen. Erst zwei tiefe Atemzüge später war seine Stimme wieder vernehmbar.
„Ich weiß, dass du niemals etwas unternehmen würdest, dass unserer Familie Schande bereiten würde. Dafür würde ich meine beiden Hände ins Feuer legen. Ich kann diesen Mann nicht recht einschätzen, doch bisher habe ich noch keinen Grund gefunden, ihm Arglist oder heimtückische Gedanken vorzuwerfen. Ich bin bereit mit diesem Mann zu reden, wenn du es wünscht. Vielleicht vermag ich Dinge zu erfahren, die du nicht offen fragen darfst. “