Beiträge von Caius Iulius Constantius

    Wenn Helena wüsste was er in den letzten Wochen hatte alles putzen müssen, was normalerweise Sklaven machten. Er wollte nicht einmal darüber nachdenken was für einen Blick sie daraufhin offenbaren würde.
    Sicherlich hätte er noch viele Gedanken an dieses unangenehme Thema verschwenden können, doch die folgenden Worte sollten weitaus interessanter, merkwürdiger und geheimnisvoller erscheinen.


    Constantius bildete sich ein, seine Schwester fast so gut zu kennen, wie sein eigenes Selbst, Doch ihre Worte, ihr Verhalten stimmten ihn nachdenklich. Obwohl sie von einem Geschenk sprach, erweckte sie einen Eindruck der Unsicherheit. Etwas schien sie zu bedrücken, ja fast unangenehm zu sein. Und welch Geschenk sollte es sein? Was sollte Entspannung bringen und Türen öffnen? Den Gedanken an einen Besuch in den Thermen verwarf der jüngere Bruder recht schnell. Immerhin sollte es ja bereits geliefert worden sein und sich im Hause befinden. Und den schnellen Bau eines weiteren Bades in der Casa hätte selbst er bemerken müssen.


    Still ruhte der Blick für einen Moment auf Helena. Abwägend, ob ein „Ich brauche wirklich kein Geschenk“ die schwierige, merkwürdige Situation lösen könnte. Irgendetwas ließ Constantius diesen Gedanken recht schnell beiseite schieben. So würde er die Situation nicht lösen können. Statdessen schenkte er ihr ein warmes Lächeln und nickte darauf.


    „Gerne folge ich dir Helena. Aber es wäre wirklich kein Geschenk notwendig gewesen“


    Die Neugier in dem jungen Mann begann aufzulodern

    Aus einer wohl gewählten Entfernung - nicht zu nah, um nicht direkt in der Menge der Leute zu stehen, und nicht zu weit entfert, um die Worte noch hören zu können- verfolgte ein junger Miles der chortes urbanae das Geschehen. Ein heiteres Lächeln zierte seine Lippen, wenn er hier und dort eine wohlbekannte Stimme vernahm. .


    Er sollte noch einen Moment an Ort und Stelle stehen bleiben und die sich auflösende Menge beobachten.

    Die letzten Tage und Wochen waren nicht spurlos an Constantius vorbei gegangen. Ein Ausbilder würde es sicherlich mit den Worten umschreiben. „Geist und Körper wurden geformt und auf den Kampf vorbereitet. Aus einem Burschen ist ein Mann geworden.“. Es ist wohl ein glücklicher Umstand, dass die betreffenden Rekruten, nach der Grundausbildung ihre Erfahrungen und ihren Werdegang nicht derart umschreiben müssen. Sicherlich würden dann diese martialischen Worte einiges an positiver Intention einbüßen und sehr ausdruckstarken, wenn auch nicht sehr höflichen Worten weichen.


    Constantius füllte sich matt, erschlagen. Die Abschlussprüfung hatte seinem Körper einen hohen Tribut an Kraft und Schweiß gekostet. Ganz zu schweigen, von den blauen Flecken und erwähnenswerten Schürfwunden, die der staubige Boden dem Rekruten mitgab. Das obligatorische Bad in den Thermen hatte zwar den Dreck und den Schmerz fortgespült, doch nicht die Müdigkeit. Eine Müdigkeit, die der junge Iulier mit einem kurzen Nickerchen – oder wie er es nannte: „Ein kurzes Erholungsliegen“ – bekämpfen.


    Als es schließlich an der Tür klopfte und die Stimme Helenas zu vernehmen war, richtete sich Constantius ruckartig auf. Was er wiederum mit einem kurzen Schwindelgefühl bezahlen musste. Binnen Sekunden hatte er sich soweit wie möglich von der Liege entfernt und ging in einem kleinen Bogen zur Türe. Unschuldig und kaum verschlafen wirkend, blickte er in das Gesicht seiner Schwester.


    „Wobei kann ich dir helfen, Helena? Natürlich habe ich einen Moment Zeit. Immerhin habe ich nur meine Stiefel geputzt, Das kann ich später weitermachen.“

    Der Umstand, dass Constantius ebenfalls bei einem der Tribune vorsprechen sollte, hinterließ ein flaues Gefühl in der Magengegend bei Constantius. Der junge Miles machte sich dennoch auf den Weg. Im Grunde hatte er immerhin die Wahl welchnen Tribun er aufsuchen sollte. Und, nach den Erlebnissen beim Säubern der Latrinen, war die Wahl eigentlich nicht sonderlich schwer.
    Umso verwunderter blickte Constantius auf die Tür des Officium des Tribuns Dragonum. Wollte er dieser Tür eigentlich nicht ausweichen? Wollte er hier gerade nicht vorsprechen?


    Der jung eMiles seufzte


    Jetzt war er schon hier. Also konnte er sich auch in die Höhle des Drachens wagen. Constantius klopfte an.

    Constantius nickte verstehend.


    "So werde ich mich ebenfalls beim Tribun melden.Habt Dank. Princeps Prior!"


    Eigentlich wäre nun der passende Moment zum Abtreten gekommen, doch Constantius zögerte noch einen Moment.


    "Princeps Prior,....erlaubt mir noch eine Frage. Wird es gestattet sein, dass ich mein Gladius zum Schutze auf der Reise durch Germanien mit mir führe?"

    Das freundliche Lächeln schien für einen Moment zu entgleisen. War er so leicht zu durchschauen gewesen? Oder hatte sie ihr Bruder bereits von dem Vorfall in der Casa unterrichtet? Vermochte er immer noch nicht seine wahren Gefühle zu verbergen? War es immer noch so offensichtlich wie in den Tagen seiner Jugend, als man in seinem Gesicht lesen konnte wie in einem offenen Buch? Oder war es ein raffinierter Schachzug gewesen, um ihn zu testen? Wenn ja, dann hatte sie wohl ihr Ziel erreicht.


    Auch als das Lächeln auf das Gesicht des jungen Mannes zurückkehrte, wirkte es nicht mehr so unbeschwert wie noch einige Momente zuvor.


    Ich weiß nichts von einer Heirat zwischen den beiden. Steht denn eine solche zur Debatte?“


    Scheinbar waren seine Vermutungen nicht unbegründet gewesen, die aufkeimten, als er damals den Brief seines Vaters erhalten und gelesen hatte. Erneut brandete das Bedürfnis in Constantius auf, seine Hand vor Zorn zur Faust zu ballen. Doch er widerstand diesem inneren Drang. Fraglich war jedoch, ob er diesem Drang auch widerstanden hätte, wäre die Frage von Sulla selbst gestellt worden.


    „Immerhin war dein Bruder nur einmal in unserem Haus. Und da äußerte er nichts dergleichen.“


    Auch wenn die Stimme des Iuliers ruhig und beherrscht klang, so fügte er in Gedanken seinen besonnenen, laut ausgesprochenen Worten mit zornigen Gefühlen an:


    „Dafür hat er sie angestarrt. Mit den Augen fast ausgezogen....

    Constantius öffnete dir Tür des Officium und trat ein. Nachdem er die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, salutierte er vor dem Princeps Prior.


    „Salve, Princeps Prior!“


    Nachdem die Begrüßungsworte verklungen waren, fügte er an:


    „Ich melde mich wegen einer persönlichen Angelegenheit. Es handelt sich um die Hochzeit von Maximus Decimus Meridius
    und Iulia Severa, meiner Cousine. Diese Hochzeit findet in Germanien statt, so dass ich eine Freistellung vom Dienst anfragen wollte, um den Feierlichkeiten beiwohnen zu können.“


    Abwartend sollte der Blick des jungen Iuliers auf dem Princeps liegen, nachdem er sein Anliegen vorgetragen hatte.

    Nachdenklich und über die vergangenen Tage und Wochne sinnierend, machte sich Constantius auf den Weg zum Officium. Miles Nepos hatte ihm berichtet, er solle sich hier melden, sollte er die Hochzeitsfeierlichkeiten in Germanien besuchen wollen...


    Die Tür war erreicht. Nun bedurfte es keiner Gedanken sondern Worte.


    Constantius klopfte an die Tür.

    Mühevoll erhob sich Constantius aus dem Staub und klopfte diesen von seiner Uniform. Die Worte des Princeps lösten Gefühle der Verwunderung und der Freude zugleich aus. Er sollte es geschafft haben? Obwohl er den Staub des Exerzierplatzes nun persönlich aus nächster Nähe kannte?


    Constantius, noch immer vom Staub bedeckt, straffte seine Haltung und salutierte vor dem Princeps Prior.


    „Ich danke euch Princeps Prior Sura. Ich werde euch nicht enttäuschen!“

    Den sachten Weisungen Helenas folgend erreichte die Gruppe, bestehend aus dem Geschwisterpaar und Decius, das Trilincium.


    Lächelnd lauschte Constantius den Ausführungen des Gastes. Scheinbar war dieser wahrlich kein Mann des Schwertes und würde auch bei einem freundschaftlichen Ringkampf seine Mühe haben. Sollte Constantius das Feuer der Angst in seinem Gast schüren? Ihm von möglichen Verletzungen berichten? Von den möglichen Gefahren, die selbst ein Übungskampf beinhaltete? Hoffend, dass er so einer zusätzlichen Übungseinheit entkommen könnte? Oder sollte er diese sicherlich Unterhaltsame Begegnung wagen?


    „Sei unbesorgt. Die ersten Übungen beinhalten noch keine große Gefahr und erfordern noch nicht den Mut eines Weltherrschers. Zudem soll der Boden in den Thermen nicht annähernd so staubig und schmerzvoll sein wie der Boden in der Kaserne.“
    Ein amüsiertes Lächeln umspielte die Mundwinkel des Iuliers.


    „Außerdem versprechen die kalten Becken der Therme eine ausreichende Schmerzlinderung, sollte das Gladius einmal doch treffen. Und gegen überanstrengte Muskeln mag die Wärme der heißen Bäder wahre Wunder zu wirken.“


    Was hätte Constantius dafür gegeben, jetzt die warmen Becken der Therme aufsuchen zu können und schweigend, ohne jegliche Regung, in diesen liegen zu können.

    Erneut breitete sich der blaue, sommerliche Himmel vor den Augen des Iuliers aus. Welch schöner Anblick es hätte doch jedes Mal sein können, würde nicht stets die dumpfe Woge des Schmerzes diesem Anblick folgen. Hoffend, dass es diesmal anders ausgehen würde, wurde Constantius auch dieses Mal in den Staub geworden. Einmal mehr presste die Wucht des Falles die Luft aus den Lungen des Probatus und ließ das Blau des Himmels für einen Moment ergrauen.


    Wieder war es eine eindringliche Lektion gewesen. Eine weitere Erfahrung, die der Schmerz in seine Seele brannte und so schnell nicht wieder vergessen würde.


    Constantius ergriff die aufhelfende Hand und zog sich einmal mehr aus dem Staub auf die Beine. Ging in einem Automatismus in die Ausgangstellung und stürmte auf den Princeps Prior zu. Kraftvoll stießen die Schilde zusammen, rangen miteinander, maßen ihre Kräfte.
    Die Wucht des Ansturms des athletischen Rekruten, drängte selbst den Princeps Prior zurück, obwohl dieserr wusste, was ihn erwartete.
    Constantius ließ den Druck auf den Schild des Ausbilders versiegen und hoffte auf den gleichen Erfolg seiner Technik. Und auch wie schon zuvor, öffnete sich die Deckung und gab die verletzliche Front des Zieles preis. Ohne zu zögern, setzte er nach und stach mit dem Gladius in die sich noch bietende Blöße.


    Zwar verwunderte das vom Princeps gerufene „Gut gemacht, Probatus“ Constantius etwas, immerhin hatte er noch nicht das Ziel getroffen, doch schon bald sollte seine Verwunderung sich noch steigern. Die Hand des Princeps umschloss den Schwertarm des Rekruten und zog mit einem kraftvollen Ruck daran. Während dieser Ruck den Rekruten in seiner Vorwärtsbewegung noch beschleunigte, wich der Ausbilder zur Seite hin aus.
    Aus dem Tritt gebracht und ins Leere laufend, begann Constantius zu taumeln. Diesmal sollte ihm zwar der prachtvolle blaue Himmel erspart bleiben, doch die Wucht des Aufpralls folge dennoch. Staubige Wolken stiegen auf, als Constantius einmal mehr, doch diesmal mit der Nase im Staub landete.


    „Erkenne den Angriff deines Feindes und nutze ihn gegen ihn!“, rief der Princeps, deutlich erheitert. Schmerz…ja es musste wieder eine wichtige Lektion gewesen sein, dachte sich Constantius

    Die Zeit des Abwartens war nun zu Ende. Sein Gegner wagte den Angriff. Versuchte erneut seine Flanke zu treffen. Doch diesmal sollte diese Flanke nicht jeglicher Verteidigung entbehren.


    Das herangezogene linke Bein bewegte sich halbreisförmig nach hinten, vom Gegner weg. Drehte den Oberkörper schnell und schwungvoll mit sich und somit aus der Gefahrenzone. Die Bewegung, kontrolliert und dennoch schwungvoll, war schnell vollzogen, Das Gewicht des Körpers, vorhin noch auf dem angewinkelten rechten Bein lastend, wurde verlagert, wurde nun dem linken Bein erneut zugemutet.
    Die angreifende Klinge, vorhin noch so tödlich auf seine Flanke geführt, näherte sich und würde wohl ins Leere fahren. Dennoch erhob Constantius das rechte Bein und versetzte dem Schwertarm seines Gegners mit diesem Bein einen gezielten Tritt, der die Stoßrichtung des Angreifers abdriften ließ. Fast unbemerkt während dieses Schauspiels hatte der Iulier seine Klinge über der linken Schulter ausgeholt und ließ diese nun, während er noch auf einem Bein stand, auf den Hals seines Ausbilders herniederfahren. Es war eine kurze Bewegung, auf engen Raum ausgeführt, doch in Falle eines Falles wohl ebenso tödlich wie der Hammerschlag eines wütenden Germanen.
    Das hölzerne Gladius berührte fast den Hals des Princeps und wurde kontrolliert in seiner Bewegung gestoppt. In diesem Kampf sollte schließlich niemand ernsthaft verletzt werden.

    Defensive. Eine abwartende Kampfhaltung, eine lauernde Kampfhaltung, eine Kampfhaltung, die sich der Fehler des Angreifers bediente. Eine Kampfhaltung, die dem beobachtendem, wachsamen Geist des jungen Iuliers zwar entsprechen sollte, dem jungen temperamentvollen Geist jedoch zu wider war. Waren es nicht stets mutige Angriffe gewesen, die zu Ruhm und Sieg geführt hatten? Waren es nicht jene, die nicht zögerten auf den Feind einzustürmen, derer man sich erinnerte?


    Doch Constantius leistete dem Befehl seines Ausbilders folge und verharrte in der defensiven Position. Beobachtete seinen Gegenüber. Wartete auf einen Moment der Unachtsamkeit


    Der Princeps bewegte sich nach links, aus der direkten Angriffslinie heraus. Um seine defensive Position zu wahren, machte es der Rekrut seinem Ausbilder gleich. Es hatte jedenfalls zunächst den Anschein. Den linken Fuß führte Constantius nach außen und zog ihn gleichzeitig heran, um Spannung für einen möglichen Angriff aufzubauen. Lauernd und abwartend, standen die beiden Männer wieder in direkter Sicht voreinander. Umkreisten sich, warteten auf den richtigen Moment,

    Die Sonne glänzte gülden am blauen Himmel und ließ die Luft über den Dächern der Stadt spielerisch flimmern. Kleine weiße Wolken wurden von einem sachten Wind über die Stadt getrieben und nahmen die unterschiedlichsten Formen an. Schafe, Häuser…Constantius hätte stundenlang dem Schauspiel zuschauen können. Doch der dumpfe Schmerz, als er unsanft in den Staub fiel, sollte ihn recht schnell und unsanft in die Wirklichkeit zurückholen. Die Wucht des Aufpralls, ausgestattet mit der Energie seines eigenen Körpergewichtes, presste die Luft aus den Lungen des Probati. Was immer gerade geschehen war, es musste sehr schnell geschehen sein. Und würde man ihm später erzählen, dass der Princeps, dem Donnergott gleich, Blitze geschleudert hätte, so hätte Constantius wohl auch dieser Erklärung eine gewisse Möglichkeit eingeräumt.


    „Im Krieg sind alle Mittel erlaubt."


    Diese Worte und die dargebotene helfende Hand, die in seinem Gesichtsfeld auftauchte, vertrieben jegliche detektivischen Gedanken.


    Dankbar für die Hilfe, ergriff der junge Rekrut die helfende Hand und zog sich wieder auf die Beine. Eine schmerzvolle Lektion. Eine Lektion, die er nun ebenfalls nicht mehr vergessen würde. Würden alle kommenden wichtigen Lektionen so schmerzhaft sein?


    Einen Schritt zurück machend, begab sich Constantius wieder in Kampfposition. Das Gladius vor seiner eigenen Körpermitte haltend, nahm er weder eine zu offensive, noch zu defensive Position ein.


    „Ich werde es mir merken. Princeps Prior!“



    Sim-Off:

    Oh von mir aus können wir das gerne noch ne Weile weitermachen :)

    Die Schwärze der Nacht durchflutete die Gassen Roms. Tauchte die Fassaden prächtiger Häuser und einfacher Mietskasernen in ein einfaches, einheitliches, vereinendes Grau.
    Es war still. Ungewöhnlich still. Wo selbst in der Nacht noch das pulsierende Leben der ewigen Stadt zwar gedämpft aber dennoch zu vernehmen war, zeichnete sich diese Nacht durch die vollkommene Abwesenheit von Geräuschen aus.
    Ebenso fehlte es auf den Straßen, in den Gassen, in den Schatten an Bewegungen. Wo sonst sich eifrig jene bewegten, die das Tageslicht mieden, regte sich weder Mensch noch Tier.


    Ein Mann, jung, von athletischer Figur, voller Stolz die Uniform der cohortes urbanae tragend, wartete still, regungslos, vor einer Tür eines Hauses, dessen Fassade vom Ruhm vergangener Tage kündete. Auch ihn hatte die Schwärze der Nacht fast gänzlich in ein Farbenmeer aus gräulichen Farbtönen gehüllt, hätte sich nicht das helle, warme Braun seiner Augen dieser Farbdoktrin entzogen.


    Lautlos öffnete sich die Eingangstür des Hauses, ließ die Umrisse zweier Frauen im inneren des Hauses erahnen. Wie dunkle Schatten zeichneten sie sich vor dem noch dunkleren Hintergrund ab. Es war unmöglich für den jungen Mann die Gesichter der Frauen zu erkennen, doch erschienen die Umrisse der Frauen bekannt, oder sogar vertraut.


    Die Umrisse lösten sich von dem dunklen Hintergrund und traten vor die Tür. Trotz der beängstigenden Abwesenheit jeglicher Lichtquellen, waren die beiden Frauen plötzlich für den jungen Mann deutlich erkennbar. Die eine, von liebreizender Statur, von göttlicher Schönheit, mit einem vertrauten, warmen Lächeln gesegnet und dennoch unbekannt. Die andere wohl vertraut, nicht minder warm lächelnd.


    „Helena!“


    Obwohl der junge Mann seinen Mund nur zu einem Lächeln geformt hatte, klang der Name seiner Schwester von den Fassaden der Häuser wieder. Er wollte auf sie zugehen, wollte zurück in das Haus kehren, dass sein eigenes Heim war. Das Heim des jüngeren Bruders. Doch etwas hinderte seinen Gang, hielt ihn an Ort und Stelle gebunden, Der junge Iulier spürte den schwachen Druck einer Hand auf seiner linken Schulter und wendete den Blick.


    Ein Centurio der Legion hatte seine kräftige Hand auf die Schulter des Probatus gelegt. Ein Centurio, gezeichnet vom Krieg mit unzähligen Narben, noch halb in der Dunkelheit verborgen hielt Constantius zurück.


    Noch verwirrter sollten die Augen des jungen Iulier erstrahlen, als er eine sanfte Berührung an seiner Wange spürte. Jene Unbekannte und doch so vertraute Frau strich mit ihrer hand über seine Wange. Wie es wohl eine Mutter bei einem Kind machte, um ihn jegliche Angst zu nehmen. Die Wärme der Hand drang in sein Inneres und bannte kurzzeitig jeden Schmerz und jede Furcht. Als er den Blick wieder nach vorne wendete, blickte er in leuchtende blaue Augen, die voller Liebe und Gutmütigkeit erstrahlten.


    Kein Wort wurde gesprochen, kein Mund öffnete sich und dennoch vernahm Constantius die Worte so klar und deutlich,


    „…kein Kummer…keine Sorgen sie wird nicht in Gram vergehen…“


    Die Worte waren noch nicht verklungen, als sich beide Frauen, warm lächelnd umwandten und zurück in die prunkvolle Casa gingen.


    Constantius stemmte sich gegen den Griff, der ihn so eisern festhielt. Doch alles was er zu erreichen vermochte, war, dass sich der Griff des Centurio verstärkte. Wütend, aufgebracht drehte sich Constantius auf der Stelle um, wollte sich losreißen, den Unbekannten anbrüllen. Mit flammenden Blick starrte er in das Gesicht seines Wächters. Ein Gesicht, dass scheinbar unzählige Schlachten gesehen hatte, dass von Leid und Kummer zeugte und dennoch braune, warm leuchtende Augen besaß. Seine Augen. Constantius blickte in seine eigenen Augen.



    „PROBATI. ANTRETEN!“


    Der morgendliche Weckruf riß Constantius aus dem Schlaf. Die Erinnerung an einen merkwürdigen Traum verblasste recht schnell und hinterließ nur Fragmente in seinem Bewusstsein. Fragmente, die ihn nun überzeugten, dass er bei Princeps Prior Sura vorsprechen würde. Vielleicht wäre ein Besuch in Germanien, ein Besuch bei seiner Familie, bei seinem Vater im Moment die richtige Entscheidung.

    „Eure Worte schmeicheln mir werter Decius, doch überschätzt ihr meine Fähigkeiten mit dem Gladius. Doch wenn du es wirklich möchtest, werde ich dir gerne zeigen, wie man ein Gladius zu fassen hat..und..wie man sich nicht sofort damit selbst verletzt.“


    Der Iulier lächelte einen Moment, Eine gewisse Neugier war sehr wohl begierig zu sehen, ob die Kampfkünste des Mannes ebenso bemerkenswert waren wie seine töpferischen Fähigkeiten. Allerdings hob die Müdigkeit, die Besitz von einem jeden Muskelstrang in Constantius Körper ergriffen hatte, abwehrend beide Arme. Warum sollte er sich ein solches Training in der kurzen Entspannungszeit auch noch zumuten? Aber wenn der Valerier es wirklich wünschte, gab es wohl nun keinen Ausweg mehr. Helenas Vorschlag abzulehnen wäre eindeutig zu unhöflich gewesen. Diplomatie..Höflichkeit…was waren es doch für Geiseln der Menschheit, die einem freien Willen, doch so viel Ungewolltes aufbürden konnten.


    „Doch lasst uns nicht nur über das Kriegshandwerk reden. Immerhin soll dieser Abend ein angenehmer werden. Und gewiss möchte niemand die Geschichten hören, die ein Probati in der Kaserne erlebt. Und schon gar nicht die Geschichten, die sich so manche Probati in der Unterkunft erzählen, wenn der Princeps Prior nicht anwesend ist.“
    Die Worte hinterließen ein schelmisches Grinses auf dem Gesicht des jungen Iuliers, was sich jedoch schnell wieder zu seiner freundlichen Maske der Höflichkeit zurückentwickeln sollte.


    „Wie ich es euren Worten entnehme, erkundet ihr noch immer Rom. Habt ihr nicht immer in der ewigen Stadt gelebt? Habt ihr vielleicht sogar außerhalb von Italia gelebt? Habt ihr schon das wilde Germanien erlebt?“


    Es erwies sich oft von Vorteil, wenn man selbst nicht viele Worte verlieren wollte, einem Gast kurze Anstöße zu geben, um den Redeschwall nicht versiegen zu lassen. Und wenn er Decius nun richtig einschätzte, sollte bald ein weiterer Sturzbach an Phrasen und verzierten Sätzen folgen. Vielleicht war die Kunst des Redens ja nicht selbst zu reden, sondern die anderen möglichst viel reden zu lassen? Ein Gedanke, der den jungen Iulier sichelrich noch beschäftigen würde.

    Der Verlust des schweren Scutums gab Constantius den Vorteil seiner Beweglichkeit zurück, hinterließ ihn jedoch auch gleichzeitig ungeschützt. Es bedurfte nun wohl eines besonnenen Kampfstils, um nicht erneut ins offene Gladius zu rennen.


    Die Blicke der anwesenden Zuschauer nicht wahrnehmend, galt die völlige Aufmerksamkeit des Rekruten seinem Ausbilder. Schon einmal hatte dieser Constantius mit einem blitzschnellen Angriff fast überrumpelt und wer es sich erlaubte einen Fehler zweimal zu machen, war entweder ein glücklicher Narr oder recht schnell ein Teil einer bedeutungslosen Geschichte.


    Sein eigenes Gladius in die Stoßrichtung des Angreifers führend, wich Constantius einen kleinen Schritt zurück, um eine akzeptable Kampfdistanz herzustellen und die Sicherheit seines Standes zurück zu erhalten. In der Sekunde der höchsten Bedrohung stellte sich das hölzerne Gladius des Rekruten der Angriffswucht der angreifenden Klinge. Erneut sollten sich die Kräfte der beiden Männer messen. Doch war es nicht die Intention des Verteidigers den Angriff zu stoppen und sich der gesamten Stärke des Angreifers zu stellen, was bei der kurzen Ausholbewegung wohl göttliche Kräfte erfordert hätte. Nein vielmehr reichte es Constantius die Stoßrichtung um einige Grad abzuändern. So dass die Klinge ins Leere laufen musste. Die Kraft des athletischen Rekruten sollte dazu, den Göttern sei Dank, noch ausreichen.


    Doch Constantius sollte seine Bewegung, die an seiner rechten Flanke ihren Anfang genommen hatte, nicht stoppen. Hatte sie zwar einen Großteil ihrer Kraft verloren, als die Klingen sich vor der Körpermitte trafen, bewegte sich der Schwertarm jedoch immer noch schnell und kontrolliert zu seiner linken Flanke, während sich der nun aufgabenlose linke Arm in einer gegenläufigen Bewegung zur Körpermitte bewegte. Die Arme überkreuzten sich einen Moment lang, als die Klinge unterhalb des linken Armes den Scheitelpunkt ihrer Bewegung erreichte. Muskeln spannten sich an und rissen das Schwert in die entgegengesetzte Richtung. Mit brachialer Gewalt wurde das Gladius beschleunigt und führte eine sensenartige Halbkreisbewegung genau in Bauchhöhe des Princeps aus. Wäre die Klinge aus Stahl gewesen und nicht Holz, hätte man ihr durchaus zutrauen können den Oberkörper eines Mannes von seinen Beinen für alle Ewigkeit zu trennen. Wütend und kraftvoll zerschnitt das hölzerne Schwert die Luft und näherte sich dem Rumpf des Princeps.

    In der Tat, von der anstehenden Hochzeit hatte Constantius durch einen Brief bereits erfahren. Sicherlich hatte er aber nicht damit gerechnet dafür vom Dienst frei gestellt zu werden. Zwar war Decimus Meridius wahrlich ein bekannter Name, aber dass sein Name selbst bis in die Unterkünfte der Probati reichen würde…wer hätte dies nun denken sollen.


    Germanien. Das Land voller Wildheit und Abenteuer. Das Land in dem sein Vater weilte und ein Großteil der Familie zusammenkommen würde. Gewiss würden die Feierlichkeiten groß werden, prunkvoll und voller Menschen sein. Alles Gründe um dem Trubel fern zu bleiben. Doch so häufig waren fröhliche Feierlichkeiten in der letzten Zeit im Hause der Iulier nicht gewesen. Sollte er es nun wagen und sich entgegen seiner Abneigung größerer Feiern und Menschenmassen auf den Weg nach Germanien machen? Sollte er seinem Vater als einfacher Rekrut unter die Augen treten. Helena, deren Dienst sie nicht aus Rom fortlassen würde, alleine zurücklassen? Ja sie würde ohne ihn auskommen. Auch wenn er sich noch immer weigerte es zu akzeptieren, er wusste tief in seinem Inneren, dass sie seines Schutzes nicht wirklich bedurfte, dass er ihr keine sonderliche Hilfe war in den wenigen Stunden, die er der Kaserne fern bleiben durfte.
    Wie sollte er von seinem kläglichen Sold ein angemessenes Hochzeitgeschenk bezahlen können? Geschweige denn eine anständige Kleidung, die ihn nicht wie einen armen Probati, der er nun einmal war, erschienen ließ.


    Diese Entscheidung bedurfte noch reichlicher Überlegung. Er würde eine Nacht darüber schlafen müssen, bevor er eine Entscheidung treffen konnte. Vielleicht würden die Götter ihm einen Weg weisen.
    Nach dem Moment des Abwägens erhob Constantius die Stimme.


    „Von dieser Hochzeit habe ich erfahren. Sie erfüllt mich mit Freude und Stolz. Ich werde mich morgen bei Princeps Prior Sura melden. Ich danke für die Information!“

    Helena schien mit ihren Erzählungen über diesen Mann nicht übertreiben zu haben. Er war wirklich sehr wortgewandt. Constantius widmete seiner Schwester einen kurzen Seitenblick, Hatte er ihr amüsiertes Lächeln, als sie ihm von diesem wortgewandten Mann berichtete, doch damals noch nicht einordnen können, so dämmerte es ihm nun, was sie so erheiterte. Decius war nicht nur sehr wortgewandt sondern hörte seiner eigenen Redekunst auch scheinbar gerne und lange zu.
    Welch unterhaltsamer Abend das wohl werden würde. Ausschweifende Unterhaltungen, redselige Diskussionen, Austausch von höflichen Floskeln und bedeutungsleeren Wortphrasen. Oh welch Glück, dass er an diesem Teilhaben durfte, welch..


    Schmerz durchzuckte erneut wie eine Woge den Leib des jungen Iuliers, als dieser sein Gewicht unbedarft von einem auf den anderen Fuß verlagerte. Vom Training überlastete Muskeln, verhärtet, verspannt, verkrampft, weigerten sich, ähnlich starrem Metall, sich weiter zu bewegen. Für einen Sekundenbruchteil gelang es dem Schmerz die Maske der Unbefangenheit zu durchstoßen und sich zu offenbaren. Nicht lange, doch lange genug um einen Hauch von Ahnung zu gewähren.


    Constantius lächelte, zwang sich zum lächeln und drehte sich von Helena fort und Decius zu.
    Von einnehmender Art sollte Constantius sein? Er lernte gewiss einmal was es hieß ein Haus im Sturm mit dem Gladius einzunehmen, doch eine einnehmende Art? Nein, diese besaß Helena. Constantius erwischte sich bei dem Gedanken, wie sehr sich Decius doch von den anderen der Gens Valerius unterschied, die er bereits kennen gelernt hatte. Doch wenn man die „einnehmende Art und Wortgewandheit“ der Iulier betrachtete, hätte man Constantius wohl auch als Ausnahme seiner Familie bezeichnen müssen. Vorallem im Vergleich zu Helena. Es mussten also schmeichelnde Worte sein, bedeutungslose Worte, die eine bedeutungslose höfliche Floskel als Antwort verlangten. Oh wie er diese Worte hasste.


    „Ja es stimmt. Ich leiste meinen Dienst in der Cohortes Urbanae. Es ist wohl der passende Weg für einen Iulier, dessen Schwertarm flinker ist als seine Zunge und dessen diplomatisches Geschick hinter einem Scutum am besten aufgehoben ist.“


    Er schenkte Helena ein kurzes Lächeln. Mit seiner „einnehmenden Art“ hatte er es bisher zum Reinigen der Latrinen gebracht. Dahingegen schien die ewige Stadt vom Wesen seiner Schwester bereits eingenommen zu sein.


    „Der Kampf mit dem Gladius ist eine erlernbare Kunst. Ebenso der Wurf des Pilums. Ich übe mich noch darin. Doch denke ich, dass ich inzwischen es soweit gebracht habe, dass ich mir selbst kein Auge aussteche.“, er lächelt kurz bei seinen Worten.


    „Und du, werter Decius? Welchen Berufen, außer der Töpferkunst, geht ihr nach?“


    Welch Schande. Erst jetzt bemerkte Constantius, dass er die höfliche Antwortsfloskel vergessen hatte. Bedauerlich..doch nun war es wohl eh zu spät dafür. Constantius lächelte, wie es eben seine Art war.

    Constantius blickte nicht minder gespannt auf das dargebrachte Geschenk. War zunächst Verwunderung in seinem Gesicht zu lesen, als die drei kleineren und größeren Häufchen auf dem Tisch drapiert wurden, erschien doch ein gutmütiges Lächeln auf seinen Zügen.


    Der Mann schien sich Mühe gegeben zu haben, auch wenn seine töpferischen Fähigkeiten bei weitem nicht dem Vorhaben gerecht wurden. Es sah ungefähr so aus, wie die Figuren, die er selbst als Kind so wundervoll als Holzresten geschnitzt hatte. Damals erkannten seine Familienangehörigen die dargestellten Figuren auch erst nach langen und ausschweifenden Erklärungen. Auch wenn es Constantius in seiner Kindheit nicht gekümmert hatte, so war er sich sicher, dass es ihren Besucher kränken würde, wenn er sich sein Amüsement anmerken ließ,


    Und wer würde schon wissen, wofür diese Skulpturen noch gut waren? Immerhin machten sie einen massiven Eindruck und besaßen sicherlich vorzügliche Wurfeigenschaften. Vielleicht würde ja an einem dunklen Tag ein angreifender Barbar oder ein gar zu aufdringlicher Verehrer von Romulus oder Remus oder gar von beiden erschlagen werden?

    Mit einem gutmütigen Blick wandte sich Constantius an Decius.


    „Ich bin kein sonderlich belesener Mann. Lediglich das, was ein wahrer Römer wissen sollte, habe ich gelesen“


    – hätte man ihn in seiner Kindheit nicht dazu gezwungen, hätte er auch diese Werke nicht gelesen und stattdessen einmal mehr knöcheltief im Schlamm gestanden, wäre in den höchsten Baumwipfeln herumgeklettert oder hätte den einen oder anderen Streich ausgeheckt -


    „Ich danke dir vielmals für diese vorzügliche Arbeit. Sie wird einen besonderen Platz in meinen Räumen erhalten. Doch kann ich dir nichts Vergleichbares anbieten. Lediglich einen guten Wein und ein köstliches Essen und meine Dankbarkeit“


    Es waren eindeutig der Worte genug und Constantius rief nach einer der Dienerinnen. Rom hielt scheinbar jeden Tag neue Überraschungen bereit. Und Constantius war gespannt, was nun noch alles nach dieser ersten Überraschung folgen sollte. Jedenfalls hätte er heute Nacht in der Kaserne, anstatt nur den Geschichten seiner Kameraden zu lauschen. selbst die Gelegenheit etwas Erheiterndes zu erzählen.