Die Schwärze der Nacht durchflutete die Gassen Roms. Tauchte die Fassaden prächtiger Häuser und einfacher Mietskasernen in ein einfaches, einheitliches, vereinendes Grau.
Es war still. Ungewöhnlich still. Wo selbst in der Nacht noch das pulsierende Leben der ewigen Stadt zwar gedämpft aber dennoch zu vernehmen war, zeichnete sich diese Nacht durch die vollkommene Abwesenheit von Geräuschen aus.
Ebenso fehlte es auf den Straßen, in den Gassen, in den Schatten an Bewegungen. Wo sonst sich eifrig jene bewegten, die das Tageslicht mieden, regte sich weder Mensch noch Tier.
Ein Mann, jung, von athletischer Figur, voller Stolz die Uniform der cohortes urbanae tragend, wartete still, regungslos, vor einer Tür eines Hauses, dessen Fassade vom Ruhm vergangener Tage kündete. Auch ihn hatte die Schwärze der Nacht fast gänzlich in ein Farbenmeer aus gräulichen Farbtönen gehüllt, hätte sich nicht das helle, warme Braun seiner Augen dieser Farbdoktrin entzogen.
Lautlos öffnete sich die Eingangstür des Hauses, ließ die Umrisse zweier Frauen im inneren des Hauses erahnen. Wie dunkle Schatten zeichneten sie sich vor dem noch dunkleren Hintergrund ab. Es war unmöglich für den jungen Mann die Gesichter der Frauen zu erkennen, doch erschienen die Umrisse der Frauen bekannt, oder sogar vertraut.
Die Umrisse lösten sich von dem dunklen Hintergrund und traten vor die Tür. Trotz der beängstigenden Abwesenheit jeglicher Lichtquellen, waren die beiden Frauen plötzlich für den jungen Mann deutlich erkennbar. Die eine, von liebreizender Statur, von göttlicher Schönheit, mit einem vertrauten, warmen Lächeln gesegnet und dennoch unbekannt. Die andere wohl vertraut, nicht minder warm lächelnd.
„Helena!“
Obwohl der junge Mann seinen Mund nur zu einem Lächeln geformt hatte, klang der Name seiner Schwester von den Fassaden der Häuser wieder. Er wollte auf sie zugehen, wollte zurück in das Haus kehren, dass sein eigenes Heim war. Das Heim des jüngeren Bruders. Doch etwas hinderte seinen Gang, hielt ihn an Ort und Stelle gebunden, Der junge Iulier spürte den schwachen Druck einer Hand auf seiner linken Schulter und wendete den Blick.
Ein Centurio der Legion hatte seine kräftige Hand auf die Schulter des Probatus gelegt. Ein Centurio, gezeichnet vom Krieg mit unzähligen Narben, noch halb in der Dunkelheit verborgen hielt Constantius zurück.
Noch verwirrter sollten die Augen des jungen Iulier erstrahlen, als er eine sanfte Berührung an seiner Wange spürte. Jene Unbekannte und doch so vertraute Frau strich mit ihrer hand über seine Wange. Wie es wohl eine Mutter bei einem Kind machte, um ihn jegliche Angst zu nehmen. Die Wärme der Hand drang in sein Inneres und bannte kurzzeitig jeden Schmerz und jede Furcht. Als er den Blick wieder nach vorne wendete, blickte er in leuchtende blaue Augen, die voller Liebe und Gutmütigkeit erstrahlten.
Kein Wort wurde gesprochen, kein Mund öffnete sich und dennoch vernahm Constantius die Worte so klar und deutlich,
„…kein Kummer…keine Sorgen sie wird nicht in Gram vergehen…“
Die Worte waren noch nicht verklungen, als sich beide Frauen, warm lächelnd umwandten und zurück in die prunkvolle Casa gingen.
Constantius stemmte sich gegen den Griff, der ihn so eisern festhielt. Doch alles was er zu erreichen vermochte, war, dass sich der Griff des Centurio verstärkte. Wütend, aufgebracht drehte sich Constantius auf der Stelle um, wollte sich losreißen, den Unbekannten anbrüllen. Mit flammenden Blick starrte er in das Gesicht seines Wächters. Ein Gesicht, dass scheinbar unzählige Schlachten gesehen hatte, dass von Leid und Kummer zeugte und dennoch braune, warm leuchtende Augen besaß. Seine Augen. Constantius blickte in seine eigenen Augen.
„PROBATI. ANTRETEN!“
Der morgendliche Weckruf riß Constantius aus dem Schlaf. Die Erinnerung an einen merkwürdigen Traum verblasste recht schnell und hinterließ nur Fragmente in seinem Bewusstsein. Fragmente, die ihn nun überzeugten, dass er bei Princeps Prior Sura vorsprechen würde. Vielleicht wäre ein Besuch in Germanien, ein Besuch bei seiner Familie, bei seinem Vater im Moment die richtige Entscheidung.