Beiträge von Caius Iulius Constantius

    Sollte er Helena gestehen, dass er am Tage ihrer Abreise durchaus daran gedacht hatte, mit seinem hölzernen Gladius auf Titus einzustürmen? Sicherlich hatte er nicht die Absicht gehabt ihn zu töten, doch weit weit weg in eine fernes Land zu treiben, ihm so viel Angst einzujagen, dass er sich nicht einmal in die Nähe Hispanien wagen würde.
    Doch damals war es einmal mehr der Charme und das diplomatische Geschick der iulischen Frauen gewesen, die ihn von seinem Vorhaben abgehalten hatten. Seine Mutter hatte ihn noch in der Nacht zuvor zur Seite genommen. Hatte den kleinen, trotzigen Jungen voller Liebe in die Augen geschaut und seine Absichten erahnt. Hatte sich mit ihm zusammen in eine stille Ecke des Hauses gesetzt und sehr lange mit ihm gesprochen. Hatte ihm aufgezeigt wie ein guter Sohn sich gegenüber den Entscheidungen seines Vaters verhält. Wie er diese Entscheidungen zu akzeptieren und in der Öffentlichkeit zu vertreten hatte. Worte, die bei Constantius nicht auf fruchtbaren Boden fielen. Es waren Worte, die er nicht hören wollte. In diesem Fall wollte er kein guter Sohn sein. Obwohl er es damals weder in Gedanken noch in Worte kleiden konnte, so war er sich heute sicher, dass er für die, die ihm so viel bedeuteten, das Glück erkämpfen wollte und natürlich auch sein eigenes.
    Im Grunde hatte seine Mutter nichts anderes erwartet, als einen noch trotzigeren Blick. Einen Blick der wilden Entschlossenheit eines Jungen von 11 Jahren, der die Welt mit einem hölzernen Gladius und ein paar Steinen besiegen würde sollte es notwendig werden. Es sollten die folgenden Worte seiner Mutter sein, die zum einen voller Verständnis und eigenem Kummer über den Abschied von ihrer Tochter waren und doch die verwundbarste Stelle des Jungen nutzte. Um Helena den Abschied nicht zu erschweren ihr nicht noch größeren Kummer zu bereiten, müsse die Familie sie freudig verabschieden. Ihr Mut und Glück für ihre Zukunft zusprechen. Ihr jeglichen weiteren Schmerz ersparen. Es sollten ebene jene Worte sein, die Constantius dazu bewegten, den Stein, den er in der geballten Hand hinter seinem Rücken hielt, nicht auf Titus zu werfen. Ihn nicht vom Land seiner Familie zu treiben. Doch lächeln, lächeln konnte er nicht an diesem Tag. Wenigstens ein eindringlicher Blick sollte Titus versichern, dass der kleine Constantius bereit war seine Schwester zu verteidigen.


    Und nun sprach Helena in einer ähnlichen Weise. Bat ihn darum ein ehrbarer Sohn zu sein, der die Entscheidungen seines Vaters akzeptierte. Den Blick seiner Schwester erwidernd, sprach er schließlich mit einer sanften Stimme, die dem aufkeimenden Schimmer des Trotzes in seinen Augen nicht entsprach:


    „Ich werde wie immer den weisen Entscheidungen Vaters Folge leisten und weder ihm, noch der Familie, noch dir Schande bereiten. Doch ich werde nicht schweigend eine Entscheidung hinnehmen, die dir Kummer bereiten würde. Ich vertraue auf seine Weitsicht, doch Germanien ist weit entfernt. Was ihm zum Nachteil gereicht, da er nicht das gesamte Bild der Lage erkennen kann. Andererseits könnten gewisse Leute es zu ihren Vorteil verwenden, um unkluge Entscheidungen zu produzieren. Vater schrieb, ich solle auf dich achten. Das ist das was ich dir versprechen kann.“


    Einmal mehr lächelte er ihr zu und drückte vorsichtig ihre Hand. Sie eine Zeit lang haltend.
    „Mach dir keine Sorgen. Aus den kleinen, lebhaften, dickköpfigen Jungen ist ein weiser Miles der cohortes urbanae geworden.“ Er musste bei seinen eigenen Worten lächeln und blickte für einen Moment in den wolkenlosen Himmel. Sicherlich würde sein Tribun diese Beschreibung für Constantius nicht wählen.


    Leise und schüchtern fügte er nach einem Moment des Schweigens, als der den Blick wieder ihr entgegen senkte, an:


    "Danke...für.. das Geschenk"

    Zitat

    Nun... Ich bin mir nicht sicher, allzu lang werde ich nicht bleiben, ich werde in der Legio gebraucht."


    Sichtlich beeindruckten Constantius die Worte seines Onkels. Immerhin schien dem jungen Miles die Offiziersschule ebenso weit entfernt, wie ein Bett im Palast des Imperators.


    "Ich würde hoffen, dass ihr länger in Rom bleiben würdet. Immerhin ist es schon so lange her, dass wir uns gesehen haben. Aber gewiss wird ein fähiger Offizier in der Legion umgehend zurück erwartet."


    Die Legion, in seinen Träumen sah sich Constantius so oft in ihren Reihen. Sah sich ruhmvolle Siege erringen, sah sich....
    Seinen Gedanken nicht nachgebend blickt er weiter die eingetroffenen Gäste lächelnd an.


    "Ich hoffe Patruus Numerianus, ich kann dann in den Abendstunden noch etwas an deinem Wissen teilhaben. Und ebenso noch vielen deiner Geschichten lauschen liebe Cousine. Du musst mir noch so viel erzählen. Und auch in Rom gibt es noch so viel zu sehen. Wir werden die Zeit gut nutzen müssen"

    Schmunzelnd lauschte Constantius der recht eindrucksvollen Erklärung Helenas. Eine Ratte also. Genug Krach hatte er ja in dem kleinen Schrank eigentlich auch gemacht, dass man hätte glauben müssen, dass keine Ratte sondern der Höllenhund persönlich sich in die Küche geschlichen hatte. Die arme gutherzige Anra. Wie oft hatte ihr doch einen gewaltigen Schrecken eingejagt, wenn er laut rufend und urplötzlich aus den dunkelsten Ecken auf sie zugestürmt kam. Meistens genau dann, wenn sie die eine oder andere Köstlichkeit gerade zum Tisch tragen wollte. Es war ein leichtes die köstlichsten Gebäcke vom Boden aufzusammeln, während sie schreiend um die nächste Ecke huschte.


    Constantius seufzte, doch es war ein glückliches Seufzen. „Weißt du Helena, als du damals schließlich doch abgereist bist und ich untätig zurückbleiben musste, war ich voller Zorn auf Vater und Mutter.“
    Er lächelte kurz als wehmütige Gedanken in seinem Geist aufstiegen.
    „Ich habe es geschafft drei Wochen lang weder mit Mutter noch mit Vater zu reden. Ich habe mich fast die gesamte Zeit draußen auf den Feldern herumgetrieben. Selbst Iunianus und Maxentius haben mich eine Weile in Ruhe gelassen. Scheinbar haben sie gemerkt wie sehr mir dein Abschied zusetzte.“


    Sein Blick senkte sich einen Moment lang gen Boden und schien auf dem Rasen Bilder der Vergangenheit zu betrachten. Als er den Blick wieder anhob lächelte er jedoch wieder erneut.


    „Trotz der schweren Umstände, die uns wieder zusammengeführt haben, bin ich froh, dass meine – er betonte das folgende Wort lächelnd – Lieblingsschwester mich noch immer ihren Lieblingsbruder nennt und ihn schon eine Weile erträgt und ihn einmal mehr mit köstlichen Meeresfrüchten versorgt..“


    Vor vielen Jahren wäre der kleine Constantius seiner großen Schwester einfach um den Hals gefallen, doch heute, als tapferer Miles, musste ein warmer Ausdruck in seinen Augen diese herzliche Aufgabe erfüllen. Ein Ausdruck, der auch weiterhin in seinen Augen verbleiben sollte, als ein schwerer Gedanke, die Barriere aus entspannter Heiterkeit und Zufriedenheit durchbrach.


    „Helena… es gibt eine Sache..“
    Oder sollte er lieber Sachen sagen?
    „..du erinnerst dich vielleicht noch an Sergius Sulla?“
    Natürlich würde sie das. Helena vergaß nicht so schnell wie er selbst Personen, Namen und Gesichter


    „..und an den Brief von Vater?
    Warum stellte er diese Frage? Er wusste, dass sie es ebenfalls nicht vergessen hatte


    „Ich traf jenen Mann nochmals in der Therme..und er lud mich ein zu einem Kelch Wein. Ich kam seiner Einladung nach, obwohl es mir schon dämmerte, warum er mich einlud.“


    Waren die Worte vorhin doch noch so leicht gefallen, kamen sie nun nur noch stockend über seine Lippen.
    „Er sagte mir, dass er Vater darum gebeten hat, um dich werben zu dürfen. Ich habe es schon vermutet, als ich den Brief von Vater gelesen habe.“


    Er senkte den Blick. Er wollte aber konnte nicht in ihre Augen blicken, wenn er einen Teil von sich wieder offenbarte, den er sonst so verschlossen hielt.


    „Du weißt, ich würde dir nie im Wege stehen. Doch vermag ich diesen Mann nicht einzuschätzen. Ich befürchte nichts Gutes in seinen Absichten. Und…“
    Nun hob er doch den Blick wieder an


    „..egal was Vater sagen würde, allein dein Wunsch zählt für mich. Ich sagte ihm, er solle sich dir erst erneut nähern, wenn Vater eine Entscheidung getroffen hat. Doch sollte Vater zustimmen und du mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sein…werde ich es nicht zulassen, dass er dir zu nahe kommt.“


    Ein Blick reichte in diesem Moment nicht mehr aus. Kurz legte er seine Hand auf die Ihre.
    „Unsere Nähe werden wir nie verlieren. Jedenfalls nicht die Nähe unserer Seelen. Egal wie du dich entscheiden wirst.“


    Und fügte in Gedanken an: “..doch vermissen würde ich dich wie in den alten Tagen.“

    Ein spitzbübisches Leuchten trat in seine Augen, als die Erinnerung an die damalige Zeit heraufbeschworen wurde.
    Weiterhin fröhlich strahlend bot er ihr an, zuerst etwas aus dem Korb zu nehmen


    „Du weißt doch, dass ich stets mir dir brüderlich geteilt habe, damit werde ich jetzt doch nicht aufhören.“


    Obwohl er sie fröhlich lächelnd und in einer heiteren Stimmung aussprach, sollte es den folgenden Worten nicht an Aufrichtigkeit und ernstem Hintergrund ermangeln.


    „Außerdem würde ich gewiss meine letze Muschel hergeben, bevor du dich mit dreckigen Arm eines Miles begnügen musst.“


    Constantius breitete die Arme auseinander und deutete eine Länge von etwa einem Meter mit seinen Händen an.
    „Ob ich mich an damals noch erinnere? Wie könnte ich das vergessen? Ich hatte mich in einem so – hier schaute er demonstrativ auf den von seinen Händen eingeschlossenen Raum- kleinen Schrank in der Küche versteckt. Bereits den ganzen Morgen habe ich dort ausgeharrt. Nur um sofort zur Stelle zu sein, sollte das Essen fertig sein.“


    Er hob seinen Arm an und zeigte förmlich in die Luft.
    „Und ich war mindestens schon so groß.“
    - nicht zu erwähnen ist natürlich, dass es einem Wunder hätte gleich kommen müssen, wenn der 11 jährige Bursche bereits an die 3 Meter gemessen hätte und sich in einem 1 Meter großen Schrank hätte zwängen können –


    „Ich habe so lange gewartet, bis du mir mit deinem sehr unauffälligen Klopfzeichen auf die Anrichte, das Zeichen zum Einsatz gegen hast. Ich frage mich heute noch, wie du es gescahfft hast, dass alle kurzzeitig die Küche verließen.“


    Hatte er sie damals stets bewundert und zu ihr aufgeblickt, ließ sein Blick einmal mehr erkennen, dass von jener Bewunderung fast nichts über die Zeit verloren ging.


    Er lachte leicht auf und schüttelte einmal den Kopf.


    „Als ich mir die Meeresfrüchte schnappte und durchs offene Fenster kletterte, bin ich gerannt als wären Wölfe hinter mir her. Aber ich habe so lange in unserem kleinen Versteck mit dem Essen gewartet, bis auch du dich absetzen konntest. Auch wenn ich ziemlich hungrig war…immerhin bin ich gerannt und gerannt.“


    „Auch wenn ich heute nicht mehr rennen musste“ – seinen kleinen freudigen Lauf zum Park nicht erwähnend - „Ich freue mich heute ebenso sehr wie damals. Es ist eine freudige Unterbrechung in der ereignisreichen Zeit.“

    Dankbar lächelnd ließ sich Constantius auf der Bank neben seiner Schwester nieder.
    Ein paar Minuten in der Stille des Parks neben Helena verbringen zu dürfen, war bereits mehr als ein guter Ersatz für den liebevoll zubereiteten Bohneneintopf, den dutzende nach Schweiß duftende Miles hastig verspeisten, um dem Geschmack des Breis keine Zeit zu gewähren die Geschmacksnerven der Zunge zu erreichen.
    Doch als der Duft der gebratenen Meeresfrüchte den jungen Miles in der Nase kitzelte, fühlte er sich einer göttlichen Vision näher als der Wirklichkeit.


    „Das hättest du mir wirklich angetan? Mich armen, hungrigen Soldaten ohne diese Köstlichkeit in die Kaserne zurückkehren lassen?“
    Ein heiteres Lachen begleitete seine Antwort auf die schelmisch vorgetragenen Worten Helenas. In einer nicht bewussten Geste, strich er sich beiläufig eine Haarsträhne aus dem Gesicht und blickte sie sehr dankbar an. Einmal mehr sah er sich darin bestätigt, dass sie ein sehr kostbares Juwel war. Ein Juwel… Ja auch wenn er diesen Moment lieber heiter und ohne schwere Gedanken verbracht hätte, drängten die Zeit . Drängte darauf, dass unausgesprochen Fragen gestellt wurden.


    Doch zunächst galt es diesen glücklichen Moment zu bewahren und, was nicht minder wichtig war, die köstlichen Meeresfrüchte zu verspeisen. Vor Vorfreude strahlend griff Constantius in den Korb, der ein so verheißungsvolles Aroma verströmte.


    „Und was willst du essen?“, blickte er sie gespielt fragend an, während er den Korb in seine Richtung zog.

    Erleichterung durchflutete Constantius, als er die Worte Livillas vernahm. Ließ die Anspannung, die seinen Geist hellwach und wachsam hielt, von ihm abfallen und erlaubte einem sanften Lächeln auf sein Gesicht zurückzukehren, als die Tür sich öffnete.


    Prüfend sollte sein Blick trotzdem durch den Raums schweifen. Nach einer Bewegung in den Schatten des Raumes Ausschau haltend, die möglicherweise doch noch die gefahrvolle Silhouette eines Eindringlings offenbarte. Doch lediglich eine zu Boden gefallene Wasserschüssel schien die einzige Unregelmäßigkeit, das einzig Gefahrvolle in dem Raum zu sein.


    „Ich werde einer Dienerin bescheid geben, dass sie dir eine neue Schale mit Wasser bringt“, sprach er mit gedämpfter Stimme, um die Ruhe des Hauses nicht durch seine Worte zu stören. Mitfühlend und sanft blickte er Livilla einen kurzen Moment lang an, ihre innere Unruhe registrierend.


    „Ich habe in meiner ersten Nacht in Rom auch nicht gut geschlafen. Es ist anders als in Hispania. Es war so aufregend. Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf. Tausend Eindrücke wollten verarbeitet werden. Selbst in der Nacht schläft die ewige Stadt nicht. Das Leben auf den Straßen pulsiert weiter, wenn auch in einer gedämpften Lautstärke. Allerdings brauchst du vor nichts Angst zu haben, denn in diesem Hause kann dir nichts geschehen. Das verspreche ich dir.“


    Er wartete noch einen kurzen Moment und fügte dann ebenso leise an:


    „Solltest du etwas benötigen, zögere nicht einer der Dienerinnen oder mir bescheid zu geben. Dir soll es hier an nichts mangeln.“


    Sicherlich hätte er ihr nun am liebsten beruhigend über ihr Haupt gestrichen, um alle bösen Gedanken zu vertreiben, doch er sollte nur einen Schritt zurücktreten und ihr sanft lächelnd zuflüstern.


    „Schlaf gut, Livilla. Es ist schön, dass du hier in Rom bist!“


    Er wandte sich um und ging erleichtert den Weg zurück in sein Gemach.

    Wie den meisten Miles gefiel auch Constantius die Unterbrechung des Dienstes zur Mittagszeit fast ebenso gut, wie die Verkündung der längeren Dienstunterbrechung am Abend. In der kurzen Zeit am Mittag konnte man neue Kräfte sammeln, wenn auch die Verpflegung sich in keinerlei Weise mit einem Mahl in der heimischen Casa messen konnte.


    Entgegen der nun eingekehrten Routine verließ er diesmal die Kaserne eiligen Schrittes. Immerhin erwartete ihn heute eine ihm deutlich angenehmre Begleitung zum Essen. Und er wollte seine Schwester Helena sicherlich nicht warten lassen.


    Sein eiliger Schritt sollte bald in einem Laufschritt übergehen und sich erst wieder verlangsamen als er sich seinem Ziel nahe wähnte. Nun galt es den Atem zu beruhigen und den Sitz der Uniform zu richten. Er wollte nicht wie ein geschundener Probatus unter ihre Augen treten. Mit gestraffter Haltung und gemäßigtem Schritt überwand er die verbleibende Distanz und erreichte den vereinbarten Park, ließ seinen Blick schweifen und erspähte recht schnell seine Schwester auf einer Steinbank sitzend. Das ihm so vertraute Lächeln legte sich auf seine Züge. Ein Lächeln, das seine Freude über ihre Anwesendheit weithin kundtat.


    Doch hinter dieser Freude sollten sich recht schnell unverarbeitete Gedanken, nicht beantwortete und nicht gestellte Fragen zu einer bedrückender Last auftürmen. Vielleicht war ja dies der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt, um wenigstens einen Teil dieser Last heute abzuwerfen.


    „Salve Helena. Wie ich sehe bin ich etwas zu spät. Ich hoffe du musstest nicht zu lange warten,“


    Er grinste sie schelmisch an


    „Ich hoffe du hast deinem Bruder noch etwas zu Essen übrig gelassen“

    Ruhe kehrte in die Casa Iulia ein. Das pulsierende Leben in dem alten, ehrwürdigen Gebäude, schien sich zur Ruhe zu legen, sich den sicheren Händen des Schlafes zu übergeben.
    Constantius hatte sich ebenfalls in sein Cubiculum zurückgezogen.
    In den Tagen seiner Grundausbildung hatte er seinen strapazierten Körper umgehend der harten und unbequemen Liege in der Unterkunft der Kaserne übergeben. Hatte den entspannenden Moment begrüßt, als die Last seines eigenen Körpergewichts von ihm genommen und der Liege überantwortet worden war. Doch hier, wo ihn ein bequemeres Bett erwartete, schien er das Entspannung verheißende Bett zu meiden. Widmete ihm keinen Blick, ging stattdessen zu dem einzigen Fenster des Raumes. Der Wind, bereits in der letzten Nacht schwach und kaum spürbar und dennoch so verheißungsvoll, schien heute nur noch schwach und lethargisch zu sein. Fast hätte man es ein Abbild der Gefühlswelt des jungen Iuliers nennen können
    Kühl und beruhigend wirkte die steinerne Umfassung des Fensters, als er seinen Kopf dagegen lehnte, sein Gewicht zu Teil der massiven Wand überantwortete.
    Schatten formten sich in der Dunkelheit, zeichneten Körper und Szenen in der Dunkelheit nach und verschluckten sie ebenso schnell wieder. Ließen Constantius keine Zeit die Erinenrungen zu ordnen, ließen ihm keine Zeit sie ausreichend zu verstehen. Gaben lediglich einem Gefühl der Sehnsucht, der Zuneigung die Chance zu wachsen, zu gedeihen. Ein Gefühl, das hätte nicht vorhanden sein dürfen, das von dem logischen Verstand als „Falsch“ klassifiziert wurde und dennoch den Raum mit einer unangenehmen Leere, Einsamkeit anfüllte. Er hätte ihr zum Abschied etwas sagen sollen..oder hätte er sie gar nicht erst gehen lassen sollen…


    Ein Scheppern riß ihn aus dem Bann der falschen Gedanken. Ließ den Instinkt des Wächters über die Flut der Gedanken obsiegen, ihn die Kontrolle erringen. Sein Herz begann zu pochen. Es würde doch keiner der Diebe Roms in die Casa Iulia verirrt haben? Wenn ja, dann sollte er seine Entscheidung bereuen.


    Mit großen Schritten durchschritt Constantius den Flur und klopfte an die Tür, aus der das Unheil verkündende Geräusch ertönt war.


    „Livilla. Ist bei dir alles in Ordnung?“, fragte er mit gedämpfter Stimme durch die geschlossene Tür.

    Das Forum wirkte in dem Moment der Hektik, der Aufregung noch weitaus größer und unübersichtlicher, als es ohnehin schon war. Eine gesamte Legion von wilden Barbaren hätte man hier unbemerkt verstecken könne. Wie sollte er da nur einen Attentäter hier finden, wenn er denn überhaupt noch hier weilte und nicht bereits mit einem Schiff unterwegs zum Rand der Welt war?


    „Miles Castus, könntest du mit einem weiteren Kameraden Aufstellung hinter der Basilica Iulia beziehen? Teilt euch auf, so dass ihr die Leute beobachten könnt, die an beiden Seiten des Gebäudes vorbeiströmen. Miles Nepos, könnt ihr euch mit eurem Kameraden an der östlichen Seite der Basilica Aemilia aufstellen? Versucht so gut wie möglich auch dort die vorbeiströmenden Leute zu beobachten und einen Blick auf die Seitengassen zu werfen“


    Nervösität zerrte an den Nerven des jungen Miles. Dies war keine Übung mehr und es ging um weitaus mehr als um eine weitere Lektion im Latrinenreinigen.
    Zu den neunen Kameraden blickend fügte er an.


    „Miles Firmicus du beziehst Stellung an der westlichen Seite der Basilica Aemilia, vor der Curia Iulia. Halte Blickkontakt zu Miles Nepos und seinem Kameraden. Miles Epulo und ich werden nochmals den Weg von der Curia Iulia zur Basilica Aemilia abgehen uns dann zur Basilica Aemilia wenden, die Bibliotheca umrunden, am Forum Pacis entlang, ebenso am Forum Iulium entlang wieder zu Curia Iulia gehen. Sollten wir nichts finden und ihr nichts Verdächtiges sehen, ziehen wir den Kreis zusammen und gehen noch mal systematisch durch die Menge. Wir finden diesen Kerl. Seid vorsichtig. Dieser Mann kennt keine Skrupel. “

    Hätte das Lächeln nicht bereits fest Besitz von Constantius Gesicht ergriffen, hätte er einmal mehr bei Livillas Worten lächeln müssen. Ja er erinnerte sich nur zu gut an Zeiten, wo er als kleiner Junge in die dunkelsten Ecken und Nischen der Casa in Hispania gekrochen war, um wundersame Entdeckungen zu machen, große Abenteuer in verborgenen Welten zu bestehen oder einer arglosen erwachsenen Person einen gehörigen Schreck einzujagen, wenn er laut rufend, vom Staub und Dreck unkenntlich gemacht, aus der Dunkelheit auftauchte. Und nur zu oft hatte er jedem der es hören oder nicht hören wollte von den vielen Räumen erzählt, die sich ebenso im Hause befanden und nur er kannte. Doch das was er mit leuchtenden Augen und sich überschlagender Stimme vortrug, sollte stets nur bei Helena und wenn sie anwesend war, bei Livilla ebenso eine Begeisterung auslösen. – Jedenfalls war er sicher, dass sie ebenso begeistert waren wie er. Wie konnten sie auch nicht, wenn er ihnen erzählte, wie er eine geheime Höhle hinter der Wand im Keller gefunden hatte, in der es vor kleinen Käfern nur so wimmelte. –
    Sicherlich hatte die Casa der Iulier in Rom ebensolche vergessenen, dunklen Räume, doch bisher scheiterten derartige Erkundungsversuche daran, dass er inzwischen einfach zu groß dafür war, um sich durch enge Löcher zu quetschen. – Und nicht am reiferen Geist, wie man vermeintlich vermuten könnte –
    Leise sprach und nickte er zu Livilla „Gerne zeige ich dir die Casa nachher. Sie ist wirklich sehenswert.“


    Um dann nochmals, die Worte seiner Schwester unterstreichend, auf die Sitzbank zu deuten.


    „Es wäre wunderbar, wenn wir alle gemeinsam Rom und vielleicht Ostia besichtigen könnten. Allerdings wird es schwierig zu erklären sein, warum ein Miles der cohortes urbanae der Stadt Rom in Ostia eine Gruppe von Menschen bewachen muss. Aber nach Dienstschluss finde ich eine Gelegenheit nach Ostia nachzukommen“


    Constantius rief derweil nach einer Dienerin, die Wünsche der Gäste sollten so schnell wie möglich erfüllt werden, wenn sie ihre Wünsche äußerten.

    Das rhythmische Scheppern der Ausrüstung kündigte die sich im Laufschritt nähernden Miles schon recht früh an. Seinen Kameraden folgend reihte sich Constantius in die Formation der Soldaten ein und straffte seine Haltung und korrigierte vorsichtshalber noch den Sitz seines Helmes. In Gedanken ging er noch einmal seine Ausrüstung durch. Hatte er alles dabei? Nichts in der Eile vielleicht vergessen?
    Das Gewicht des Scutums, das an seine Hüfte drückende Gladius und der unbequeme Sitz des Helmes sollten ihm zumindest mitteilen, dass er das Wichtigste wohl dabei hatte. Gespannt blickte er nach vorne, die Ansprache des Tribuns abwartend.

    Die eindringlichen Worte sorgten für plötzlich aufkeimende Hektik. Alle Aktivitäten einstellend, eilten die Miles zu ihrer Ausrüstung, Jede arme Seele, die ihre Rüstung kurzzeitig abgelegt hatte, sollte noch etwas mehr Druck verspüren und umso hektischer werden.


    Constantius eilte, wie seine Kameraden, durch die Unterkünfte. Ergriff seinen Helm, sein Scutum und das Pilum. Noch während er die Ausrüstungsgegenstände ordnete und an die vorgesehen Stellen beförderte, lief er im Laufschritt auf den Ausgang zu. Miles um Miles sollte ihm im Laufschritt folgen.

    "Nein, der Tribun gab seine Zustimmung, wenn ihr damit einverstanden seid. Allerdings gefiehl es ihm nicht sonderlich, dass zwei Miles gleichzeitig vom Dienst freigestellt werden."


    "Doch der eigentliche Grund ist privater Natur. Es gibt noch nicht erledigte Angelegenheiten, die mich in Rom halten und eine rechtzeitige Abreise verhindern. "

    Er fragte sich, was er unternehmen solle; ob er überhaupt etwas unternehmen wolle. Die Angst lebte in ihm.
    „Hast du viele Frauen gehabt?“, fragte Samira mit sanfter Stimme und dennoch unvermittelt. Ihr Gesicht nur einen Hauch weit entfernt, spürte er die sanften Berührungen ihres Atems, sah den sanften Schein in ihren Augen. Sie hob den Kopf leicht an, wandte ihn leicht zur Seite. Er sah, wie der warme Schein der Kerzen ihren Nasenrücken nachzeichnete, bis in die Vertiefung unter dem einem Auge reichte, auf dem hohen Wangenknochen lag, rötlich schimmernd wie Kupfer. Während ihre rechte Gesichtshälfte im Schatten lag, schien sie auf seine Antwort zu warten, beobachtete seine Augen.
    Das sanfte, scheue Lächeln sollte ihr als Antwort genügen. Ihre Finger strichen über seine Brust, zupften an den winzigen Knötchen in dem Stoff seiner Tunika wie die Finger eines Musikers an den Saiten einer Harfe.
    Einem sanften, fast liebevollen Kuss auf seine Wange gebend, sollte sie leise, nicht minder liebevolle Worte folgen lassen, die vom Hauch ihres Atems getragen, sein Ohr erreichten.
    „Habe keine Angst“


    Ihr langes Haar bewegte sich sanft im Luftzug, als sie seinen Körper von dem Stoff der Tunika befreite. Verzaubert, vertrauensvoll ihren sanften Berührungen folgend, beobachtete Constantius ihre Augen, sah, wie deren Farbe von Braun ins Schwarze überzugehen schien, während sich die Pupillen weiteten. Er fühlte die Spannung in seinem Körper, war seiner eigenen Kräfte nicht mehr sicher, spürte einen Hauch von Furcht, die wie eine Feder über sein Rückgrat strich. Er spürte die Nähe ihrer Hand, war hypnotisiert von ihren Augen, diesen glühenden, magnetischen Punkten. Er fühlte die Erregung in sich aufsteigen.
    Dann berührten ihre Fingerspitzen die Muskeln seines Armes, ihre Finger krümmten sich um seinen Bizeps, fest, ohne zu drücken. Diese einfache Geste übertrug soviel, wirkte, als habe sie sie nie zuvor gemacht. Nie war ihm solches geschehen. Seine Beine beginnen zu zittern, ein Seufzer stieg in seinem Inneren auf. Er nahm sie behutsam in die Arme und war ganz sicher, dass sie leise aufschrie – ein winziger Ausbruch erotischen Gefühls.
    Seine Lippen legten sich auf die Ihren. Sofort öffnete ihr Mund sich unter dem Seinen, und er fühlte, als sie sich mit ihrem ganzen Körper an ihn schmiegte, die Glut in den Wölbungen ihrer Brüste, ihrem Leib und dem Delta ihrer Schenkel. Im Feuer der Leidenschaft liebkoste das Paar sich mit sanften Küssen, tauschte sanften Berührungen aus.
    Er spürte das letzte Aufflackern der Angst wie einen müden Seufzer. Sie sanken tiefer und tiefer, wanden sich, bebten vor Erwartung, bis sie übereinander lagen. Sie hob sich ihm entgegen….


    Hoch am Himmel schien der Mond, warf sein Licht durch das geöffnete Fenster. Schwarze Schatten strichen darüber, wenn der Wind durch die Äste der hohen Pinie fuhr, die einem Wächter gleich vor dem Fenster stand.
    Constantius lag mit geöffenten Augen wach. Er bewegte sich nicht
    Das Feuer der Leidenschaft war nun nicht mehr als eine warme Glut, die angenehm sein Inneres erwärmte. Betrachtete stumm die Frau, die so friedlich neben ihm schlief. Ihre Augen lagen in einem tiefen Schatten, das lange blauschwarze Haar schien einen leichten Schimmer wie aus Platin zu tragen. Er vermeinte, ihren ganzen Körper zu sehen, vernehmen zu können, im Rhythmus seines Blutes. Er war sich ihrer so stark bewusst, dass ihn seine Gedanken schmerzten. Gedanken daran, dass sie nur diese Nacht hier liegen würde, und nur hier war weil man sie dafür bezahlt hatte.
    Den Gedanken in eine stille Kammer seines Bewusstsein einschließend, ergriff er ihre Hand. Behutsam, ihren Schlaf nicht störend. Und sollte noch lange neben ihr liegen, still, mit geöffneten Augen, bis die ersten Strahlen der Sonne die Nacht vertrieben.
    Wortlos sollte er den Raum verlassen, während sie immer noch schlief, lediglich einen Beutel hinterlassend, gefüllt mit der Hälfte seines kläglichen Soldes. Was wäre sonst wohl die richtige Verabschiedung gewesen? Ein schmerzendes „Ich werde euch vermissen“? Ein „Ich danke euch“, dass nicht einmal den Hauch dessen Ausdrückte, was er empfand? Worte…Worte waren einfach nicht ausreichend um Gefühlen und Gedanken Ausdruck zu verleihen

    Constantius offenbarte ein verlegenes Lächeln als ihm sein Onkel auf de Schulter klopfte. Obwohl Constantius inzwischen zu einem kräftigen Mann herangereift war, wirkte er in diesem Moment wie der kleine Junge, der sich, vom Dreck der Felder beschmutzt, an den Essenstisch schlich und die versammelte Familie mit einem entschuldigendem Lächeln begrüßte, statt zuvor rechtzeitig bei der Begrüßungszeremonie anwesend zu sein.


    „Ich bemühe mich, Patruus Numerianus. Habe ich doch in Vater und dir besonders eindrucksvolle Vorbilder.“


    Die Worte seiner Cousine nahm er sehr dankbar entgegen, doch nicht minder verlegen lächelnd.
    „Oh Livilla, ein einfacher Miles der cohortes urbanae ist nicht sonderlich begehrt. Jedenfalls so lange nicht, bis ein Taschendieb ein paar gute Bürger um ein paar Sesterzen erleichtert hat. Aber ich bin mir sicher, solltest du eine Weile hier in Rom bleiben, wird dir Rom erliegen. Dem Charme der anmutigen Iulerinnen kann die ewige Stadt nichts entgegen setzen.“


    „Und solltet ihr einen Führer durch Rom benötigen, inzwischen finde ich meistens den richtigen Weg. Gerne würde ich euch führen. Doch muß ich gestehen, dass Helena sich noch immer noch besser zu Recht findet. Zudem übersteigt ihr Wissen das Meine bei weitem.“


    Constantius bemühte sich seinen Redeschwall zu stoppen und stellte sich lächelnd neben Helena. Die kleine Familienzusammenkunft schien ihn sichtlich zu erfreuen.

    Nachdenklich wirkte Constantius, als er die Worte seines Gegenübers vernahm. Es hätte gewiss kaum noch Sinn gehabt sich um einen aufgeschlossenen, lächelnden Gesichtsausdruck zu bemühen. Diese nicht sehr wirkungsvolle Tarnung war bereits einmal durchschaut worden.


    Ja der junge Iulier misstraute Sulla. Sah keine ehrwürdigen Motive in den Augen des Mannes, der seine Schwester in ihrem eigenen Haus anstarrte wie eine Lupa. Wie konnte dieser Mann von Hoffnungen sprechen, wenn er doch Helana kaum kannte. War es nur ihr reizendes Antlitz, ihr Leib den ehr so hoffnungsvoll begehrte und sich bald der nächsten zuwenden würde, hätte er erst seine Hoffnung befriedigt. Oh gewiss würde er sterben, sollte er Helena verletzten. Doch dazu würde es keines göttlichen Urteils bedürfen, keines noch so ehrenvoll geheuchelten Selbstmordes. Nein es würde sein Schwert sein, Constantius’ Gladius, dass jede noch so kleine Wunde in Helenas Seele mit tödlichen Wunden rächen würde.


    Fast eindringlich fixierte der junge Iulier Sulla. Ließ seinen Blick einen Moment sich mit dem Blick des Eques messen.


    „Nur Mein Vater kann dir die Erlaubnis gewähren um Helena werben zu dürfen. Und gewiss seid ihr gerne als Gast in unserem Haus gesehen. Doch so lange mein Vater seine Zustimmung nicht erteilt, wirst du Helena nicht zu Nahe treten. Ich werde dein Handeln und deine Taten beobachten. Sehr genau sogar. So wie du es gewünscht hast. Und ich werde mir mein Urteil bilden.“


    Constantius leerte seinen Weinkelch in einem Zug und stellte ihn sachte, fast behutsam auf dem Tisch wieder ab.


    „Helena ist das Juwel unserer Familie. Sollte ihr Glanz aufgrund eines zugefügten Schmerzes auch nur ermatten, wird kein Gebet und kein göttliches Eingreifen, demjenigen, der ihr Schmerz zufügte, helfen können.“


    Der ernste, sehr intensive Blick lockerte sich auf und ein diplomatisches Lächeln ersetzte den warnenden Gesichtsausdruck.


    „Aber du sagtest ja, dass du ihr niemals Schmerz zufügen willst. Du musst mich entschuldigen, der Dienst eines einfachen Miles beginnt bald wieder und ich habe noch ein paar dringende Sachen vorher zu erledigen“


    Ja das hatte er, er musste Vater unbedingt eine Nachricht zukommen lassen. Und er würde noch mal mit Helena reden müssen….Tradition hin oder her..ihr Glück war ihm nur wichtig. Ihre Entscheidung wäre alles, was für den jüngeren Bruder zählen würde. Nie würde er sie so unglücklich wie einst ziehen lassen.

    Zügig klopfte Constantius an die Tür und trat ein, als ein lautes "Herein" ertönte.


    "Salve, Princeps Prior2
    Die Worte waren zackig und geübt vorgetragen worden.


    " Miles Caius Iulius Constantius meldet sich nochmals in einer persönlichen Angelegenheit!"


    Constantius legte eine kurze Atempause ein.


    "Ich ziehe mein Gesuch um Freistellung vom Dienst zurück, Princeps Prior. Ich werde nicht nach Germanien aufbrechen und dafür in Rom verbleiben und der Cohortes Urbane zur Verfügung stehen!"

    Für einen Moment schien die Überraschung über die herzliche Umarmung Constantius zu lähmen, ließ seinen Redefluss für den Bruchteil eines Momentes versiegen. Doch es sollte tatsächlich nur der Bruchteil eines Momentes sein, ehe er die herzliche Umarmung ebenso freudig und herzlich erwiderte. Mit einem glücklichen, aufrichten Lächeln blickte er Livilla an.
    „Wie lange ist es nun her? Damals warst du noch so groß.“
    Seinen ungenauen Worten sollte ein in Bauchhöhe gehobener, gestreckter Arm eine genauere Größenangabe verleihen.


    „Und ich war wohl damals nicht viel größer“, fügte er lächelnd an.
    „Es ist schön dich zu sehen. Aus dem kleinen Engel von damals ist eine wunderschöne Iulierin geworden.“


    Constantius führte die beiden Besucher in die ordentliche, wenn auch eher rustikal eingerichtete Casa.


    „Helena wird sicherlich im Innenhof sein. Sie wird ebenso erfreut sein wie ich und bestimmt auch annähernd so viele Fragen haben.“


    Das glückliche Lächeln wollte auch nicht aus seinem Gesicht weichen, als sie den Innenhof erreicht hatten.

    Wo sonst der Ianitor Wonga die Tür öffnete und mit seiner recht eindrucksvollen Körpergröße die meisten Hausierer und Bettler bereits vertrieb, bevor diese ein Wort sprachen, sollte am heutigen der junge Constantius zur Tür eilen. Mit schnellem, beschwingtem Schritt bahnte er sich seinen Weg durch die Casa.


    „Ich öffne schon die Tür, Wonga. Ich bin gerade sowieso in der Nähe“, rief er dem Türsklaven Wonga bereits aus einiger Entfernung zu. Was allerdings nur dazu führte, dass Wonga mehrmals seine Entfernung durch nachdenkliche Blicke zur Eingangspforte überprüfte. Irgendwas stimmte nicht an den Worten des jungen Herrn. Sie konnten einfach nicht stimmen. Immerhin hätte Wonga nur noch seinen Arm ausstrecken müssen, um die Tür zu öffnen. Doch als es ihn die Erkenntnis endlich erreicht hatte und er völlig davon überzeugt war, dass er der Tür näher war, hatte Constantius die Tür erreicht und zog diese schwungvoll, lächelnd auf.


    Sein Lächeln sollte bei dem Anblick der Besucher noch an Intensität gewinnen. Gewiss mochte es eine lange Zeit her gewesen sein, dass er seinen Onkel und seine Cousine das letzte Mal gesehen hatte, doch wenigstens seinen Onkel sollte er sofort wieder erkennen.


    „Oh welch Freude. Patruus Numerianuns und..“, sein Blick legte sich fröhlich auf Livilla.


    „Livilla. Bist du es?“


    „Kommt doch herein! Was für eine Überraschung. Was für eine Freude. Was führt euch nach Rom? Wünscht ihr etwas zu trinken? Seid ihr hungrig? Oh Helena wird sich freuen euch zu sehen!“


    Die Worte sprudelten förmlich aus Constantius heraus, ganz entgegen seiner eigentlich schweigsamen Natur.

    Constantius öffnete die Tür und trat ein.


    In einer zackigen, geübten Bewegung führte er die rechte Hand zur linken Brust und salutierte.


    "Salve, Tribun. Miles Caius Iulius Constantius meldet sich in einer persönlichen Angelegenheit!"


    Nachdem er die einstudierten Worte mit lauter Stimme vorgetragen hatte, sollte die Stimme etwas an Kraft verlieren, als er anfügte:


    "Ich bitte um eine kurzzeitige Freistellung vom Dienst, um der Hochzeit von Maximus Decimus Meridius und meiner Cousine Iulia Severa in Germanien beiwohnen zu können."


    Abwartend legte sich sein Blick auf den Tribun.