Beiträge von Caius Iulius Constantius

    Ohne eine Spur eines Widerstanden folgte Constantius, der Livilla an Körpergröße und Kraft überlegen war, seiner Cousine mit einem gutmütigen Lächeln auf den Lippen. Fast war es wie damals in Hispania, als Livilla ihren Cousin ebenfalls an der Hand hinter sich hergezogen hatte, wenn sie ihm unbedingt etwas zeigen wollte.


    Hatte ihre Begeisterung Constantius für einen Augenblick überrascht und sprachlos werden lassen, sollte er, nun da sie fast die Porta erreicht hatten, seine Stimme wieder finden.


    „Ich werde dich gerne heute Abend auf den Hügel Quirinal führen. Ich hoffe nur, dass dein Vater oder Helena für heute Abend nichts geplant haben. Oder wir werden uns eben beeilen müssen und das Mahl heute Abend ausfallen lassen. Was ein geringer Preis für den herrlichen Ausblick wäre.“


    An der Porta angelangt, zog er die schwere Tür auf und bat Livilla nach draußen. Doch bevor er ihr folgen sollte, rief er Wonga zu:


    „Wir machen einen kleinen Spaziergang und sind in Kürze zurück“


    Er wusste, dass Wonga auf eine solche Information keine Antwort geben würde, jedenfalls nicht bevor sie wieder zurück waren. So verließ Constantius sofort, nachdem er die Worte gesprochen hatte, die Casa. Warum hätte er auch warten sollen, denn die Worte waren für Wonga verständlich gewesen und bedurften keinerlei Nachfragen. Und für ein bestätigendes „Ist gut“ war die Reaktionszeit des Nubiers einfach zu lang, als das man hätte darauf warten können.


    Er blickte Livilla entgegen und ihre sichtliche Begeisterung ließ ihn einmal mehr erstrahlen. Er bot ihr seinen Arm an, worauf sie sich unterhakte.


    „Ich glaube schon, dass diese Pferde von besonderer Pracht sind, aber ob sie sich mit dem Pferd deines Vaters messen können…das wirst du mir dann hoffentlich bald verraten.“


    Langsamen Schrittes gingen sie zum Mercatus Traiani.

    "Im Moment nicht. Ich danke euch. Mehr als auf eine Antwort warten, kann ich nun erstmal nicht", sprach der junge Iulier nachdenklich.


    Er neigte einmal kurz sein Haupt vor Gnaeus Postumius Rufus und fügte an.
    "Ich wünsche euch für heute einen ruhigen Dienst. Wenn dies überhaupt möglich ist"


    Wandte sich um, verließ den Raum und schloss die Tür sehr behutsam und leise

    "Bisher habe ich meine Mittage meistens in der Kaserne verbracht oder in einem kleinen Park vor der Kaserne, wenn das Essen, das uns vorgesetzt wird, einmal mehr nicht sehr einladend gewirkt hat", antworte Constantius amüsiert.



    "Es gibt ein oder zwei besondere Plätze hier in Rom, die ich oft nach Dienstschluss aufsuche. Der mir liebste Platz liegt auf dem Hügel Quirinal. Die Luft dort oben ist frischer und angenehmer als in der Nähe des Tibers oder in der warmen Stadt. Und weil die Gegend von den reichen Patrizierfamilien bewohnt wird, ist es außerdem eine ruhige und recht saubere Gegend. Nicht zu vergleichen mit so manch dreckiger Seitenstraße in den ärmeren Vierteln.“


    Begeisterung schwang in in seiner Stimme mit, als er mit leuchtenden Augen Livilla von jenem Ort berichtete. Ein Leuchten, dass nicht erlischen sollte, als er anfügte.


    „Vor den Toren der Stadt gibt es ein kleines Feld mit noch jungen Pferden. Nur ein Zaun hindert sie an ihrer Flucht in die Freiheit. Wenn ich viel Zeit habe, sitze ich dort eine Weile und betrachte die edlen Tiere. Allerdings fand ich seit meiner Zeit in der cohortes Urbanae bisher keine Möglichkeit mehr dorthin zu gehen. Der Weg ist doch etwas weit.“


    Constantius betrachte Livilla einen kurzen Moment nachdenklich. Kleine Falten zierten die sonst so glatte Haut seiner Stirn. Erst als er wider sanft zu lächeln begann, erhob er wieder seine Stimme.


    „Bis zum Quirinal schaffen wir es wohl nicht rechtzeitig. Außerdem ist es abends, bei einsetzender Dämmerung dort am schönsten. Man braucht viel Zeit, weil man den Blick über das weite Umland lange schweifen lassen kann. Ich zeige es dir nach Dienstschluss, wenn du es dann noch möchtest.“


    „Etwas Hunger verspüre ich in der Tat. Warum verbinden wir nicht das Nützliche mit dem Schönen? Machen wir einen kurzen Spaziergang zum Mercati Traiani, sehen uns exotische Waren an und kaufen hier und dort ein paar wohlschmeckende Früchte? Außerdem sind wir nicht weit vom Forum entfernt und können sogar noch deinen Vater besuchen.

    Constantius spähte um die Ecke in einen weiteren Flur. Sein fröhliches Lächeln sollte einen Moment lang noch an Intensität gewinnen als sein Blick die Gestalt seinen Cousine erspähte. Mit einem glücklichen Blitzen in den Augen ging er die letzten Schritte auf sie zu und war umso überraschter als Livilla ihn so herzlich in die Arme schloss. Ein leises, glückliches Lachen offenbarend, drückte er sie einmal ebenso herzlich mit seinem linken Arm, während er den Helm, der noch immer unter dem rechten Arm aufbewahrt wurde, fast fortgeworfen hätte, um die Umarmung perfekt zu machen. Doch sicherlich hätte der Tribun etwas dagegen gehabt, wenn sein noch einwandfreier Helm, plötzlich von Beulen geziert wurde.
    Eine solch freudige Begrüßung hatte er sicherlich nicht erwartet, so dass er einen Augenblick nur freudig, etwas verlegen und sehr dankbar ihr entgegen lächeln konnte.


    „Es gibt nichts zu verzeihen liebe Livilla. Immerhin sollte ich eigentlich gar nicht hier sein.“


    „Wonga hätte mich auch fast nicht eingelassen“, fügte er schmunzelnd an.
    Und musste sich beherrschen nicht laut loszulachen, als aus der Ferne ein sehr tiefes und durchdringendes "HA HA. Jetzt ich Verstehen" erklang.


    Unbeirrt sollte aber seine Aufmerksamkeit weiterhin Livilla gelten.


    „Ich hoffe ich störe dich nicht bei einer wichtigen Angelegenheit. Ich war diesen Morgen in diesem Teil der Stadt für die Patrouille eingeteilt. Zum Essen schaffe ich es nicht rechtzeitig in die Kaserne, so habe ich eine Stunde Zeit, die ich hier verbringen kann“


    Widerstandslos ließ er sich unterdessen den Helm abnehmen und der großgewachsene, kräftige Miles blickte Livilla aus den warmen, braunen Augen an, die sehr stark an einen kleinen gutmütigen und dennoch dickköpfigen Jungen aus Hispanien erinnerten.


    „Ich dachte mir, dass du für heute schon lange genug alleine in der Casa gesessen hast. Vielleicht magst du ja, natürlich nur, wenn du keine wichtigen Aufgaben zu erledigen hast, mit mir einen kleinen Spaziergang unternehmen? Wir könnten durchaus dem Markt oder dem Forum einen kleinen Besuch abstatten.“


    Er räusperte sich und fügte mit einem schelmischen Grinsen an.
    „Der wohl beste Miles der Cohortes Urbanae würde auch für deine Sicherheit sorgen“

    Es sollte sich an diesem Tag zur Mittagszeit an der Porta der Casa Iulia folgendes ereignen. Ein lautes Pochen drang, ausgehend von der schweren Holztür der Porta, durch die Flure und Räume der ehrwürdigen Casa.
    Wonga, der Türsklave, erhob sich gemächlich und machte sich daran seiner Aufgabe nachzukommen. Dem Öffnen der Tür. Im Grunde keine schwere Aufgabe. Und meistens sollte der Nubier diese Aufgabe auch zufrieden stellend erfüllen. Mit einer geringen Schrittfrequenz, aber großen raumgreifenden Schritten, bahnte sich der große Nubier seinen Weg. Die Wucht des Anklopfen schien ihn entweder nicht zu beeindrucken oder er registrierte so feine Nuancen in der Lautstärke einfach nicht. Auch als es ein zweites Mal, noch deutlich lauter an die Türe klopfte, sollte sich sein Bewegungsablauf nicht verändern.
    - Sicherlich hätte Wonga auch nicht schneller gehandelt, wenn eine Horde Germanen die Porta bereits gestürmt hätte und sich bereits wieder auf dem Heimweg nach Germanien befinden würde. Unbeirrt hätte die nicht mehr vorhandene Tür geöffnet und seine Standardfrage gestellt „Was du wolle?“ –
    Doch am heutigen Tag sollte die Tür, wie an den Tagen zuvor, an ihrem Ort verweilen und darauf warten, dass der Nubier sie aufzog.
    Die Person auf der anderen Seite, die so laut geklopft hatte, gekleidet in die Rüstung eines Miles der Cohortes Urbane schien bemüht zu sein äußerst ernst zu gucken.
    „Im Namen Roms! Warum hat das so lange gedauert.“
    Der Tief ins Gesicht gezogene Helm hätte einem aufmerksamen Beobachter sicherlich nicht täuschen können, doch Wonga gab nicht viel auf Details und fragte unbeirrt:
    „Was du wolle?“


    „Ich will in diese Casa! Geht mir aus dem Weg!“
    Hatte der Soldat am Ende seiner Aufforderung gekichert?


    „Ich erst wissen müssen, was du wolle.“ Wonga war beeindruckend in seiner Beharrlichkeit. Sollte einmal wieder der Imperator die Casa der Iulier aufsuchen, sollte man Wonga wohl an diesem Tag von seinem Dienst befreien.


    „Ich will den Herrn des Hauses sprechen!“ ,donnerte der Soldat dem Sklaven entgegen.
    „Er nicht da. Du später wiederkommen!“
    Obwohl das letzte Wort noch nicht gesprochen war, schloss sich die Tür wieder. Die Tür hätte den Eingang sicherlich wieder perfekt verschlossen, hätte sich nicht der Fuß des Soldaten der Tür entgegengestellt. Ein Manöver, dass zwar verhinderte, dass die Tür völlig geschlossen wurde, doch eine recht schmerzhafte Erfahrung mit sich bringen sollte. Der kräftige Nubier zog die Tür ein Stück weit wieder auf und warf sie dann schwungvoll wieder zu. Ein Versuch, der im Geiste durchaus logisch erschien. Wenn etwas hakte, musste man nur kräftig genug drücken, dann würde sich früher oder später eine Reaktion ergeben, die manchmal sogar zum Ziel führte. Eine Lebensweisheit, die sich bisher immer bewährt hatte. – vielleicht war sie auch nur so einfach, dass Wonga sie sich eben hatte merken können-
    So wiederholte er den Versuch mehrmals, was jedes Mal in einem „AU“ des Soldaten dokumentiert wurde.
    „Wonga..Hör auf. Ich bin es doch Constantius“
    „Du Herr sein?“
    Constantius blickte kurz gen Himmel und dankte den Göttern, dass die Tür dieses Mal nicht schwungvoll seinen Fuß einquetschte.
    „Ja ich bin es Wonga!“
    „Und warum wollen du dich selbst besuchen?“
    Es vergingen ein paar Sekunden, in denen Constantius nur zu Wonga aufblickte. Hatte der Sklave nun einen Scherz gemacht oder meinte er seine Worte ernst. Es gab Momente, da machte sich der junge Iulier durchaus Gedanken über den einfachen, aber loyalen Sklaven.
    Erst als Constantius herzhaft lachte, und Wonga mit einem unwissenden Gesichtsausdruck mit einem lauten „HaHa" einstimmte sollte sich der Blick Constantius wieder von Wonga lösen. Mit einem freundlichen Schulterklopfen begrüßte er Wonga nochmals und ging in das Innere der Casa. Wonga war manchmal richtig komsich…jedenfalls hoffte es Constantius.


    Es war um die Mittagszeit als Constantius, seinen Helm inzwischen unter dem Arm tragen, durch die Flure schritt und nach Livilla suchte.
    "Livilla? Wo bist du?", rief er mit fröhlicher Stimme durch die Räume

    Constantius lächelte Livilla warmherzig zu.


    „Es wäre nicht einmal ein Opfer, wenn ich meinen Schlaf dafür hergeben müsste, um euch alle hier in der Casa zu wissen, wenn ich heimkehre. Immerhin habe ich somit einen Grund wieder hier her zurückzukommen."
    Er lächelte breit und fügte mit einem ironischen Unterton an.
    "Mir ist nämlich in der Kaserne auch ein sehr bequemes Bett zugeteilt worden."


    "Davon abgesehen werde ich höchstens euch nicht schlafen lassen. Es gibt noch so viel, dass ich von euch wissen muss und dir zeigen muss.“


    Er runzelte für einen Moment die Stirn. Und das Lächeln wich einem ernsten Gesichtsausdruck.


    „Soweit ich weiß, hat die Frau überlebt. Ihr Sklave konnte rechtzeitig eingreifen und den Täter an einem tödlichen Stoß hindern. Doch schein sie schwer verletzt zu sein. Sie wurde schnell fortgebracht. Ich jagte dem Täter nach und habe deshalb nichts Genaueres erfahren. In der Rüstung, mit dem Schild, dem Pilum und dem Gladius ausgerüstet, kam ich leider dem Täter nicht schnell genug hinterher. Der Schock über diese Tat hatte die Besucher auf dem Forum gelähmt und sie wichen einfach nicht schnell genug aus.
    achts mag es öfters vorkommen, dass derartige Taten stattfinden, doch dann auch nur in dunklen Gassen, wenn die Vigiles patroullieren. Doch am helllichten Tag, auf dem Forum Romanun, in Anwesenheit der Cohortes Urbanae…Es muss schon ein sehr skrupelloser Täter gewesen sein. Aber wir werden ihn kriegen. Mach dir keine Sorge. So lange ich hier meinen Dienst versehe, wird dir nichts geschehen. Dafür werde ich schon sorgen.“

    Der suchende Blick des Miles schien die Menschenmengen durchdringen zu wollen. Langsamen Schrittes bewegte sich Constantius über das Forum. Schritt den Weg entlang, der wie ein Kreis um den Tatort lag. Sprach mit den Miles, die an den Ausgängen zu den Sicherheit verheißenden Straßen standen.
    Hier und dort tauchte ein ähnlicher Umhang auf, ein ähnliches Gesicht, eine ähnliche Statur. Jedes Mal sollten die beiden Soldaten in einen schnellen Laufschritt verfallen und einmal mehr enttäuscht werden, als der vermeintliche Täter, sich als harmloser Bürger oder als alte Frau entpuppte. So Sorgfältig sie auch blickten, suchten, starrten, keine Spur wollte sich offenbaren.


    „Wir gehen nun noch mal durch die Menge. Reihe für Reihe. Jeweils zwei Miles sollen im Norden und im Süden beginnen. Wir und die zweite Gruppe begeben uns zur Mitte der Menge. Firmicus du arbeitest dich mit deinem Kameraden nach Norden vor. Ich werde mich nach Süden vorarbeiten. Geht jede Reihe ab. Wenn ihr auf die euch entgegenkommenden Gruppen stößt. Zieht auch wieder aus der Menge zurück. Dann werden wir dem Tribun Meldung machen!“


    Schon bald begannen die Miles Reihe für Reihe, der verbliebenen Bürger abzuschreiten.

    Aufmerksam lauschte Constantius den Ausführungen seines Onkels. Sein Gesichtsausdruck war fast ebenso fasziniert wie in den Tagen in Hispanien, als er, ebenfalls mit Helena und Livilla im gleichen Raum, den Sagen lauschte, die sein Onkel Numerianus erzählte.


    „Das glaube ich sicherlich. Reiten vermag ich zwar. Aber in Scutum zu halten und ein Gladius zu führen und noch das Pferd zu lenken…eine schwierige Aufgabe.“


    Entschuldigend blickte er zunächst zu Helen aund dann zu Livilla.


    „Verzeiht mir. Nun werdet ihr doch heute noch etwas von meinen Tätigkeiten bei der Cohortes Urbanae erfahren.“


    Seinen Blick auf Numerianus gerichtet, erhob er wieder die Stimme:


    „Die Grundausbildung habe ich erst kürzlich über…bestanden.“ Ein weiteres Lächeln sollte seinen kleinen Fehler bei der Wortwahl kaschieren.


    „Im Moment bin ich für den Wachdienst und die Patrouille in der Stadt eingeteilt. Eigentlich war es bisher ein ruhiger Dienst. Nur kleine Handgemenge und hier und dort ein Taschendieb. Nichts was den Einsatz des Gladius erforderte. Doch gestern kam es zu einem Attentatsversuch auf dem Forum. Eine Kandidatin, die ihr Programm vorstellte, wurde niedergestochen.. Ich habe den Täter durch das Gedränge verfolgt, doch er entkam uns leider. Nun versuchen wir seiner Habhaft zu werden.“

    Behutsam las Constantius die gereichten Briefe. Nachdenkliche Falten bildeten sich auf seiner Stirn, als er die Zeilen überflog.


    Einige Minuten später reichte er Sulla die Briefe zurück.


    „Ich verstehe. Ich werde mit Helena reden und sie fragen, ob sie einem klärenden Gespräch nicht abgeneigt ist. Nachdem ich ihre Antwort habe, setze ich dich umgehend davon von in Kenntnis.“

    Sein Blick wanderte auf seine Hand, als Helenas Finger die seinen umschlossen. In früheren Tagen, hatte die kleine Hand des jüngeren Bruders in der Hand Helenas zerbrechlich gewirkt. Heute, Jahre später, konnten die grazilen, feinen Finger Helenas immer noch problemlos die Seinen umschließen, doch wirkten nun sie zerbrechlich im Vergleich zu den feinen und dennoch starken Händen des jüngeren Bruders. Auch wenn der Anblick nicht mehr dem aus alten Tagen entsprach, vermittelte ihre Berührung noch immer die gleiche beruhigende, verstehende Wärme. Eine Geste, die das Lächeln auf sein Gesicht zurückkehren ließ.


    „Einsamkeit..muß nicht immer ein Übel sein, Helena. Ich habe daheim viel Zeit allein verbracht. Bin alleine durch die Felder gezogen, anstatt mir unseren Brüdern und deren Freunden gemeinsam etwas zu unternehmen. Ich fürchte Mutter hat sich später große Sorgen gemacht, als ich immer länger fortblieb..“


    War es nun nicht an der Zeit die Wahrheit zu sagen? Sollte er immer noch vortäuschen, dass ihm die Einsamkeit nichts ausmachte? Dass er sich nie gewünscht hätte, statt alleine mit einer Begleitung auszureiten?


    Er seufzte und schüttelte kurz den Kopf.
    „Was sage ich. Ich habe die Einsamkeit nie gemocht. Doch man konnte sich daran gewöhnen. Man kann eben nichts vermissen, was man nicht hat. Die Welt schien so einfacher zu werden. Aber natürlich sehne ich mich nicht danach und ich werde auch hier in Rom nicht einsam sein. Ich habe doch bereits viele Leute kennen gelernt und ein paar neue Freunde gefunden“


    Hoffentlich würde sie nun nicht nach diesen Freunden fragen. Unter anderem hätte er wohl die Probati der Cohortes Urbanae und Wonga nennen müssen, um nicht eine zu kurze Auflistung darbieten zu müssen.


    „Ich meine, du brauchst dir deswegen keine Sorgen zu machen. Ich weiß, dass ich dir nicht alles geben kann, was dein Leben glücklich machen würde. Egal wie sehr ich mich anstrengen sollte.“


    Er hielt einen Moment den Atem an.


    „Denn…ich möchte auch nicht, dass du dich einsam fühlst. So sehr dieser Gedanke schmerzt..bedeutet es doch, dass eines Tages ein neuer Abschied auf uns wartet. Mach dir an diesem Tag keine Sorgen um mich, sondern beschreite deinen Weg mit einem Lächeln. Alles was ich dafür tun kann, werde ich tun. Keinen Stein möchte ich an diesem Tag in der Hand halten müssen.“


    Er löste seine Hand aus der Ihren. Nicht, weil ihm ihre Nähe unangenehm war. Doch die offenen Worte hatten unerwartet viel Kraft gekostet, ließen seine Finger kalt werden und sie leicht erzittern. Die Hände aneinander reibend blickte er wieder af den Fleck Erde, der ihn schon zuvor so interessiert hatte. Blickte hinab verharrte einen Augenblick in dieser sinnierenden Pose.


    „Samira..war..ist etwas Besonderes“


    „Gefallen“ war eine einfach zu einfache Umschreibung für sie. Ein Pferd, Ein Hund oder eine Tunika konnten gefallen, doch Samira war mehr für den jungen Iulier. Allein die laute Erwähnung ihres Namens ließ ihn einen Moment lang warmherzig lächeln. Allerdings nur so lange, bis er es selbst bemerkte und es durch einen verlegenen Gesichtsausdruck ersetzte.

    Der unerwartete Schubser, den Helena ihm gab, ließ den jüngeren Bruder einmal mehr fröhlich lächeln.
    „Helena wäre mehr als dankbar über deine Anwesenheit. Immerhin können die Geschichten eines Miles, die nur von Schwertübungen und endlosen Lauftraining berichten, auf Dauer recht eintönig werden. Und wenn er aus Höflichkeit einen Abend lang einmal nicht davon berichtet, dann gilt er schon als müder Soldat“


    „Auch wenn dieser Miles hier nie müde war oder sein wird“, gab er gespielt protestierend kund.


    „Aber du brauchst keine Sorgen zu haben liebe Livilla. Manchmal vermag ich auch die eine oder andere spannende Geschichte zu erzählen. Und solltest du einmal mit Helena oder den Dienerinnen auf den Markt gehen oder das Forum besuchen, würde ich mich sehr freuen, wenn ihr mir bei meinem Wachdienst einmal zuwinken würdet. Abends zeige ich dir dann die schönen Stellen der Stadt, die ich bisher kennen gelernt habe. Sollt eich in den nächsten Tagen Nachtwache haben, könnten wir am folgenden Tag sogar Helena in Ostia besuchen. Es würde mich wirklich freuen.“, sprach er mit glücklich beschwingter Stimme zu Livilla.

    Und wendete sich dann immer noch glücklich lächelnd an seinen Onkel.


    „Und solltest du vielleicht das Castra Urbanae ansehen wollen, werde ich mein Bestes geben, um dies zu ermöglichen. Allerdings ist es auch nur eine weitere Kaserne, kaum das Richtige für einen entspannenden Abend. Aber der Wein in der Taverna schmeckt dafür umso besser. Wir könnten entweder alle, oder nur wir beide dort einmal einen Kelch genießen.“


    „Doch ich fürchte, man könnten ein ganzes Leben darauf verwenden alle Schönheiten Roms zu besichtigen und zu erleben. Wir werden das Beste mit der Zeit machen, die uns hier gemeinsam in Rom gegeben ist.“


    Er unterbrach seinen Redeschwall für eine kurze Atempause.


    "Patruus Numerianus, ich habe so viele Fragen und nur so wenig Ahnung. Müssen die stolzen Eques die gleiche Grundausbildung durchlaufen wie ein einfacher Legionär oder Miles?"

    Eigentlich wollte er doch an diesen Tag seine Gedanken ordnen, wollte etwas Ruhe finden, wollte mit verklärtem Blick höchstens den Flug der Vögel beobachten. Stattdessen hatte er sich daran gemacht mit innerer Unruhe einen Brief für seinen Vater zu verfassen und sich eilig den Weg bis zur Curia Italica gebahnt. Hatte von einer inneren Hast getrieben, die Leute mit eindringlichen Blicken aus seinem Weg vertrieben.


    Das Klopfen an die Tür des Officiums sollte stärker ausfallen, als er es eigentlich beabsichtigt hatte. Begleitet vom Nachhall eines Donners, das jenem ähneln musste, wenn ein Rammbock gegen ein massives Stadttor antrat, betrat Constantius den Raum.


    „Verzeiht...“


    „Ich meine Salve.“
    „Ich müsste dringend einen Eilbrief nach Germanien senden. Ich würde mir selbst ein Pferd nehmen und mich sofort auf den Weg machen, doch wäre ich zu langsam im Vergleich zu euren Boten.“
    Der Brief ist an meinen Vater Magistratus Marcus Iulius Lepidus in Mogontiacum in Germania Superior.


    Es war nicht zu übersehen, dass der Brief in überstürzter Eile geschrieben worden war.


    Magistratus Marcus Iulius Lepidus
    Mogontiacum / Germania Superior
    Provincia Germania


    Salve mein geschätzter Vater,


    lange ist es her, dass ich mich bei dir gemeldet habe. Ich hoffe du verzeihst mir, dass ich es versäumt habe den regelmäßigen Briefkontakt aufrecht zu erhalten. Soweit ich weiß, hat Helena dir bereits berichtet, dass ich der Cohortes Urbanae beigetreten bin. Ich habe inzwischen meine Grundausbildung absolviert und diene nun als Miles dem Reiche. Es ist sicherlich keine ruhmreiche Aufgabe, doch ich versuche sie nach allen Kräften zu erfüllen, so dass ich dir keine Schande bereite. Leider vermochte ich nicht nach Germanien zu dem glücklichen Ereignis der Hochzeit meiner Cousine anzureisen. Bitte entrichte ihr und ihrem Gatten dennoch meine besten Glückwünsche.
    Doch der Grund für diesen Brief ist ein anderer. Ich erfuhr es aus seinem eigenen Munde, dass Eques Spurius Sulla um Helena werben will. Sicherlich ist es alleine deine Entscheidung, ob du seinem Anliegen zustimmst oder nicht. Ich will deine Autorität gewiss nicht in Frage stellen, doch bitte ich dich seinem Anliegen eine Absage zu erteilen. Ich habe gewiss viele Gedanken zu diesem Mann, nur wenige sind von guter Natur und weitaus weniger will ich deshalb hier auch niederschreiben. Viel wichtiger ist, dass Helena kaum glücklich werden könnte. Der Glanz unseres Juwels würde ermatten, sollte sie in dieses Haus einkehren müssen. Ich hoffe du verstehst mich Recht Vater. Ich bitte dich nicht um viel, doch gewähre Helena mehr Zeit. Ihr Herz ist noch voller Kummer von dem tragischen Verlust der vergangen Zeit.
    Gewähre deiner wunderbaren Tochter die Zeit, die sie benötigt. Erlaube ihr den Zeitpunkt selbst zu bestimmen und erhöre sie, sollte sie selbst eine Wahl getroffen haben.
    Doch dieser Mann ist nicht ihre Wahl. Er ist nicht die richtige Wahl. Und bis zu dem Tag, da du mir befiehlst, diesen Mann zu Helena vorzulassen, werde ich ihn stets abweisen.
    Verzeih mir Vater, ich möchte kein ungehöriger Sohn sein, vielmehr möchte ich dich mit Stolz erfüllen. Doch halte ich meine Einwände für gerechtfertig. Ich hoffe du denkst über meine Worte nach.


    Dein dir ergebender Sohn


    Caius Iulus Constantius

    Constantius verschränkte die Arme vor der Brust und erlaubte sich einen Moment des Nachdenklichen Schweigens. Jede neue Begegnung schien neue Überraschung bereit zu halten. Scheinbar halfen keine eindringlichen Worte, halfen keine auffälligen Zeichen. Vielleicht war es an der Zeit nun klare und unmissverständliche Worte zu benutzen.


    „Nein. Helena ist nicht zu gegen.“


    Im Grunde waren es keine klare Worte, sondern eine einfache und nützliche Lüge.


    „Ich erinnere mich an deine Worte in der Taverna.“


    Sein Blick wurde ernst und eindringlich. Jegliches Lächeln war bereits zuvor von seinem Gesicht gewichen.


    „Doch scheinbar hast du meine Worte nicht gänzlich verstanden. Ich habe dich gebeten..“


    Erstaunlicherweise vermochte die besondere Betonung des „gebeten“ - eine höflichen Umschreibung einer freundlichen vorgetragenen Bitte - die Bedeutung des Wortes in ihr Gegenteil verkehren und als unumstößlichen Befehl erscheinen lassen.


    „... dich ihr nicht zu Nähern, bis mein Vater seine ausdrückliche Erlaubnis dazu gegeben hat. Ich werde mich selbst mit ihm in Verbindung setzen. Bis zu einer entsprechenden Antwort bis du als Gast in diesem Haus willkommen, wenn du etwas mit mir zu besprechen hast. Doch bis dahin wünsche ich keinerlei Annäherungsversuche deinerseits und keine Werbungsversuche um die Gunst meiner Schwester.“


    „Leider werde ich noch ein paar Dinge außerhalb der Casa erledigen müssen, so dass ich dir frühestens an einem anderen Tag zu Verfügung stehen kann, solltest du etwas mit mir besprechen wollen.“


    Die Haltung gestrafft, die Arme vor der Brust verschränkt und einem ernsten Blickauf dem Gesicht stand der junge Iulier in der Tür. Die Dichte Schild und Speerreihe einer Phanlanx hätte den Zugang zur Casa kaum eindrucksvoller versperren können. – nur Wonga hätte wohl noch etwas eindrucksvoller gewirkt-

    Eigentlich war Constantius gerade auf dem Weg gewesen die Casa für einen Moment zu verlassen. Einen kleinen Moment außerhalb der Mauern wollte er verbringen, um seine Gedanken zu ordnen, um weder Helena, noch Livilla mit den Gedanken an die ereignisreichen letzten Stunden zu belasten. Mit nachdenklicher Miene und gesenktem Blick schritt er der Porta entgegen. Umso verwunderter hob er den Blick wieder, als es an der Türe klopfte, gerade als er seinen Arm ausstreckte, um diese zu öffnen.


    „Welch Zufall“, dachte sich Constantius und hielt in seiner bereits begonnen Bewegung nicht inne, sondern öffnete die Tür.


    Nicht minder überrascht blickt er Sulla entgegen.


    „Eques Spurius Sergius Sulla.“


    Begleitet von einem knappen Nicken, war es an diesem Tag kein sonderlich herzlicher Empfang.


    „Was kann ich für dich tun?“


    Merkwürdigerweise lag die Betonung des Iuliers auf dem „Ich“. Ebenso erstaunlich war der Unterton der diesen einfachen Satz begleitete. Es klang fast so, als wäre wirklich nur Constantius in der Casa anwesend und der einzige, den man hätte besuchen und sprechen können.
    Es war eine gelungene Formulierung, jedenfalls war sich zumindest Constantius da sicher.

    Einen merkwürdigen Anblick mussten sie bieten. Nur wenige Momente zuvor hatten sie lachend nebeneinander gesessen. Hatten die schönen Erinnerungen ihrer gemeinsamen Zeit geteilt und wieder aufgefrischt. Hatten die alte Nähe beschworen und zumindest Constantius hatte sie noch ebenso empfunden wie damals in Hispanien.
    Und nun, nur wenige Augenblicke später, scheinen sich ihre Blicke zu meiden, verstummten ihre Worte. Während Helena den wolkenlosen Himmel beobachtete, widmete Constantius seine Aufmerksamkeit dem Boden vor seinen Füßen. Stille kehrte ein. Eine Stille, deren Belastung mit der Zeit anstieg, mit der Zeit immer unangenehmer wurde. Worte konnten so unangenehm sein, doch wenn sie im falschen Moment fehlten, vermochte es noch weit unangenehmer zu werden. Zögerlich erhob er die Stimme, jedoch nicht den Blick.


    „Vater war so lange stolz meine Geschichten zu hören, bis er erfuhr, was an diesem Tag wieder zu Bruch gegangen war, welche Tiere entlaufen und welche Nachbarn erzürnt waren. Oft war in genau diesen Moment das Abendmahl für mich beendet.“


    Wieder sollte seinen Worten das gefürchtete Schweigen folgen. Nicht einmal er, der meist mit dem gesprochenem Wort in einem ständigen Krieg befand und die Nutzung weniger Worte für eine Tugend hielt, glaubte daran, dass er so die bedrückende Atmosphäre hätte vertreiben können. Er würde nicht umhin kommen, die Worte einmal mehr auf das schwierige Thema zu lenken.


    „Es …“, er zögerte bereits nach dem ersten gesprochenem Wort und seine Nackenmuskulatur begann sich zu verkrampfen, als würde er nun eine große Last stemmen müssen. Zumindest hatte er noch kein falsches Wort gesprochen.


    „Ich bin,, war..nein bin“


    Nun hatte er den ersten Satz bereits unvollendet gelassen und schien auch an den folgenden Worten zu scheitern. Tief atmete er durch, bemühte sich seine Gedanken wenigstens so zu ordnen, dass sie den einen oder anderen verständlichen Satz erlaubten.


    „Ich hätte den Raum verlassen, wäre nicht sie..dort gewesen“


    Sein Blick bohrte sich tief in den grünen Boden zu seinen Füßen. Das was er zu sagen beabsichtigte, entsprach bei weiten nicht den Worten, die über seine Lippen kamen.


    „Helena..ich bin nicht beleidigt, nein ganz und gar nicht…“


    Schon besser aber noch immer waren es nicht seine Gedanken, die dort in schüchternen Worten verkündet wurden.
    Es kostete Kraft ihr den Blick wieder zuzuwenden.


    „Ich bin dir sogar sehr dankbar, dass du dir solche Gedanken um mich machst. Doch könnte ich selbst eine Lupa aufsuchen, wenn ich es wollte…“


    Mahnend schallte ein Gedanke durch seinen Geist „Nein selbst wenn du es gewollt hättest, hättest du es nicht gekonnt“. Einmal mehr sollte sich sein Blick senken.


    „Ich war wohl ein Haus gewöhnt, dass sich mit der Zeit leerte. Ich..mochte.. in Hispanien ein besonderes Mädchen und sah wie auch sie verheiratet wurde, obwohl sie ebenso unglücklich darüber war, wie du…Ich empfand es wohl nicht als falsch in einem Bett alleine zu liegen. Immerhin konnte dann niemand mehr weggehen.


    Ich hätte den Raum auch wieder verlassen, doch…“, ein kleines Funkeln ergriff Besitz von seinen Augen,“…Samira…war etwas Besonderes“


    Was tat er nur. Er würde sich noch um Kopf und Kragen.


    „Ich meine…ich weiß nicht ob du verstehst was ich sagen will. Ich .. würde es ja selbst nicht verstehen.“


    Nochmal sollte Constantius tief durchatmen.


    „Ich bin dir dankbar Helena. Ich weiß nun, dass es noch einen Platz in meinem Leben für eine Frau an meiner Seite geben wird. Dieses Geschenk war..ist etwas besonderes für mich.“


    Nun. Im Grunde hatte er nichts gesagt, was er sagen wollte. Hatte den Kampf mit den Worten einmal mehr verloren. So ergriff er vorsichtig ihre Hand. Hielt sie kurz und schenkte Helena ein schwaches Lächeln. Eine gesunde Röte war inzwischen in seine Wangen gestiegen und ließ ihn verlegen wirken, was er durchaus auch war.
    Doch sollte sein Blick stumm die Dankbarkeit verkünden, die kein Wort hätte übermitteln können. Sollte die brüderliche Liebe offenbaren, die unbeschadet alle Jahre überdauert hatte und scheinbar noch viele Jahre überdauern würde.


    „Danke“, fügte er dennoch an. Es war zumindest ein Versuch, ein passendes Wort zu finden.

    Constantius Augen begannen einen Moment zu leuchten. Verkündeten, dass es gar keiner Überzeugungsarbeit seines Onkels bedurfte, um ihn für die Legionsreiterei zu begeistern oder ihn von ihr zu überzeugen. An einem anderen Tag, in Hispania, ohne die Gegenwart Helenas, hätte er sicherlich binnen weniger Minuten seine Habseligkeiten zusammengesucht und wäre schon einmal ein Stück des weiten Weges nach Germanien voraus gegangen. Das, was damals fehlte, um ihn an Hispanien zu binden, sollte er aber inzwischen in Rom wieder gefunden haben. Etwas das ausreichte, um auch seinen großen Traum noch etwas warten zu lassen.


    „Es wird mir eine Freude sein an deinem Wissen teilhaben zu dürfen, Onkel. Und sollte mir die Götter den Weg nach Germanien weisen, hoffe ich inständig, dass es auf dem Rücken eines Pferdes, in der Uniform der Legionsreiterei sein wird.“


    Gemäßigte Worte, für einen inbrünstigen Jugendtraum.


    Während er das Gespräch zwischen Livilla und ihrem Vater andächtig verfolgte, sollte sein Blick einen kurzen Moment in die Ferne schweifen. In eine Zukunft, die vielleicht ein Traum bleiben würde. Dennoch war sein Blick weder von Schermut oder Kummer getrübt. Das was er in Rom gefunden hatte, war jegliche Aufgabe alter Träume wert.


    Erst die Worte Livillas sollten seine Aufmerksamkeit auf eben jene lenken.


    „Livilla. Dies ist die Casa der Iulier. Es ist ebenso dein Heim wie das Unsere. Du bist hier mehr als willkommen. Jetzt und in der Zukunft. So lange du hier in Rom bleiben möchtest.“


    Er musste etwas schmunzeln, als Erinnerungen an hektische Sklaven an seinem inneren Auge vorbeizogen, die hinter den lebhaften Sprösslingen herjagten, um den Schaden, den ihre jugendliche Energie anrichtete, in Grenzen zu halten.
    Er lächelte sanft Livilla zu.


    „Ich bin mir sicher, dass du einmal mehr deine Familie mit Stolz erfüllen wirst und Rom deinem Charme erliegen wird.“


    Sie war eindeutig ein Kind der Venus und mit einer besonderen Schönheit beschenkt worden. Wie viele weitere Verehrer seiner liebreizenden Cousine würden wohl an die Porta der Casa anklopfen, wenn sie in Rom bleiben würde? Jener Gedanke ließ ein sachtes Schmunzeln die Mundwinkel des jungen Iuliers umspielen.

    In dieser Nacht sollte Constantius erst recht spät einen leichten, unruhigen Schlaf finden. Einen Schlaf, der noch lange vor dem Erwachen der ersten Sonnenstrahlen sein Ende finden sollte. Es war ein nur wenig Erholung bietender Schlaf gewesen. Ein Schlaf so leicht, dass ihm in dieser Nacht kein Traum geschenkt werden sollte.
    Mit schweren Beinen erhob er sich von seinem nächtlichen Lager, bereit einen weiteren dienstvollen Tag anzutreten. Nachdem er sich dem morgendlichen Ritual der Rasur unterzogen hatte, seine Uniform angelegt hatte, schritt er leise durch die Gänge der Casa hinab in den Innenhof.
    Es war still in dem noch schlafenden Haus. Nur langsam schien das Leben die Umarmung des Schlafes abzustreifen und sich auf einen weiteren Tag vorzubereiten. Hier und dort vernahm er ein leises Rascheln, als sich einige Dienerinnen Helenas ebenfalls sehr leise durch das Haus bewegten.
    Constantius liebte diese frühen Morgenstunden. Sie waren so friedvoll, so voller Harmonie, entbehrten der Hektik des Tages. Gewiss war es nicht der liebliche Duft des frischen Morgens in Hispanien, der sich aus goldenen Feldern, klaren Flüssen und sachte im Wind schwankenden Bäumen erhob und dennoch nicht weniger angenehm. Er vermeinte an diesem Morgen das Pulsieren der ewigen Stadt einmal mehr spüren zu können.
    Die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen, einen weiteren heiteren Tag verkündend, drangen in die Schwärze des Innenhofs ein. Wagten sich tapfer in den Schatten vor und entrissen die ersten Flecken des Raumes der Dunkelheit. Wie Speere aus gleißenden Licht bohrten sie sich in das Grau der Nacht und befreuten kunstvolle Ornamente aus ihrem farblosen Schicksal.
    Constantius ließ sich an einer Säule gen Boden rutschen. Trotz der Nacht empfing ihn der Boden noch mit einem Rest der Wärme, die die Sonne des vorigen Tages gespendet hatte. Lächelnd legte er den Kopf in gegen die Säule und genoß die Stille.