Sollte er Helena gestehen, dass er am Tage ihrer Abreise durchaus daran gedacht hatte, mit seinem hölzernen Gladius auf Titus einzustürmen? Sicherlich hatte er nicht die Absicht gehabt ihn zu töten, doch weit weit weg in eine fernes Land zu treiben, ihm so viel Angst einzujagen, dass er sich nicht einmal in die Nähe Hispanien wagen würde.
Doch damals war es einmal mehr der Charme und das diplomatische Geschick der iulischen Frauen gewesen, die ihn von seinem Vorhaben abgehalten hatten. Seine Mutter hatte ihn noch in der Nacht zuvor zur Seite genommen. Hatte den kleinen, trotzigen Jungen voller Liebe in die Augen geschaut und seine Absichten erahnt. Hatte sich mit ihm zusammen in eine stille Ecke des Hauses gesetzt und sehr lange mit ihm gesprochen. Hatte ihm aufgezeigt wie ein guter Sohn sich gegenüber den Entscheidungen seines Vaters verhält. Wie er diese Entscheidungen zu akzeptieren und in der Öffentlichkeit zu vertreten hatte. Worte, die bei Constantius nicht auf fruchtbaren Boden fielen. Es waren Worte, die er nicht hören wollte. In diesem Fall wollte er kein guter Sohn sein. Obwohl er es damals weder in Gedanken noch in Worte kleiden konnte, so war er sich heute sicher, dass er für die, die ihm so viel bedeuteten, das Glück erkämpfen wollte und natürlich auch sein eigenes.
Im Grunde hatte seine Mutter nichts anderes erwartet, als einen noch trotzigeren Blick. Einen Blick der wilden Entschlossenheit eines Jungen von 11 Jahren, der die Welt mit einem hölzernen Gladius und ein paar Steinen besiegen würde sollte es notwendig werden. Es sollten die folgenden Worte seiner Mutter sein, die zum einen voller Verständnis und eigenem Kummer über den Abschied von ihrer Tochter waren und doch die verwundbarste Stelle des Jungen nutzte. Um Helena den Abschied nicht zu erschweren ihr nicht noch größeren Kummer zu bereiten, müsse die Familie sie freudig verabschieden. Ihr Mut und Glück für ihre Zukunft zusprechen. Ihr jeglichen weiteren Schmerz ersparen. Es sollten ebene jene Worte sein, die Constantius dazu bewegten, den Stein, den er in der geballten Hand hinter seinem Rücken hielt, nicht auf Titus zu werfen. Ihn nicht vom Land seiner Familie zu treiben. Doch lächeln, lächeln konnte er nicht an diesem Tag. Wenigstens ein eindringlicher Blick sollte Titus versichern, dass der kleine Constantius bereit war seine Schwester zu verteidigen.
Und nun sprach Helena in einer ähnlichen Weise. Bat ihn darum ein ehrbarer Sohn zu sein, der die Entscheidungen seines Vaters akzeptierte. Den Blick seiner Schwester erwidernd, sprach er schließlich mit einer sanften Stimme, die dem aufkeimenden Schimmer des Trotzes in seinen Augen nicht entsprach:
„Ich werde wie immer den weisen Entscheidungen Vaters Folge leisten und weder ihm, noch der Familie, noch dir Schande bereiten. Doch ich werde nicht schweigend eine Entscheidung hinnehmen, die dir Kummer bereiten würde. Ich vertraue auf seine Weitsicht, doch Germanien ist weit entfernt. Was ihm zum Nachteil gereicht, da er nicht das gesamte Bild der Lage erkennen kann. Andererseits könnten gewisse Leute es zu ihren Vorteil verwenden, um unkluge Entscheidungen zu produzieren. Vater schrieb, ich solle auf dich achten. Das ist das was ich dir versprechen kann.“
Einmal mehr lächelte er ihr zu und drückte vorsichtig ihre Hand. Sie eine Zeit lang haltend.
„Mach dir keine Sorgen. Aus den kleinen, lebhaften, dickköpfigen Jungen ist ein weiser Miles der cohortes urbanae geworden.“ Er musste bei seinen eigenen Worten lächeln und blickte für einen Moment in den wolkenlosen Himmel. Sicherlich würde sein Tribun diese Beschreibung für Constantius nicht wählen.
Leise und schüchtern fügte er nach einem Moment des Schweigens, als der den Blick wieder ihr entgegen senkte, an:
"Danke...für.. das Geschenk"