Beiträge von Caius Iulius Constantius

    Ein glückliches Gefühl beschlich Constantius als er Livillas heiteres, ungezwungenes Lachen vernahm. Es war schon eine Weile her, dass diesem Raum ein derartiges Geschenk zu Teil wurde. Meist vernahmen die geduldigen, kalten Wände des cubiculums nur das müde Schnarchen eines noch erschöpfteren Soldaten.
    Er ließ seinen Blick einen Moment auf Livillas Antlitz ruhen. War froh darüber, dass sie einen Moment lang wieder so heiter wie damals in Hispanien erschien und bemerkte erst, dass der Stapel Pergamente fast zu Boden gefallen wäre, als Livilla ihn bereits wieder aufgefangen hatte.


    „Ja er und seine Taten, seine Redkunst wird die Ewigkeit überdauern. Keine meiner Taten wird jemals auch nur annähernd aus seinem Schatten treten können. Alles was ich vermag ist seinen Taten keine Schande zu machen“
    Seine Stimme klang nicht verbittert, eher etwas nachdenklich, als hätte er eine wichtige Erkenntnis gemacht und fast akzeptiert.


    Doch seine Augen, kurz ermattet von dieser Erkenntnis sollten erneut freudig aufblitzen, als Livilla sich wieder ihm zuwendete.


    „Wie könnte ich das vergessen. Ich war mir nur nicht sicher, ob du nach dem anstrengenden Mittag noch mit mir den weiten Weg bis auf den Hügel antreten möchtest. Ich hätte es mehr als verstanden, wenn du stattdessen lieber hier geblieben wärest.“


    Er erhob sich schmunzelnd, blieb dicht vor Livilla stehen und blickte sie sanft fragend an.


    „Aber der Ausblick wird dich für den langen Weg entschädigen. Vor allem in der heutigen klaren Nacht wird es wundervoll sein. Also wenn du noch magst, ich wäre mehr als bereit.“

    Die für Constantius so typischen, nachdenklichen Fakten bildeten sich erneut auf seiner Stirn. Ließ die Worte des Sergiers einen Moment auf sich wirken.


    „Mag es nicht auch sein, dass du mehr für diese Frau inzwischen empfindest? Liebe vermag das Wesen eines Mannes auch zu ändern. Ob zum Guten oder zum Schlechten sei dahingestellt, denn beides ist möglich.“


    Seine Gedanken verlangten nach mehr Zeit. Ließen seine Worte pausieren.


    „Du glaubst dein mächtiger Gott ist dir wegen einer Liebelei erschienen. Um dich auf den rechten Weg zu führen? Versteh mich nicht falsch, aber es klingt in meinen Ohren merkwürdig. Müsste es nicht weit wichtigere Aufgaben für Mithras geben? “


    Constantius schüttelte lächelnd den Kopf.


    „Livilla. Du weißt doch, dass du mich niemals stören wirst. Ganz im Gegenteil. Deine Gesellschaft ist mir weitaus angenehmer als diese trockenen Schriftstücke.“


    Kurz verlor das Lächeln des jungen Mannes an Intensität. Veränderte sich zu einem nachdenklichen Lächeln, denn Constantius war sich einen Moment nicht sicher, ob seine Worte so vorteilhaft geklungen hatten, wie er sie gemeint hatte. Hoffte jedoch, dass Livilla es richtig verstehen würde und ließ sein Lächeln wieder erstrahlen.


    „Es ist nur eine Rede von Gaius Iulius Caesar vor dem Senat. Seine Redekunst ist beeindruckend. Ich wünschte ich hätte nur einen Bruchteil seiner Gabe. Ich hoffe nun, dass ich wenigstens einen Teil erlernen kann, wenn ich seine Reden studiere.“


    Etwas verlegend zu Livilla aufblickend fügte er an.
    „Manchmal glaube ich, dass ich nichts von der Redekunst der Iulier geerbt habe. Doch verrate du mir, warum du dich an so einem schönen Abend in das…“
    Er ließ seinen Blick durch den Raum gleiten
    „..das etwas unordentliche Zimmer eines einfachen Miles begibst. Wäre es nicht schöner diesen wundervollen Abend zu genießen?“

    Langsam und zögerlich öffnete sich die Tür des Barbierladens. Nicht völlig, eher sogar kaum, höchstens einen Spaltweit. Nicht ausreichend, dass eine menschliche Gestalt sich hindurchzwängen hätte können, doch mehr als Genug für fremdländisch klingende Worte. Auch wenn kein Römer den ägyptischen Wortgesang hätte verstehen können, vermittelte die Härte der ausgesprochenen Worte doch recht gut, wie es um die Gemütslage des Urhebers bestellt war.


    Für ägyptische Ohren und solche, die die Bedeutung der Worte enträtseln konnten ergab sich folgendes detailierteres Bild.


    „Merenptah kannst du bitte eine Lieferung vom Schied abholen. Merenptah kannst du bitte noch etwas vom Krämer besorgen. Merenptah mir fehlen noch ein paar besondere Zutaten, schau dich doch einmal um. Merenptah mach dies. Merenptah mach das. Merenptah könntest du mal und Merenptah mach mal. Ja bin ich denn sein Sklave…und dann schafft er es nicht einmal diese verfluchte Tür zu reparieren. Es ist immer noch einfacher eine Pyramide zu errichten, als diese von den Göttern verfluchte Tür zu öffnen.“


    Als die folgenden Worte in einem angestrengten Keuchen untergingen, erbarmte sich die nicht allzu schwergängige Tür und gewährte den Blick auf einen eher schmächtigen, dafür sehr gepflegten Ägypter. Einen Ägypter, der dazu noch voller Mühe einen großen Korb voller Waren vor sich hertrug – oder sagen wir besser, vor sich hergetragen hätte, ginge er nicht gerade rückwärts und hätte die Tür mit seinem Hinterteil aufgedrückt-


    Als wäre nichts gewesen, wirbelte er herum und setzte ein äußerst höfliches Lächeln auf.
    „Mein lieber Nephetep. Ich habe zu meinem und vor allem deinen Glück alles bekommen was du dir gewünscht hast. Wo darf ich es denn abstellen?“


    Vor den anwesenden Römern verneigte er sich höflich und verlor fast das Gleichgewicht, als der Korb voller Waren, den kleinen Mann aus seinem Gleichgewicht brachte.

    Constantius blinzelte in die hell strahlende Sonne. Im Grunde wusste er wie die helle, leuchtende Himmelscheibe aussah, aber ungewollt musste er dem Fingerzeig des Chlorus folgen. Sich davon überzeugen, was er so demutsvoll beschrieb.
    Es stellte sich heraus, was eigentlich dem Iulier durchaus bekannt war, dass der Blick in die grelle Sonne durchaus von Nachteil sein kann. Denn als er wieder seinem Gesprächspartner seine Aufmerksamkeit und seinen Blick widmen wollte, tanzten viele kleine leuchtende Sterne, dutzende heller und dunkler Punkte durch sein Sichtfeld. Ließen die Umgebung, Personen, Häuser zu einem verwaschenem Meer aus Farben verschmelzen. Erst einige Sekunden und einige Wimpernschläge später sollten sich die bekannten Strukturen der realen Welt wieder herauskristallisieren.


    „Und wieso bist du dir so sicher, dass es wirklich Mithras war? Und wie hat er dich verändert? Was hat sich so von dem Menschen unterschieden, der du heute bist? „

    Ja vielleicht hatte Helena ja wirklich Recht. Immerhin würde er es selbst auch niemanden offenbaren wollen, wenn eine unglückliche Liebe sein Herz schwer werden ließ. So wie er es jetzt im Moment auch niemanden offenbaren wollte, und doch Helena mehr als nur einen Hinweis auf seinen eigenen Gemütszustand geliefert hatte.


    Es war erstaunlich was ein Gefühl, das als das Schönste aller Gefühle in Liedern und Sagen gepriesen wurde, doch auch an Leid und Schmerz verursachen konnte. Hatte die Liebe nicht das Ende Trojas besiegelt? War verschmähte oder nicht erwiderte Liebe nicht der Grund für so manchen Zwist, Streitigkeiten und Blutvergießen? Hatte die unendliche Liebe Didos zu Aeneas die schöne Königin nicht in den Selbstmord getrieben und den Hass zwischen Karthago und Rom begründet? Aber war nicht Liebe der Grund warum Orpheus in die Unterwelt hinabstieg um seine Geliebte Eurydike zu befreien und zurück zu gewinnen? War es nicht Liebe, die ein unerschütterliches Band zwischen den Angehörigen einer Familie schmiedete. War sie nicht der Grund, warum selbst der einfachste Mann in der Stunde der Bedrohung seiner Lieben zur Waffe griff, ohne auf sein eigenes Leben zu achten?


    Es waren wohl vor allem die griechischen Sagen und Erzählungen, denen Constantius wissbegierig und erstaunt gelauscht hatte, wenn ein Besucher, einer seiner Brüder oder sein Vater eine dieser kunstvollen Geschichten preis gab, die sein Weltbild über die Liebe geformt hatten. Es waren Geschichten, die ganz und gar nicht der Realität entsprachen und schon gar nicht dem römischen Alltagsleben. Aber es waren Geschichten, die man sich in den Geist zurückrufen konnte, wenn die Stunden einsam und leer und voller Schmerz erschienen.
    Er lächelte versonnen. Erinnerte sich an Momente, in denen er mit offenem Mund den Erzählungen seiner Mutter und Helena zugehört hatte, wenn er einmal mehr eine Geschichte über Hector oder Herkules hören wollte. Geschichten voller Spannung, vorgetragen mit brillanter Redekunst beider Erzählerinnen und, so wusste er heute, nirgends niedergeschrieben, denn sie waren extra für ihn, den kleinen Constantius von den beiden erfunden worden.
    Constantius ließ die Erinnerung noch einen Moment gewähren. Beließ das sachte Lächeln auf seinen Lippen und umschloss Helen mit seinen Armen. Könnte er ihr doch heute auch etwas Ähnliches erzählen, was ihr den Schmerz nehmen und ein Gefühl des Glücks geben konnte. So wie ihre Geschichten die Augen eines kleinen Iuliers, bewaffnet mit einem Holzgladius, hatten vor Glück erstrahlen lassen.
    Behutsam aber dennoch sicher hielt er sie in seinen Armen und ließ seine Worte mit ruhiger Stimme ertönen.


    „Würde ich in ihm keinen ehrbaren Mann sehen, hätte ich niemals überlegt mit ihm zu sprechen. Doch vielleicht gibt es einen Grund, dass er so weit getrennt von seiner Frau lebt. Warum sie nicht an seiner Seite weilt, wie es sich gehört. Er ist immerhin kein Soldat, der sich auf einem Feldzug befindet. Fragen, die ich vielleicht stellen und ergründen kann. Und mir auch ein Bild von seiner wahren Aufrichtigkeit machen kann“


    In Gedanken, unausgesprochen fügte er an:
    „Sollte er eine Liebelei in Erwägung ziehen, an deren Ende dich nur Leid und Kummer erwarten, würde ihm selbst ein göttliches Eingreifen nicht mehr schützen können“


    „Ich werde jedoch nichts unternehmen, was nicht in deinem Interesse ist. Du sollst nur wissen…“
    Da war es wieder. Jene Trockenheit in seinem Mund, die ihm oft die Sprache verschlug.
    „.. was ich zu deinem Glück tun kann werde ich tun.“
    Die Worte waren leise, sogar für seine Verhältnisse sehr leise ausgesprochen worden und kaum verständlich, vielleicht sogar nur erahnbar.
    So langsam wie er seine Arme um sie vollends geschlossen hatte, öffnete er diese auch wieder. Nicht völlig, sondern nur so weit, dass er sie bedeutsam anblicken und anlächeln konnte.
    „Du weißt ich bin damals nie von deiner Seite gewichen und ich werde es auch in ferner Zukunft nicht tun. Und ob du es mir glaubst oder nicht. Es ist nicht nur die Aussicht auf frische Meeresfrüchte, die mich zum diesem Versprechen antreibt. Vielleicht ist es eher Bosheit eines kleineren Bruders, der es nicht sein lassen kann seiner einzigen Schwester zur Last zu fallen.“
    Es waren fröhlich vorgetragene Worte. Worte, obwohl sie neckend und schelmisch erklangen, durchaus ihren warmen, aufrichtigen Hintergrund nicht verbergen konnte. Eben jene besonders feste Bindung zwischen den beiden Geschwistern, die selbst Jahre der Trennung unbeschadet überstanden hatte.


    "Ich weiß nicht wann du dein Glück finden wirst. Doch ich weiß, dass du es finden wirst." Woher er glaubte dieses zu wissen, von seinen träumen, von seinen Gebeten im Tempel der Venus erzählte er jedoch nichts. Es gab eben noch Dinge, die er im Verbogenen belassen wollte.

    Die nachdenklichen Falten auf der Stirn des Iuliers schienen nicht mehr weichen zu wollen und krönten die sinnierende Pose des Miles, als er die Hand an sein Kinn führte. Sekunden lang blickte Constantius in die Ferne, nach einer Lösung für das Problem des Sergiers suchend, die er jedoch nicht fand.
    Es lag aufrichtiges Bedauern in seiner Stimme, als er sich wieder an seinen Gesprächspartner wandte.
    „In der Tat, du solltest dich zunächst auf deine Ausbildung konzentrieren. Sie wird dich viel Kraft kosten und bereits alleine deine Willensstärke auf eine harte Probe stellen. Setzte dir das Ziel die Ausbildung rasch und ohne Fehler zu überstehen, damit du deine notwendige Reise nach Sizilien antreten kannst.“


    Eine weitere Gedankenpause schob sich in die Worte Constantius ein. Im Grunde wusste er nicht viel von diesem Kult. Hatte nur als Bursche zwei Legionäre belauscht, die sich angeregt über Mithras unterhalten hatten und ihm den Beinamen „Sol invictus“ gaben. Scheinbar war dieser Kult nicht derart verpönt wie das Christentum, doch im Hause der Iulier damals kein Thema gewesen. Behutsam schüttelte er sein Haupt.


    „Im Grunde weiß ich nicht viel über den Kult des Mithras… Ich hörte Bruchstückhaft etwas über diesen ..Sonnengott. Ist es vermessen zu fragen, was er dir sagte, als er dir erschienen ist? Verehrst du diesen Gott?“


    Der Gedanke, dass ein Gott einem Menschen erscheinen könnte, war Constantius durchaus nicht abwegig. Es gab viele Geschichten, in denen die Götter besonderen Menschen erschienen waren. Die Götter griffen ja auch täglich in das Leben der Menschen ein. Doch trotzdem beäugte er Chlorus für einen Moment wie einen Mann, der bei dieser Vision vielleicht etwas zu viel schweren Wein konsumiert hatte.

    Von jenem mystischen Kult um den Gott Mythras hatte Constantius nur wage Gerüchte gehört. Angeblich fielen immer mehr Legionäre diesen Glauben anheim.
    Constantius selbst schenkte diesem Treiben aufgrund seiner traditionelle Erziehung, seiner unumstößlichen Verehrung von Iupiter, Mars und vor allem Venus als Mutter des Aeneas, Begründer der Gens der Iulier, keine Aufmerksamkeit.


    „Wenn dich dein Gewissen plagt und du schon eine Weile diese Träume hast, warum bist du nicht schon zuvor nach Sizilien gereist, bevor du dich bei der Legion gemeldet hast? Du wirst nun viele Monde die Kaserne nicht mehr verlassen können. Die Grundausbildung ist hart und anstrengend und erfordert die gesamte Aufmerksamkeit eines Legionärs. Wäre es nicht besser gewesen, du hättest zuvor deinen Geist von diesen belastenden Visionen befreit?“


    Constantius seufzte leicht und beließ seinen Blick auf dem Sergier.


    „Befrage das Orakel. Vielleicht erhältst du eine ausreichende Antwort, die dir die Ruhe gibt, um dich auf deine Ausbildung zu konzentrieren. Mehr wirst du wohl im Moment nicht unternehmen können. Bete zu den Göttern für das Wohl jener Frau, die du aufgrund eines Fernwehs zurückgelassen hast.“


    Leicht veränderte er seine Körperhaltung, streckte seinen Rücken und ließ den Blick einmal über die Umgebung schweifen.


    „Mythras soll dir erschienen sein?", fragte er etwas ungläubig. nicht wissend ob sein Gegenüber sich vielleicht einen Scherz erlaubte.
    "Und was wollte er von dir?"

    Inzwischen deuteten kleine Falten auf der Stirn des Miles deutlich daraufhin, dass angestrengt nachdachte.
    „Träume können trügerisch sein. Vielleicht ist es auch nur die Stadt Rom, die dich so verwirrt, wenn du so lange auf Reisen warst. Aber vielleicht ist doch etwas dran an deinen Träumen. Gewissheit wirst du nur erhalten, wenn du dich nach Sizilien begibst. Wenn dir die Götter dir schon in deinen Träumen diese Ahnung schenken, werden sie dir vielleicht auch bei deiner Suche helfen. An deiner Stelle würde ich mich jedenfalls wohler fühlen, wenn ich wenigstens mit der Suche beschäftigt wäre, anstatt weiter in der Dunkelheit der Ungewissheit herum zu irren.


    Er legte eine kurze Pause ein. Kleine Falten bildeten sich auf seiner Stirn und er blickte mit fragender, ernster Miene zu Chlorus.


    „ seit Mithras ?“, hakte er nach und ließ den Blick nun nicht von Chlorus ab.

    Constantius konnte ein Erstaunen nicht verbergen.
    „Besuch aus Germanien? Das habe ich gar nicht mitbekommen. Ich verbringe wirklich zu viel Zeit in der Kaserne. Doch ob es der Grund für ihre Nachdenklichkeit ist, ich weiß es nicht, doch wage ich es zu vermuten. Hast du mitbekommen was dieser Besuch wollte?“


    Constantius machte sich eine gedankliche Notiz, dass er durchaus noch an seinem „Zum rechten Zeitpunkt am richtigen Ort“ – Verhalten würde arbeiten müssen.


    „Jedenfalls sagte sie mir, dass es angeblich nichts mit Jemanden in Germanien zu tun habe. Ich glaube, dass ein Gespräch zwischen dir und ihr wohl eine passendere Lösung wäre. Auch wenn deine Arbeit schon bereits deine volle Aufmerksamkeit erfordert.“
    Die folgenden Worte, ließen Constantius unschuldig die Hände erheben.
    „Meinem bösen Blick? Gewiss habe ich keinen bösen Blick. Höchstens einen kritischen. Was wäre schon ein Bruder oder ein Cousin, der für den Schutz der Stadt zu kämpfen bereit ist, aber dafür jene, die ihm besonders am Herzen liegen, schutzlos irgendwelchen Unbekannten überlässt.“


    Seine Stimme verlor etwas an Intensität. So fügte er deutlich leiser an.
    „Vielleicht übertreibe ich es manchmal….“


    Ein verlegenes Lächeln sollte die nächsten Sekunden mehr schlecht als Recht überbrücken. Ein Lächeln, das einem sehr ernsten und besonnenen Gesichtsausdruck weichen sollte, als er nach einer Weile des aufmerksamen Zuhörens, den Grund für Helenas Seufzer erfuhr. Sicherlich war der Erfahrungsschatz des jüngeren Bruders, was Liebe und die Zuneigung, die Anziehung zwischen zwei Menschen betraf, begrenzt. Vor einer Woche noch, hätte er vielleicht gar kein Wort erwidern können, hätte ein für ihn übliches Stammeln hervorgebracht. Doch heute, an diesem Tage, an diesem Nachmittag, in diesem Augenblick erschien er sonderlich gereift und besonnen. Er legte beide Hände um die Hand Helenas. Ihre feine Hand wirkte einen Moment zerbrechlich, als sich die kräftigeren Hände des jüngeren Bruders um ihre schlossen. Doch sehr behutsam hielt er sie fest.


    „Du fühlst dich zu ihm hingezogen.“
    Er schüttelt sachte den Kopf als Zeichen, dass er keine Antwort erwartete,
    „Ich bemerkte Blick der Symphatie zwischen euch beiden, als wir vor einiger Zeit in Circus Maxiumus unsere Runden auf dem Streitwagen ziehen durften.“
    Kurz ließ er seinen Worten ein nachdenkliches Schweigen folgen. Einen Moment des Nachdenkens. Ein Augenblick um seine Gedanken zu verständlichen Worten zu formen.
    „Und es waren Blicke, die von euch beiden erwidert wurden. Du weißt, dass ich bis zu dem Tag, an dem ich zu Asche verbrennen werde, für dich einstehe und bemüht sein werde dich zu schützen.“


    Es war als hätte Constantius eine verborgene Tür seines Ichs aufgestoßen. Eine Tür, die eine Kammer voller merkwürdiger Einsichten und Gedanken verborgen gehalten hatte. Es waren viele schmerzende Einsichten darunter, jedoch waren es notwendige, erforderliche Einsichten.


    „Ich weiß, dass es Dinge gibt, die ich dir nicht abnehmen kann. Es gibt Schmerzen, die kein gutes Wort, keine gute Tat, völlig zu lindern vermag.“ Sein Blick senkte sich gen Boden, ihm war bewusst, dass er einen Teil seines Schmerzes offenbarte und kämpfte gegen die Verlegenheit, gegen den Drang zum Stammeln an.


    „So wird es dir auch nicht helfen, wenn ich dir sage, dass du niemals alleine sein wirst, so lange ich lebe.“ Die Worte kosteten Kraft und verloren immer mehr an Lautstärke, bis sie in einem Seufzer untergingen. Erst zwei tiefe Atemzüge später war seine Stimme wieder vernehmbar.


    „Ich weiß, dass du niemals etwas unternehmen würdest, dass unserer Familie Schande bereiten würde. Dafür würde ich meine beiden Hände ins Feuer legen. Ich kann diesen Mann nicht recht einschätzen, doch bisher habe ich noch keinen Grund gefunden, ihm Arglist oder heimtückische Gedanken vorzuwerfen. Ich bin bereit mit diesem Mann zu reden, wenn du es wünscht. Vielleicht vermag ich Dinge zu erfahren, die du nicht offen fragen darfst. “

    Constantius lauschte aufmerksam Chlorus’ Schilderung. War es möglich, dass er mit seinen Befürchtungen Recht hatte? Ein unangenehmer Gedanke keimt ein Constantius heran. War es vielleicht möglich, dass vielleicht..unter Umständen …
    Nein das konnte nicht sein. Die Götter würden einer solchen kurzen Begegnung zwischen ihm und Samira kein solches Geschenk machen.
    Um sich von seinen eigenen Gedanken abzulenken, diese zu verdrängen, erhob er die Stimme als Chlorus geendet hatte.


    „Viele Priester sagen, dass die Götter durch Träume zu uns sprechen. Aber bist du sicher, dass Träume Grund genug für deine Annahme sind? Vielleicht ist es auch nur dein schlechtes Gewissen, das dich plagt, weil du dich davongeschlichen hast. Doch ich bin nur ein einfacher Miles, vielleicht solltest du einem Priester deine Träume erzählen. Diese..“, er fügte eine beutungsschwangere Pause ein,“…wissen ja so gut wie alles. Oder befrage das Orakel, vielleicht wirst du einen Hinweis erhalten.“


    Nun seufzte er leicht. Er konnte es seinem Gegenüber nachfühlen. Ungewissheit kann eine wahre Plage sein. Vorallem, wenn man sich durch kein Mittel, durch keinen noch so großen Einsatz Gewissheit verschaffen konnte.


    „Ich nehme einmall an, dass du nicht weißt woher sie kam oder wo sie sich aufhalten könnte, oder?

    „Und noch mehr..“, wiederholte Constantius die Worte des jungen Mannes, als er sich selbst mit einer Hand auf dem neu aufgerichteten Scutum abstützte.
    Einen Augenblick ließ er seinen Blick nachdenklich auf Chlorus ruhen. Im Grunde kannte er sein Gegenüber ja gar nicht. Wusste nichts von seiner Natur, von seiner Art und den möglicherweise großen Problemen. Eigentlich hätte Constantius also ihm nur Glück für die Lösung seiner Probleme wünschen müssen und sich dann anderen Dingen zuwenden können. Doch etwas hielt den Iulier davon ab, den Mann fortzuschicken. Er kannte jenen verklärten, traurigen Blick. Vor ihm stand ein Leidensgenosse. Vielleicht sogar jemand, den es weit schlimmer erwischt hatte als Constantius selbst.


    „Ich nehme an, dass etwas zwischen euch steht. Ich hoffe dabei sehr, dass es nicht der Tod selbst ist, der eine unüberwindbare Grenze darstellt. Ist es eine große Entfernung, ihr Vater oder ein anderer Mann?“, fragte er mit höflicher, gedämpfter Stimme nach.

    Am Ende des Tages hatte sich Constantius tatsächlich in sein Cubiculum zurückgezogen. Doch nicht um sich wie in den Tagen seiner Grundausbildung von den körperlichen Strapazen der Ausbildung zu erholen. Lag nicht heimlich auf seinen Bett und versuchte einen Moment Entspannung zu finden, um später seinen angegriffenen Zustand besser verbergen zu können. Jedenfalls nicht in diesem Moment.
    Auch stand er nicht gedankenverloren an seinem Fenster und spähte sehnsüchtig in die Abenddämmerung. Jedenfalls stand er nicht dort, als es an seiner Tür klopfte. Hätte Livillia ein paar Minuten vorher in zu erreichen versucht, hätte sie ihn wohl in seiner sinnierenden Pose am Fenster erwischt. Aber so wollte es der Zufall, dass er über einem Pergament gebeugt an einem Tisch dasaß und dieses eindringlich studierte. Ein Pergament seiner Ahnen. Eine Rede des wohl bedeutendsten Ahnen, den sich seine Familie rühmen konnte. Eine Rede des Gaius Iulius Caesar.
    Erst als die Stimme Livillas gedämpft hinter der hölzernen Tür erklang, wurde Constantius gewahr, dass jemand ihn zu erreichen versuchte. Behutsam schob er das kostbare Schriftwerk zur Seite und blickte sich um. Als er sich von seinem Stuhl erhob, trat ein Lächeln auf seine Züge. Er war sichtlich erfreut über diese Unterbrechung


    "Komm nur herein, Livilla.", rief er ihr freundlich entgegen.


    Als sie schließlich die Tür öffnete, offenbarte sich ein kleines Chaos in seinem Zimmer. Ein Haufen Pergamente und kostbare Bücher stapelte sich auf dem einzigen Tisch in seinem Raum. Seine Uniform lag zwar ordentlich gefaltet auf dem Bett, doch das Bett erweckte den Eindruck, als ob ein müder Miles vor nicht langer Zeit darauf gelegen hatte. Constantius selbst jedoch bot keinen zu sehr erschöpften Anblick. Eine eher gräulich als weiße Tunika tragend, schien er durchaus aufgeweckt und aufmerksam. Mit einem Lächeln auf seinen Lippen blickte er Livilla freundlich an.


    "Es ist schön dich zu sehen, Livilla. Kann ich etwas für dich tun?"

    Der Abend hatte auch in der Castra urbanae Einzug erhalten. Entließ einen Großteil der glücklicheren Miles aus dem täglichen Dienst und gestattete ihnen, sich in die Unterkünfte zurückzuziehen. Nur die Wenigen vom Schicksal weniger freundlich behandelten, die zum Wachdienst eingeteilt worden waren, verharrten draußen auf ihren Posten.
    An diesem Abend gehörte Constantius zu den weniger glücklichen. Ihm war die Wache von Mitternacht bis zum nächsten Morgen zugeteilt worden. Wohl die unglücklichste Zeit für einen Soldaten. Am Abend war es zu früh um einen erholsamen schlaf zu finden und in der Zeit, in der sich der Körper am meisten nach dem erholsamen Schlaf sehnte, hatte er wachsam zu sein. Ein oft sehr schwieriges Unterfangen.


    Nachdem Constantius, wie jedem Abend, seine Wurfübungen mit dem Pilum abgeschlossen hatte, lenkte auch er seine Schritte in die Unterkünfte. Es war voll und stickig in den kargen Räumen der Miles. Dutzende Soldaten verharrten in Gruppen, lachten und scherzten, bereiteten sich auf den Abend in der ewigen Stadt vor.
    Begleitet von einem Chor aus fröhlichen Stimmen, begab sich Constantius schweigend zu seiner Liege. Setzte sich auf deren Rand und legte das Pilum zu seinem Füßen. Er atmete seufzend ein und aus und beließ den Blick auf die alten, teilweise gebrochenen Fliesen des Bodens. Um in herum, führten seine Kameraden im gleichen Tonfall ihre Gespräche fort.
    Bruchstücke des Stimmenwirrwarrs erreichten Constantius, doch schienen sie nicht bis in sein Inneres vorzudringen, zumindest zeigte der Iulier keinerlei Regung.


    „Wißt ihr, ich werde heute Abend meinen ganzen Wochensold in der Taverne verprassen. Ich werde mir den besten Wein gönnen den sie aufbieten könnn“


    „Ach Felix, deine Frau wird dich steinigen wenn du es noch mal wieder nach Hause schaffst!“
    Lachen erfüllte für einen Moment die Räume.


    „Ha. Lacht ihr nur. Dieser Drache ist unersättlich! Ich sage euch. Es ist schlimm. Ständig ist sie nur hinter dem Geld her.“
    „Hinter dir wird sie ja wohl kaum noch her sein!“
    Wieder schallte das Lachen vieler Männer von den Wänden wieder


    „Wieso. Ich bin doch ein begehrenswerter Mann. In meiner Uniform sehe ich doch noch immer prächtig aus“
    „Solltest du es noch mal irgendwann schaffen deinen Bauch einzuziehen, vielleicht. Was hat dich eigentlich zur Cohortes Urbanae geführt Felix?“


    „Der gute Sold natürlich. Und der Dienst ist bei weitem nicht so anstrengend wie in der Legion.“


    „Ja wie man an dir eindrucksvoll erkennen kann!“


    Zum dritten Mal ertönte das kollektive Lachen aus den Kehlen der Männer. Doch dieses Mal richtete sich die Aufmerksamkeit der Gruppe nicht wieder auf den beleibten Felix, sondern auf Constantius.


    „He, Constantius. Heute wieder so schweigsam? Hat man dich etwa zur Wache eingeteilt? Warum bist du eigentlich zur Cohortes gegangen? Auch wegen des Soldes? Oder weil du den Stress der Legion nicht aushalten könntest.“


    Ruhe kehrte plötzlich in den Raum ein. Jene merkwürdige, gespannte und unangenehme Stille, die wie ein Knistern den Raum erfüllte. Sekunden verstrichen.
    Ohne den Blick zu heben antwortete der Iulier schließlich.
    „Um Rom zu dienen.“


    Ob gewollt oder nicht. Seine Worte führten dazu, dass sich die Stille in ein weiteres gemeinsames Lachen verwandelte.


    „Ruhm und Ehre. Heldentaten. Rom dienen. Komm zu Verstand Constantius. Hier wirst du keine Ruhm ernten. Mit etwas Glück wirst du nicht in einer dunklen Gasse erstochen aufgefunden werden, doch große Siege wirst du nicht erringen. Weißt du was man sich in der Legion über uns erzählt? Wir wären nur dazu in der Lage unsere Schilde festzuhalten und eine Reihe zu bilden. Zum kämpfen sind wir nicht zu gebrauchen. Suchst du Ruhm und Ehre. Geh in die Legion. Zumindest wirst du dort einen anderen Tod erleben als hier. Keinen Einsamen in einer Gasse, sondern einen auf dem Schlachtfeld umgeben von tausend anderen.“


    Die Worte waren hart und zynisch ausgesprochen worden und verfehlten ihre Wirkung nicht. Constantius hob den Blick und starrte den Urheber der Worte an.


    „Constantius. An Caesaren und große Feldherren erinnert man sich. Nicht an die Soldaten auf deren Knochen sich ihr Rum gründet. Akzeptiere es oder geh in die Legion und stirb wie so viele meiner Familie, wie so viele Römer.“


    In Constantius beschworen diese Worte die Bilder seiner gefallen Brüder herauf. Ließen in einem Moment schweigend in die Runde blickend.
    Während der Iulier schwieg, richtete der Wortführer seine Stimme an die neuen Probati.


    „Und ihr? Weswegen seid ihr der Cohortes urbanae beigetreten?“

    Liebe auf den ersten Blick. Ja vielleicht gab es so etwas. In vielen Geschichten hatte Constantius von diesem Mythos gehört, doch hatte er ihn schon erlebt? Hatte er wirklich schon geliebt, oder war es nur Schwärmerei? Was immer es war….es hatte keinen Einfluss auf die Situation.


    „Ja vielleicht ist es möglich. Vielleicht aber auch nicht. Doch jeder, der sich meiner schwester mit unaufrichtigen Absichten nähert, wird es bereuen.“


    Es waren keine drohenden Worte gewesen. Sie erklangen eher wie die Erneuerung eines Schwurs, der unumstößlich sein Leben prägte.


    „Doch für mich wird es Zeit in die Kaserne zurückzukehren. Wenn du noch magst, werde ich morgen wieder hier sein.“

    Nachdenklich blickt Constantius zu dem jungen Mann, der so betrübt drein schaute. Irgendwie kannte er selbst diesen Gesichstsaudruck. Es hatte wohl ebenso bedrückt ausgesehen, als er seinen Weg zu Samira angetreten hatte.
    War seine Stimme vorher noch vom Zorn hart und abweisend, sollte sie nun einen deutlich freundlicheren Tonfall annehmen.


    „Der Grund für deine Sorgen ist eine Frau, oder irre ich mich?“

    Unbekümmert lächelte er, weiterhin seinen Blick in die Ferne gerichtet.
    „Ja, vielleicht habe ich ihren Namen durchaus schon vernommen. Aber wie soll sich ein einfacher Miles nur so viele wichtige Persönlichkeiten merken können? Immerhin werde ich doch nur dafür bezahlt Befehle auszuführen.“


    Seine Worte klangen unbekümmert, fröhlich und unbeschwert. Es war einer der wenigen Momente, in denen er es verstand einen Teil seines Ichs verborgen zu halten. Im gefiel die Situation, dass er nur Befehlsempfänger war ganz und gar nicht. Als kleiner, dickköpfiger Junge hatte er sich schon gegen Befehle und Anweisungen gesträubt und nun als junger Mann, der sich immer noch zu etwas Größeren berufen fühlte, war ihm der Posten als Befehlsempfänger zu wenig. Während viele seiner Kameraden den ruhigen Dienst der letzten Zeit sehr begrüßten, sehnte sich Constantius mit jeder Faser seines Körpers nach großen Aufgaben, nach Bewährungsproben, nach der Möglichkeit ein Held zu werden. Dabei verschwendete er jedoch keinen Gedanken daran, dass die Geburt eines Helden viele tote namenlose Soldaten erforderte. Und vor allem, dass nicht sichergestellt war, dass er nicht einer jener Namenlosen sein würde.
    Doch dies waren Gedanken für einsame Momente. Momente hinter kalten Kasernenmauern, eingepfercht mit dutzenden anderer Miles.


    In der mittaglichen Sonne, war sein Lächeln ungebrochen, auch wenn ihn die weiteren Worte Helenas durchaus auch einmal schmunzeln ließen. Ja Politiker mochten es wirklich nicht, wenn sie zu Zuhörer degradiert wurden. Ihnen musste ein Abend ohne eine eigene Ansprache ebenso unbefriedigend erscheinen, wie einem Miles ein schwerer, anstrengender Dienst ohne abschließenden schweren Wein. Schwerer Wein, vielleicht sollte er eine Karaffe an diesem Abend für sich einschmuggeln lassen. Sicherlich würde er so die vorgetragenen Monologe besser ertragen können. Ein amüsanter aber nicht realisierbarer Gedanke. Trotzdem ein Gedanke, der ihn ein vergnügtes Schmunzeln auf die Lippen trieb.


    „Was Livilla betrifft. Ich habe manchmal den Eindruck, dass sie etwas beschäftigt. Obwohl sie mir sagte, dass es niemand ist, den sie in Germanien zurück gelassen hat, glaube ich schon, dass etwas sie bedrückt. Leider…“


    Er zuckte mit den Achseln.


    „Du weißt..ich bin nicht gerade der geeignete Kandidat um dem Grund herauszufinden. Aber vielleicht wird sie ja ein angenehmes Abendessen gut tun. Allerdings sollten es nicht zu viele junge Verehrer sein. Eine Frau in ihrem Alter als nicht belastende Gesprächspartnerin würde ich vielleicht sogar noch eher zu Gute kommen als ein junger Mann. Es wird noch früh genug passieren, dass auch ihre Verehrer mit Vehemenz an die Porta klopfen werden…“


    Seine Worte verloren an Kraft und gingen in einem einfachen schweigen unter. Mehr wollte und konnte er zu diesem Thema nicht sagen. Es war eben der Lauf der Dinge, dass die Familienbande zwar immer bestehen würde, doch die gemeinsame Zeit nur ein Geschenk von kurzer Dauer sein würde. Egal ob es seine Zeit mit Helena oder mit Livilla oder einem anderen Iulier oder einer anderen Iulierin war. Am Ende gingen die Wege wieder auseinander, sicherlich in dem Wissen, dass man einander nicht vergessen würde, doch eben auseinander. Dieser Tag, wenn die Porta der Casa sich schloß und Constantius alleine zurückblieb, würde der Tag werden, an dem er vielleicht seinen Weg zum Helden antrat.
    Das Bild eines ernsten Centurios, gezeichnet von unzähligen Kämpfen, jener Mann aus einem merkwürdigen Traum trat vor sein inneres Auge….


    Constantius schüttelte schwach den Kopf, vertrieb das Bild und die zugehörigen Gedanken. Ließ sein Lächeln, das kurz der Ernsthaftigkeit gewichen war, wieder obsiegen. Drückte schwach die Hand Helenas mit seiner eigenen und bemerkte ihr schwaches Seufzen.


    Zu seinem eigenen Erstaunen, war es kein Seufzen, dass er einzuordnen vermochte. Es war kein Ausdruck ihrer Gemütslage, den er aus ihrer gemeinsamen Kindheit blind verstand. Vorsichtig blickte er zu ihr. Zum ersten Mal keimte eine Ungewissheit in ihm auf.


    „Bedrückt dich vielleicht etwas?“

    Die Müdigkeit stand Constantius in dieser Nacht deutlich ins Gesicht geschrieben. Obwohl die Dunkelheit der Nacht gegen die Miles der Cohortes Urbanae arbeitete und Täter und Spuren unter ihrem schwarzen Mantel verbarg, verbarg sie auch die dunklen Ringe unter den Augen der Miles.


    Das Scutum in der linken Hand, das Pilum in der rechten Hand, postierte sich Constantius vor der Porta der Casa, während weitere Miles die Umgebung absuchten und absicherten. Zumindest durch die Tür würde wohl so schnell niemand mehr rein oder raus kommen.

    Constantius drapierte das schwere Scutum ordentlich vor seinen Füßen. Balancierte es so aus, dass es, von seinen Beinen gestützt, nicht umfallen konnte. Welch Erleichterung war es doch das Gewicht eines Teils der Ausrüstung nicht mehr tragen zu müssen. So vermochte der Tag vielleicht doch noch angenehm zu werden. Ein vorsichtiges Lächeln eroberte die Gesichtszüge des jungen Miles, als dieser einmal mehr seinen Blick schweifen ließ. Wenn nun auch noch Felix eine Weile fortbleiben und kein Taschendieb das Eingreifen der Cohortes Urbanae notwendig machen würde, könnte es ein recht angenehmer Tag werden…


    Plötzlich und unerwartet brachte ein Stoß den Miles aus seinem gut gelaunten Gleichgewicht. Um nicht der Nase lang auf den harten Boden des Forums hinzuschlagen, benötigte Constantius einen hastigen Ausfallschritt. Ein Schritt, der jedoch das labile Gleichgewicht des Scutums vernichtete.


    Das Scheppern des Scutums als es umfiel musste durchaus gut hörbar gewesen sein. Ebenso der recht unfreundliche Fluch eines Miles der Cohortes Urbanae, der in einer merkwürdigen Haltung um seine aufrechte Körperhaltung kämpfte und sie schließlich auch behaupten konnte.


    Constantius blickte sich um, um zu ergründen, was ihn gerade getroffen hatte.
    „Könnt ihr nicht gucken wo ihr hinlauft?“


    Grummelnd bückte er sich um das umgeworfene Scutum wieder aufzuheben.


    „Schlaft ihr etwa am helllichten Tage?“
    Langsam aber sicher verflüchtigte sich der Zorn des Iuliers.


    „Kann ich euch irgendwie helfen, Bürger?“


    Sim-Off:

    Tut mir leid. Es sollte eigentlich hellichter Tag sein. Nachts trauen sich keine Soldaten der Stadtwache aus der Kaserne heraus

    Einmal mehr hatte die sommerliche Hitze die ewige Stadt fest in ihren Griff. Ließ die Luft in den Gassen in den bevölkerten Gassen flimmern. Vertrieb auch den kleinsten Schatten, der einen Moment der Zuflucht vor den erbarmungslosen Sonnenstrahlen gewährt hätte.
    Als wäre es nicht schon Strafe genug an einem solchen Tag mit Helm, Rüstung, Scutum und Gladius sich durch die Gassen quälen zu müssen, nein, ausgerechnet an diesem Tag wurde Constantius mit dem wohl gesprächigstem Miles zusammen auf Patrouille geschickt, den die gesamte Cohorte aufzuweisen hatte…


    „Und weißt du was sie dann gesagt hat? Sie wäre es nicht gewesen. Als ob ich das nicht schon so oft gehört habe. Es tut nie jemand etwas. Alle sind Unschuldig. Aber nicht mit mir. Nicht mit dem guten Felix. Ich habe ein Auge für so etwas. Ich durchschaue jeden..“


    Die erstaunliche Gabe des älteren Soldaten, mit äußerst wenigen Unterbrechungen sehr lange Ketten von Wörtern bilden zu können, ließ Constantius durchaus Erstaunen. Während ihm jeder Schritt bereits schwer fiel und er nicht einmal einen Gedanken ans Reden verschwendete, schien Felix, der Name des mitteilungsbedürftigen, älteren Soldaten, mit jedem Wort mehr Kraft für noch mehr Worte zu finden. Nur dann und wann unterbrach er seinen Wortschwall für eine kurzes
    „Aha“, des jungen Iuliers.


    Passend zu der ersten besonderen Fähigkeit des guten Felix, gesellte sich glücklicherweise eine zweite Gabe. Jener vermochte auch noch binnen weniger Sekunden die Themen in einer Art und Weise zu wechseln, dass selbst ein sehr aufmerksamer Zuhörer schon bald den Zusammenhang zwischen Käsebrot, entflohenen Sträflingen und einem weißen Elefanten nicht mehr herstellen konnte.


    Constantius hatte es bereits schon wenige Schritte nach dem Verlassen der Kaserne aufgeben einen Sinn und oder einen Zusammenhang in den nicht enden wollenden Geschichten zu finden. Trotz einer demütigen Bitte, die Götter mögen ihn mit Taubheit schlagen, vernahm er jedoch immer noch die heitere und unbeirrbare Stimme seines Kameraden.


    Das Gespann aus einem sehr schweigsamen und einem sehr redseligen Soldaten erreichte schließlich seinen Bestimmungsort, das Forum Romanun.
    „Und da komme ich nach Haus und da will meine Frau doch von mir wissen wo ich gestern wieder war. Als ob sie das was angeht. Immerhin ist es mein schwer verdienter Sold. Oder was meinst du?“


    Constantius ließ seinen Blick über das Forum schweifen. Beobachte die anwesenden Bürger und für einen Moment schien es, als wären seine Gebete erhört worden. Für einen Moment verstummte Felix. Ja er verstummte, denn er wartete auf ein Aufmerksamkeitszeichen seines unfreiwilligen Zuhörers. Als dieses Zeichen jedoch ausblieb. Klopfte Felix Constantius auf die Schulter.
    „He hörst du mir gar nicht zu?“
    Aus seinen Gedanken gerissen, schaute Constantius entsetzt zu ihm. Hatte er tatsächlich seinen Einsatz verpasst? Was mochte Felix wohl gerade wieder erzählt haben. Aus irgendeinem Grund, hatte der junge Iulier das Gefühl, dass sein Leben von seiner nächsten Antwort abhängen würde. Würde er nämlich das Falsche antworten, dürfte er sich eine lange Standpauke anhören in der es hauptsächlich um unaufmerksame und unhöfliche Zuhörer ging. Eine sehr lange Rede, die in der Kaserne fast ebenso gefürchtet war, wie der Latrinendienst nach einem Abend mit viel schwerem Wein.


    „Ich, ähm..du hast Recht?!“, mit unsicherer Stimme wagte Constantius den Sprung in den Abgrund.


    Entweder war die Unsicherheit seines Zuhörers Felix egal, oder er verstand es diese Details gutmütig zu überhören. Stattdessen machte er nahtlos dort weiter, wo er eben geendet hatte.
    „Ja genau. So ist es. ICH bestimme über das Geld. Und wenn ich es vertrinken will, dann tue ich das auch..denn ich…


    Verwundert blickte Constatius, der bisher sehr angestrengt dem Blick seines Kameraden zu entgehen versucht, zu Felix, als dieser seinen Satz nicht beendete.


    „Constantius warte hier einen Moment. Ich habe dort drüben einen alten Freund gesehen. Ich muss ihm unbedingt etwas erzählen. Es dauert auch nicht lange.“


    „Oh…lass dir ruhig Zeit. Ich werde hier schon aufpassen!“
    Kaum lagen ein paar Schritte zwischen den beiden Miles, atmete Constantius tief ein und aus. Deutliche Erleichterung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Hoffentlich würde Felix nun eine Weile fortbleiben. Hoffentlich würde es eine halbe Ewigkeit werden. So stand Constantius alleine auf seinem Posten auf dem Forum Romanum und beobachte stumm lächelnd die Menschenmenge.


    Sim-Off:

    Angenehme Gesprächsparter sind mehr als willkommen ;)