Constantius war sich bereits in der frühen Morgenstunde sicher gewesen, dass dieser Tag ein besonderer Tag werden würde. In den einheitlichen Tagen des Routinedienstes erschien die Aussicht auf eine Mittagspause, die er mit seiner Schwester verbringen durfte, so erbaulich, so erfreulich, so wunderschön wie das beruhigende Leuchten eines Lagerfeuers in einer dunklen, sternenlosen Nacht.
Wo er sonst mit gesenktem Blick anteilnahmslos die Runden um den Exerzierplatz absolvierte, stumm das Pilum auf die steinernen Ziele warf und die Distanz zu den leblosen Gegnern bei jeder fehlerfreien Wurfserie erhöhte, mit grimmigen Blick den hölzernen Übungspfahl mit Serien schneller Schwerthiebe bedrängte, sollte an diesem Morgen ein friedvolles, hoffnungsvolles, zufriedenes Lächeln jeden Schritt, jeden Wurf, jeden Schlag begleiten.
War er sonst einer der Letzten, die sich zum Essen begaben und einer der Ersten, die den Ort der soldatischen Köstlichkeiten wieder verließen, sollte er heute kaum den Zeitpunkt erwarten können, als der Princeps Prior die Soldaten zum Essen wegtreten ließ.
Doch selbst die freudige Erwartungshaltung des jüngeren Bruders hatte nicht erwartet, dass dieser Moment so überwältigend werden würde. Gewiss war es nicht das köstliche Essen, waren es nicht die teilweise quälend vorgetragenen Worte des nicht sehr wortgewandten Iuliers gewesen, die sein Herz vor Freude kräftig schlagen ließ. Nein es war eine kleine aber nicht unwichtige Geste Helenas. Es war ihr befreites Lächeln, das einen Moment frei von Sorgen erschien.
Es war ein wundervoller Anblick, ein Moment, den Constantius tief in seinem Inneren für die Ewigkeit festhielt. Stumm erwiderte er ihren Blick. Lächelnd. Glücklich, Dankbar.
Es war vielleicht auch dieser Moment des Glücks, der ihn dazu bewegte ihren Vorschlag anzunehmen. Sicherlich stand der Verdienst eines einfachen Miles in keiner Relation zu dem einer Magistrata, doch wofür sollte er schon Unsummen an Sesterzen ansparen, wenn er an einem Abend damit ihr eine Freude machen konnte.
„So soll es sein Helena. Ich werde dich einladen und du mich. Und am Ende des Abend soll nur zählen, dass es ein glücklicher Abend geworden ist.“
Er drückte wieder einmal behutsam ihre Hand und besiegelte somit den erfolgreichen Kompromiss der beiden Geschwister,
Ein sehr unschuldiges Lächeln trat auf seine Züge, begleitet von einem spitzbübischen Glanz in seinen Augen.
„Ich wollte ja für ein besseres Gesprächklima sorgen. Natürlich würde ich nie freiwillig einer angeregten Diskussion fernbleiben wollen.“ Die zu starke Betonung des „nie“ sollte die fröhliche, ironische Intention seiner Worte sehr deutlich zur Geltung kommen lassen.
„Aber wenn du es natürlich wünschst, werde ich meinen Soldatenhintern nicht von dem Tisch fortbewegen und sogar meine Redekünste von der besten Seite präsentieren.“
Er schob eine kleine Gedankenpause ein und ließ seinen Blick in die Ferne schweifen.
„Müsste ich jene Tiberia Livia kennen? Jedenfalls erscheint mir ihr Name nicht geläufig zu sein. Aber was sollte dich daran hindern sie einzuladen? Wenn du sie noch nicht gut kennst, wäre es die perfekte Gelegenheit sie besser kennen zulernen, oder nicht?“
Für einen kurzen Augenblick war Constantius über seine eigenen Worte erstaunt. Und vermochte nicht ein erheitertes Grinsen zu verbergen. Ja diese Worte waren wirklich von ihm gekommen, der den meisten Gesprächen aus dem Weg ging.
„Vielleicht wird ja Artoria Hyphatia oder ihr Gatte noch jemanden kennen, der oder die den Abend durch geistreiche Worte noch verschönern könnte. Sie erschienen mir ein sehr angenehmes Paar zu sein. Vielleicht sprichst du einfach noch mal mit ihnen.“